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Mehr InfosDiplomarbeit, 2008, 117 Seiten
Diplomarbeit
Universität Bremen (Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften)
1,2
1 Einleitung
2 Definition Mediensystem
2.1 Rahmenbedingungen von Mediensystemen
2.1.1 Der Vergleich politischer Systeme
2.1.2 Aufbau der Beschreibung des Mediensystems
2.2 Funktionen der Medien in der Demokratie
3 Der öffentliche Rundfunk
3.1 Der Begriff Public Service Broadcasting
3.2 Konzeptionsmöglichkeiten von öffentlichem Rundfunk
3.2.1 Die historischen Wurzeln des Public Service
3.2.2 Konzeption über inhaltliche und über organisatorisch-strukturelle Elemente
3.2.3 Konzeption des PSB als Beziehung zur Gesellschaft
3.2.3.1 Die wirtschaftliche Dimension des PSB
3.2.3.2 Die politische Dimension des PSB
3.2.3.2.1 Der Staat als Rundfunkveranstalter?
3.2.3.2.2 Selbstregulierung
3.2.3.2.2.1Der rechtliche Rahmen
3.2.3.2.2.2Interne Aufsicht
3.2.3.2.3 Finanzierung des öffentlichen Rundfunks in Europa
3.2.3.3 Die gesellschaftliche Dimension des PSB
3.2.3.3.1 Zusammenfassung
3.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen zur Implementierung von PSB
3.3.1 Der PSB als demokratisch kontrollierter Rundfunk
4 Demokratie
4.1 Minimaldefinition: Wahldemokratie
4.2 Embedded Democracy
4.2.1 Das Wahlregime
4.2.2 Die politischen Teilhaberechte
4.2.3 Die bürgerlichen Freiheits- und Abwehrrechte bzw. der Rechtsstaat
4.2.4 Die Gewaltenkontrolle
4.2.5 Die effektive Regierungsgewalt
4.2.6 Äußere Rahmenbedingungen für eine Demokratie
4.2.7 Subtypen von Demokratie
4.3 Methodik zur Bestimmung des Demokratiegehaltes Brasiliens
4.3.1 Freedom House
4.3.2 Polity IV von Monty G. Marshall und Keith Jaggers
4.3.3 Der Bertelsmann Transformation Index
4.3.4 Latinobarómetro
4.3.5 Vorgehensweise
5 Fallstudie: Brasilien
5.1 Demokratie in Brasilien
5.1.1 Staatlichkeit
5.1.2 Ökonomische und sozioökonomische Rahmenbedingungen und ihre Folgen
5.1.2.1 Ursachen sozialer Ungleichheit
5.1.2.2 Soziokulturelle Folgen sozialer Heterogenität
5.1.3 Das Wahlregime
5.1.4 Politische Teilhaberechte/Freiheiten
5.1.4.1 Assoziationsfreiheit
5.1.4.2 Zivilgesellschaft
5.1.4.3 Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit
5.1.5 Bürgerliche Freiheitsrechte
5.1.6 Horizontale Gewaltenkontrolle
5.1.7 Effektive Regierungsgewalt
5.2 Zusammenfassung
5.3 Das Mediensystem Brasiliens
5.3.1 Die Struktur des Medienmarktes
5.3.1.1 Die Presse und Internet
5.3.1.2 Radio
5.3.1.3 Fernsehen
5.3.2 Politischer Parallelismus
5.3.3 Journalistische Professionalität
5.3.4 Staatseingriffe in das Mediensystem
6 Schlussbetrachtung
6.1 Versuch einer Verallgemeinerung
6.2 Reflexion der Methoden und verwendeten Modelle
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildung 1: Finanzierung des öffentlichen Rundfunks
Abbildung 2: Embedded Democracy
Abbildung 3: Vertrauen der Brasilianer in Institutionen 2005 (in Prozent)
Abbildung 4: Wirtschaftswachstum 1986-2006 (in Prozent)
Abbildung 5: Unterstützung für die Demokratie 1995-2006
Während der öffentliche Rundfunk „ein zentrales Moment der Mediensysteme in einer Vielzahl von Ländern vor allem in Europa“[1] ist, kommt ihm in Lateinamerika seit jeher eine sehr marginale Rolle zu.[2] „Latin America, unlike Europe, Africa, and Asia, is unfamiliar with the idea of public service broadcasting“.[3] Dieser Randerscheinung soll nun in Brasilien ein Ende bereitet werden. Seit dem 2. Dezember 2007 existiert ein öffentlicher Rundfunksender namens TV Brasil, der in Anlehnung an die British Broadcasting Corporation (BBC) funktionieren soll.[4]
Doch noch bevor der Sender anlief, kamen Zweifel bei denjenigen auf, die die Schaffung von TV Brasil in den Medien verfolgten.[5] Wird es sich bei TV Brasil tatsächlich um einen Service an der Gesellschaft handeln oder wird er im Dienste der Regierung stehen und könnte ebenso gut TV Lula[6] heißen? Dieselben Bedenken veranlassen die Verfasserin zur Umsetzung dieser Arbeit.
Aus diesen Zweifeln an der Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks in Brasilien leitet sich die Forschungsfrage dieser Arbeit ab: Ist Brasilien demokratisch genug um einen funktionierenden öffentlichen Rundfunk, wie er in Westeuropa seit vielen Jahrzehnten existiert, zu implementieren? Die zu überprüfende These lautet, dass es kaum möglich sein wird, ein Medienmodell wie den öffentlichen Rundfunk in eine vermeintlich „defekte“ Demokratie wie die Brasiliens zu importieren.
Für die Untersuchungseinheit Brasilien eignet sich der Forschungsansatz der Fallstudie (case study). Die Einzelfallstudie bietet den Vorteil, sich intensiv und von allen Seiten dem Untersuchungsobjekt nähern zu können. Mithilfe der case study können die Medienstrukturen Brasiliens als unabhängige Variable näher bestimmt werden. Dadurch entstehen vielschichtigere und umfangreichere Ergebnisse, die sich auf andere Fälle übertragen lassen, deren Kontextbedingungen mit denen Brasiliens vergleichbar sind.[7] Allerdings lassen sich auf der Grundlage eines einzigen Falles keine sicheren Verallgemeinerungen treffen.
Die vorliegende Arbeit ist methodisch in die international komparative Kommunikationsforschung einzuordnen. Diese Forschungsrichtung hat in den vergangenen Jahren auf Grund der Globalisierung „einen erheblichen Aufschwung genommen“.[8] Doch stecken sie sowie ihr instrumentelles methodisches Repertoire noch in den Kinderschuhen.[9] Auch in Bezug auf eine allgemein anerkannte Theorie des öffentlichen Rundfunks besteht noch Forschungsbedarf. Hier verspricht der internationale Vergleich „auf dem Weg zu einer solchen Theorie eine erheblich breitere Datengrundlage zu liefern als das auf nationaler Ebene jemals möglich wäre“.[10] Insofern kann diese Arbeit möglicherweise dazu beitragen, eine theoretische Fundierung von Public Service Broadcasting (PSB) voranzutreiben.
