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Mehr InfosDiplomarbeit, 2000, 98 Seiten
Diplomarbeit
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Magdeburg (Betriebswirtschaftslehre)
1,0
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Situation der Großbanken
2 Grundlagen des Kundenbindungsmanagements
2.1 Kundenzufriedenheit
2.2 Erläuterungen zum Konstrukt Kundenbindung
2.2.1 Kundennähe
2.2.2 Kundenbindung
2.2.3 Bedeutung der Kundenbindung
2.3 Zusammenhang Kundenzufriedenheit – Kundenbindung
2.4 Gründe für Kundenverluste
3 Konzept des Kundenbindungsmanagements
3.1 Segmentierung und Bestimmung des Kundenwertes
3.1.1 Deckungsbeitragsrechnung
3.1.2 Portfolio-Technik
3.1.3 Kundenlebenszykluskonzept und Lebenszeitwert
3.2 Ermittlung der Kundenerwartungen und der Kundenzufriedenheit
3.2.1 Ereignisorientierte Meßansätze
3.2.2 Merkmalsorientierte Meßansätze
3.3 Instrumente der Kundenbindung
3.3.1 Maßnahmen aus dem Produkt-Mix
3.3.1.1 Servicegarantien
3.3.1.2 Kundenschulungen
3.3.1.3 Merchandising
3.3.2 Maßnahmen aus dem Preis-Mix
3.3.3 Maßnahmen aus dem Kommunikations-Mix
3.3.3.1 Aktives Beschwerdemanagement
3.3.3.2 Mitarbeiter
3.3.3.3 Database-Marketing
3.3.3.4 Kundenclubs
3.3.3.5 Telefonbanking / Call Center
3.3.3.6 Kundenzeitschrift
3.3.3.7 Eventmarketing
3.3.3.8 Kundenkonferenzen
3.3.4 Maßnahmen aus dem Distributions-Mix
3.3.4.1 Außendienst
3.3.4.2 Bankautomaten
3.3.4.3 Bankshops und andere neue Filialtypen
3.3.4.4 Internet
3.4 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen
4 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Expertengespräche
Ehrenwörtliche Erklärung
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei denjenigen zu bedanken, die mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich mit Rat und Tat unterstützt haben.
Mein besonderer Dank gilt meinem Betreuer, Herrn Professor Dr. Burkhard von Velsen-Zerweck. Er begeisterte mich für ein Thema, dessen Brisanz mir erst im Verlaufe meiner Recherchen voll bewusst wurde und ließ die Erstellung der Diplomarbeit durch seinen hohen Leistungsanspruch zu einer Herausforderung werden.
Herrn Professor Dr. Meisel sei sehr herzlich für die Übernahme des Zweitgutachtens gedankt. Darüber hinaus bin ich meinen Gesprächspartnern in der Unternehmenspraxis sehr verbunden. Erst durch ihre Auskunftsbereitschaft wurde die fundierte Bearbeitung der Thematik Kundenbindungsmanagement bei Banken möglich.
Dank gebührt all denjenigen, die mich auf dem Weg bis zur Abgabe in verschiedenster Weise begleitet haben: Frau Petra Beier war eine wertvolle Hilfe bei der Beschaffung der benötigten Literatur. Herr Rüdiger Bente fungierte als engagierter und kompetenter Berater in Fragen der graphischen Gestaltung. Gerade in der „heißen Phase“ wurde er zum unentbehrlichen Partner.
Spezieller Dank sei an dieser Stelle Wilfried ausgesprochen. Er war immer für mich da und hat mich während meiner Ausbildung vielfältig unterstützt. Meinem Lebensgefährten, Dieter, bin ich für seine Diskussionsbereitschaft und die sorgfältige sowie kritische Durchsicht des Manuskripts sehr dankbar. Durch seine konstruktiven Anregungen sowie die aufmunternden Worte trug er wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Schließlich danke ich meinen Eltern von ganzem Herzen, die lange Zeit die Rahmenbedingungen schufen, die meine akademische Ausbildung überhaupt ermöglichten. Ihnen widme ich daher diese Diplomarbeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prognose über die Entwicklung der Filialstruktur ausgewählter Unternehmen
Abb. 2: Zusammenhang Serviceleistungsniveau - Kundenzufriedenheit
Abb. 3: Konzeptualisierung des Konstruktes Kundenbindung
Abb. 4: Determinanten der Kundenbindung
Abb. 5: Wirkungen der Kundenbindung
Abb. 6: Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und -bindung bei Banken und Sparkassen
Abb. 7: Gründe für Bankwechsel
Abb. 8: Entwicklung eines Kundenbindungssystems
Abb. 9: Kundenlebenszyklus
Abb. 10: Überblick über die Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit
Abb. 11: Instrumente eines Kundenbindungssystems
Abb. 12: Vorteile und Nachteile von Telefonbanking aus Kunden- und aus Bankensicht
Abb. 13: Instrumente der Kundenbindung
Abb. 14: Segmentspezifische Kundenbindungsinstrumente
Nicht erst seit der vollzogenen Fusion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und der Bayerischen Vereinsbank werden in Deutschland Diskussionen um die Filialkonzepte der Banken geführt. Die Bundesrepublik besitzt das dichteste Zweigstellennetz in Europa und gilt im internationalen Vergleich mit ihren 63.000 Filialen als overbanked.[1] Da die Großbanken zunehmend zu der Erkenntnis gelangen, dass sie über ein zu teures und in den meisten Fällen zu ineffizientes Zweigstellennetz verfügen, sehen sie die Notwendigkeit, die gewachsenen Strukturen zu überprüfen.[2] Seit etwa 1982 kann eine Straffung des Filialnetzes beobachtet werden.[3] Ein Ende des Konzentrationsprozesses ist noch nicht in Sicht; ganz im Gegenteil ist damit zu rechnen, dass sich dieser noch verstärken wird.[4] Die Ursachen für diesen Wandel und das Bemühen um eine optimale Gestaltung eines Vertriebswegemix‘ liegen u.a. in der hohen Fixkostenbelastung,[5] den veränderten Kundenanforderungen und im wachsenden Angebot elektronischer Finanzdienstleistungen über Telefon und Internet.[6] Die Banken sehen sich einer großen Herausforderung gegenüber. Auf der einen Seite müssen sie Geschäftsstellen zusammenlegen und damit eine physische Entfernung vom Kunden in Kauf nehmen,[7] auf der anderen Seite gilt es, den Privatkunden, der zu einem hart umkämpften Zielobjekt geworden ist,[8] langfristig an sich zu binden. Die vorliegende Arbeit greift diesen Konflikt auf und versucht, Ansätze aufzuzeigen, wie dieser durch Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten gelöst werden kann. Dabei finden auch solche Maßnahmen und Ideen Erwähnung, die von Filialleitern, die am Entscheidungstropf der jeweiligen Zentralen in Frankfurt, München etc. hängen,[9] eigenverantwortlich umgesetzt werden können.
