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Mehr InfosDiplomarbeit, 2004, 70 Seiten
Diplomarbeit
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
1,3
Die bisher kaum beantwortete Frage, inwieweit der Einsatz des Electronic Commerce (E-Commerce) im Rahmen des Regain Managements[1] sinnvoll sein kann, soll Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sein. Im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements[2] stellt das Kundenrückgewinnungsmanagement dabei den dritten abnehmergerichteten Strategieansatz neben der Neukundengewinnung und dem Kundenbindungsmanagement dar[3]. Maßnahmen des Kundenrückgewinnungsmanagements setzen in diesem Zusammenhang dort ein, wo Aktivitäten des Kundenbindungsmanagements erfolglos geblieben sind[4]. Das primäre Ziel des Regain Managements kann dabei darin gesehen werden, abgewanderte Kunden dazu zu bewegen, die Geschäftsbeziehung wieder aufzunehmen[5].
Aufgrund der Erkenntnis, dass langfristige Kundenbeziehungen häufig von einer höheren Profitabilität gekennzeichnet sind, als kurzfristig transaktionsorientierte Beziehungen, hat das Kundenmanagement als wesentlicher Bestandteil einer verstärkten Kundenorientierung im Rahmen der Marketingwissenschaft und -praxis zunehmend an Bedeutung gewonnen[6]. In diesem Zusammenhang wirft das in vielen Branchen immer noch festzustellende starke Wachstum des E-Commerce die Frage auf, wie sich die bestehenden Kenntnisse für das Kundenmanagement geändert haben bzw. noch ändern könnten.[7] Inwiefern E-Commerce zur Neukundengewinnung und insbesondere zur Kundenbindung beitragen kann, scheint dabei bereits ausführlicher behandelt worden zu sein[8] als die im Rahmen dieser Arbeit behandelte Frage, “ob“ und wenn ja, „wie“ E-Commerce im Rahmen des Kundenrückgewinnungsmanagements eingesetzt werden kann. Dabei wird neben dem
E-Commerce besonders auch für das Regain Management im Rahmen des wohl ohnehin immer bedeutender werdenden Kundenmanagements ein
überproportionaler Bedeutungszuwachs prognostiziert[9]. Eine Ursache dieses Bedeutungszuwachses kann in der in vielen Branchen beobachtbaren Zunahme der Wechselbereitschaft (Churn)[10] gesehen werden.[11] Ein Überblick darüber, wie diese Zusammenhänge und offene Fragen näher untersucht werden sollen, wird im nachfolgenden Abschnitt gegeben.
Im Rahmen einer Geschäftsbeziehung, unter der eine Folge von Marktransaktionen, die nicht zufällig ist[12] verstanden werden kann, sollen sowohl Markttransaktionen zwischen Unternehmen und Endverbrauchern (Business-to-Consumer bzw. B2C) als auch solche zwischen zwei Unternehmen
(Business-to-Business bzw. B2B)[13] betrachtet werden[14]. Das aussichts-reichere Feld des E-Commerce scheint dabei zwar im B2B-Bereich zu liegen[15], aufgrund der bisherigen Literatur zum Regain Management kann jedoch vermutet werden, dass dieses für beide Bereiche von hoher Bedeutung ist[16]. Somit scheint es auch für diese Arbeit zweckmäßig, die Betrachtungen nicht lediglich auf einen Bereich zu beschränken.
Ferner soll sich die Arbeit nicht nur auf Kunden beschränken, die bereits vor ihrer Abwanderung die Möglichkeiten des E-Commerce genutzt haben[17]. Stattdessen soll auch untersucht werden, inwieweit solche Kunden zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen bewegt werden können, welche bis dato nicht von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben.
Wenn man davon ausgeht, dass das Interesse an der Wiederaufnahme einer kundenseitig beendeten Geschäftsbeziehung primär auf Seiten des Anbieters gesehen werden kann, so soll sich auch für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit größtenteils auf diese Perspektive beschränkt werden[18]. Die vorliegende Untersuchung ist dabei in 6 Kapitel gegliedert.
