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Mehr InfosExamensarbeit, 2007, 83 Seiten
Examensarbeit
1,0
1. Einleitung
2. Außerschulische Lernorte im Geographieunterricht
2.1 Was sind außerschulische Lernorte?
2.2 Welchen Kriterien sollten außerschulische Lernorte standhalten?
2.2.1 Authentizität
2.2.2 Überschaubarkeit
2.2.3 Prägnanz
2.2.4 Anmutungscharakter
2.2.5 Strukturiertheit
2.2.6 Aktivitäten
2.3 Außerschulische Lernorte im Überblick
2.4 Außerschulische Lernorte und außerschulisches Lernen
2.5 Der Besuch eines außerschulischen Lernortes in Form einer Exkursion
2.6 Planung, Durchführung und Nachbereitung von Exkursionen
2.7 Wozu Exkursionen?
2.8 Chancen und Ziele für den Geographieunterricht
3. Ausstellungen als außerschulische Lernorte
3.1 Definition: Ausstellungen und Museen
3.2 Ausstellungsgestaltung
3.3 Die historische Entwicklung von Museen
3.4 Was ist Museumspädagogik
3.5 Welche Aufgaben und Ziele verfolgt die Museumspädagogik?
3.6 Museum und Schule
3.6.1 Geographieunterricht im Museum
3.7 „Aus Vitrinen werden Knöpfe“ oder„wie sieht das Museum der Zukunft aus?“
4. Bewertung verschiedener Ausstellungen
4.1 Auswahl der Bewertungskriterien
4.2 Auswahl der Ausstellungen
4.3 Bewertung des „Multimar Wattforums“ in Tönning
4.4 Bewertung des „NordseeMuseums“ in Husum
4.5 Vergleich der Ausstellungen
5. Fazit – „Ausstellungen als außerschulische Lernorte im Geographieunterricht?“
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
Außerschulische Lernorte im Geographieunterricht bedeuteten für mich in meiner Schulzeit vor allem immer Abwechslung vom regulären Unterricht; sei es die Gesteinsbestimmung auf dem Schulhof oder das mehrtägige „Feldmess-Praktikum“ auf Hallig Hooge. An die Inhalte und Themen, die an diesen außerschulischen Lernorten behandelt wurden, kann ich mich heute noch gut erinnern. Das Aufbauen und Einstellen des Theodoliten, das Protokollieren der Messergebnisse im Team, das Auswerten und Übertragen der Ergebnisse auf eine Karte und natürlich das Kennenlernen der Hallig Hooge durch Priel-überquerungen und Einkaufsgänge auf die benachbarte Warft. All das sind außergewöhnliche Erfahrungen an einem außerschulischen Lernort, die ich sicher nicht vergessen werde. Wahrscheinlich könnte ich auch in einigen Jahren noch die Funktionsweise eines Theodoliten erklären und mit ihm meinen Garten o. ä. vermessen.
Es gab aber auch außerschulische Lernorte im Geographieunterricht, an die ich mich kaum oder gar nicht erinnern kann, nämlich Ausstellungen. So sehr ich auch in meinen Erinnerungen „krame“, ich finde keine Anhaltspunkte, die mich zu Ausstellungsbesuchen im Geographieunterricht führen. Das einzige, was mir überhaupt einfällt, ist der Besuch des „Wikingermuseums“ in Haithabu bei Schleswig, doch dieser fand während meiner Grundschulzeit und nicht im Geo-graphieunterricht der weiterführenden Schule statt.
Woran liegt es, dass ich mich nicht an Ausstellungsbesuche im Rahmen des Faches Geographie erinnere? Gab es überhaupt Exkursionen dieser Art in meinem Geographieunterricht?
Da dies nicht der Fall ist, aus welchem Grund verweigerte mein Geographielehrer diese?
Ich denke, die Antwort auf diese Fragen findet man in den Konzeptionen der Ausstellungen. Vielleicht waren die Ausstellungen, die im Rahmen eines speziellen Themas in Frage gekommen wären, nicht schülergerecht[1] konzipiert und mein Geographielehrer hat genau aus diesem Grund Ausstellungsbesuche abgelehnt und gar nicht erst mit uns durchgeführt. Doch was macht eine
„schülergerechte“ Ausstellung überhaupt aus? Ist es die Art und Weise, wie die Inhalte präsentiert werden oder ist es das Thema der Ausstellung?