Das Interesse der Verfasserin an dem Fall Brasilien geht auf ihre Auslandsaufenthalte dort zurück. Die Auswahl des Falls kann weiterhin damit begründet werden, dass Brasilien als Repräsentant für defekte Demokratien in Lateinamerika steht. In der Literatur werden Lateinamerika und Westeuropa häufig als Großregionen betrachtet, weil die Länder der jeweiligen Region auf Grund ihrer geographischen Nähe ähnliche politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen durchlaufen haben. So können die westeuropäischen Mediensysteme zusammengefasst werden, weil sie alle durch die Nachkriegsordnung geprägt sind. Sie sind pluralistische Demokratien mit garantierter Informations- und Meinungsfreiheit und einem freien Medienmarkt, der an der Nachfrage des Rezipienten orientiert ist und haben gemeinsame Rechtsprinzipien.[11] Ebenso stellen „die lateinamerikanischen Länder im Hinblick auf ihre Medienlandschaft (…) eine relativ homogene Gruppe“[12] dar. Politökonomisch und kulturell gingen alle heutigen lateinamerikanischen Länder aus der spanischen bzw. portugiesischen Eroberung hervor und haben sich mit afrikanischen und indigenen Traditionen und Religionen vermischt. Nachdem Lateinamerika Phasen technokratischer Militärdiktaturen durchlaufen hat, kam es Ende der 1980er zur Transformation in demokratische Systeme. Seit 2000 erlebt ganz Lateinamerika nach einer Zeit des Neoliberalismus einen „politischen Linksruck“.[13] Lateinamerika ist weiterhin ein „Land“ der „Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit“[14] – es bewegt sich zwischen Problemen und Entwicklungsständen der Ersten und der Dritten Welt.[15]
Trotz der Ähnlichkeiten zwischen lateinamerikanischen Ländern bewegt sich diese Arbeit im Rahmen der nationalstaatlichen Grenzen Brasiliens. „Das Land oder der Nationalstaat ist (..) aus mehreren Gründen die bevorzugte Einheit des nationalen Vergleichs – zumal im Bereich der Kommunikation und der Medien, da hier in den allermeisten Fällen Gesetzgebung, Sprach- und Kulturräume sowie Märkte einen klar definierten Bezugsrahmen bilden“.[16] Auch wurde öffentlicher Rundfunk bisher nur in einem nationalen Rahmen etabliert.[17]
Der Vergleich, als eine der zentralen Metamethoden der Sozialwissenschaft, ist dieser Arbeit immanent, weil sich die Großregionen Westeuropa und Lateinamerika gegenüberstehen. Nach dem most similar research design werden zwei Demokratien, die beide über die abhängige Variable des öffentlichen Rundfunks verfügen, implizit verglichen.[18] Implizit und nicht explizit, weil die unabhängigen Variablen, die den PSB in Westeuropa prägen, nicht untersucht werden, sondern als funktionierend vorausgesetzt werden. Auf Grund der Komplexität der Untersuchung wurde darauf verzichtet, die Medienstrukturen in Westeuropa zu untersuchen. Dass sich an den Ausprägungen des öffentlichen Rundfunks in Westeuropa orientiert wird, und nicht bspw. an denen in Japan, Australien oder Südafrika, hat seine Ursache in der Herkunft der Verfasserin.
Insgesamt basiert die vorliegende Arbeit auf der Literaturanalyse sowie auf der Auswertung statistischer Daten – zwei für die Komparatistik typische Methoden.[19] Hierzu wurden nicht nur deutsche und englische Quellen, sondern auch wissenschaftliche Studien aus Brasilien verwendet. Übersetzungen wurden von der Verfasserin selbst vorgenommen. Es wurde somit auf eine eigene Datenerhebung verzichtet.
Da öffentlicher Rundfunk bzw. Mediensysteme nicht in einem Vakuum existieren, sondern im Zusammenspiel mit ihrer Umwelt, gilt es herauszufinden, welche Voraussetzungen PSB benötigt, um funktionieren zu können. Dazu wird im ersten theoretischen Teil der Arbeit der Begriff des Mediensystems definiert. Denn welche Interdependenzen zwischen dem öffentlichen Rundfunk und seiner Umwelt bestehen, lässt sich sehr gut auf der abstrakteren Ebene systemtheoretischer Ansätze verdeutlichen. Es wird weiterhin als notwendig erachtet, die Funktionen der Medien in einer Demokratie darzulegen, um zu verstehen, welche Erwartungen an die besondere Organisationsform des PSB gestellt werden.
Welche gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen PSB benötigt, wird im zweiten Teil der Arbeit herausgearbeitet. Anhand von Beispielen wird illustriert, wie die normative Idee des öffentlichen Rundfunks in Westeuropa realisiert wurde. Dazu werden zuerst verschiedene Definitionsmöglichkeiten des PSB diskutiert und sich schließlich auf ein Modell gestützt, das ihn in Beziehung zur Gesellschaft betrachtet und auf ein Forschungsprojekt schweizerischer Medienwissenschaftler aus dem Jahr 2000 zurückgeht.[20]
Da diese Arbeit von der These ausgeht, dass öffentlicher Rundfunk nur in „gesunden“ Demokratien effektiv funktionieren kann, muss im dritten Teil ein Demokratiekonzept gefunden werden, mit dem die Demokratie Brasiliens erfasst werden kann. Es wird vermutet, dass die Medienstrukturen Brasiliens, also die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Makrostrukturen, in denen das Mediensystem operiert, nur eingeschränkt demokratisch sind. Um die Demokratie Brasiliens gegenüber den konsolidierten Demokratien Westeuropas nicht zu diskriminieren, wird ein Demokratiekonzept mittlerer Reichweite verwendet, dass die Messlatte nicht zu hoch anlegt. Ein solches bietet die embedded democracy, welche 2002 im Rahmen eines Forschungsprojektes um die Gruppe des Transitionsforschers Wolfgang Merkel entstand.[21]
Mithilfe von Demokratieindizes, also einer Sekundäranalyse bereits existierender Daten, werden in der Einzelfallstudie die Indikatoren der embedded democracy qualitativ untersucht. Falls diese Untersuchung ergibt, dass Brasilien eine defekte Demokratie ist, kann mit dem Instrument der embedded democracy ganz genau festgestellt werden, um welche Defekte es sich handelt. Dies ist sehr hilfreich, um genaue Aussagen über eventuelle Störungsquellen für den PSB in Brasilien treffen zu können.
Da nicht alle Voraussetzungen in der Umwelt des Mediensystems zu vermuten sind, muss auch das Mediensystem selbst dargestellt werden. In welcher Umgebung wird sich der PSB im Mediensystem Brasilien, in dem kommerzielle Medien dominieren, einen Platz suchen müssen? Hierzu wird sich an Dimensionen von Hallin und Mancini (2004) angelehnt, die sie vorschlagen, um Mediensysteme zu untersuchen.
Nachdem der Demokratiegehalt des politischen Systems analysiert und die Strukturen des Mediensystems beschrieben wurden, werden die Ergebnisse zur Einzelfallstudie Brasilien den im zweiten Teil der Arbeit herausgearbeiteten Voraussetzungen für PSB in der Schlussbetrachtung gegenübergestellt. Das Ziel ist, Voraussagen über die Funktionsfähigkeit öffentlichen Rundfunks in Brasilien machen zu können.
Das Konzept des Mediensystems wird beim Vergleich verschiedener Länder oder Regionen als Bezugsrahmen benutzt und geht auf die Systemtheorie zurück.[22] Es setzt sich aus auf den ersten Blick geläufigen Begriffen zusammen: Medien und System. „Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“.[23] Medien sind somit nicht bloß Kommunikationskanäle (Transportsysteme für bestimmte Zeichensysteme), sondern (komplexe) Organisationen (arbeitsteilig organisierte Produktions- und Distributionsstätten), die sich die Kommunikationskanäle zunutze zu machen. Auf der Makroebene sind Medien Institutionen (Normen- und Regelsysteme) zur Stabilisierung moderner Gesellschaften.[24] Diese Stabilisierung erreichen sie, indem sie die Gesellschaft und ihre anderen Teilsysteme (z.B. das Wirtschaftssystem, das politische und das kulturelle System) widerspiegeln und somit beobachtbar füreinander machen. Weil das Teilsystem der Medien wichtige Funktionen für die Gesellschaft erbringt, gilt es auch als Funktionssystem.
Ein System ist ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes und gegliedertes Ganzes,[25] wobei die Systemkomponenten in bestimmten Beziehungen zueinander stehen.[26] Diese Komponenten sind im Falle des Mediensystems private und öffentliche Institutionen und Unternehmen, die für die gesellschaftliche Kommunikation relevant sind.[27]
Jedes gesellschaftliche System verfügt über systemimmanente Handlungs-, Entscheidungs- und Kommunikationsregeln (Fachsprachen, Codes usw.), funktioniert also nach einer Eigenlogik, die das System von seiner Umwelt abgrenzbar macht. Nach der Systemtheorie sind die Teilsysteme nicht nur abgrenzbar, sondern auch autonom. Für das Konzept des Mediensystems ist es allerdings problematisch, ein System als unabhängig zu charakterisieren, weil damit „Akteure, ihre Interessen und ihr Handeln nicht erfasst werden können“.[28] Vielmehr wird in der vorliegenden Arbeit dafür plädiert, von fließenden Grenzen zwischen Systemen auszugehen.[29] Insgesamt ist es für die Analyse von Mediensystemen empfehlenswert, den Grad der Systemhaftigkeit variabel zu halten und soziale Systeme als „raum-zeitlich verfestigte Interaktionsmuster (also Organisationen und Strukturen)“[30] zu betrachten, zumal die Systemtheorie kein Denkwerkzeug und kein methodisches Instrumentarium für empirische Analysen bietet.[31]
Systeme differenzieren sich in weitere Subsysteme. Das Mediensystem besteht aus den Bestandteilen Rundfunk, Print und Online.[32] Diese bilden ihrerseits ebenfalls Subsysteme aus. Innerhalb des Rundfunksystems lassen sich drei Organisationsformen identifizieren: kommerzieller, staatlich-öffentlicher und nicht-kommerzieller Rundfunk (z.B. Bürgerradio).[33]
Sollen Mediensysteme miteinander verglichen werden, ist es notwendig, ihre Stellung im Gesamtsystem der jeweiligen Gesellschaft zu analysieren, „da die Medien auf das Vielfältigste und Engste durch kulturelle, politische, ökonomische und technische Bedingungen in ihrer Umwelt geprägt sind“.[34] Mit anderen Worten: Es müssen die Medienstrukturen berücksichtigt werden. Als Medienstrukturen werden die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Medienorganisationen und die Art, wie die Medien organisiert sind, bezeichnet.[35] Nach Thomaß umfasst die Analyse von Mediensystemen folgende Punkte:[36]
- die ökonomischen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen,
- die technische Basis,
- die Organisationen und Strukturen des Mediensystems und
- die Wirkungen dieser Elemente auf Leistungen der Medien und des Mediensystems.