Nach den einführenden Gedanken des ersten Kapitels erfolgt in Kapitel zwei zunächst eine für die vorliegende Untersuchung zweckmäßig erscheinende Abgrenzung des Begriffs des Electronic Commerce. Um die Einbettung des Regain Managements im Rahmen des Marketings - welches als ein um-fassendes Konzept der markt- und kundenorientierten Unternehmensführung bzw. als ein Management von Wettbewerbsvorteilen[19] verstanden werden soll[20] - genauer darzustellen, werden anschließend die Begriffe Beziehungsmanagement und Kundenbeziehungslebenszyklus kurz erläutert.
Aufbauend auf den einleitenden Begriffsabgrenzungen des zweiten Kapitels soll im Rahmen des dritten Kapitels zuerst auf die Problematik einer exakten Abgrenzung der Begriffe Regain Management und Kundenabwanderung eingegangen werden, um den Untersuchungsrahmen für die Einsatzmöglichkeiten des E-Commerce möglichst genau festzulegen. Daraufhin erfolgt eine Darstellung möglicher Abwanderungskategorien, welche zu einer Systematisierung nach Ursprung und Art der Kundenabwanderungsgründe beitragen kann[21]. Anschließend werden die Motive des Regain Managements genauer betrachtet. Auf Basis der verschiedenen in der Literatur diskutierten Phasenkonzepten wird als letzter Punkt des dritten Kapitel ein alternatives
Phasenmodell dargestellt, welches für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit am zweckmäßigsten scheint. Im Rahmen des vierten Kapitels sollen neben den generellen Zielen und Instrumenten auch die Merkmale des
E-Commerce zur Gestaltung von Geschäftsbeziehungen näher erläutert werden, welche sich durch die in Kapitel 2.1 zugrunde gelegte Definition ergeben.
Auf Basis dieser Ausführungen werden in Kapitel fünf denkbare Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes des E-Commerce in den - an dieser Stelle näher betrachteten - Phasen des Regain Managements untersucht. Zur Beurteilung dieser Möglichkeiten werden die zuvor erläuterten Bewertungsmaßstäbe der Effektivität und Effizienz herangezogen. Abschließend sollen in Kapitel Fünf noch einige Problembereiche eines „ganzheitlichen Strategieansatzes“[22] angesprochen werden, bevor in Kapitel sechs eine Zusammen-fassung der Ergebnisse dieser Arbeit und eine Darstellung möglicher zukünftiger Forschungsbereiche erfolgt.
Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wird der Begriff des
E-Commerce uneinheitlich verwendet. Dies könnte unter Umständen an den vielfältigen Einsatzbereichen dieses Begriffs liegen, wodurch je nach Betrachtungsweise, eine andere Definition zweckmäßig sein kann.[23] Betrachtet man den Begriff des E-Commerce beispielsweise im engeren Sinne, so bezeichnet dieser die „elektronisch realisierte Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung von ökonomischen Transaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten über Computernetzwerke“[24]. Aus einer allgemeineren Perspektive versteht man unter E-Commerce dagegen alle Formen der elektronischen Geschäftsabwicklung über Computernetzwerke wie z.B. dem Internet[25]. Während sich der Begriff im engeren Sinne somit nur auf den Kauf bzw. Verkauf von Gütern und Dienstleistungen und die damit verbundenen Informations- und Kommunikationsprozesse beschränkt, umfasst die weitere Abgrenzung auch die Unterstützung der verschiedenen unternehmensinternen und -übergreifenden Wertschöpfungsprozesse.[26]
Würde man dieser Arbeit die enge Definition des E-Commerce zugrunde legen, so wären die Einsatzmöglichkeiten des E-Commerce im Rahmen des Regain Managements auf solche Aspekte beschränkt, welche lediglich dem Bereich des Electronic Shopping[27] bzw. des elektronischen Handels[28] zuzuordnen sind. Da im Rahmen dieser Arbeit aber gerade solche Kunden betrachtet werden, die explizit oder implizit die Geschäftsbeziehung mit einem Anbieter gekündigt haben und somit derzeitig keine ökonomische Trans-aktionen mehr mit diesem tätigen, ist diese Begriffsabgrenzung für die
weiteren Ausführungen eher unzweckmäßig. Stattdessen scheint es im Rahmen dieser Arbeit sinnvoll, der weiten Begriffsauffassung des E-Commerce zu folgen und darunter die unternehmerische Nutzung von Computernetzwerken[29] zu verstehen.