Die Rahmenbedingungen bankwirtschaftlichen Handels haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch den Eintritt von Direktbanken, Non- und Near-Banks in den Markt, der durch weitgehende Homogenität und damit durch Austauschbarkeit seiner Produkte gekennzeichnet ist,[10] ist die Konkurrenzsituation komplexer geworden.[11] Die Margen verfallen,[12] der Preiswettbewerb in der Kreditwirtschaft wurde wiederbelebt. Eine diesen Effekt verstärkende Rolle spielt dabei die multimediale Revolution, die zu einer Transparenz der Märkte geführt hat. Der nächste Anbieter, bei dem sich der Kunde über Konditionen etc. informieren kann, ist quasi nur noch einen Mausklick entfernt.[13] Mit den erweiterten Konkurrenzangeboten und dem immer schwieriger werdenden Zufriedenstellen der gestiegenen Kundenerwartungen sinkt die dauerhafte Nachfrage nach Leistungen genau eines Kreditinstitutes. Die Bankloyalität bzw. die Kundentreue,[14] die diesen Sachverhalt ausdrückt, nimmt tendenziell ab.[15] Dieser Trend lässt sich auch anhand der existierenden Mehrfachbankverbindungen belegen: 1985 verfügte ungefähr jeder dritte private Bankkunde über mehr als eine Bankverbindung, kaum zehn Jahre später bereits jeder zweite.[16]
Die Banken sehen sich derzeit mit einem ‚Produktivitäts-Dilemma‘ konfrontiert. In Zweigstellen alter Art steuern 70 Prozent der Kunden lediglich marginale oder sogar negative Deckungsbeiträge bei. Konventionelle Bankfilialen geraten zunehmend unter Rentabilitätsdruck. Teuer ausgebildetes und hochbezahltes Personal bearbeitet am Schalter oft einfache Vorgänge und ist damit beschäftigt, Formulare auszufüllen, Daueraufträge abzuändern etc.[17] In 10 Prozent der Arbeitszeit befassen sich Banken direkt, d.h. beratend, mit ihren Kunden. Administrative Arbeitsabläufe beanspruchen die restlichen 90 Prozent![18] Daher laufen die Banken Gefahr, sich durch ihre kostenintensiven Filialnetze ertragsmäßig zu strangulieren.[19] Als Ausweg könnte eine Standardisierung von Produkten und Dienstleistungen in Betracht gezogen werden. Jedoch impliziert diese einen Verlust persönlicher Kundenkontakte, was wiederum zu einer sinkenden Loyalität führen würde.[20] In einer Zeit, in der der Kundenorientierung entscheidende Bedeutung zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zukommt,[21] sollte vielmehr eine Intensivierung der Kundenschnittstelle forciert werden. Die Banken bewegen sich damit in einem Spannungsfeld zwischen Standardisierung einerseits und Individualisierung andererseits.[22] Der Kostenexplosion im Zahlungsverkehrsservice sowie den anderen soeben beschriebenen Veränderungen begegnen die Banken nun mit einer Optimierung ihres Zweigstellennetzes. Die folgende Abbildung 1 zeigt, wie die Filialstruktur einiger Banken in Deutschland in den kommenden Jahren aussehen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prognose über die Entwicklung der Filialstruktur ausgewählter Unternehmen[23]
Unter Kundenbindungsmanagement wird „die systematische Planung, Realisation, Kontrolle und Anpassung aller auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Aktivitäten“[24] eines Unternehmens verstanden, die die engere Gestaltung der Unternehmen-Kunde-Beziehung und die Verringerung der Wechselbereitschaft zum Ziel haben.[25] Bevor auf diese Maßnahmen eingegangen werden kann, erscheint es als sinnvoll, zunächst einige Begriffe zu erklären, die für ein erfolgreiches Kundenbindungsmanagement bedeutsam sind.
Ein Begriff, der in den Diskussionen um Kundenorientierung und Kundenbindung immer wieder auftaucht, ist der der Kundenzufriedenheit. Unter Kundenzufriedenheit kann das positive Ergebnis eines komplexen psychischen Soll-Ist-Vergleiches verstanden werden.[26] Wird das definierte Qualitäts- und Anspruchsniveau erreicht bzw. übertroffen, entsteht Kundenzufriedenheit; übersteigt die Erwartung die tatsächlich erbrachte Leis-tung, wird der Kunde enttäuscht.[27] Die Kundenzufriedenheit ist ein aussagefähiger Indikator für die Zukunft eines Unternehmens.[28] Um das Kundenverhalten positiv zu beeinflussen, werden Serviceleistungen angeboten.[29] Diese können nur dann zu mehr Zufriedenheit führen, wenn sie vom Kunden tatsächlich wahrgenommen werden. Abbildung 2 zeigt, dass es zwischen einem niedrigem und einem hohen Serviceleistungsniveau einen Indifferenzbereich gibt, in dem eine zusätzliche Wertsteigerung nur zu einem geringen Zuwachs an Kundenzufriedenheit führt. Eine Wirkung wird erst erzielt, wenn sich die Verbesserung eines Service in Form eines Quantensprunges vollzieht.[30]
An dieser Stelle muss betont werden, dass Servicestrategien auf exakter Messung der Kundenerwartungen und der Serviceleistungen des Unternehmens beruhen müssen.[31]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Zusammenhang Serviceleistungsniveau - Kundenzufriedenheit[32]
Nur die Banken, die kontinuierlich den Zufriedenheitsgrad ihrer Kunden ermitteln, haben sich auch tatsächlich deren Zufriedenheit als oberstes Ziel ihrer Tätigkeit auf die Fahnen geschrieben.[33]
Bezugsobjekt des Phänomens der Kundenbindung ist die Beziehung zwischen einem Dienstleistungsunternehmen und einem Kunden.[34] Hierbei sind zwei Sichtweisen möglich, auf die im folgenden detaillierter eingegangen werden soll:
- die Unternehmensperspektive, in deren Rahmen der Begriff Kundennähe verwendet wird. Sie trägt dem instrumentellen Charakter der Kundenbindung Rechnung.