Die Organisation eines Mediensystems und seine Strukturen sind also das Resultat von Medienökonomie, -politik, -recht sowie -technik.[37] Beim öffentlichen Rundfunk als Bestandteil des Mediensystems besteht eine besonders starke Abhängigkeit von der Medienpolitik: „Because they are public bodies, public broadcasting systems (…) obviously have a significant relationship to the political system“.[38] Die Leistungsfähigkeit des politischen Systems determiniert somit die Leistungsfähigkeit des PSB.
Das politische Leistungsvermögen einer Gesellschaft bzw. eines Staates wird in der vergleichenden Analyse politischer Systeme – einem der Hauptfelder der Politikwissenschaft – behandelt:[39]
Im Unterschied zur älteren Regierungslehre erörtert die neuere vergleichende Analyse nicht nur das Regieren und seine Institutionen, sondern alle drei Dimensionen des Politischen: die politischen Institutionen (Form), politische Vorgänge und Abläufe (Prozess) sowie das politische Leistungsprofil (Inhalt).[40]
Darüber hinaus berücksichtigt die vergleichende Analyse politischer Systeme auch das sozioökonomische und sozialkulturelle Umfeld der Politik, welches neben dem politischen Leistungsprofil für den PSB eine ausschlaggebende Rolle spielt. Das politische System umfasst somit mehr als nur staatliche Institutionen (wie die vergleichende Regierungsformenlehre), andererseits weniger als die gesamte Gesellschaft.[41]
Zum politischen System können außer dem Regierungssystem im engeren Sinne das Parteiensystem und gesellschaftliche Interessenorganisationen gezählt werden. Um seine Funktion, nämlich Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen, ausführen zu können, muss es mit seinen „Outputs“ und Wirkungen an die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme rückgekoppelt werden und sich als lernfähig erweisen. Die Grenze zwischen der Umwelt und dem politischen System ist variabel, weil die anderen gesellschaftlichen Subsysteme mit ihren Forderungen auf der Input-Seite in das politische System hineinragen und auf der Output-Seite von seinen Leistungen betroffen sind. Der PSB trägt auf der Input-Seite mit seinen Forderungen nach bspw. höheren Rundfunkgebühren oder mehr Handlungsspielraum und weniger Einfluss aus dem politischen System ebenso zu einer Grenzverwischung bei, wie der öffentliche Rundfunk selbst zur Funktionsfähigkeit des politischen Systems beisteuert, weil er politische Inhalte an die Gesellschaft vermittelt. Zudem ist der PSB von den Leistungen des politischen Systems betroffen.
Der These folgend, dass PSB auf demokratische Strukturen stoßen muss, um funktionieren zu können, muss überprüft werden, wann ein politisches System als demokratisch gilt. Da alle westeuropäischen Länder (Frankreich, Großbritannien, Irland, Portugal, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz und Spanien), an deren PSB-Institutionen sich in dieser Arbeit orientiert wird, konsolidierte Demokratien sind, gilt es Leistungsunterschiede in demokratischen Systemen auszumachen.
Zur Analyse des Mediensystems in Brasilien wird sich der Dimensionen von Hallin und Mancini (2004) bedient.[42] Sie erachten folgende Kategorien als besonders prägend bei der Entwicklung eines Mediensystems:
- die Entwicklung der Medienmärkte,
- der politische Parallelismus (gemeint sind Verbindungen zwischen den Medien und Parteien bzw. in welchem Ausmaß das Mediensystem politische Strömungen widerspiegelt),
- die journalistische Professionalisierung und
- Staatseingriffe in das Mediensystem.
Zur Beschreibung von Mediensystemen gibt es keine Makrotheorie.[43] Für Hallin und Mancini wurde sich entschieden, weil sie mit ihren Dimensionen den Fokus auf das Verhältnis zwischen dem politischen und dem Mediensystem legen, welches bei öffentlichem Rundfunk eine besondere Rolle spielt. Für die Autoren ist das Mediensystem immer die abhängige Variable und spiegelt die unabhängige Variable, das „System der sozialen Kontrolle“,[44] wider.
Nach der funktionalen Theorie der Medien leisten die Medien ihren Beitrag nicht für irgendeine Gesellschaft, sondern für das „liberale Demokratiemodell moderner pluralistischer Systeme“.[45] Die Funktionen des Mediensystems werden also demokratietheoretisch begründet.
Jarren und Sarcinelli identifizieren sieben demokratietheoretische Bezugsgrößen für politische Kommunikation, die einen normativen Bezugsrahmen für kommunikatives Handeln in demokratischen Systemen abgeben:[46] Legitimität, Öffentlichkeit, Repräsentation, Pluralismus, politische Partizipation, Responsivität und Vertrauen. Dieser Bezugsrahmen wird in Kapitel 3.3.1 auf den PSB bezogen.
Zwar beschränkt sich politische Kommunikation nicht nur auf die Massenkommunikationsmittel, dennoch sind sie „unverzichtbare intermediäre“[47] Instanzen bei der Vermittlung zwischen der Gesellschaft und dem politischen System.
Da es in einer pluralistischen Gesellschaft so viele unterschiedliche, oft gegensätzliche, voneinander abhängige soziale, wirtschaftliche, politische, religiöse und weltanschauliche Interessen und Ideen gibt und nicht jeder einzelne Bürger seine persönlichen Präferenzen an das politische System herantragen kann, muss diese Vielfalt in Form von politischen Vertretern repräsentiert werden. Denn es sei nicht möglich, dass auf Dauer jedes Individuum seine Bedürfnisse direkt kundtut.[48] Stattdessen treten sich in den Parlamenten die von den Bürgern delegierten Interessenvertreter gegenüber, um die für alle verbindlichen Entscheidungen auszuhandeln. Darin besteht die Funktion des politischen Systems für die Gesellschaft.
Die Repräsentation des Volkswillens dient dazu, eine lautstarke Vertretung von Partikularinteressen zu vermeiden und stattdessen gegensätzliche Standpunkte institutionell, also durch Repräsentativorgane zu kanalisieren und in „tragfähige politische Strategien und hinlänglich gemeinwohlverträgliche Problemlösungen“[49] zu verwandeln. Nach diesem repräsentationstheoretischen Modell sind moderne Demokratien immer repräsentative Demokratien.[50] Da die Repräsentationsorgane (Organe des Staates oder sonstige Träger öffentlicher Gewalt) in einer Demokratie zwar rechtlich auf Zeit autorisiert (durch Wahlen) ihre Herrschaftsfunktion ausüben, allerdings ohne bindenden Auftrag des Volkes handeln, ist die Kommunikation zwischen Repräsentanten und Repräsentierten eine Grundvoraussetzung: „Repräsentative Demokratie muss kommunikative Demokratie sein“.[51] Diese Kommunikation zwischen dem politischen System und der Gesellschaft ermöglichen sowohl die Parteien als auch die Massenmedien.[52]
Die Medien sind für eine funktionsfähige Demokratie konstitutiv, weil sie „unter den Bedingungen moderner Flächenstaaten eine öffentliche Meinungs- und Willensbildung erst ermöglichen“[53] – indem sie Öffentlichkeit herstellen. Während gesellschaftlich relevante Themen früher in Versammlungen, Kaffeehäusern und Assoziationen, die als kleine öffentliche Foren fungierten, in Form von „face-to-face-Kommunikation“ stattfanden, eröffnete die Entstehung von Massenmedien die Möglichkeit der Institutionalisierung von Öffentlichkeit.[54] An die Stelle einer unmittelbaren Kommunikation ist eine durch Medien vermittelte Kommunikation getreten. Somit bedeutet Öffentlichkeit heutzutage in erster Linie massenmediale Öffentlichkeit.