Unter (wertorientiertem) Beziehungsmanagement soll an dieser Stelle ein kundenorientiertes Verhaltensprogramm verstanden werden, welches in einem funktionalen Verständnis sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle umfasst, die der Initiierung, Stabilisierung,
Intensivierung und Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung mit ausgewählten Kunden dienen[30]. Bedient man sich dabei verstärkt elektronischen Medien wie beim E-Commerce, so spricht man auch von electronic Customer Relationship Management (eCRM). Wenn ein Marketing in Geschäftsbeziehungen erfolgen soll, so ist davon auszugehen, dass dies eine stetige Verbesserung der Kenntnisse über den Kunden erfordert. Diese kann vor allem durch das Sammeln und Auswerten von Informationen erzielt werden, wodurch eine individualisiertere Kundenansprache ermöglicht wird[31].[32]
Unter der Annahme, dass die strategische Perspektive des Beziehungsmarketings auf die dynamischen Entwicklungen von Kundenbeziehungen abzustimmen ist[33], erscheint es zweckmäßig, diese im Folgenden näher zu betrachten. In der vorliegenden Arbeit wird dabei auf den Kundenbeziehungslebenszyklus aus Anbietersicht von Stauss zurückgegriffen, da dieses Modell auch die Phase der Kundenrückgewinnung integriert. Auch wenn die theoretisch-konzeptionelle Eignung dieses Konzeptes für Planungsentscheidungen bezweifelt werden kann, wird in diesem Konzept dennoch deutlich, dass die handelnden Akteure in einer Geschäftsbeziehung mit dynamischen Entwicklungen, Krisen und früher oder später mit dem Ende der Beziehung konfrontiert werden. Des Weiteren ist dieses Konzept für die Einbettung des Regain Managements in das (Beziehungs-)Marketing durchaus hilfreich.[34]
Im Gegensatz zum Konzept des Produktlebenszykluses, das eher eine produktorientierte[35] Sichtweise verkörpert, zielt die auf das Beziehungsmanagement ausgerichtete Anwendung des Lebenszyklus-Konzepts auf Kundenbeziehungen stärker auf die Aufrechterhaltung bzw. Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen ab. Beschreibt man den Verlauf einer Geschäftsbeziehung - etwa anhand der Beziehungsintensität - über die Zeit, so lassen sich unterschiedliche Phasen erkennen. Diese können eine Erklärung für die verschiedenen Wachstumsraten der Beziehungsintensität bieten und dadurch eine mögliche Grundlage für eine lebensphasenspezifische Bearbeitung des Kunden bilden. Wie Abbildung 1 verdeutlicht, besteht eine mögliche Abgrenzung der Phasen in der Unterteilung nach Anbahnungs-, Sozialisations-, Wachstums-, Reife-, Kündigungs- und Revitalisierungsphase. In diesem Zusammenhang stellen die beiden Letzteren den für diese Arbeit besonders wichtigen Übergang zum Regain Management dar.[36]
Als Maßgröße für die Beziehungsintensität scheint es zweckmäßig einen umfassenderen Kundenwert, der sich nicht etwa nur auf das Umsatzvolumen beschränkt, heranzuziehen. Der Kundenwert soll in dieser Arbeit als der gesamte Nutzen interpretiert werden, den ein Anbieter aus einer Geschäftsbeziehung zieht[37]. Dieser sollte neben quantitativen Wertbestandteilen - wie etwa dem Kundendeckungsbeitrag als monetäre Unterform - auch qualitative Nutzeneffekte - wie beispielsweise dem Referenz-, Informations- und
Cross-Selling-Potential - berücksichtigen.[38]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Der Kundenbeziehungslebenszyklus
In Anlehnung an Stauss 2000a, S. 579.