- die Kundenperspektive. Hier erfolgt eine eher verhaltensorientierte Interpretation der Kundenbindung. Bei Betrachtung des nachfrageseitigen Pols der Kundenbindung sollen im weiteren Verlauf der Arbeit die Begriffe Kundentreue, Kundenbindung und Bankloyalität synonym verwendet werden.
Mit der Veröffentlichung ihres vielbeachteten Bestsellers „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“[35] entfachten Peters und Watermann eine Diskussion um den Begriff der Kundennähe. In der Studie über in der Fachwelt angesehene amerikanische Großunternehmen identifizieren die Autoren Kundennähe als einen von acht Erfolgsfaktoren.[36] Obwohl die Arbeit von Peters und Watermann erhebliche Defizite aufweist, sei es, weil sie eine exakte Definition des Begriffs Kundennähe schuldig bleibt,[37] oder weil ohne Kontrollgruppe gearbeitet wurde,[38] zeigt sie sehr deutlich, wie wichtig es ist, auf Kundenwünsche einzugehen, die Welt mit den Augen der Kunden zu sehen und zwischen den Kunden und dem Unternehmen eine Partnerschaft aufzubauen.[39] Zollner setzt sich in seiner Dissertation mit dem Einfluß der Kundennähe auf die Loyalität von Bankkunden auseinander. Die 1995 veröffentlichten Ergebnisse seiner empirischen Untersuchung zeigen, dass Kundennähe nicht gleichbedeutend ist mit physischer Nähe, sondern über diese hinaus geht.[40] Sie beinhaltet Faktoren wie die schnelle Beantwortung von Anfragen und leicht verständliche Informationen.[41] Geographische Nähe selbst hat keinen signifikanten Einfluss auf die direkte Kundennähe-Beurteilung, wie die Ergebnisse von Homburg bestätigen. Sie erleichtert jedoch die Flexibilität im Umgang mit den Kunden und kann damit als ein Instrument zur Realisierung von Kundennähe angesehen werden.[42] Da die Erreichbarkeit, die für die Kunden ein zentrales Auswahlkriterium darstellt,[43] auch durch andere Vertriebswege gewährleistet werden kann, kann räumliche Nähe nicht mehr als der entscheidende Wettbewerbsfaktor angesehen werden. Die Filiale wird eine Kontaktadresse für den Kunden bleiben; sie wird aber nicht mehr den Stellenwert besitzen wie vor einigen Jahren. Sich auf die Auswertung der empirisch ermittelten Kundenwünsche stützend, gibt daher Eusterbrock die Empfehlung, die Bankstellendichte so zu reduzieren, dass den Kunden eine Anlaufstelle im Umkreis von 20 km verbunden mit Selbstbedienungsmöglichkeiten in der näheren Umgebung bleibt.[44]
Kundenbindung stellt ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt dar, da es aus zwei grundlegenden Dimensionen besteht, nämlich dem bisherigen Verhalten und den Verhaltensabsichten.[45] Die folgende Abbildung 3 zeigt, dass der Verhaltensdimension das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten und der Absichtsdimension neben der Wiederkaufabsicht auch die Zusatzkaufabsicht und die Weiterempfehlungsabsicht zugeordnet werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Konzeptualisierung des Konstruktes Kundenbindung[46]
Kundenbindung kann daher definiert werden als Summe aller psychologischer Bewusstseinsprozesse bzw. beobachtbaren Verhaltensweisen eines Kunden, in denen sich bisheriges Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten sowie Wiederkauf-, Zusatzkauf- und Weiterempfehlungsabsichten widerspiegeln.[47] Übertragen auf Banken drückt Kundenbindung bzw. Bankloyalität die Bereitschaft aus, dauerhaft die Leistungen eines Institutes nachzufragen.
Die Bindung eines Kunden an ein Dienstleistungsunternehmen kann verschiedene Ursachen haben. Einerseits kann das Bindungsverhältnis auf positiven Einstellungen und Zufriedenheit beruhen, andererseits können technische und ökonomische Zwänge, die Wechselbarrieren darstellen, eine Rolle spielen.[48] Hinzu kommt, dass die Bequemlichkeit des Kunden von nicht zu unterschätzender Relevanz ist. Lohmann wies nach, dass Unkenntnis zu einer stärkeren Bindung führt. Kunden, die wenige Banken dem Namen nach kennen, sind treuer als solche, die weitaus mehr Institute benennen können.[49] Die Abbildung 4 fasst die Faktoren der Kundenbindung zusammen. Da der Kundenzufriedenheit eine Schlüsselrolle zukommt, wurde sie besonders hervorgehoben.[50]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Determinanten der Kundenbindung[51]
Die Bedeutung der Wechselkosten für die Kundenbindung lässt sich mit Hilfe ökonomischer Theorien belegen. Diese eignen sich aber auch - mehr oder weniger gut - zur Erklärung der Kundenbindung. An dieser Stelle sei auf die Property-Rights-, die Principal-Agent- und die Transaktionskostentheorie hingewiesen, die alle eigenständige Ansätze der Neuen Institutionenökonomik darstellen.[52] Der Autor schließt sich der Meinung Lohmanns an, dass die Transaktionskostentheorie am ehesten dem Anspruch gerecht wird, Bankloyalität erklären zu können:[53]
- Individuen werden realistischerweise als beschränkt rational betrachtet.
- Anhand des Ausmaßes an ökonomischen und emotionalen Investitionen wird erklärt, wie stark sich die Transaktionspartner in Beziehungen binden.
- Der Grundgedanke, zu untersuchen, durch welche Maßnahmen die Partner nachträgliche Transaktionsprobleme minimieren können, erscheint als sehr sinnvoll, da sich z.B. kognitive Loyalität erst mit den positiven Erfahrungen, die mit dem Anbieter gesammelt werden konnten, entwickelt.
- „Die Transaktionskostentheorie erlaubt es, die wahrgenommenen Kosten des Kunden von der Geschäftsanbahnung bis zur vollständigen Vertragskontrolle zu erfassen.“[54] Eine Kunde-Bank-Beziehung kann als Folge sich bedingender Transaktionen beschrieben werden.