Öffentlichkeit kann als Beobachtungssystem der Gesellschaft betrachtet werden: „Über das Kommunikationssystem Öffentlichkeit können sich Bürger und Akteure des politischen Systems wechselseitig beobachten, indem sie die öffentlichen Meinungen beobachten, via Öffentlichkeit können sie miteinander kommunizieren, indem sie öffentliche Meinungen produzieren“.[55] Mit Öffentlichkeit wird ein kommunikativer Bereich geschaffen, der prinzipiell für alle Interessierten frei zugänglich sein muss und in dem Bürger und politische Akteure zueinander in Kontakt treten können. Den Medien kommt somit im Wesentlichen die Funktion zu, die Gesellschaft ins Gespräch zu bringen.[56]
Auf der einen Seite bietet die Öffentlichkeit den Akteuren des politischen Systems die Möglichkeit, das Publikum durch Kommunikation von ihren Positionen zu überzeugen und die Präferenzbildung der Bürger zu beeinflussen. Gleichzeitig versetzen die Medien die politischen Akteure in die Lage, die Themen und Präferenzäußerungen der Bürger und ihrer Interessengruppen zu beobachten, auf welche sie wiederum reagieren sollten. Die Massenmedien geben den Parlamentsabgeordneten damit die Chance, über die Wünsche, Erwartungen oder Interessen der Wählerschaft zu erfahren und möglicherweise als Konsequenz in die politischen Entscheidungen einfließen zu lassen. Die ständige Berücksichtigung des Wählerwillens durch die Gewählten macht das Grundprinzip demokratischer Repräsentativsysteme aus und wird mit Responsivität bezeichnet.[57] Diese besagt, dass „auch zwischen den Wahlen, eine enge, nämlich ‚responsive’ Beziehung zwischen den Repräsentanten und Repräsentierten gewährleistet sein muss“.[58] Gleichzeitig können sich die Bürger durch die massenmediale Öffentlichkeit über die politischen Alternativen informieren, sich eine Meinung bilden sowie ihre Themen und Präferenzen formulieren, die wiederum bei den politischen Akteuren Resonanz erzeugen sollen.[59]
Der Brückenschlag der Medien in Form von Öffentlichkeit vom Mediennutzer zum politischen System ermöglicht folglich politische Partizipation. Zwar zählt die Mediennutzung streng genommen nicht zur politischen Partizipation im Sinne einer Beeinflussung von und Mitwirkung an politischen Sach- und Personalentscheidungen.[60] Doch schafft das Sich-Informieren ein Problembewusstsein bei den Rezipienten und ist somit häufig der erste Schritt auf dem Wege zu einem aktiveren politischen Engagement (Wählen, Beteiligung am Wahlkampf, Engagement in Bürgerinitiativen, Teilnahme an Protestaktivitäten).[61] Medien besitzen demzufolge auch eine Mobilisierungsfunktion.
Wichtig bei der medialen Vermittlung von Politik ist, dass der tatsächlich existierende gesellschaftliche Pluralismus sich nicht nur in der Parteienlandschaft widerspiegelt, sondern auch in den Massenmedien abgebildet wird. Dazu müssen die Medien möglichst pluralistisch organisiert sein.[62] Denn in repräsentativen Demokratien besteht die Gefahr, dass die Interessen derjenigen untergehen, die weniger artikulierungsfähig sind (z.B. sind Kinder oder Ausländer nicht wahlberechtigt). So können Medien mit Hilfe der Integrationsfunktion ein Ungleichgewicht gesellschaftlicher Kräfte kompensieren und das Ideal der Chancengleichheit herstellen, indem sie Randgruppen „anwaltschaftlich“[63] Gehör verschaffen. Bedingung für einen Pluralismus durch Integration ist, dass es weder bei den vermittelnden Medien noch bei den öffentlich kommunizierenden Interessengruppen und Parteien zu mono- oder oligopolistischen Strukturen kommt.[64]
Im Idealfall können sich über die von den Massenmedien hergestellte Öffentlichkeit somit alle Teilsysteme über ihre Umwelt informieren (Informationsfunktion), sich politisch bilden (Sozialisationsfunktion), sich darauf aufbauend eine Meinung bilden (Meinungsbildungsfunktion) mit dem Ziel (möglichst) vernünftige politische Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig kann das Publikum seine Erwartungen bzw. Zustimmung oder Enttäuschung öffentlich, also über die Medien artikulieren (Artikulationsfunktion). Findet die politische Herrschaft bei den Bürgern keine Zustimmung, wird ihr bei der nächsten Wahl ihre Legitimität wieder zu entzogen. D.h., im Selbstverständnis der Demokratie wird Macht und Herrschaft kommunikativ zugeteilt und auch wieder entzogen.[65] Information und Kommunikation werden damit zu legitimitätskonstitutiven Größen in einem Verfassungsstaat.[66] Ein Staat, der nicht dafür sorgt, dass seine Bürger sich ausreichend informieren können, besitzt somit demokratietheoretisch auch keine Handlungsberechtigung: „Without the citizens’ ability to make informed choices the legitimacy of democratic elections would be seriously flawed“.[67]
Über die mediale Öffentlichkeit können die Bürger kontrollieren, ob die von ihnen legitimierten Stellvertreter im politischen System Entscheidungen im öffentlichen Interesse treffen (Kontroll- und Kritikfunktion). Indessen korreliert mit der Kontroll- und Kritikfunktion die demokratietheoretische Bezugsgröße Vertrauen. Denn so gut die Medien auch ihre Funktion zur Kritik und Kontrolle der Machthabenden wahrnehmen, kann eine direkte Kenntnis und Nachprüfbarkeit durch die Bürger nicht stattfinden.[68] Vertrauen in öffentliche Personen, Institutionen und das gesamte gesellschaftliche System wird so zur strukturellen Notwendigkeit um diese Lücke zu füllen. Parlament und Regierung sind von dem zeitlich begrenzten Vertrauen der Wähler abhängig und deshalb darum bemüht, durch Kommunikation (z.B. durch die Auswahl geeigneter Führungspersonen, attraktive Themen und politische Öffentlichkeit) wiederum das Vertrauen der Bürger zu erhalten oder zurück zu gewinnen.[69] Den Medien kommt als Vertrauensvermittler eine entscheidende Rolle zu, denn sie können erworbenes Vertrauen zerstören, indem sie bspw. kommunikative Diskrepanzen aus dem politischen System transportieren, verstärken oder selbst erzeugen. Auch für die Medien selbst spielt Glaubwürdigkeit als Teilphänomen von Vertrauen bei ihren Rezipienten eine (zunehmend) wichtige Rolle.[70]
Zusammenfassend kommen den Massenmedien als Hauptquelle gesellschaftlicher Information in einer pluralistischen Demokratie folgende fünf Aufgaben zu:[71]
1. Herstellung von Öffentlichkeit, damit alle am politischen Prozess Beteiligten ins Gespräch treten können.
2. Politische Sozialisation und Integration, in der Weise, dass übergreifende Zusammenhänge sowie die Belange von Randgruppen in das Blickfeld der Aufmerksamkeit gerückt werden.
3. Information und Artikulation von Sachverhalten, die sonst im Kreis der unmittelbar Betroffenen bleiben würden.
4. Förderung der politischen Meinungsbildung, weil nur Veröffentlichtes streitige Diskussion auslösen kann.
5. Kontrolle politischer Funktionsträger und Aufdeckung politischer Missstände.
Öffentlichem Rundfunk liegt in jeder Hinsicht ein kompliziertes Konzept zugrunde. Zwar kommt er in vielen Ländern vor, doch gibt es „keine griffige Definition dessen, was ihn ausmacht“.[72] Stattdessen gibt es viele verschiedene Versuche in der Theorie und in der Praxis, sich dieser besonderen Ordnungsvorstellung von Rundfunk anzunähern. Hier soll sich an eine passende Konzeption herangetastet werden.
In der Literatur werden unterschiedliche Begriffe in Bezug auf „öffentlich“ und „staatlich“ sowie Public Service und Service public benutzt.[73] In dieser Arbeit werden öffentlicher und staatlicher Medienbesitz strikt getrennt. Der Begriff „Public Service“ wird synonym für „Public Service Broadcasting“ und „öffentlichen Rundfunk“ verwendet und steht für einen Dienst, der an der Öffentlichkeit bzw. an der Gesellschaft wahrgenommen wird.