Das Interessentenmanagement in der Anbahnungsphase, welches an anderen Stellen auch als (Neukunden-)Akquisition oder Neukundengewinnungs-management bezeichnet wird[39], hat als Ziel, das Interesse von potentiellen Kunden zu wecken und diese zu einem Erstkauf zu bewegen. Bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung folgt der Übergang zur Sozialisationsphase, an die sich bei der Tätigung von Folgekäufen die Wachstumsphase anschließt. Steigt der Kundenumsatz nur noch mit sinkenden Wachstumsraten, so befindet sich die Geschäftsbeziehung in der Reifephase. Liegen dauerhaft keine steigenden Ergebnisbeiträge mehr vor, erfolgt der Übergang zur Degener-ationsphase. Ein Stagnieren oder Absinken des Kundenwertes zwischen den einzelnen Phasen - was man auch als einen Indikator für einen möglichen Abbruch der Geschäftsbeziehung ansehen könnte - bzw. dessen Absinken zu Beginn der Degenerationsphase kann auch als Gefährdungsphase betrachtet werden. An diesen Stellen setzen im Rahmen des Kundenbindungsmanagements das Beschwerde- und das Kündigungspräventionsmanagement an. Gefährdete Beziehungen sollen dabei durch einen planvollen Umgang mit Beschwerden (Beschwerdemanagement) sowie, aufbauend auf einer proaktiven Betrachtung von Kündigern („Churn-Analyse“), der gezielten Verhinderung von Kündigungen (Kündigungspräventionsmanagement) stabilisiert werden.[40]
Bleiben die Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements wirkungslos, erfolgt der Übergang zur Kündigungsphase bzw. zum - kundenwert-orientierten - Regain Management. In der Kündigungsphase haben die
(verlorenen) Kunden bereits ihre Entscheidung, die Geschäftsbeziehung zu beenden, getroffen und unter Umständen gegenüber dem Anbieter artikuliert. Bei Vorliegen einer vertraglichen Bindung können diese aber im Rahmen des Kündigungsmanagements gegebenenfalls noch zur Rücknahme der Kündigung bewegt werden. Ist dies nicht möglich und geht der Kunde daraufhin beispielsweise eine vertragliche Verpflichtung bei einem anderen Anbieter ein, so ist eine Revitalisierung ehemaliger Geschäftsbeziehungen erst nach Ablauf dieser neuerlichen Bindung bzw. der sogenannten Abstinenzphase möglich. Für den Fall, dass ein Kunde im Rahmen des Regain Managements zurückgewonnen werden kann, so beginnt ein zweiter Zyklus.[41] Inwieweit insbesondere die letzte Phase des Kundenbeziehungslebenszykluses in dieser Form als Grundlage für die vorliegende Arbeit geeignet ist, soll im folgenden Kapitel näher betrachtet werden.
In der Literatur existieren variierende Auffassungen über den Begriff des Regain Managements und seiner Definition wie in Abbildung 2 verdeutlicht werden soll. So begrenzen etwa Bruhn/Michalski das Rückgewinnungs-management auf die Phase nach der Kündigung, welche Sie mit dem Ende der Geschäftsbeziehung gleichsetzen.[42] Analog den Ausführungen zu 2.2.2 unterscheidet dagegen etwa Stauss zwischen Kündigung und Vertrags- bzw. Geschäftsbeziehungsende[43].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Begriffsabgrenzungen des Regain Managements
In Anlehnung an Stauss 2000c, S. 452; Stauss 2000b, S. 16; Bruhn/Michalski 2001, S. 112.
Zweifelhaft ist aber nicht nur die Frage, ob eine eventuell vorhandene Kündigungsphase begrifflich dem Kundenbindungsmanagement oder dem Regain Management zugeordnet werden soll[44].[45] Auch die Frage, was in diesem Zusammenhang unter einer Kündigung zu verstehen ist, kann insbesondere dann als problematisch angesehen werden, wenn die Identifizierung der Abwanderung nicht durch mitgliedschaftsähnliche Geschäftsbeziehungen mit vertraglichen Bindungen – wie etwa bei Buchclubs, Versicherungen, Banken oder in der Telekommunikationsbranche - begünstigt wird[46]. Zwecks einer möglichst eindeutigen Abgrenzung des Begriffs des Regain Managements ist es für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit wohl sinnvoll, zunächst eine mögliche Unterscheidung von abgewanderten Kunden näher zu betrachten.