Immer mehr Banken realisieren, wie wichtig es ist, mit einer kundenorientierten Unternehmensstrategie nicht nur neue Kunden zu erreichen, sondern bestehende Kundenbeziehungen zu bewahren und zu intensivieren.[55] So äußerte der ehemalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, in einem Interview die Vermutung, dass seiner Bankorganisation jährlich etwa 25 Prozent des gesamten Umsatzvolumens wegen mangelnder Kundennähe und mangelndem Engagement der Mitarbeiter gegenüber den Kunden verloren gingen.[56] Die einschlägige Literatur[57] beeinflusst mit ihren ökonomischen Begründungen sicherlich in hohem Maße den Bewusstwerdungsprozess. Abbildung 4 gibt einen Überblick über wichtige Sicherheits-, Wachstums- und Renditeziele, die mit Hilfe kundenbindender Maßnahmen erreicht werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Wirkungen der Kundenbindung
Eine stabile Geschäftsbeziehung führt zu mehr Sicherheit. Gemeint ist damit, dass es Wettbewerber schwerer haben, Kunden abzuwerben. Der Informationsaustausch erhöht sich, die Banken erhalten Feedback, die Kunden sind eher bereit, Kritik zu äußern und geben so den Banken die Chance, Unzufriedenheit stiftende Faktoren zu erkennen und Produkte und Ablaufprozesse zu optimieren. Die Fehlertoleranz erhöht sich.[58]
Weiterhin wirkt sich eine Erhöhung der Kundenbindung positiv auf das Unternehmenswachstum aus. Das Lebensumsatzpotential kann ausgeschöpft werden, wenn der Kunde dem Unternehmen treu bleibt. Die Häufigkeit der Inanspruchnahme einer vormals genutzten Bankleistung nimmt zu. Außerdem erhöht sich die Anzahl von Käufen in anderen Geschäftsbereichen. Dieses Phänomen wird mit Cross-Selling bezeichnet.[59] Weitere Wachstumschancen ergeben sich aus dem Referenzeffekt. Kunden, die weiterempfehlen, beschaffen neue Kunden zu äußerst niedrigen Akquisitionskosten.[60] Reichheld und Sasser wiesen empirisch nach, dass sich durch eine Verringerung der Kundenabwanderung um fünf Prozent bei Finanzdienstleistungsunternehmen Gewinnzuwächse in Höhe von 60 Prozent in den folgenden fünf Jahren erzielen lassen.[61] Dass sich eine Verringerung der Kundenabwanderung positiv auf das Unternehmenswachstum auswirkt, ist unbestritten. Da Reichheld und Sasser jedoch versäumen, Stellung dazu zu nehmen, welche Kosten die Senkung der Kundenabwanderungsrate verursacht und inwieweit diese Kosten in die Berechnung der Gewinnzuwächse eingeflossen sind, darf dieses Ergebnis nicht überbewertet werden. Der Autor widerspricht zudem der Forderung, eine Nullabwanderung anzustreben. Dies erscheint angesichts der in 1.2 beschriebenen Situation der Banken als unrealistisch und unter Berücksichtigung der vermuteten enormen Kosten als nicht sehr sinnvoll. Jedes Unternehmen muss folglich für sich das Optimum finden.[62] Anzumerken ist auch, dass eine Reduktion der Abwanderungsquote nicht nur zu zusätzlichen Gewinnen, sondern auch zu einer Vermeidung negativer Ausstrahlungseffekte führt. Zollner hat nachgewiesen, dass eine Bank in Wirklichkeit drei Kunden verliert, wenn zwei Kunden kündigen.[63] Als weitere positive Wirkung der Kundenbindung auf das Unternehmenswachstum kann eine erhöhte Preisbereitschaft genannt werden.[64] Aber auch die geringere Preissensibilität sollte kritisch hinterfragt werden. Ist es tatsächlich so, dass ein Kunde wegen eines fünfprozentigen Preisaufschlages nicht gewillt ist, eine gewachsene Beziehung aufs Spiel zu setzen? Ist es nicht vielmehr so, dass Stammkunden in der heutigen Zeit nach Belohnungen für ihre Treue suchen und einfach erwarten, dass sie von den Unternehmen mindestens mit derselben Aufmerksamkeit und ebenso günstigen Angeboten bedacht werden wie potentielle Neukunden? Diese Fragen können im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. Der Autor möchte sie daher als Anregung für weitere Forschungsprojekte verstanden wissen.
Wie der Abbildung 5 zu entnehmen ist, geht von der Kundenbindung eine erhebliche Kostensenkungswirkung aus. Neben der Einsparung von Akquisitionskosten[65] entstehen Opportunitätserlöse dadurch, dass die Bedienung bekannter Kunden mit einem geringeren Kostenaufwand verbunden ist. Im Laufe der Beziehung wurden Informationen über die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden gesammelt, so dass das Angebot wirksamer abgestimmt werden kann, Streuverluste vermieden werden und eine effizientere Gestaltung der Unternehmen-Kunde-Beziehung möglich wird.[66]
Außerdem zeigt sich, dass sich eine hohe Kundenbindung positiv auf die Mitarbeiterfluktuation auswirkt.[67]
Bereits im Abschnitt 2.2.2 wurde die Bedeutung der Kundenzufriedenheit für die Bindung des Kunden an ein Unternehmen hervorgehoben. Die Zufriedenheit ist die einzige Determinante, die alle Faktoren der Kundenbindung positiv beeinflusst.[68] Die Abbildung 6 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen der Globalzufriedenheit der Kunden und deren Wiederkauf- und Weiterempfehlungsabsicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und -bindung bei Banken und Sparkassen[69]
Dass über die Kundenzufriedenheit tatsächlich die Kundenbindung erhöht werden kann, belegt eine von der Sparkasse Köln 1994 durchgeführte Studie:
- „Zufriedene Kunden sind weniger wechselgefährdet: 93% der sehr zufriedenen Kunden verneinen eine Wechselbereitschaft gegenüber nur 44% der mangelhaft zufriedenen Kunden.
- Zufriedenen Kunden haben weniger Bankverbindungen: 87% der sehr zufriedenen Kunden der Stadtsparkasse Köln haben ausschließlich eine Bankverbindung gegenüber nur 56% der mangelhaft zufriedenen Kunden.