Die Erkenntnis darüber, dass Ausstellungen, deren Grundaufgabe „das Ausstellen der Objekte zur Freude und Bildung der Öffentlichkeit“ (HUDSON, 1975, zit. n. TRAUB 2001, S.13) ist, in meiner Schulzeit offensichtlich ihr oberstes Ziel verfehlt haben, war ausschlaggebend für das Thema meiner Examensarbeit im Fach Geographie.
In meiner Arbeit möchte ich zunächst den Begriff „außerschulischer Lernort“ klären und die Vorteile des Lernens an außerschulischen Lernorten gegenüber dem Unterricht im Klassenzimmer aufzeigen. Dazu werde ich auch auf Exkursionen eingehen, da diese die Unterrichtsform darstellen, in der außerschulische Lernorte besucht werden. In meinen Ausführungen halte ich mich hauptsächlich an die Aussagen Birkenhauers und ergänze diese durch aktuelle Beiträge anderer Geographiedidaktiker.
Danach werde ich genauer auf Ausstellungen als außerschulische Lernorte im Geographieunterricht eingehen. Ich möchte einige theoretische Grundlagen erarbeiten und daraus anschließend Kriterien zur Bewertung von Ausstellungen ableiten. Anhand dieser Kriterien werde ich am Ende meiner Arbeit zwei ausgewählte Ausstellungen dahin gehend untersuchen, ob und gegebenenfalls warum sie sich als außerschulische Lernorte für den Geographieunterricht eignen. Als Quellen für diesen Abschnitt sind Weschenfelder Zacharias, Traub, Vieregg und andere Autoren im Bereich der Museumspädagogik zu nennen.
Vielfach sind Museen Orte von für den Geographieunterricht interessanten Ausstellungen. Museen und Ausstellungen tauchen daher im Text häufig als Begriffspaar auf, obwohl es sich streng genommen nicht um Synonyme handelt.
Die gesamte Arbeit bezieht sich auf den Geographieunterricht an weiterführenden Schulen, bzw. ab der 5. Klassenstufe.
Die wichtigsten Erkenntnisse und Erklärungen habe ich in meiner Arbeit durch farblich hinterlegte Rahmen gekennzeichnet.
„Als außerschulische Lernorte werden Einrichtungen, Anlagen und Angebote verstanden, [die sich außerhalb des Schulgebäudes befinden und] bei denen Schülerinnen und Schüler (und auch Erwachsene) Sachen und Situationen unserer Mitwelt «original» begegnen können“ (BACHMANN 2005). Außerschulische Lernorte werden in der Regel innerhalb der Unterrichtszeit aufgesucht.
Da diese Definition auf jeden beliebigen Ort außerhalb der Schule zutrifft, gäbe es also unendlich viele solcher Lernorte. Der Garten eines Schülers könnte genauso ein außerschulischer Lernort sein, wie eine Straßenkreuzung, ein Fluss oder ein Museum. Um die Anzahl der in Frage kommenden Orte einzugrenzen und für Schüler geeignete Lernorte zu finden, hat Birkenhauer einige Grundsätze zu außerschulischen Lernorten formuliert:
- Bei außerschulischen Lernorten handelt es sich um Lernorte für Schüler und Erwachsene.
- Außerschulische Lernorte müssen Möglichkeiten bieten zu
- entdeckendem Lernen,
- kreativem Lernen,
- intelligenter Freizeit,
- originaler Begegnung (hier verstanden im Sinne von H. Roth; denn dass es sich stets um unmittelbare Begegnung handeln sollte, ist eine conditio sine qua non).
- Außerschulische Lernorte müssen so gestaltet sein, dass sie
- Neugierde und Fragenwollen wecken,
- offenes Sehen bzw. ein Lernen mit allen Sinnen ermöglichen. Bei solcher Lernsituation sind die Behaltenswerte signifikant höher (vgl. BIRKENHAUER 1995, S. 9).
Um die einzelnen Forderungen BIRKENHAUERS noch einmal zu verdeutlichen, werde ich anhand des in der Einleitung genannten Beispiels der Landvermessung auf Hallig Hooge überprüfen, ob dieser außerschulische Lernort den formulierten Grundsätzen entspricht.