So genannte „Kündiger“ teilen dem betrachteten Anbieter die vollständige Aufgabe der Geschäftsbeziehung ausdrücklich mit. Kann ein „Kündiger“ nicht - sofern dies gewünscht ist - unmittelbar zurückgewonnen werden, geht dieser in den Status des „Ehemaligen“ über. Unter „Schläfer“ sollen solche vormals aktive Kunden verstanden werden, welche mittlerweile aufgrund ausbleibender Umsätze praktisch als abgewandert betrachtet werden können, ohne dass dabei eine explizite Kündigung erfolgt ist[47]. Im Rahmen des Kundenbeziehungslebenszykluses lassen sich diese potentiellen Zieltypen des Regain Managements weiter nach den Teilbereichen des Kündigungs- und Revitalisierungsmanagements trennen. „Schläfer“ und „Ehemalige“ könnten dabei eher Letzterem zugeordnet werden, während „Kündiger“ im Rahmen des Kündigungsmanagements angesprochen werden.[48]
Unter der Annahme, dass eine Beendigung der Geschäftsbeziehung oftmals keiner expliziten Kündigung bedarf, erscheint es sinnvoll, den Begriff der Kündigung weiter zu fassen. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher nicht von Kunden die Rede sein, die gekündigt haben, sondern von solchen, die abgewandert bzw. verloren sind[49]. Unter dem Begriff der Kundenabwanderung sollen dabei sämtliche Entscheidungsprozesse sowie Maßnahmen und Signale des Kunden verstanden werden, die darauf schließen lassen, dass im Rahmen einer bisherigen Geschäftsbeziehung zu einem Anbieter mit diesem keine weiteren Transaktionen mehr erfolgen bzw. geplant sind[50].[51] Aufbauend auf dieser Abgrenzung soll unter dem Regain Management als Teilbereich des Beziehungsmanagements die Konzeption sowie Implementierung eines Unternehmensprozesses verstanden werden, welcher primär darauf abzielt, Geschäftsbeziehungen mit ausgewählten abgewanderten Kunden wiederzubeleben[52].
Aufgrund der nachfolgend dargestellten Gründe soll sich allerdings auf eine der Abwanderung zeitnahe Kontaktaufnahme konzentriert werden. Zum Einen ist es denkbar, dass „Schläfer“ nicht zwangsläufig erst nach einer Abstinenzphase[53] zurückgewonnen werden können[54]. Zum Anderen scheint es sowohl unter Erfolgsaspekten[55] als auch aus rechtlichen Gründen[56] zweckmäßig, abgewanderte Kunden möglichst zügig anzusprechen. Letztlich scheint eine solche Fokussierung auf die Gruppen der „Kündiger“ und „Schläfer“ auch unter der Annahme sinnvoll, dass die Wiederansprache von verlorenen Kunden nach einem längeren Zeitraum der Neukundenakquisition sehr ähnlich sein kann[57]. Aufgrund des begrenzten Umfanges dieser Arbeit wird für die Gruppe der „Ehemaligen“, zu denen dann auch nicht rechtzeitig identifizierte bzw. nicht zurückgewonnene „Schläfer“ gezählt werden sollen, daher auf die Verfahren des Neukundengewinnungsmanagements verwiesen. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung scheint es aus Vereinfachungsgründen ferner zweckmäßig, im Rahmen des Regain Managements auf eine explizite Trennung zwischen Kündigungs- und Revitalisierungsmanagement zu verzichten.
Zwecks einer adäquaten Reaktion auf die Situation, Erwartungen und Einschätzungen der zuvor identifizierten verlorenen Kunden können die Abwanderungsgründe erste wesentliche Anhaltspunkte geben[58]. Aus Anbietersicht bietet sich vor allem eine Unterscheidung nach den drei nachfolgend betrachteten zentralen Abwanderungskategorien an, wobei die Beendigung einer Geschäftsbeziehung häufig auf die Kombination von mehreren Gründen zurückzuführen ist[59].[60]
Eine unternehmensinduzierte Abwanderung basiert primär auf Verärgerung des Kunden über kritische Ereignisse (Critical Incidents), wozu man insbesondere Fehlleistungen des Unternehmens zählen kann. Beispielhaft können in diesem Zusammenhang etwa Schwächen in der Preis- und Produktgestaltung, unpünktliche Lieferungen, schlechte Servicequalität, ein negatives Image oder Interaktionsprobleme genannt werden.[61] Wenn man davon ausgeht, dass der Kunde aufgrund solcher Fehlleistungen unzufrieden wird und daraufhin abwandert, so kann man diese Gruppe verlorener Kunden auch als „unabsichtlich vertriebene Kunden“ bezeichnen. Will dagegen der An-
bieter - im Gegensatz zum Kunden - die Geschäftsbeziehung beenden, so spricht man auch von „absichtlich vertriebenen Kunden“, welche für den weiteren Verlauf der Arbeit allerdings per definitione ausscheiden.[62]
Mögliche Gründe, warum sich auch zufriedene Kunden nicht immer loyal verhalten, können wettbewerbs- oder kundeninduzierte Ursachen haben[63].[64] Eine wettbewerbsinduzierte Abwanderung ist möglicherweise durch einen höher wahrgenommenen Nutzen von Angeboten anderer Anbieter begründet. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „abgeworbenen Kunden“, während man bei Kunden, welche aufgrund eines kurzfristigen - meist geldwerten - Vorteils abwandern, von „weggekauften Kunden“ sprechen kann.