- Zufriedene Kunden empfehlen die Stadtsparkasse Köln weiter: Die Kunden, die bereit sind, die Stadtsparkasse Köln weiter zu empfehlen, sind wesentlich zufriedener (Durchschnittsnote 2,2) als diejenigen, die dazu nicht bereit sind (Durchschnittsnote 4,0).“[70]
Die Kundenzufriedenheit stellt demzufolge eine Voraussetzung für Kundenbindung dar, was aber nicht bedeutet, dass sie zwingend auch Kundenbindung zur Folge hat. Es gibt Bankkunden, die trotz hoher Zufriedenheit wegen geringfügig besserer Konditionen oder aus Imagegründen zur Konkurrenz wechseln.[71] Variety-Seeking-Motive, d.h. Motive des Strebens nach Abwechslung, können bei Bankkunden aufgrund hoher Transaktionskosten zur Erklärung des Phänomens weitestgehend ausgeschlossen werden. Häufig wird auch der Fehler begangen, von einer hohen Kundenbindung auf eine hohe Kundenzufriedenheit zu schließen. Aber auch unzufriedene Kunden können eine hohe faktische Kundenbindung an ein Unternehmen aufweisen,[72] nämlich dann, wenn sie langfristige Kreditverträge abgeschlossen haben oder wenn es ihnen an Alternativen mangelt, da vielleicht nur eine Bank bereit ist, eine Finanzierung zu übernehmen.
Wissenschaftliche Theorien erklären den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung mit der psychologischen Motivation und den kognitiven Entscheidungsprozessen des Kunden. Laut Aussage der Theorie der kognitiven Dissonanz streben Individuen ein dauerhaftes Gleichgewicht ihres kognitiven Systems an, das sich aus der Summe von Kognitionen (Wissen, Erfahrungen, Meinungen) und ihren Beziehungen zueinander ergibt. Ein zufriedener Kunde befindet sich in einem psychischen Gleichgewicht und versucht, als unangenehm empfundene Spannungen (kognitive Dissonanzen) zu vermeiden, indem er sich loyal verhält.[73]
Beim Lernen nach dem Verstärkungsprinzip wird davon ausgegangen, dass jene Verhaltensweisen beibehalten werden, die in der Vergangenheit zur Belohnung geführt haben. Andererseits wird das Verhalten geändert, das eine Bestrafung mit sich brachte. Ist ein Kunde zufrieden mit einem Produkt und der Behandlung durch die Mitarbeiter, fühlt er sich in einer Entscheidung bestätigt. Aus der Zufriedenheit resultiert eine Verhaltensverstärkung, die im Wiederholungsfalle zu einer engeren Bindung des Kunden an das Unternehmen führt.[74]
Die Risikotheorie besagt, dass sich Kunden stets bemühen, das subjektiv wahrgenommene kaufspezifische Risiko, das seine Ursache in unvollständigen Informationen hat, so weit wie möglich zu reduzieren. Sie wollen Fehlkäufe vermeiden und bleiben aus diesem Grund einem einmal gewählten Anbieter treu, sofern sie mit ihm zufrieden sind.[75]
Bevor ein Unternehmen beginnt, sich Gedanken darüber zu machen, wie es die Kunden besser zufriedenstellen und an sich binden kann, sollte es einige Zeit darauf verwenden, herauszufinden, wie hoch die Anzahl der Kunden ist, die dem Unternehmen den Rücken zugekehrt haben. Weiterhin ist es wichtig, zu erfahren, welche Kunden abgewandert sind und worin die Gründe für den Verlust zu suchen sind. Viele Unternehmen wird es überraschen, weder Preis noch Produkt ganz oben auf der Ursachenliste wiederzufinden. Bei den in der Literatur erwähnten Kundenverlustanalysen gehen die Prozentsätze der aufgeführten Gründe zwar etwas auseinander;[76] jedoch lassen sich klar Tendenzen dahingehend erkennen, dass mangelnder Service mit einigem Abstand den häufigsten Grund für einen Bankenwechsel darstellt. An dieser Stelle sei auf die Abbildung 7 hingewiesen, die einen Überblick über die wichtigsten Abwanderungsgründe gibt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Gründe für Bankwechsel[77]
In einer weiterführenden Forschungsarbeit wäre zu untersuchen, in welche Richtung und in welchem Ausmaß sich das Ursachengefüge im Fall von Zweigstellenschließungen verschiebt. Es ist anzunehmen, dass eine solche Unternehmensentscheidung zu Kundenverlusten führen wird. Trotzdem ist der Autor der Meinung, dass sich bei Gewährleistung eines hervorragenden Kundenservice die Zahl derer, die abwandern, begrenzen lässt. Diese Ansicht wird mit der Wirkung von Zufriedenheit auf die Kundenbindung, mit der Bequemlichkeit der Kunden, einem gewachsenen Vertrauensverhältnis und dem Ziel nach Risikominimierung begründet.
Wie die Erfahrungen aus Fusionen der jüngsten Vergangenheit zeigen, haben Bankenzusammenschlüsse ebenfalls eine verstärkte Kundenfluktuation zur Folge. Experten sprechen von bis zu 30 Prozent![78] Da der Kunde von vielen Veränderungen, die mit der Umsetzung eines derartigen Vorhabens einhergehen, unmittelbar betroffen ist, ist es notwendig, die Einstellung, die er seiner künftigen Bank entgegenbringt, positiv zu beeinflussen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Kunde regelmäßig Informationen über das geplante Vorgehen, die bisher erreichten Fusionsetappen und den Umgang mit den persönlichen und vertraulichen Daten erhält.[79] Erfahren dagegen Bankkunden aus der Tagespresse, wie im März 2000 anlässlich der geplanten Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank geschehen, dass sie in Kategorien über und unter 200.000 DM Vermögenswert eingeteilt werden sollen, kann es sein, dass „Bänder der Sympathie“ zerreißen und Kunden abwandern.[80] Weiterhin sollte versucht werden, dem Kunden die Angst zu nehmen, in Zukunft auf den gewohnten Ansprechpartner verzichten zu müssen. Laut Klein/Nathanson-Loidl ist die Konstanz des Beraters ein immer wieder mit höchster Priorität genannter Wunsch.[81] Sollte sich ein Betreuerwechsel als unumgänglich erweisen, muss dieser so sensibel wie möglich vorgenommen werden. Als ideal wird eine persönliche Überleitung des Kunden an den neuen Ansprechpartner angesehen. Um zu vermeiden, dass sich der Kunde an einen Berater und nicht an das Institut bindet, wäre es eventuell sinnvoll, die Kunden von kleinen 2er-Teams betreuen zu lassen. So wird verhindert, dass der Kunde abwandert, wenn ein Betreuer geht und gleichzeitig sichergestellt, dass der Kunde auch in der Urlaubszeit bzw. bei Krankheit eines Betreuers auf einen ihm bekannten Ansprechpartner trifft.