- BIRKENHAUER fordert, dass außerschulische Lernorte in Bezug auf das Lernen für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sein sollen. Hallig Hooge bietet für alle Alterstufen vielfältige Lernmöglichkeiten. Während jüngere Besucher[2] die Entstehung der Gezeiten oder die typischen Lebewesen des Wattenmeeres kennen lernen können, haben Erwachsene die Möglichkeit, sich z. B. mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Halligleben auseinander zu setzen.
- Ein außerschulischer Lernort soll weiterhin entdeckendes Lernen ermöglichen. „Unter entdeckendem Lernen versteht Bruner allgemein die selbstlernende Erschließung eines Wissensgebietes, wobei der Lehrer nur eine beobachtende und helfende Funktion hat“ (o. A., www.hyperlernen.de/gui/KonstLT/seite133.html). Die vier Hauptmerkmale des entdeckenden Lernens sind die Transferförderung, die Problemlöse-fähigkeit, das intuitive Lernen und die Förderung der intrinsischen Motivation (vgl. o. A. www.hyperlernen.de/gui/KonstLT/seite133.html ). Diese vier Merkmale können auf einer Hallig sehr gut umgesetzt werden. Beispielhaft kann der Transfer des theoretischen Hintergrundwissens über Ebbe und Flut auf die Beobachtung vor Ort und die Fähigkeit, das Problem der Lebensmittelbeschaffung auf einer Hallig zu lösen, genannt werden. Intuitives Lernen ist durch „Geistesblitze“ möglich, da sich bestimmte Fragen der Schüler durch eigene Beobachtungen wie von selbst beantworten und den Schülern ein „Aha-Erlebnis“ ermöglichen. Die intrinsische Motivation, dass heißt, das eigene Interesse der Schüler an den Inhalten, wird auf Hallig Hooge durch die Einzigartigkeit der Halligen gefördert. Der Lehrer kann zusätzlich bei den Schülern durch Fragen, wie
z. B. „Wo gehen die Halligkinder zur Schule?“ eine motivierende Wirkung hervorrufen, durch die neue Fragen bei den Schülern entstehen können.
- Der nächste Grundsatz BIRKENHAUERS ist die Möglichkeit zum kreativen Lernen an außerschulischen Lernorten. Kreatives Lernen meint das Einsetzten verschiedener Lernmethoden, die ein bloßes „Eintrichtern“ des Schulstoffes vermeiden sollen. Kreatives Lernen macht Schülern Spaß und hilft ihnen gelerntes Wissen nicht nur wiedergeben, sondern auch anwenden zu können (vgl. MÜNSTERER SCHÖNENBERG 2005). Das Beispiel „Hallig Hooge“ als außerschulischer Lernort bietet die Möglichkeit zu kreativem Lernen z. B. in Form von unterschiedlichen Arbeitstechniken oder der eigenständigen Informationsbeschaffung zu einem Themen-bereich. Die Vermittlung der Themen kann so auf den jeweiligen Lerntyp abgestimmt werden.
- BIRKENHAUER fordert in seinem nächsten Grundsatz, dass außer-schulische Lernorte Möglichkeiten für intelligente Freizeit bieten sollen. Das hieße auf das Beispiel bezogen, dass auf Hallig Hooge auch etwas gelernt werden sollte, ohne dass dieser Ort im Rahmen des Unterrichts aufgesucht würde. Meiner Meinung nach ist die Möglichkeit zu intelligenter Freizeit auf einer Hallig ständig gegeben. Die außergewöhnliche Umgebung, das „raue Nordseeklima“ oder die Überfahrt mit der kleinen Fähre vom Festland zur Hallig haben zur Folge, dass sich neue Erlebnisse und Erkenntnisse im Gedächtnis des Schülers verankern und er etwas gelernt hat.