[...]
[1] Begrifflich werden auch die Termini (Kunden-)Rückgewinnungsmanagement und Customer
Recovery verwendet; vgl. Michalski 2002, S. 11.
[2] Des Weiteren werden u. a. auch die Begriffe Beziehungsmanagement, Beziehungsmarketing, Kundenmanagement, Geschäftsbeziehungsmanagement, Marketing in Geschäftsbeziehungen oder Customer Relationship Management (CRM) als Synonyme verwendet; vgl. Plinke 1997, S. 5.
[3] Vgl. Bruhn/Michalski 2001, S. 111; Homburg/Schäfer 1999, S. 1.
[4] Vgl. Stauss 2000a, S. 580.
[5] Eine detaillierte Betrachtung der Ziele des Regain Managements sowie eine Abgrenzung des
Begriffs erfolgt in Kapitel 3.
[6] Vgl. Schöler 2003, S. 1; Reichheld/Sasser 1991, S. 105ff.
[7] Vgl. Diller 2001, S. 67; Hermanns/Sauter 2001, S. 18, 22 ff.; Plinke 1997, S. 5.
[8] Vgl. dazu etwa Teil IV in Bliemel/Fassott/Theobald (Hrsg.) 2000.
[9] Vgl. Bliemel/Fassott/Theobald 2000, S. 2ff.; Bruhn/Michalski 2001, S. 111, 120.
[10] Besonders im angloamerikanischen Raum wird der Umgang mit Anbieterwechslern auch mit dem Begriff Churn Management beschrieben. Der Begriff Churn ist dabei eine künstliche Wort-schöpfung aus „ Ch ange“ und „T urn “ bzw. „Ret urn “ und entspricht im Deutschen der Ab-wanderungsquote. Das Churn Management, welches bei denjenigen Kunden ansetzt, die - meist aufgrund eines deutlichen „Signals“ - mit hoher Wahrscheinlichkeit die Beziehung beenden, kann als dem Regain Management sehr ähnlich bezeichnet werden; vgl. Kehl 2001, S. 208f.; Stauss 2000c,
S. 452f.; Lejeune 2001, S. 376f.
[11] Vgl. Sauerbrey/Henning 2000, S. 4; Stauss/Friege 2003, S. 525; Sauerbrey 2000, S. 7f.
[12] Vgl. Plinke 1997, S. 23; ders. 1989, S. 307.
[13] Unter diesen Bereich fallen auch Marktransaktionen mit anderen formalen Organisationen wie etwa Universitäten oder Museen. Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen unter Unternehmen bzw. Anbietern aus Vereinfachungsgründen allerdings nur solche - multipersonale - soziale Gebilde verstanden werden, für welche der Gewinn im Zielsystem des Unternehmens eine wesentliche Rolle spielt. Dazu sollen neben Herstellerbetrieben u. a. auch Handelsbetriebe gezählt werden.
[14] Vgl. Wöhe 2002, S. 201; Hermanns/Sauter 2001, S, 17f.; Homburg/Schäfer 1999, S. 9.
[15] Vgl. Hermanns/Sauter 2001, S. 27; Bliemel/Fassott/Theobald 2000, S. 2ff.
[16] So nennen beispielsweise Homburg/Schäfer 1999 auf S. 9 explizit beide Bereiche, während sich etwa Griffin/Lowenstein eher auf den Bereich des B2C konzentrieren; vgl. dieselben 2001 S. 54.
[17] Im weiteren Verlauf der Arbeit wird in diesem Zusammenhang auch von „e-Kunden“ gesprochen.