Mit der Einsicht in die Notwendigkeit, dauerhafte Kundenbeziehungen an die Stelle einzelner Verkäufe rücken zu lassen, löste das Kundenbindungsmanagement das Transaktionsmanagement als Führungsphilosophie ab.[82] Durch seine investive Perspektive unterscheidet es sich in hohem Umfang vom Transaktionsmanagement. Es kann Jahre dauern, einen treuen Kundenstamm aufzubauen. Dem Rechnung tragend, fasst das Kundenbindungsmanagement Marketingausgaben als Investitionen auf, die erst mittel- bzw. langfristig Kapitalrückflüsse erbringen.[83] Wie bei Investitionen in Sachkapital ist vor einer Entscheidung die zielorientierte Verwendung der vorgesehenen Mittel zu prüfen. Dazu ist der Kundenstamm zu analysieren und in einzelne strategisch wichtige Teilmengen zusammenzufassen.[84] Hierbei geht es nicht nur um eine Bestimmung der attraktiven Kundensegmente, sondern ebenso um die Ermittlung der Erwartungen der Kunden an die Bank und ihren Service. Bereits bestehende Kundenbindungssysteme werden auf ihren Wirkungsgrad hin überprüft (siehe Abbildung 8).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Entwicklung eines Kundenbindungssystems
Anschließend kann der spezifische Handlungsbedarf abgeleitet werden. Auf Maßnahmen, die in der Vergangenheit nur einen marginalen positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit ausübten, wird in Zukunft verzichtet. Dagegen sind Instrumente zu implementieren, von denen ein höherer Beitrag zur Kundenbindung erwartet werden kann.[85] Auf die einzelnen Schritte, der in der Abbildung 8 dargestellten Vorgehensweise beim Einsatz eines strategischen Kundenbindungsmanagements, wird im Folgenden detaillierter eingegangen.
Im Gliederungspunkt 3 hat der Autor die Forderung aufgestellt, Kunden nicht als kurzfristige Umsatzträger, sondern als langfristige Investitionsobjekte zu begreifen, die sich normalerweise im Laufe der Zeit amortisieren. Allgemein bekannt ist die „Pareto-Regel“, nach der mit 20 Prozent aller Kunden 80 Prozent der Gewinne erzielt werden.[86] Bisher wurde in der Geschäftspolitik der Banken oft nach dem „Gießkannenprinzip“ verfahren, d.h. die finanziellen Mittel für Kundenbesuche, Verkaufsförderungsaktivitäten usw. wurden gleichmäßig auf alle Kunden verteilt, egal ob sich diese als attraktiv oder unrentabel erwiesen.[87] Das Konzept des Kundenbindungsmanagements sieht dagegen vor, bei der Planung bestimmter Aktionen zu überlegen, welche Investitionen der einzelne Kunde bei der Verfolgung des Zieles Bankloyalität wert ist.[88] Gewinnbringende und verlustbringende Kundenbeziehungen sind zu identifizieren, um sie einerseits zu fördern bzw. sie so umzugestalten, dass sie einen neutralen Deckungsbeitrag erbringen.[89] Es sei davor gewarnt, einzelne Kunden einfach fallenzulassen. Ein solches Verhalten kann sich schädigend auf den Ruf und damit das Geschäft auswirken.[90] Außerdem kann z.B. durch Erbschaft oder Eintritt ins Berufsleben aus einem uninteressanten schnell ein attraktiver Kunde werden.
Häufig erfolgt die Segmentierung aus Gründen der Einfachheit in der Praxis nach leicht feststellbaren Kriterien wie Umsatz, Einkommen oder Alter. Oft ist es aber so, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Kriterien und dem Nachfrageverhalten des Kunden besteht.[91] Ein weiterer Mangel besteht in der verengten Sichtweise. Bei der ABC-Analyse erfolgt eine Einstufung der Kunden entsprechend ihrer Umsatz- oder Gewinnbeiträge in die Kategorien sehr wichtiger, wichtiger oder weniger wichtiger Kunde. Nur finanzielle Aspekte geben den Ausschlag für die Beurteilung der Attraktivität des Kunden.[92] Das Referenzpotential, um nur ein Beispiel zu nennen, bleibt unberücksichtigt. Kritisch anzumerken ist weiterhin, dass der Kunde mit dem höchsten Umsatz nicht automatisch als für den höchsten Gewinn verantwortlich angesehen werden darf.[93] Daher werden nun einige Methoden vorgestellt, die sich besser zur Beurteilung und Einstufung der Kunden eignen.
Die Kundendeckungsbeitragsrechnung ist ein quantitatives Verfahren, bei dem den Umsatzerlösen die Kosten gegenübergestellt werden, die eindeutig der Kundenbeziehung zuzurechnen sind.[94] Der verbleibende Bruttoüberschuss erlaubt Aussagen darüber, welcher Kunde sich in einer Periode als profitabel erweist. Werden die Deckungsbeiträge kumuliert, kann der Zeitpunkt bestimmt werden, ab dem sich die in den Kunden investierten Mittel amortisieren. Das ist dann der Fall, wenn der so gewonnene Wert über den Kosten der Neukundengewinnung liegt.[95] Als problematisch erweisen sich die Periodenbezogenheit der Deckungsbeitragsrechnung und die Verrechnung der Gemeinkosten.[96] Köhler weist auf ein weiteres Manko hin. Tätigt ein Kunde B auf eine Empfehlung des Kunden A Umsätze, so werden diese nur dem B-Kunden zugeschrieben.[97] Qualitative Faktoren sind bei diesem Verfahren nicht von Belang.