Die normative Leitidee hinter dem öffentlichen Rundfunk ist, dass die Gesellschaft vom Rundfunk mehr erhalten sollte, als von einem Rundfunk, der dem wirtschaftlichen Wettbewerb unterworfen ist, bereitgestellt würde. Von PSB wird erwartet, dass er bestimmte soziale, kulturelle und politische Funktionen (z.B. Integration, Vermittlung von Werten oder einen Beitrag zum Funktionieren des politischen Prozesses) in höherem Maße erfüllt, als andere Rundfunkveranstalter.[74] Die UNESCO definiert öffentlichen Rundfunk folgendermaßen:
Public Service Broadcasting (PSB) is broadcasting made, financed and controlled by the public, for the public. It is neither commercial nor state-owned, free from political interference and pressure from commercial forces. Through PSB, citizens are informed, educated and also entertained. When guaranteed with pluralism, programming diversity, editorial independence, appropriate funding, accountability and transparency, public service broadcasting can serve as a cornerstone of democracy.[75]
Bei der historischen Herangehensweise geht es um Begründungen, die bei der Institutionalisierung dieser Organisationsform des Rundfunks vor ca. 50 Jahren in Westeuropa handlungsleitend waren.[76] Diese Definitionsweise führt unabwendbar nach Großbritannien, dem Ursprungsland des Public Service. Wie auch immer PSB in anderen westeuropäischen Ländern institutionalisiert wurde, das britische BBC-Modell hatte Vorbildfunktionen.[77] Schon 1927 waren die Briten der Überzeugung, dass Rundfunk losgelöst von Staat, Politik und Einzelinteressen betrieben werden müsste. Deshalb wurde die 1922 die zu rein kommerziellen Zwecken gegründete British Broadcasting Company in die British Broadcasting Corporation umgewandelt. Damit war die BBC eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und besaß eine Monopolstellung im Mediensystem Großbritanniens.[78]
Die BBC wurde statt durch ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz durch eine Royal Charter bewilligt, um politische Unabhängigkeit zu schaffen.[79] Bis heute hat sich daran nichts geändert. Inhaltlich wurde die BBC auf die Aufgaben-Triade Information, Bildung und Unterhaltung festgelegt.[80] Der BBC sollte eine nationale Einheit durch sein Programm schaffen und musste deshalb von allen Haushalten empfangbar sein (geographisch flächendeckende Grundversorgung).[81] Als Non-Profit-Unternehmen sollte die Anstalt keine Gewinne abwerfen. Damit die BBC frei von kommerziellen Interessen blieb, wurde sie aus Rundfunkgebühren finanziert und durfte keine Werbung senden. Um die Öffentlichkeit in irgendeiner Weise am Rundfunk zu beteiligen und eine öffentliche Kontrolle der BBC zu gewährleisten, wurde ein Aufsichtsgremium, das Board of Governors, eingerichtet. Darin durften keine Politiker und keine Parlamentsabgeordneten sitzen. Darüber hinaus war die BBC rechenschaftspflichtig gegenüber der Politik und dem Publikum.[82]
Wie in Großbritannien wurde auch in Belgien, Norwegen und Dänemark das Radio zu Beginn vom privatwirtschaftlichen Sektor betrieben. In Schweden war der Rundfunk von Anfang an als exklusives Public-Service-Monopol organisiert. In Deutschland und Frankreich wiederum stand der Rundfunk anfangs unter der Schirmherrschaft des Staates.[83] Doch setzte sich fast in ganz Westeuropa weitgehend die Ansicht durch, dass Rundfunk nicht in Form privatwirtschaftlicher Unternehmungen betrieben werden sollte, da ihm eine große Wirkung zur Beeinflussung der Bevölkerung zugeschrieben wurde.[84] „Some countries rejected the notion that public interest in broadcasting could be served by the interests of private entrepreneurs primarily looking for profit. At the same time, however, people were also suspicious of the State.”[85]
Eine zweite Herangehensweise besteht darin, einzelne Elemente aufzuzählen, die das Verständnis von Public Service in Europa prägen. Diese Aufzählungen unterscheiden sich darin, ob sie sich eher inhaltlich an den Programmleistungen des öffentlichen Rundfunks oder strukturell an seiner Organisationsform orientieren.[86]
Die Betrachtung über inhaltliche Elemente erklärt PSB unter dem Aspekt der von ihm zu erfüllenden Aufgaben. Public Service wird folglich an bestimmten Programmleistungen festgemacht, ohne eine Aussage über eine bestimmte Institutionalisierung der Rundfunkorganisation zu treffen.[87] „(..) we can see PSB as being a series of separate functions, which can be carried out by any broadcaster (or combinations of broadcasters) no matter what the broadcaster’s legal structure (…)”.[88]
Es existiert eine Reihe unterschiedlicher Auflistungen, was PSB sei. Nach McQuail zählen dazu folgende acht Aufgaben:[89] 1. vielfältige Programme, die alle Geschmäcker, Interessen und Bedürfnisse abdecken; 2. Angebote für Minderheiten; 3. Berücksichtigung der nationalen Kultur, Sprache und Identität; 4. Erfüllung der politischen Funktionen; 5. ausgewogene und unparteiische Informationsvermittlung; 6. hohe Programmqualität; 7. Achtung des öffentlichen Interesses vor finanziellen Zielen und 8. geografische Grundversorgung (die Programme sind für alle empfangbar).
Von PSB wird somit, und damit legitimiert sich seine Institution überhaupt, erwartet, dass er eine höhere Qualität gegenüber dem kommerziellen Rundfunk in der Hinsicht aufweist, dass er die (in Abschnitt 2.2 aufgeführten) normativen Medienfunktionen erfüllt.[90] Daher wird öffentlicher Rundfunk in Europa häufig auch als Qualitätsrundfunk bezeichnet.[91]
Die Programminhalte werden nur im Prinzip beschrieben, eine operationale Definition des Programmauftrages ist wegen der verfassungsrechtlich geschützten Programmautonomie des Rundfunks nicht zulässig.[92] Innerhalb der allgemeinen Parameter, die der öffentliche Auftrag (z.B. die Royal Charter) festschreibt, besitzen die Rundfunkveranstalter somit beträchtliche kreative und innovative Freiheit und Handlungsvollmacht.[93]
Die Erfüllung der Ideale von PSB ist der Herangehensweise über seine inhaltlichen Elemente zufolge nicht zwangsläufig an eine bestimmte Organisationsform gebunden. Allerdings wird angenommen, dass die inhaltlichen Ziele besser mit Hilfe einer bestimmten Organisationsform erreicht werden: „An effective system for serving the public interest has to meet certain structural conditions.“[94] Diese strukturellen Bedingungen sind ein öffentlicher Auftrag, eine (zumindest teilweise) öffentliche Finanzierung, Unabhängigkeit von der Regierung sowie Verantwortlichkeitsmechanismen gegenüber der Gesellschaft, der Öffentlichkeit und dem Publikum.[95]
Bei der Definition über organisatorisch-strukturellen Elementen wird also davon ausgegangen, dass nicht jede Organisation, egal welchen Marktbedingungen sie ausgesetzt ist, die geforderten Inhalte erbringen kann:
While commercial broadcasters may occasionally produce types of programming which achieve PSB end goals, commercial broadcasters cannot be relied on to do so, nor, in these days of subscription television, would any such programming be available to all.[96]
Werden die Inhalte wie bei der Konzeptionen anhand organisatorisch-struktureller Elemente an eine bestimmte Organisationsform gebunden, liegt es in der Hand des Rundfunkveranstalters selbst zu bestimmen, was Public Service inhaltlich bedeutet.[97] Da diese Entscheidung aber bei der Gesellschaft liegen soll, wird in dieser Arbeit mit der folgenden Definitionsweise gearbeitet.
Als vierte Definitionsmöglichkeit gibt es eine Konzeption des PSB als Beziehung zur Gesellschaft. Statt den Public Service auf bestimmte inhaltliche oder strukturelle Aspekte festzulegen, ist die konkrete Ausgestaltung von PSB abhängig von den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft und ihrem Rundfunksystem, welche wiederum dem sozialen Wandel unterliegen.[98][99] Allerdings reicht es nicht aus, nur zwischen dem Mediensystem und der Gesellschaft als Umwelt zu unterscheiden. Als relevante Umwelten des Mediensystems können Politik, Ökonomie und Gesellschaft (im Sinne von Rezipienten und Bürgern) genannt werden, welche mit dem Mediensystem in Beziehung treten: „The media are in a very important sense a political institution, but they are also (increasingly often) businesses and are shaped by many economic factors.“[100]
Die Differenzierung in Wirtschaft impliziert, dass Public-Service-Organisationen wie alle Organisationen geldabhängig sind und somit ökonomische Handlungslogiken eine Rolle spielen.[101] Ebenso verhält es sich mit Einflüssen aus der Politik, denn wie schon gesehen, führt die Public-Service-Idee nur zu einer Institutionalisierung, wenn sie politisch legitimiert wird und eine rechtliche Grundlage erhält.