[18] Wenn man davon ausgeht, dass anbieterseitig beendete Geschäftsbeziehungen (vgl. zu diesem Themenbereich Günter/Helm 2003, S. 47ff.) für das Regain Management eher keine Rolle spielen (vgl. Stauss/Friege 2003, S. 531), so soll diese Form der Beziehungsbeendigung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht näher betrachtet werden.
[19] Unter einem Wettbewerbsvorteil (Kundenvorteil) soll in dieser Arbeit das Angebot eines Anbieters verstanden werden, welches im Verhältnis zu vergleichbaren Wettbewerbsangeboten von einem Abnehmer als „besser“, „kostengünstiger“, „schneller“ und/oder „sicherer“ empfunden wird;
vgl. Günter 1997, S. 215 ff. Zur genaueren Betrachtung der Einordnung eines Wettbewerbsvorteils, dessen Erzielung letztlich zum (Wieder-)Aufbau und der Erhaltung von Geschäftsbeziehungen beitragen soll, in das Marketing vgl. ders. 2003a, S. 293f.
[20] Vgl. Backhaus 2003, S. 7 ff.; Günter 2003a, S. 293.
[21] Vgl. Bruhn/Michalski 2001, S. 118.
[22] Der in dieser Arbeit untersuchte Einsatz des E-Commerce im Rahmen des Regain Managements wird im Verlauf der Ausführungen aus sprachlichen Gründen vereinfachend auch mit dem Begriff des „ganzheitlichen Strategieansatzes“ bezeichnet.
[23] Für mögliche Definitionen des Begriffs vgl. etwa Hermanns/Sauter 2001, S. 16;
Bliemel/Fassott/Theobald 2000, S. 2ff.; Fritz 2001, S. 21ff.
[24] Wamser 2001, S. 11.
[25] Vgl. Hermanns/Sauter 2001, S. 16.
[26] Vgl. Wamser 2001, S. 11ff.; Bliemel/Fassott/Theobald 2000, S. 2ff.
[27] Vgl. Hermanns/Sauter 2001, S. 16.
[28] Vgl. Fritz 2001, S. 23.
[29] Vgl. Wöhe 2002, S. 200. Aus Vereinfachungsgründen soll unter Computernetzwerken im weiteren Verlauf der Arbeit allerdings hauptsächlich das Internet betrachtet werden. Auf eine explizite Trennung zwischen E-Commerce und Internet bzw. Internet und den „benachbarten Technologien“ (Hermanns/Sauter 2001, S. 19) Extranet und Intranet wird dagegen verzichtet.
[30] Vgl. Michalski 2002, S. 4; Plinke 1997, S. 5, 42f.; Günter/Helm 2003, S. 49.
[31] In diesem Zusammenhang wird häufig auch der Begriff des Direkt Marketing verwendet. Darunter soll in dieser Arbeit die „direkte Kommunikation, die durch gezielte Kontaktaufnahme und Individualität der Kommunikationsbeziehung gekennzeichnet ist“ (Dallmer 1997, S. 4) verstanden werden.
[32] Vgl. Eggert/Fassott 2001, S. 3ff.; Diller 2001, S. 67f.; Fassott 2001, S. 136.
[33] Vgl. Diller 2001, S. 67f.
[34] Vgl. Günter/Helm 2003, S. 57; Stauss 2000b, S. 16f.; Butzer-Strothmann 1999, S. 14ff., 32.
[35] Wenn im Rahmen dieser Arbeit von Produkten die Rede ist, so sollen darunter Leistungsbündel verstanden werden. Diese enthalten in der Regel sowohl Sach- als auch Dienstleistungen, welche man auch als materielle und immaterielle Komponenten bezeichnen könnte. Dazu kann man auch die Werkzeuge des E-Commerce zählen; vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1993, S. 400; 407ff.; Bliemel/Fassott 2000, S. 193.
[36] Vgl. Stauss 2000b, S. 15ff.; Stauss 2000a, S. 579ff.
[37] Vgl. Günter 2003b, S. 253.
[38] Vgl. Helm/Günter 2003, S. 8; Stauss/Friege 2003, S. 527f.
[39] Vgl. Griffin/Lowenstein 2001, S. 22f.; Stauss 2000c, S. 451; Bruhn/Michalski 2001, S. 111.