Wie bereits festgestellt wurde, birgt jede Investition in eine Kundenbeziehung ein Risiko in sich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kunde zu einer anderen Bank wechselt. Aus diesem Grund sollten zur Begründung strategischer Investitionsentscheidungen Aussagen zum erwarteten Erfolgsbeitrag und zur Stabilität der Bank-Kunde-Beziehung herangezogen werden.[98] Mit Hilfe eines so dimensionierten Kundenportfolios lassen sich die Positionen einzelner Kunden bestimmen. Als Kriterien zur Bewertung der Kundenattraktivität kommen bspw. der Umsatz, die Preissensibilität, das Kooperationsverhalten sowie die kundenspezifische Betreuungsintensität in Betracht. Die Stabilität der Beziehung lässt sich mittels Bankloyalitätsindex bestimmen.[99] Dabei kommen Scoring-Modelle zum Einsatz. Die Kunden werden anhand jedes einzelnen für die Bank relevanten Kriteriums bewertet, wobei die jeweiligen Faktoren unterschiedlich gewichtet sein können. Die Summe der Einzelwerte ergibt für jede Dimension einen Gesamtwert. Die beiden Gesamtwerte fungieren nun als Koordinaten und legen die Position des Kunden im Portfolio fest.[100] Jetzt können Handlungsempfehlungen für die Steuerung der Kundenbeziehung gegeben werden. Die Matrix zeigt, wo sich ein verstärkter Ressourceneinsatz lohnt, wo z.B. ein teurer Außendienst gerechtfertigt ist, wo über das Forcieren der Beratungsintensität das Cross-Selling-Potential ausgeschöpft werden kann. Sie gibt aber auch Auskunft darüber, auf welche Kunden das Unternehmen bei oberflächlicher Betrachtung eigentlich verzichten sollte.[101] Um Imageschäden[102] zu vermeiden, wird von einer „Bereinigung“ des Kundenportfolios abgeraten. Es empfiehlt sich jedoch, durch Anpassung der Vertriebswege, durch Automatisierung und Standardisierung von Leistungen in diesem Kundensegment Ressourcen freizusetzen.[103] Insofern kann Burchard Recht gegeben werden, wenn er behauptet: „Retail-Banking hat Zukunft, denn es gibt keine unprofitablen Kundengruppen, sondern lediglich unprofitable Vertriebswege für bestimmte Kundengruppen.“[104]
Konstatierend kann gesagt werden, dass der Vorteil der Portfolio-Analyse darin besteht, dass sie relevante Daten einer vielschichtigen Kundenbeziehung selektiert und eine strategische Sichtweise bei der Betrachtung derselben ermöglicht.[105] Eine wesentliche Schwäche liegt darin, statisch und zeitpunktbezogen zu sein.[106]
Ein Ziel des Kundenlebenszykluskonzeptes besteht darin, Kundenbeziehungen, die einen hohen zukünftigen Erfolgsbeitrag und eine hohe Restlebensdauer aufweisen, zu identifizieren.[107] In Anlehnung an den Produktlebenszyklus erfolgt eine Darstellung der Entwicklung des Kundenwertes in unterschiedlichen Phasen, wobei Stauss auch die mit Kündigung und Rückgewinnung verbundenen Phasen berücksichtigt.[108] Ausgehend davon, dass sich eine Bank-Kunde-Beziehung wie in Abbildung 9 dargestellt entwickelt, lassen sich bestimmte charakteristische Merkmale und aus diesen wiederum der Handlungsbedarf ableiten.[109] Weiß der Bankmitarbeiter, welche Phase seines Lebenszyklus‘ ein Kunde gerade durchläuft, kann er kritische Zeitpunkte, d.h. Ereigniszeitpunkte wie Hochzeit, Geburt eines Kindes, Eintritt in den Ruhestand etc. erkennen. Dadurch wird es möglich, den Kunden im richtigen Moment anzusprechen, um ihm entweder entsprechende Angebote zu unterbreiten oder um ihm Interesse zu signalisieren und ihn so an einem Abwandern zu hindern.[110]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Kundenlebenszyklus[111]
[...]
[1] Vgl. HILLER VON GAERTRINGEN (2000), S. 66; ferner DUVVURI/SCHÄFER (1997), S. 17; o. V. (1996b), S.4; PFEUFER-KINNEL (1998), S. 68.
[2] Vgl. o. V. (1998a), S. 24.
[3] Vgl. o. V. (1998b), S. 23.
[4] Vgl. o. V. (1998c), S. 16; o. V. (1994a), S. 13; BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN (1999), S. 42.
[5] Vgl. BENÖLKEN (1994), S. 56.
[6] Vgl. o. V. (1996a), S.1.
[7] Vgl. o. V. (2000b), S. 39.
[8] Vgl. HUFELD/WASSILUK (1997), S. 14.
[9] Vgl. BUSCH (1998), S. 133.
[10] Vgl. BETSCH (1999), S. 25.
[11] Vgl. LOHMANN (1997), S. 1.
[12] Vgl. PRAST (1996), S. 266.
[13] Vgl. WILDEMANN (1999), S. 29; HUFELD/WASSILUK (1997), S. 8.
[14] Die Begriffe werden im Verlauf der Arbeit synonym verwendet. Vgl. LOHMANN (1997), S. 9f.
[15] Vgl. WAGNER (1999), S. 2.
[16] Vgl. ebd., S. 20-23.
[17] Vgl. GLOGER (1996), S. 1.
[18] Vgl. PRAST (1996), S. 265.
[19] Vgl. BENÖLKEN (1994), S. 58.
[20] Vgl. WAGNER (1999), S. 12; ferner Kapitel 2.1.3 dieser Arbeit.
[21] Vgl. SENFT (1993), S. 1.
[22] Vgl. WAGNER (1999), S. 12.
[23] In Anlehnung an o.V. (2000g), o. S.; o.V. (2000h), S. 17; o.V. (2000i), S. 22.
[24] MEFFERT (1999), S. 119.
[25] Vgl. BRUHN (1998), S. 211.
[26] Vgl. WEINBERG (1999), S. 43; HOMBURG et al. (1999b), S. 392.
[27] Vgl. BIERMANN (1996), S. 252; TÖPFER (1999b), S. 22.
[28] Vgl. 2.1.4 und 2.2.
[29] Vgl. ZOLLNER (1995), S. 34.
[30] Vgl. GÜNDLING (1999), S. 46.
[31] Vgl. DAVIDOW (1992), S. 222; ferner Kapitel 3.2 dieser Arbeit.
[32] In Anlehnung an TÖPFER/MANN (1999), S. 75; GÜNDLING (1999), S. 46.
[33] Vgl. GÜNDLING (1999), S. 75.
[34] Vgl. BRUHN (1998), S. 210f.; HOMBURG et al. (1999a), S. 88.
[35] Vgl. PETERS/WATERMAN (1993).
[36] Vgl. KRAMER/KRAMER (1997), S. 219-221.
[37] Vgl. ZOLLNER (1995), S. 17.
[38] Vgl. HOMBURG (1998), S. 1-3.
[39] Vgl. WIERSEMA (1997), S. 23; PETERS/WATERMAN (1993), S. 231.
[40] Vgl. ZOLLNER (1995), S. 145-211.
[41] Vgl. 2.1.2 und 3.2 ; NOP-Studie (1997), o. S.
[42] Vgl. HOMBURG (1998), S. 125.
[43] Vgl. WAGNER (1999), S. 20f.