- Die originale Begegnung ist, nach Meinung vieler Autoren, eines der wichtigsten Grundprinzipien außerschulischer Lernorte. KANWISCHER weist allerdings darauf hin, dass der Begriff „originale Begegnung“ auch Probleme mit sich bringt. Er schreibt, dass eine „originale Begegnung“ laut lexikalischer Definition „etwas eindeutiges ist“ (KANWISCHER 2006, S. 183), ein Gesteinsaufschluss, obwohl außerschulischer Lernort, beispiels-weise jedoch nicht. Gesteine können materielle und kulturelle Gegenstände darstellen. Es kann deshalb keine „originale Begegnung“ (eindeutige Begegnung) mit Gesteinen geben (vgl. KANWISCHER 2006, S. 184). BACHMANN, ein Vorstandsmitglied des Vereins der Museen im Kanton Bern in der Schweiz, schreibt, dass der „Unterricht an außerschulischen Lernorten wie Tierparks, Museen, Betrieben [..] eine unmittelbare Begegnung mit Erscheinungen, Objekten und Situationen unserer Mitwelt“ ermöglichen (vgl. BACHMANN 2005). Außerdem seien außerschulische Lernorte unter anderem dadurch charakterisiert, dass „wirklichkeitsnahe Begegnungen“ unterstützt würden (vgl. BACHMANN 2005). BACHMANN ersetzt den Begriff „original“ also durch „unmittelbar“ und „wirklichkeitsnah“. Ich werde im folgenden Text ebenfalls die beiden zuletzt genannten Begriffe verwenden, weil diese meiner Meinung nach sofort verständlich sind und keine begrifflichen Schwierigkeiten hervorrufen. In Bezug auf Hallig Hooge ist die wirklichkeitsnahe Begegnung von Erscheinungen, Objekten und Situationen in vielfältiger Weise möglich. Die Gezeiten, die Warften oder die Lebenssituation der Halligbewohner können in der Wirklichkeit kennen gelernt werden.
- Außerschulische Lernorte sollen nach BIRKENHAUER weiterhin so gestaltet sein, dass sie Neugierde und Fragenwollen wecken. OERTER MONTADA beschreiben „Neugierde“ als die „Aktivierung und Zuwendung zu einem Gegenstand (einer Situation) mit starkem Anreizcharakter“ (OERTER MONTADA 2002, S. 559). Der Begriff „Fragenwollen“ beinhaltet die Forderung, dass Schüler von sich aus Fragen stellen sollen. An die Zuwendung zu einem Gegenstand oder einer Situation schließt sich aus diesem Grund meiner Meinung nach das Fragenwollen an. Ein Schüler sieht z. B. eine Pferdekutsche auf Hallig Hooge und fragt sich, warum es dort keine Autos gibt.
- Außerschulische Lernorte sollen nach BIRKENHAUER abschließend ein Lernen mit allen Sinnen ermöglichen. Um zu verdeutlichen, welche Chancen das „Lernen mit allen Sinnen“ mit sich bringt, möchte ich an dieser Stelle ENGELHARDT zitieren, der 21 Jahre als Professor für die Didaktik des Sachunterrichts an der Universität Lüneburg tätig war:
„Je mehr die Sinne, und zwar alle Sinne, am Lernen beteiligt sind, desto erfolgreicher wird gelernt. Gegen das Vergessen, den großen Verschüttungen aller Erfahrungen, steht lernen mit Verstand und Gefühl. Je mehr Sinne am Lernen beteiligt sind, desto mehr verwandelt sich Lernen aus passiver Rezeption in aktive Aneignung. Die Sinne verbinden den Kopf mit dem ganzen Körper, denn sie vermitteln Lust und auch mal Schmerz und Leid, sie aktivieren Gefühle, und schließlich wird nur so das Gelernte in der Persönlichkeit verankert.“ (ENGELHARDT 1991, S. 5)
ENGELHARDT spricht in diesem Zitat von „allen Sinnen“. Ich denke, gemeint sind die fünf Sinne, die im Allgemeinen als das Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken bekannt sind.
Die Aussage, dass diese fünf Sinne den Kopf mit dem Körper verbinden, ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Gefühle, welche durch die Sinne ausgelöst werden, bleiben der betroffenen Person länger im Gedächtnis, als Bilder oder Worte. Diese Erkenntnis beruht auf einer Studie zum „Behaltwert vom Menschen“, die ich unter Punkt 2.8 näher erläutern werde.
Auf Hallig Hooge ist ein Lernen ohne die fünf Sinne fast unmöglich. Es werden
z. B. permanent Geräusche und Gerüche wahrgenommen, ohne dass diese durch die Lehrkraft beeinflusst werden können.
Hallig Hooge entspricht nach dieser genaueren Betrachtung allen Grundsätzen Birkenhauers und kann damit den außerschulischen Lernorten zugeordnet werden.