[40] Vgl. Stauss 2000b, S. 16; ders. 2000a, S. 579f.
[41] Vgl. ders. 2000b, S. 16; ders. 2000a, S. 579f.; Stauss/Friege 2003, S. 526ff.
[42] Vgl. Bruhn/Michalski 2001, S. 112.
[43] Vgl. Stauss 2000b, S. 16; ders. 2000a, S. 579f.
[44] Vgl. Stauss/Friege 1999, S. 348.
[45] Aufgrund der Tatsache, dass eine tatsächliche Kündigung meist eher einen längeren
Entscheidungsprozess darstellt, sind die Grenzen zwischen Kundenbindung und
Rückgewinnung auch in der Unternehmenspraxis häufig fließend. Ein abruptes Ende der Geschäftsbeziehung ohne vorheriges Signal kommt dagegen wohl eher selten vor;
vgl. Bruhn/Michalski 2001, S. 113; Butzer-Strothmann 1999, S. 158.
[46] Vgl. Schöler 2003, S. 4; Platzek 1999, S. 27; Reichheld 1997, S. 58.
[47] Auf die Abwanderungsform der „Reduzierer“ soll in der vorliegenden Arbeit nicht explizit eingegangen werden, da für diese Art der Abwanderung u. a. eine Abgrenzung zum Kundenbindungsmanagement besonders problematisch scheint; vgl. zur genaueren Betrachtung dieses Abwanderungstypus etwa Schöler 2003, S. 4ff.
[48] Vgl. ebenda S. 4f.; Stauss 2000b, S. 16.
[49] Zu der Problematik der eindeutigen Festlegung, ab wann ein Kunde als „verloren“ anzusehen ist, vgl. auch Stauss 2000c, S. 455.
[50] Vgl. Michalski 2002, S. 8; Günter/Helm 2003, S. 51.
[51] Zur Identifikation verlorener Kunden vgl. Kapitel 5.2.1.1.
[52] Vgl. Michalski 2002, S. 12.
[53] Vgl. zu dieser Auffassung Schöler 2003, S. 5f.
[54] Dies setzt allerdings eine rechtzeitige Identifikation der „Schläfer“ voraus; vgl. dazu Kapitel 5.2.2.1.
[55] Zur Bedeutung einer frühzeitigen Kündigeransprache als entscheidenden Erfolgsfaktor für das Regain Management vgl. etwa die Studie von Sauerbrey 2000, S. 7ff. oder Stauss/Friege 2003,
S. 540; Bruhn/Michalski 2001, S. 112.
[56] Vgl. hierzu Kapitel 5.3.
[57] Vgl. Sauerbrey/Henning 2000, S. 33.
[58] Vgl. Stauss/Friege 2003, S. 530; Schöler 2003, S. 8.
[59] Vgl. Keaveney 1995, S. 78; Butzer-Strothmann 1999, S. 228.
[60] Eine genauere Betrachtung der kundenindividuellen Ermittlung der Abwanderungsgründe und entsprechender Reaktionsmöglichkeiten des Anbieters soll in Kapitel 5.2 unter der Perspektive eines ganzheitlichen Strategieansatzes erfolgen.
[61] Vgl. Butzer-Strothmann 1999, S. 226f.; Michalski 2002, S. 50.
[62] Vgl. Bruhn/Michalski 2001, S. 117ff.; Sauerbrey/Henning 2000, S. 21ff.; Stauss/Friege 2003,
S. 530f; Günter/Helm 2003, S. 53.
[63] So hat etwa eine branchenübergreifende Studie von Reichheld ergeben, dass über 60% der abgewanderten Kunden in einer kurz zuvor durchgeführten Befragung angaben, mit den Produkten und Leistungen des jeweiligen Unternehmens zufrieden zu sein; vgl. Reichheld 1997, S. 61. Trotz der räumlichen Beschränkung dieser Untersuchung scheint die Studie auch für die vorliegende Arbeit zweckmäßig, wenn man unterstellt, dass dieses Ergebnis kein „Spezialfall“ für US-amerikanische Branchen darstellt.
[64] Ferner sind auch umweltbezogene Gründe wie etwa Gesetzesänderungen als Ursache der Beziehungsbeendigung denkbar (vgl. Günter/Helm 2003, S. 53), auf welche im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht näher eingegangen werden soll.
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