[44] EUSTERBROCK (1999), S. 189.
[45] Vgl. FAßNACHT (1999), S. 312, HOMBURG et al. (1999b), S. 392.
[46] HOMBURG/FAßNACHT (1998), S. 415.
[47] Vgl. HOMBURG et al. (1999b), S. 392; BRUHN (1998), S. 212.
[48] In Anlehnung an PETER (1999), S. 104.
[49] Vgl. LOHMANN (1997), S. 170.
[50] Vgl. 2.3; ferner FAßNACHT (1999), S. 314.
[51] In Anlehnung an TÖPFER/WIEDER (1999), S. 234; vgl. BRUHN (1998), S. 217.
[52] In Anlehnung an LOHMANN (1997), S. 39.
[53] Vgl. ebd., S. 42f.
[54] LOHMANN (1997), S. 43.
[55] Vgl. STAUSS/SEIDEL (1996), S. 18.
[56] Vgl. KOPPER zitiert nach BUSCH (1998), S. 80.
[57] Siehe SÜCHTING (1997), S. 497; QUARTAPELLE (1996), S. 91-95; FELENBOK (1992), S. 56; BRUHN/GEORGI (1999), S. 421; DILLER (1995), S. 31-42.
[58] In Anlehnung an STAUSS/SEIDEL (1996), S. 18.
[59] Vgl. ebd., S. 18f.
[60] Vgl. QUARTAPELLE (1996), S. 93; MALTZAN/VÄTH (1999), S. 172.
[61] Vgl. REICHHELD/SASSER (1990), S. 110.
[62] Siehe hierzu auch Kapitel 3.4.
[63] Vgl. ZOLLNER (1995), S. 180f.
[64] In Anlehnung an SÜCHTING (1997), S. 497; QUARTAPELLE (1996), S. 94; PFEUFER-KINNEL (1998), S. 33.
[65] Die durchschnittlichen Akquisitionskosten für einen Neukunden betragen bei Finanzdienstleistern derzeit zwischen DM 500 und DM 700. Vgl. TOMCZAK/REINECKE (1998), S. 85.
[66] Vgl. BRUHN (1998), S. 222f.; QUARTAPELLE (1996), S. 91-93.
[67] Vgl. Kapitel 3.3.3.2 dieser Arbeit; ferner SENFT (1993), S. 18.
[68] Vgl. FAßNACHT (1999), S. 314; LOHMANN (1997), S. 170.
[69] MEYER/DORNACH (1998), S. 75.
[70] DREWES/GILLHAUSEN (1997), S. 178.
[71] Vgl. ZOLLNER (1995); S. 185; HOMBURG (1998), S. 17; HOMBURG et al. (1999a), S. 83.
[72] Vgl. BRUHN (1998), S. 220.
[73] Vgl. HOMBURG et al. (1999a), S. 90.
[74] Vgl. ebd., S. 91.
[75] Vgl. ebd., S. 91f.
[76] Vgl. WAGNER (1999), S. 24; ZOLLNER (1995), S. 32; BUSCH (1998), S. 55; DROEGE & COMP. (1997), S. 10.
[77] In Anlehnung an DROEGE & COMP. (1997), S. 10; BUSCH (1998), S. 55.
[78] Vgl. KLEIN/NATHANSON-LOIDL (2000), S. 168.
[79] Vgl. WENGERT et al. (2000), S. 2.
[80] Vgl. o. V. (2000c), S. ?; MUNDORF (2000), S. 27; o. V. (2000d), S. 26.
[81] Vgl. KLEIN/NATHANSON-LOIDL (2000), S. 169.
[82] Vgl. HENNING-THURAU (1999), S. 91; MEFFERT (1999), S. 117.
[83] Vgl. HENNING-THURAU (1999), S. 92; SLYWOTZKY/SHAPIRO (1995), S. 32.
[84] Vgl. OGGENFUSS (1992), S. 44.
[85] Vgl. ebd., S. 44f.; DAVIDOW (1992), S. 101.
[86] Vgl. CORNELSEN (1996), S. 1; LANGER (1999), S. 229.
[87] Vgl. LINK (1995), S. 108.
[88] Vgl. LINK/HILDEBRAND (1993), S. 46f.
[89] Vgl. CORNELSEN (1996), S.1; GÖTZ/DILLER (1991), S. 3; SCHULZ (1995), S. 72; PETER (1999), S. 265; TOMCZAK et al. (2000), S. 399-421.
[90] Vgl. DAVIDOW (1992), S. 77; WIERSEMA (1997), S. 183f.; SCHULZ (1995), S. 206; LOHMANN (1997), S. 15.
[91] Vgl. HOMBURG/WERNER (1999), S. 349.
[92] Vgl. HENNIG-THURAU (1999), S. 93.
[93] Vgl. KÖHLER (1999), S. 336.
[94] Vgl. ebd., S. 337; SCHULZ (1995), S. 105; PETER (1999), S. 269; GÜNDLING (1999), S. 104f.; CORNELSEN (1996), S. 12.
[95] Vgl. GÜNDLING (1999), S. 105.
[96] Vgl. RICHTER-MUNDANI (1999), S. 24; CORNELSEN (1996), S. 13.
[97] Vgl. KÖHLER (1999), S. 338.
[98] Vgl. SÜCHTING (1997), S. 495; HENNIG-THURAU (1999), S. 94.
[99] Vgl. RICHTER-MUNDANI (1999), S. 240-253; Kapitel 3.2.
[100] Vgl. LINK/HILDEBRAND (1993), S. 52.
[101] Vgl. ebd., S. 54.
[102] Vgl. Kap. 2.2.3.
[103] Vgl. LINK/HILDEBRAND (1993), S. 82; SCHULZ (1995), S. 206f.; SÜCHTING (1997), S. 496.
[104] BURCHARD (2000), S. B2; Ferner zeigt Abb.14 im Kapitel 4, welche Strategie für welches Kundensegment empfohlen wird.
[105] Vgl. GÖTZ/DILLER (1991), S. 4.
[106] Vgl. LOHMANN (1997), S. 196.
[107] Vgl. SCHULZ (1995), S. 73.
[108] Vgl. STAUSS (2000), S. 453.
[109] Vgl. RICHTER-MUNDANI (1999), S. 144-146.
[110] Vgl. STEINHOFF (1992), S. 76.
[111] Vgl. STAUSS (2000), S. 454 Abb. 2; BRAUN zitiert nach ZOLLNER (1995), S. 122.
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