Unter 2.1 wurden Grundsätze festgelegt, welche ein außerschulischer Lernort erfüllen sollte. Doch wie muss ein außerschulischer Lernort, der diesen Grund-sätzen BIRKENHAUERS entspricht, konkret beschaffen sein? Welche Kriterien muss eine Lehrkraft bei der Auswahl eines solchen Lernortes besonders beachten?
Auch dazu stellt BIRKENHAUER einige Kriterien auf, die er als „Qualitätsmerkmale“ bezeichnet:
1. „Ein Lernort muss Authentizität besitzen, d. h. ein Phänomen (bzw. eine Gruppe von Phänomenen) muss im originalen Zusammenhang kennen gelernt werden können. Ist dies nicht möglich (z. B. Museum), ist ein solcher Zusammenhang zumindest ansatzweise herzustellen.
2. Ein Lernort muss Überschaubarkeit und Prägnanz besitzen.
3. Er muss Anmutungscharakter haben:
- aufgrund einer anregenden Vielfalt (was nicht ein Vielerlei bedeutet; ein Vielerlei würde das Qualitätskriterium Überschaubarkeit und Prägnanz nicht erfüllen);
- aufgrund des Auffälligwerdens von Merkmalen;
- aufgrund von Interessenskonflikten bei konfligierenden Nutzungs-ansprüchen.
4. Er muss eine gewisse Strukturiertheit besitzen.
5. Er muss bestimmte Aktivitäten möglich machen können:
- zum V e r g l e i c h e n mit:
- eigenen Erfahrungen,
- vorhandenem Wissen,
- Unterschieden in der Umgebung
- zum F i n d e n erster Antworten aus dem ‚Arrangement’ von Phänomenen heraus, die am Lernort erkennbar sind“ (BIRKENHAUER 1995, S. 11).
Wenn ein außerschulischer Lernort diesen Kriterien nicht vollständig entspricht, bedeutet das allerdings nicht, dass er ungeeignet ist. BIRKENHAUER formuliert dazu folgendes:
„Je mehr ein außerschulischer Lernort den Kriterien entspricht, desto geeigneter ist er“ (BIRKENHAUER 1995, S. 11).
Da einige der genannten Qualitätsmerkmale meiner Meinung nach sehr komplex sind und unterschiedliche Auffassungen der Begrifflichkeiten möglich sind, ist es notwendig die Kriterien noch einmal genauer „unter die Lupe“ zu nehmen. Dazu werde ich die Qualitätsmerkmale Birkenhauers unter den einzelnen Überschriften näher erläutern.
Das Wort „Authentizität“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „Glaubwürdigkeit“ oder „Echtheit“ (DUDEN, Synonymwörterbuch 2006, S. 164). In Bezug auf außerschulische Lernorte spricht Birkenhauer wie oben erwähnt von Phänomenen, die im „originalen Zusammenhang“ kennen gelernt werden sollen. Ein außerschulischer Lernort soll also offensichtlich „echt“ und „glaubwürdig“ sein.
Doch was bedeutet das, ein „echter Lernort“? Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der „wirklichkeitsnahen Begegnung“, der im vorherigen Kapitel beschrieben wurde (vgl. S. 5)? Ist „wirklichkeitsnahe Begegnung“ nicht nur an einem „echten Lernort“ möglich?
In einem Artikel von BIRKENHAUER KESTLER wird die Authentizität als wesentliches Merkmal von Geopunkten erwähnt. Die Autoren schreiben, dass die Authentizität „die ‚originale’ Begegnung möglich werden lässt“ (BIRKENHAUER KESTLER 2006, S. 148). Zusammenfassend kann also nur an einem „glaubwürdigen“ oder „echten“ (authentischen) Lernort eine „wirklichkeitsnahe Begegnung“ mit Erscheinungen, Objekten und Situationen stattfinden. Meiner Meinung nach müsste das Kriterium der „Authentizität“ dann aber als Grundsatz außerschulischer Lernorte gelten und nicht als zusätzliches Qualitätsmerkmal. Schließlich ist die Authentizität eines Lernortes die Voraussetzung für eine „wirklichkeitsnahe Begegnung“ und nicht andersrum.