Diesem Beziehungsmodell liegt die These zugrunde, dass eine zu enge Anbindung des öffentlichen Rundfunks an eine der drei Umwelten seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.[102] Die Positionierung des Public-Service-Anbieters im Beziehungsnetzwerk zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist somit eine Regulierungsaufgabe.[103] Wird PSB als eine Form von Regulierung betrachtet, so muss im Folgenden geschaut werden, welche Formen der Regulierung es gibt und wie in Westeuropa der öffentliche Rundfunk reguliert wird.[104]
Zwar agiert der Public Service als Anstalt öffentlichen Rechts im öffentlichen Wirtschaftssektor und nicht im privaten, dennoch befindet er sich unabhängig von seiner Institutionalisierungsform in einer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsform.[105] PSB muss demgemäß nach ökonomischen Grundsätzen handeln, weil ihm nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung stehen. Seine Mittel, z.B. Gebühren und Werbegelder, entzieht er außerdem dem Wirtschaftsystem und konkurriert dadurch mit den privaten Rundfunkveranstaltern auf dem Beschaffungs- und dem Absatzmarkt sowie auf dem Markt für Produktionsfaktoren. Diese Marktlogik führt zur Erfüllung eines möglichst guten Preisleistungsverhältnisses bei der Umsetzung des Programmauftrages des öffentlichen Rundfunks. Effizientes Haushalten wird den öffentlichen Anstalten abverlangt, um die Gebührenzahler nicht unnötig zu belasten, denn gerade das einkommensschwache Publikum leidet darunter.
Eine Teilfinanzierung durch Werbung senkt weiterhin den Gebührenbeitrag. Gerade in Kleinstaaten wie Irland oder der Schweiz sind Werbeeinnahmen für die öffentlichen Sender sehr wichtig, weil ihre geringere Einwohnerzahl zu verhältnismäßig hohen Gebühren führen würde, im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland oder Großbritannien mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte, auf die sich die Gebühren besser verteilen lassen.[106]
Der Verbund von Massenmedien und Werbung zeigt aber folgendes Dilemma auf: „Zum einen ist der Verbund geeignet, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Mediensystems finanziell zu fördern, zum anderen erschwert der notwendige werbliche Zuschnitt der Medienproduktion die Erfüllung der Kritik- und Kontrollfunktion“.[107] Eine bestimmte Distanz zum Wirtschaftssystem ist somit auch notwendig, um kritisch Bericht erstatten zu können.
Ein teilweiser Wettbewerb mit den privaten Sendern beugt einer Marginalisierung des PSB vor. Denn beschränkt sich der öffentliche Rundfunk nur auf bestimmte, nicht marktfähige Programme für Minderheiten oder ausschließlich kulturelle hochstehende Sendungen, verliert er die Gunst des Publikums und damit im Endeffekt auch seine Legitimation.[108] Massenkompatible Programme sind also erwünscht.
Allerdings versperren sich folgende normativ der Medienproduktion zugeschriebenen Bereiche grundsätzlich gegen eine Marktbewertung:[109]
- Die massenmediale Rekonstruktion der Realität zur Herstellung von Öffentlichkeit,
- die Produktion von Meinungsvielfalt und
- die Produktion von Wahrheit und vermutlich auch
- die Herausbildung gesellschaftlicher Normen.
Herrscht aber in der Gesellschaft Konsens darüber, dass diese Dinge produziert werden sollen, darf ihre Produktion nicht dem Markt überlassen werden: „Und die Öffentlichkeit, Meinungsvielfalt und Wahrheit sind eben keine Waren, die so billig wie möglich gemäß den Konsumentenpräferenzen produziert werden sollten, sie sind nur jenseits der Kategorien von Gebrauchswert und Tauschwert zu bewerten.“[110] Das heißt, bei den gesellschaftlich gewünschten Medienleistungen kommt es zum Marktversagen.[111]
Eine zu enge Anbindung an das Wirtschaftssystem ist somit problematisch. Es besteht die Gefahr der Kommerzialisierung.[112] Aus diesem Grund stellt der Nicht-Kommerz ein Kernelement des PSB dar, was bedeutet, dass öffentlicher Rundfunk nicht oder kaum aus Werbung finanziert werden darf.[113]
Eine geringere Abhängigkeit vom Werbemarkt geht mit einer höheren Abhängigkeit von der Politik einher. Da Medien und der Public Service im Besonderen mit Blick auf die ihnen zugewiesenen Informations- und Meinungsbildungsfunktionen ein meritorisches Gut darstellen, muss ihr Konsum reguliert werden.[114] Regulierung geht vom politischen System aus.
Im Prinzip wäre es möglich, dass der Staat selbst als Rundfunkveranstalter auftritt. Im Falle eines wohlwollenden staatlichen Rundfunkveranstalters könnten unprofitable Public-Service-Program-me (z.B. Bildungssendungen für die ärmere Bevölkerung, die nicht in der Lage sind Pay-TV zu bezahlen oder Produkte aus der Werbung zu kaufen) oder Programme mit besonders gewünschten Effekten auf die Gesellschaft (z.B. integrations- und stabilitätsfördernde Programme oder Programme, die das kulturelle Erbe und Traditionen eines Landes und dessen Regionen darstellen) zur Verfügung gestellt werden.[115] Zudem könnte ein vom Staat betriebener Rundfunk alle gesellschaftlichen Stimmen zu Wort kommen lassen, auch die schwachen.
Doch diese theoretischen Fähigkeiten sind kaum relevant, da staatliche Rundfunkveranstalter niemals mildtätig sind.[116] Stattdessen ist der jeweiligen Regierung daran gelegen, ihre Wiederwahl sicherzustellen. Dies tut sie, indem sie den Rundfunk als Sprachrohr missbraucht, um ihre politischen Ziele und Ideen ans Publikum zu vermitteln. „Auch die Träger von Gesetzgebung, Verwaltung und parlamentarischer Kontrolle sind beschränkt rational und handeln opportunistisch nach ihren persönlichen Interessen, nicht nach den Interessen der Gesellschaft.“[117] Faire politische Konkurrenz wird damit ausgeschlossen, was zu einer Dysfunktion im demokratischen Entscheidungsmechanismus führt. In diesem Fall spricht man von Politikversagen.[118]
Im Gegensatz zum Markt ist der Staat auch weniger effizient und rezipientenfreundlich, da staatliche Apparate nicht gewinn-orientiert handeln und auf Grund ihrer administrativen Komplexität nur sehr langsam auf die Wünsche des Publikums reagieren können.[119] Im Falle eines unzweckmäßigen Funktionierens der staatlichen Verwaltung spricht man von Verwaltungsversagen. Insgesamt ist die Bereitstellung von Rundfunk durch den Staat somit durch Staatsversagen geprägt und aus diesem Grund nicht zweckmäßig.
Eine hoheitlich-imperative Regulierung durch den Staat kommt folglich für den Public Service nicht in Frage.[120] Stattdessen sollen sich die öffentlichen Anstalten selbst regulieren: „Der Gesetzgeber sieht vor, den Programmauftrag und speziell die Vielfalt des Programms dadurch zu sichern, dass die gesellschaftlich relevanten Gruppen an der Kontrolle des Programmauftrages beteiligt werden und zwar anstaltsintern.“[121] Beim PSB gilt also das Prinzip der Selbstkontrolle. Das heißt allerdings nicht, dass der Staat bei der Erstellung des Regelwerkes für den öffentlichen Rundfunk völlig außen vor bleibt:
Gewisse Vorgaben bezüglich der internen Organisationsstruktur und die Wahl der strategischen Leitung, die zugleich internes Aufsichtsgremium ist, obliegen dem Staat – genauso wie die Regulierung der Finanzierung und die Formulierung des Programmauftrages. In den meisten Ländern sind Regierung und Parlament an der Ernennung der Leitung beteiligt.[122]
Bei Selbstkontrolle bzw. -regulierung muss zwischen reiner Selbstregulierung und Co-Regulie-rung bzw. regulierter Selbstregulierung unterschieden werden. Eine Organisation kann sich entweder völlig selbst im rein privaten Sinne regulieren oder sie handelt insoweit staatlich, als dass öffentliche Politikaufgaben an private Akteure oder Institutionen delegiert werden.[123] Reine Selbstregulierung bedeutet, dass private Akteure wie bspw. Medienunternehmen die Regeln für die gesamte Branche selbst entwickeln und durchsetzen. Bei der regulierten Selbstregulierung werden diese Regeln für den eigenen Sektor in Zusammenarbeit oder im Auftrag staatlicher Akteure von einem Akteur oder einer Gruppe von Akteuren formuliert, aufgestellt und durchgesetzt.[124]
Eine reine Selbstregulierung wäre im Falle des öffentlichen Rundfunks nicht von gesellschaftlichem Interesse, weil alle Macht über Programmgestaltung und Finanzierung allein beim Rundfunkveranstalter läge. Da aber der Programmauftrag auf gesellschaftlichem Konsens basieren und bindend für den Rundfunkveranstalter sein soll, setzt der Staat rechtliche Rahmenbedingungen, die die zu erreichenden Mindeststandards festlegen. „Empirisch ist im Rundfunkbereich Selbstregulierung weitgehend regulierte Selbstregulierung oder Co-Regulierung, verläuft also unter staatlicher Beteiligung.“[125]
3.2.3.2.2.1 Der rechtliche Rahmen
Rechtlich bedeutet das, dass eine Co-Regulierung durch die staatliche Rahmensetzung mehr Durchsetzbarkeit mit sich bringt. Denn Selbstregulierung verfügt zwar gegenüber hoheitlich-imperativer Regulierung über viele Vorteile, doch ein Manko besteht in einer oft fehlenden oder zumindest ungesicherten Verbindlichkeits- und damit Durchsetzungsqualität.[126] Deshalb wird der Programmauftrag des PSB in Europa entweder bereits in der Verfassung (z.B. Portugal), in allgemeinen Rundfunk-, Fernseh- oder Kommunikationsgesetzen (z.B. Frankreich, Schweden) oder explizit in Lizenz- und Staatsverträgen (z.B. Großbritannien, Deutschland) gesichert. Die Konzessionen gehen zumeinst näher auf die Programmgestaltung ein als die Rundfunkgesetze. So schreibt das Kommunikationsgesetz in Frankreich für alle Rundfunkveranstalter vor, dass sie ein hohes Maß an Qualität, Vielfalt und keine Zielgruppenpräferenz aufweisen sollen. In den sog. Pflichtenheften dagegen stellt Frankreichs staatliche Exekutive per Dekret die Programmvorgaben u.a. über Sende-, Produktions- und Investitionsquoten für die einzelnen öffentlichen Sender auf.[127]
[...]