Die Überschaubarkeit eines außerschulischen Lernortes ist besonders für jüngere Schüler wichtig. Den Grund dafür erläutert BIRKENHAUER in seinem Text zur „Wahrnehmung von Raum und Landschaft bei Kindern und Jugendlichen“. Jüngeren Kindern (ca. 5. – 9. Klasse) ist es demnach nicht oder nur schwer möglich, einen größeren räumlichen Ausschnitt, sei es auf einer Karte oder im Gelände zu überblicken (BIRKENHAUER 2004, S. 58). Einerseits ist es aufgrund dieser Tatsache meiner Meinung nach umso wichtiger, dass ein außerschulischer Lernort überschaubare Strukturen aufweist (siehe auch 2.2.5). Die Schüler der genannten Altersstufen hätten sonst große Schwierigkeiten, den außerschulischen Lernort zu überblicken und als Gesamtbild wahrzunehmen. Andererseits muss ein außerschulischer Lernort eventuell nicht immer als Gesamtbild betrachtet werden. Es könnten genauso gut einzelne Details oder Ausschnitte des Lernortes wichtig sein. In diesem Fall muss das Kriterium der Überschaubarkeit meiner Meinung nach nicht ganz so ernst genommen werden.
Prägnanz wird im Synonymwörterbuch als „Exaktheit“ oder „Genauigkeit“ definiert (DUDEN, Synonymwörterbuch 2006, S. 679). Ich denke, im Zusammenhang mit einem außerschulischen Lernort sind hervor stechende (prägnante) Merkmale eines Lernortes gemeint. In dem Wort „Prägnanz“ steckt für mich ebenfalls das Verb „prägen“. Ich möchte einen außerschulischen Lernort deshalb auch als einen Ort bezeichnen, den die Schüler sich einprägen, bzw. der für die auf irgendeine Art und Weise einprägsam ist.
Im Medialexikon der Zeitschrift „FOCUS“ wird Anmutung als „erste Stufe des Wahrnehmungsprozesses [beschrieben] […], in der ein Wahrnehmungsobjekt zunächst gefühlsmäßig erahnt wird […]. [Der] verschwommene erste Eindruck bestimmt die Anmutung, die von einem Gegenstand ausgeht“ (KOSCHNICK 2003). Der Anmutungscharakter eines Objektes kann positiv, neutral oder negativ sein (vgl. KOSCHNICK 2003). Übertragen auf einen außerschulischen Lernort hängt der „Anmutungscharakter“ demnach mit dem Gefühl des ersten Eindruckes zusammen. Wirkt der außerschulische Lernort anziehend, abstoßend oder ruft er keine bestimmten Gefühle hervor? Ein außerschulischer Lernort sollte also einen positiven Anmutungscharakter besitzen, damit die Schüler sich von ihm angezogen fühlen. Im Idealfall sollte sich der Anmutungscharakter mit den anderen Wahrnehmungen zu einem Gesamtbild verbinden.
BIRKENHAUER KESTLER bestätigen diese Aussage, indem sie den Begriff „Anmutungscharakter“ durch den „ästhetischen Reiz“ und die „emotionale Attraktivität“ ergänzen (vgl. BIRKENHAUER KESTLER 2006, S. 148).
„Strukturiertheit“ bedeutet für Birkenhauer, dass eine räumliche Struktur vorahnden ist. Diese räumliche Strukturiertheit hängt eng mit der Überschau-barkeit eines außerschulischen Lernortes zusammen. Sie erleichtert es den Schülern, sich am Lernort zurechtzufinden.
Birkenhauer nennt als letztes Qualitätsmerkmal das „Ermöglichen von Aktivitäten“. Er unterscheidet dabei zwischen Aktivitäten zum Vergleichen mit eigenen Erfahrungen und zum Finden erster Antworten am Lernort. Auch diesen Begriff konkretisieren BIRKENHAUER KESTLER noch einmal. Das „Anbieten eines Reizes, Wecken von Neugier [und] Sensibilisierung“ (BIRKENHAUER KESTLER 2006, S. 148) stellen das „’Aktivitätspotenzial’ des Geopunktes“ dar (BIRKENHAUER KESTLER 2006, S 148). Die Autoren sprechen zwar über die Merkmale von Geopunkten, diese entsprechen aber größtenteils denen eines außerschulischen Lernortes.
Wie schon zu Beginn des 2. Kapitels festgestellt wurde, gibt es sehr viele Orte, die der Definition eines außerschulischen Lernortes standhalten könnten. Durch die Grundsätze und Qualitätsmerkmale wurde die hohe Anzahl der Lernorte nun etwas reduziert. Die Auswahl eines außerschulischen Lernortes stellt für eine Lehrkraft trotzdem noch eine Herausforderung dar.