[1] Woldt 2005, S. 293.
[2] Vgl. Puppis 2007, S. 200.
[3] Roncagliolo 1995, S. 297.
[4] Vgl. Cajueiro 2007a, o.S.
[5] Bei einem Zensus im April 2007 hatten 67,6 Prozent der 2000 Befragten noch nichts von dem neuen Rundfunksender für Brasilien gehört und 9,8 Prozent hatten die Diskussion mitverfolgt (vgl. Guerreiro 2007, o.S.).
[6] „Lula“ ist der Spitzname des Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.
[7] Lamnek 2005, S. 300.
[8] Thomaß 2007b, S. 7.
[9] Vgl. Kleinsteuber 2003, S. 395; vgl. Woldt 2005, S. 294.
[10] Woldt 2005, S. 299.
[11] Vgl. Thomaß 2007d, S. 210f.
[12] Voigt 2007, S. 51.
[13] Massmann 2007, S. 261.
[14] Mihr 2005, S. 291.
[15] Vgl. Werz 2005, S. 19.
[16] Woldt 2005, 297.
[17] Vgl. ebd., S. 86.
[18] Burnham et. al. 2004, S. 62.
[19] Vgl. Kleinsteuber 2003, S. 388.
[20] Jarren et. al. 2001, Vorwort.
[21] Merkel et. al. 2006, S. 485.
[22] Vgl. McKenzie 2006, S. 33.
[23] Saxer 1999, S. 6.
[24] Vgl. Jarren 2001, S. 142.
[25] Vgl. Der Duden 2007, S. 1319.
[26] Vgl. Thomaß 2007a, S. 13.
[27] Vgl. Keusen 1997, S. 29.
[28] Ebd.
[29] Vgl. Thomaß 2007a, S. 15; vgl. Jarren 2001, S. 146.
[30] Vgl. Jarren 2001, S. 146f.
[31] Ebd.
[32] Vgl. Thomaß 2007a, S. 18.
[33] Vgl. Kleinsteuber/Thomaß 2004, S. 84.
[34] Hafez 2002, 65f, z.n. Woldt 2005, S. 296.
[35] Vgl. Puppis 2007, S. 28.
[36] Thomaß 2007a, S. 18.
[37] Vgl. Thomaß 2007b, S. 7.
[38] Hallin/Mancini 2004, S. 30.
[39] Der Begriff des politischen Systems ist nicht nur systemtheoretisch als „jenes Teilsystem, das dazu befugt und in der Lage ist, gesamtgesellschaftlich verbindliche (insofern politische) Entscheidungen zu treffen“ (Schubert/Klein 2007, S. 236) gemeint, sondern auch als politikwissenschaftlicher Sammelbegriff für die Gesamtheit aller politischen Institutionen, Prozesse und Abläufe sowie Interessen und Inhalte, die eine eigene politische Struktur herausbilden. Wie schon bei dem Versuch, das Mediensystem näher zu bestimmen, erweist sich die Systemtheorie auch bei der Beschreibung des politischen Systems nur als eingeschränkt verwendbar (vgl. Abromeit/Stoiber 2006, S. 22).
[40] Schmidt 2006, S. 172.
[41] Vgl. Abromeit/Stoiber 2006, S. 20f.
[42] Hallin/Mancini 2004, S. 21. Die Autoren haben diese vier Dimensionen zur Beschreibung von Mediensystemen erstellt, um Mediensysteme typologisieren zu können. Aus der empirischen Analyse von 18 westeuropäischen und nordamerikanischen Ländern ergaben sich drei Idealtypen: das mediterrane oder polarisiert-pluralistische Modell (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Frankreich), das nord- und zentraleuropäische oder demokratisch-korporatistische (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Niederlande, Belgien, Österreich, Schweiz und Deutschland) sowie das nord-atlantische oder liberale Modell (USA, Kanada, Großbritannien und Irland). Die Idee, Länder nach bestimmten Kriterien zu kategorisieren, geht auf Fred Siebert, Theodore Peterson und Wilbur Schramm zurück. Ihre sog. Four Theories of the Press von 1956 sind allerdings stark ideologisch aufgeladen bzw. haben sich der Tradition westlich-pluralistischen Denkens verschrieben und basieren nicht auf empirischen Untersuchungen (vgl. Weischenberg 1998, S. 86; vgl. McQuail 2005, S. 176). Weitere Modelle zur Typologisierung von Mediensystemen sind das Contingency Model of Communication von Osmo Wiio (1983), der Mediensysteme nach ihrer Offenheit bzw. Geschlossenheit unterscheidet oder der Weltsymphonieansatz von Herbert J. Altschull, der in seinem 1984 erschienen Buch „Agents of Power“ die Mediensysteme nach einem Marktsystem, einem Plan- oder marxistischem System und einem System der Entwicklungsländer unterscheidet.
[43] Vgl. Blum 2005, S. 5.
[44] Hallin/Mancini 2004, S. 8.
[45] Jarren/Sarcinelli 1998, S. 16.
[46] Ebd.
[47] Gerhards 1998, S. 271.
[48] Vgl. ebd., S. 268.
[49] Sarcinelli 1998, S. 258.
[50] Vgl. Kevenhörster 1998, S. 292; vgl. Vorländer 2004, S. 46.
[51] Sarcinelli 1998, S. 258.
[52] So werden die Parteien als „Transmissionsriemen“ (Vorländer 2004, S. 49) zwischen der Gesellschaft und den Institutionen des Regierungssystems bezeichnet, weil sie die vielfältigen Meinungen, Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung verdichten und sie in die politischen Beratungs- und Entscheidungsprozesse einspeisen. Demzufolge kann auch nur eine pluralistische Parteienlandschaft die vielfältigen Interessen der Gesellschaft widerspiegeln.
[53] Ebd.
[54] Vgl. Gerhards 1998, S. 270.
[55] Ebd. S. 269.
[56] Vgl. Detjen 1998, S. 283.
[57] Vgl. Herzog 1998, S. 298f.
[58] Ebd., S. 299.
[59] Vgl. Gerhards 1998, S. 269.
[60] Vgl. Gabriel/Brettschneider 1998, S. 288.
[61] Ebd.
[62] Vgl. ebd., S. 149.
[63] Detjen 1998, S. 283.
[64] Vgl. Gerhards 1998, S. 272.
[65] Vgl. Detjen 1998, S. 275.
[66] Vgl. Sarcinelli 1998, S. 254.
[67] Voltmer 2007, S. 4.
[68] Vgl. Bentele 1998, S. 310.
[69] Vgl. ebd., S. 306.
[70] Vgl. ebd., S. 309.
[71] Vgl. Detjen 1998, S. 275.
[72] Thomaß 2007c, S. 77.