Im folgenden Kapitel möchte ich zwei Ordnungsschemata vorstellen, die für Anre-gungen und Ideen zur Auswahl eines außerschulischen Lernortes von Nutzen sein könnten.
Um einen Überblick über die verschiedenen Lernorte zu bekommen, ist es sinnvoll, sie in einem Ordnungsschema aufzulisten. Doch wonach sollen sie geordnet werden?
BIRKENHAUER schlägt zwei verschiedene Ordnungsschemata vor. Zum einen könnte man außerschulische Lernorte „nach der Reichweite der Erfahrungswelten“ ordnen, was zur Folge hätte, dass Lernorte der näheren Umgebung an erster und solche, die weiter entfernt liegen, an letzter Stelle stehen würden. Eine solche Ordnung könnte von einer Schule ausgehend z. B. wie folgt aussehen:
1. Stadt, Ort (Wochenmarkt, Strassen, Gewässer,…)
2. Betriebe (Landwirtschaft, Kraftwerk, Tagebau, Montage,…)
3. Müll (Deponie, Wertstoffhof)
4. Bebauung eines Ufers aufgrund von Erholungseinrichtungen
5. Schleuse
6. Ökologisch wertvolle Bereiche (Biotop, Landschaftsschutzgebiet,…)
7. Aufschlüsse (Boden, Gestein, Faltung, Schichtung,…)
8. Zeugen für Prozesse in der Natur (Prallhang, Gletscher,…)
usw. (vgl. BIRKENHAUER 1995, S. 10)
Diese Liste ist nur als Beispiel zu verstehen, da sie von der jeweiligen Region der Schule abhängig ist. Befindet sich die Schule z. B. in der Nähe eines Landschafts-schutzgebietes, müsste dieses sehr viel weiter „oben“ in der Liste stehen, als es im Beispiel der Fall ist.
Die zweite, von BIRKENHAUER favorisierte Ordnungsmöglichkeit sieht eine Strukturierung nach der Lernsituation der Schüler vor. Hierbei werden die außer-schulischen Lernorte danach geordnet, ob sie insgesamt ein eher „offenes“, also selbsttätigeres und entdeckenderes Konzept oder ein „gebundenes“, also passiveres Konzept bieten.
Demnach gäbe es zwei Gruppen, die sich etwa wie folgt einteilen lassen:
1. offenere Lernsituation
- Beobachtungen in einem Hof, Aufschluss, Biotop, an einem Fluss, in einer Schlucht
2. gebundenere Lernsituation
- Museum, Kulturpfad, Schulgarten, Lehrpfad
(vgl. BIRKENHAUER 1995, S. 10)
Ich denke, beide Schemata haben ihre Vorzüge und Nachteile. Jede Lehrkraft muss bei der Auswahl eines außerschulischen Lernortes selbst entscheiden, ob und an welche Ordnung sie sich halten möchte. Sucht sie z. B. gezielt Lernorte in der näheren Umgebung, ist es für sie sinnvoll, sich aus dem ersten Schema Anregungen zu holen. Möchte eine Lehrkraft dagegen gezielt offenere Lernsituationen im Unterricht umsetzen, sollte sie sich an die zweite Ordnungs-möglichkeit halten, um den Lernort auszuwählen.
Eine dritte Möglichkeit des Ordnens von außerschulischen Lernorten wäre meiner Meinung nach die Ordnung nach Unterrichtsthemen. Die Lehrkraft könnte allein aus dem Thema der Unterrichtseinheit heraus bestimmte Lernorte auswählen, wobei Entfernung oder Art der Lernsituation nicht wichtig wären.