[73] Der französischsprachige Begriff des Service public bezeichnet dagegen eine „politische Verpflichtung des Staates, bei Dienstleistungen von öffentlichem Interesse eine Grundversorgung sicherzustellen“ (Jarren et. al. 2002, S. 220). Damit ist das französische Verständnis von Service public deutlich staatszentrierter. Dennoch werden die Begriffe im Folgenden alle synonym verwendet, weil ansonsten Probleme bei der Verwendung von schweizerischer Literatur entstünden. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird nur im Zusammenhang mit Deutschland verwendet, denn er ist eine „so nur in Deutschland existierende besondere Organisationsform des Rundfunks“ (Saxer 2005, S. 13).
[74] Vgl. Puppis 2007, S. 194.
[75] UNESCO 2008, o.S.
[76] Jarren et. al. 2001, S. 35.
[77] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 49.
[78] Vgl. Keusen 1997, S. 56.
[79] Vgl. Humphreys 1996, S. 116.
[80] Vgl. Jarren et. al. 2003, S. 149.
[81] Vgl. Keusen 1997, S. 57; vgl. Jarren et. al. 2001, S. 38.
[82] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 37.
[83] Vgl. Humphreys 1996, S. 112.
[84] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 49.
[85] Banerjee/Seneviratne 2005, S. 14.
[86] Vgl. ebd.
[87] Vgl. Puppis 2007, S. 194.
[88] Harrison/Woods 2001, S. 484.
[89] McQuail 2005, S. 179. Andere Autoren zählen anders als McQuail die geografische Grundversorgung zu den strukturellen Elementen (vgl. Jarren et. al. 2001, S. 39f).
[90] Vgl. Thomaß 2006, S. 56.
[91] Vgl. Keane 1991, S. 117.
[92] Vgl. Kiefer 2005, S. 381.
[93] Vgl. Humphreys 1997, S. 119.
[94] McQuail 2005, S. 180.
[95] Vgl. ebd.
[96] Harrison/Woods 2001, S. 485.
[97] Vgl. Puppis 2007, S. 196.
[98] Dieser Ansatz ging aus der Kritik an den anderen Herangehensweisen PSB zu definieren hervor und wurde in einem Forschungsprojekt am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich gemeinsam mit dem Hans-Bredow-Institut an der Universität Hamburg entwickelt (vgl. Donges/Puppis 2003, S. 59).
[99] Ebd.
[100] Hallin/Mancini 2004, S. 47.
[101] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 50.
[102] Vgl. Puppis 2007, S. 196.
[103] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 59; Thomaß 2007c, S. 77; Bonfadelli/Meier 2005, S. 146.
[104] Baldwin/Cave (1999, S. 2) nennen drei verschiedene Formen der Regulierung: als jegliche Form sozialer Kontrolle und Einflussnahme, als bewusster staatlicher Einfluss oder als eine Menge an Anweisungen. Regulierung ist im Folgenden „zwingend an geplante Handlungen eines Akteurs gebunden, der entweder staatlich ist, oder aber vom Staat ein Mandat zur Regulierung erhält“ (Jarren et. al. 2003, S. 104f). Diese Definition scheint von Vorteil, weil sie im Gegensatz zu den anderen beiden Definitionen bestimmte Akteure klar benennt (Regierung, Verwaltung, Regulierungsbehörden). Regulierung als beabsichtigter Staatseinfluss beinhaltet außerdem nicht nur Gebote und Verbote wie bei der Definition als Menge von Anordnungen, sondern auch andere Arten von Einflussnahme, z.B. das Setzen ökonomischer Anreize, Subventionen oder die Bereitstellung von Informationen zur Problemlösung (vgl. Puppis 2007, S. 50). Staatliche Regulierung übertragen auf den Mediensektor bedeutet folglich, dass staatliche Akteure bezüglich Medienorganisationen und der massenmedialen öffentlichen Kommunikation Regeln setzen, deren Einhaltung durchsetzen und Regelverstöße sanktionieren (ebd.).
[105] Vgl. ebd., S. 54.
[106] Vgl. Puppis 2007, S. 216.
[107] Heinrich 1999, S. 585.
[108] Vgl. Jarren et. al. 2001, S. 55.
[109] Vgl. Heinrich 1999, S. 45.
[110] Heinrich 1999, S. 45.
[111] Marktversagen bedeutet, dass die Medienproduktion von ihrem öffentlichen Wohlfahrtsoptimum abweicht, welches ja beim Public Service die Basis für seine Legitimation ist (vgl. Kops 2001, S. 2).
[112] Unter Kommerzialisierung versteht man „das Überquellen des Marktes und seiner Maßstäbe auf Bereiche, die jenseits von Angebot und Nachfrage liegen sollten“ (Röpke 1958, S. 174, z.n. Kiefer 2005, S. 25). Der Begriff Kommerzialisierung kann auch weniger wertend definiert werden, nämlich als Bemühen von Medienunternehmen, die „produktive und allokative Effizienz ihrer Produktion zu steigern, also billiger zu produzieren und genauer das zu produzieren, was den Wünschen des Publikums entspricht“ (Heinrich 1994, S. 171, z.n. Kiefer 2005, S. 25).
[113] Vgl. Humphreys 1997, S. 119. Werbung hat programm- und vielfaltverengende Tendenzen, nicht weil der werbende Kunde selbst Einfluss auf die Medieninhalte nehmen will, sondern weil die Medienunternehmen unter wirtschaftlichem Zwang ihre Medieninhalte an die Präferenzen der Werbewirtschaft anpassen, um ihre Haupteinnahmequelle zu sichern. Die Wünsche der Rezipienten ziehen dabei oft den Kürzeren, weil sie in der Regel den kleineren Finanzierungsbeitrag zur Medienproduktion leisten und weil die werbetreibende Wirtschaft im Gegensatz zum Publikum in der Lage ist, ihre Präferenzen klar, operationalisierbar und zudem in Verbänden organisiert zu formulieren (vgl. Heinrichs 1999, S. 583). Medienfinanzierung über Werbung führt also zur programmlichen Diskriminierung der Bevölkerungsgruppen, die werblich „unattraktiv“ sind. Als werblich interessante Zielgruppen gelten v.a. die 14-49Jährigen. Den unter 14Jährigen fehlt es oft an Geld und die über 49Jährigen lassen sich kaum noch in ihren Konsumgewohnheiten beeinflussen (vgl. ebd.).
[114] Meritorische Güter sind Güter, „die von den Konsumenten in einem Ausmaß konsumiert werden, das nicht dem Ausmaß entspricht, das die politischen Entscheidungsträger oder andere Instanzen für wünschenswert halten. Zur Korrektur sind Eingriffe in die Konsumentenpräferenzen notwendig“ (Heinrich 1999, S. 41).
[115] Vgl. Kops 2007, S. 12.
[116] Vgl. ebd.
[117] Heinrich 1999, S. 84.
[118] Vgl. Kiefer 2005, S. 265.
[119] Vgl. Kops 2007, S. 13.
[120] Die Staatsferne bei der Regulierung von Medien kann nicht nur verfassungsrechtlich begründet werden, sondern auch systemtheoretisch. Wie in der Definition von Mediensystemen schon angesprochen sind Organisationen, aus denen sich das (Medien-)System zusammensetzt, nach eigener Logik operierende soziale Einheiten, „die sich durch rekursiv vernetzte Entscheidungen reproduzieren und damit selbst konstituieren“ (Schulz 2003, S. 312). Auf Grund dieser Eigenlogik ist die Steuerung auch nur als indirekte, als Kontextsteuerung denkbar. D.h. nicht, dass Organisationen steuerungsunfähig sind, schließlich sind sie, wenn auch operativ geschlossen, informationell offen. Die gesellschaftliche Funktion einer Organisation liegt aber gerade in der Orientierung der Mitglieder an die internen Erwartungen begründet (ebd.).
[121] Heinrich 1999, S. 90.
[122] Puppis 2007, S. 210.
[123] Vgl. Baldwin/Cave 1999, S. 125.
[124] Vgl. Jarren et. al. 2003, S. 107.
[125] Ebd.
[126] Vorteile der Selbstregulierung sind eine höhere Flexibilität und ein Geschwindigkeitsvorteil gegenüber staatlicher Regulierung. Selbstregulierungsorganisationen verfügen über mehr Fachwissen als staatlich eingesetzte Regulierungsbehörden. Selbstregulierung ist für den Staat kostengünstiger als Regulierung und sie funktioniere unabhängig von Staatsgrenzen (vgl. Puppis 2007, S. 60; vgl. Jarren et. al. 2003, S. 98f; vgl. Baldwin/Cave 1999, S. 125f).
[127] Vgl. ebd., S. 75f.
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