Wie aus dem voran gegangenen Abschnitt deutlich wird, können außerschulische Lernorte öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser, spezielle Ausstellungen zu einem Thema oder aber frei wählbare Plätze im Gelände (Parks, Seen, Wälder,…) darstellen. Da solche Orte auch in der Freizeit der Schüler z. B. im Rahmen eines Familienausfluges aufgesucht werden können, wird zwischen „außerschulischem Lernen“ und dem schulischen Besuch eines „außerschulischen Lernortes“ unterschieden (vgl. KROSS 1991, S. 4f). Das heißt, während „außerschulische Lernorte“ laut Definition in der Regel innerhalb der Unterrichtszeit aufgesucht werden, findet „außerschulisches Lernen“ nicht im Rahmen des Unterrichts statt. Das folgende Schaubild verdeutlicht diesen Sachverhalt noch einmal:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Außerschulisches Lernen und Lernen an außerschulischen Lernorten (Quelle: KROSS 1991, S. 5, verändert durch HAUBRICH 2006, S. 132)
Das schulische Lernen geographischer Sachverhalte wird in dieser Darstellung in drei wesentliche Lernbereiche eingeteilt. Das fachliche Lernen im Geographie-unterricht, das außerfachliche Lernen von geographischen Sachverhalten (z. B. Landeskunde im Englischunterricht) und das Lernen an außerschulischen Lernorten.
Für einen ganzheitlichen Lerneffekt sollten meiner Meinung nach alle diese drei Bereiche bezogen auf den Geographieunterricht gezielt abgedeckt werden, damit die zu behandelnden Themen des Unterrichts auf die Schüler nicht einseitig und isoliert wirken. In meiner Arbeit befasse ich mich jedoch hauptsächlich mit dem Bereich des Lernens an außerschulischen Lernorten.
Das Wort „Exkursion“ kommt von dem lateinischen Verb „excurrere“, was „herauslaufen“ bedeutet (vgl. MARTIN 2004). In verschiedenen Lexika wird eine Exkursion als „Lehr- oder Studienfahrt“ definiert (vgl. BROCKHAUS IN 3 BÄNDEN 2004, Bd. 1, S. 689). Die Exkursion stellt den Unterrichtstyp dar, der Schule mit außerschulischen Lernorten verbindet (vgl. HABERLAG 1998, S. 182).
In der Schule wird eine Exkursion oft mit „Ausflügen aller Art“ gleichgesetzt. Exkursion ist aber nicht gleich Exkursion. Der Begriff wird in der Literatur nach zeitlicher Dimension und didaktischer Verortung in je drei unterschiedliche Typen eingeteilt.
Exkursionen mit einem zeitlichen Umfang von ca. 1-2 Stunden werden als „Beobachtungs - oder Unterrichtsgang“ bezeichnet. „In der Regel beschäftigen sich die Schüler hierbei mit einer eng begrenzten erdkundlichen Aufgabenstellung“ (GRUPP-ROBL 1992, S. 395) in der näheren Umgebung der Schule. Eine Tages- oder Halbtagesexkursion gilt als „Lehrwanderung“. Exkursionen, die mehrere Tage andauern, heißen „Lehrfahrten“ oder „Studienfahrten“ (vgl. RINSCHEDE 1997a, S. 9, zit. n. RINSCHEDE 2003, S. 236).
Der Besuch einer Ausstellung oder eines Museums, welcher das zentrale Thema meiner Arbeit darstellt, wäre demnach offiziell ein Unterrichtsgang oder eine Lehrwanderung (je nach zeitlichem Umfang). In der Praxis wird im Übrigen meistens weniger genau differenziert. Begriffe, wie „Klassenfahrt“, „Lehrfahrt“, „Exkursion“, „mehrtägige Exkursion“ oder sogar „(Feldmess-)Praktikum“ (so wurde die Lehrfahrt nach Hallig Hooge aus der Einleitung genannt) werden bunt vermischt.
Die Unterscheidung von Exkursionen nach ihrer didaktischen Verortung lässt sich folgendermaßen beschreiben: Eine Exkursion kann zu Beginn, während oder am Ende einer Unterrichtseinheit stattfinden. Es gibt daraus resultierend eine „einführende Exkursion“, welche den Schüler motivieren soll, eine „zielgerichtete oder vertiefende Exkursion“, die während der Unterrichtseinheit zwischenge-schoben wird und eine „festigende Exkursion“, die den Abschluss eines Themas bildet (vgl. HAUBRICH 2006, S. 135, BÖHN 1999, S. 39, KERSTING 2000, S. 7)
[...]
[1] Der Einfachheit halber werde ich im folgenden Text den Begriff „Schüler“, anstatt „Schülerinnen und Schüler“ benutzen.
[2] Der Einfachheit halber werde ich im folgenden Text den Begriff „Besucher“, anstatt „Besucherinnen und Besucher“ benutzen.
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