Veröffentlichen auch Sie Ihre Arbeiten - es ist ganz einfach!
Mehr InfosDiplomarbeit, 2007, 140 Seiten
Diplomarbeit
1,3
Einleitung
1 Der öffentliche Umgang mit Sexualdelinquenz in Deutschland
1.1 Sexualdelikte nach der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)
1.1.1 Dunkelfeld Sexualdelikte
1.1.2 Überblick der gesamten Kriminalitätsentwicklung
1.1.3 Täter-Opfer-Beziehung
1.2 Gefühlte Kriminalitätsentwicklung der Bevölkerung
1.2.1 Kritik zur Fragestellung der Kriminalitätsentwicklung
1.3 Das Medieninteresse an schwerwiegenden Sexualstraftaten
1.3.1 Dramatische Berichterstattung
1.4 Das Politikinteresse an schwerwiegenden Sexualstraftaten
1.4.1 Symbolisches Strafrecht
1.5 Fazit
2 Die deutsche Sexualstraftätergesetzgebung im Widerspruch zur objektiven Gefahrenlage
2.1 Klassifikation der Sexualstraftaten
2.2 Sanktionsmöglichkeiten auf Sexualstraftaten
2.3 Historischer Rückblick zur Sexualstraftätergesetzgebung
2.3.1 Delikte ,,wider die Sittlichkeit“
2.3.2 Das Fanny-Hill-Urteil
2.3.3 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
2.4 Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten und anderen gefährlichen Straftaten
2.5 Aktueller Stand zur Sexualstraftätergesetzgebung
2.6 Verschärfungen des Sexualstrafrechts
2.6.1 Sicherungsverwahrung
2.6.2 Vorbehaltene Sicherungsverwahrung
2.6.3 Nachträgliche Sicherungsverwahrung
2.6.4 Nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden
2.7 Opfer im Strafverfahren
2.8 Politikphasen und Wandlungen des Sexualstrafrechts seit 1969
2.8.1 Auswirkungen der Reformen des Sexualstrafrechts
2.9 Fazit
3 Gesetzliche Möglichkeiten der Sexualstraftäterbehandlung
3.1 Behandlung bei Strafaussetzung zur Bewährung und Führungsaufsicht
3.1.2 Soll-/Ist – Zustand
3.2 Behandlung bei der Freiheitsstrafe
3.2.1 Soll-/Ist – Zustand
3.3 Behandlung bei freiheitsentziehender Maßregel
3.3.1 Soll-/Ist-Zustand
3.4 Täterklassifikationen im Rahmen der Behandlung
3.4.1 Sexualstraftäter als heterogene Gruppe
3.4.2 Psychopathen
3.5 Fazit
4 Behandlungsmaßnahmen
4.1 Aufgaben des Sozialarbeiter im Behandlungsvollzug
4.1.1 Motivationsspektrum
4.2 Kognitiv-behaviorale Therapieansätze
4.2.1 Medikamentöse Therapie
4.2.2 Behandlungsziele
4.3 Legalbewährung
4.4 Fazit
5 Zusammenfassung
5.1 Ausblick
5.1.1 Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz (NJVollzG)
5.1.2 Die Sexualstraftäterdatei
5.1.3 Nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche
5.1.4 Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/1110)
5.2 Schlussfolgerungen
6 Literaturverzeichnis
Anhang
Erklärung
Abbildung 1: Registrierte Gesamtkriminalität 2006
Abbildung 2: Ausgewählte Delikte zur sexuellen Selbstbestimmung
Abbildung 3: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Abbildung 4: Mord und Totschlag einschließlich Versuche
Abbildung 5: Bekanntheitsgrad der TäterInnen zu den Opfern
Abbildung 6: Struktur der Berichterstattung über Kriminalität in deutschen TV- News
Abbildung 7: Aufgrund strafrichterlicher Anordnung gem. § 63, 64 StGB Untergebrachte
Abbildung 8: Klassifikation männlicher Vergewaltigungstäter nach Knight & Prentky
Abbildung 9: Rückfallmodell nach Marques und Pithers
Abbildung 10: Rückfälligkeit einzelner Gewaltdeliktgruppen
Tabelle 1: Die Entwicklung von Sexualmorden in Deutschland
Tabelle 2: Die Entwicklung der Kriminalität zwischen 1993 und 2003
Tabelle 3: Anteil kriminalitätshaltiger Sendungen am ausgewiesenen Gesamtprogramm
Tabelle 4: Politikphasen und Wandlungen des Sexualstrafrechts seit 1969
Tabelle 4: Fortsetzung Politikphasen und Wandlungen des Sexualstrafrechts seit 1969
Tabelle 5: Verurteilungen wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung
Tabelle 6: Prozentualer Anteil der langen Freiheitsstrafen bei Verurteilungen wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung
Tabelle 7: Sexuelle Gewalt
Tabelle 8: Abgeurteilte mit stationären Maßregeln der Besserung und Sicherung und Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung
Tabelle 9: Behandlung von Sexualstraftätern im Strafvollzug und in Freiheit
Tabelle 10: Vorzeitige Entlassung nach Deliktschwerpunkt in den sozialtherapeutischen Einrichtungen
Tabelle 11: Belegung im Straf- und Maßregelvollzug
Tabelle 12: Merkmale der MTC:R3-Subtypen
Tabelle 13: Klassifikation männlicher Kindesmissbraucher nach Knight & Prentky
Tabelle 14: Differenzierte Unterbringung und Behandlung von Sexualstraftätern
Tabelle 15: Rückfallquoten von Sexualstraftätern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einzelne grausame sexuelle Gewalttaten führen zu der immer wiederkehrenden Frage, wie mit Sexualstraftätern[1] umgegangen werden soll. Kaum ein anderes Thema versetzt und beängstigt die Öffentlichkeit in gleichem Umfang wie Sexualstraftaten. Besonders, wenn Kinder Opfer sexueller Gewalttaten werden, ist die Empörung und Abscheu gegenüber der Tat und dem Täter groß. Medien und Politiker versuchen hierbei in gleichem Ausmaß, durch aggressive Berichterstattung und populistische Parolen Profit zu schlagen. So teilte z.B. der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Juli 2001 folgendes in der Bild am Sonntag mit: ,,Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Männer, die sich an kleinen Mädchen vergehen, nicht therapierbar sind (…). Deswegen kann es da nur eine Lösung geben: Wegschließen – und zwar für immer!“[2] Hierbei sprach Herr Schröder wohl einen Großteil der Bevölkerung aus der Seele. Die Kritik der Fachleute über die Aussagen des damaligen Bundeskanzlers ging hingegen in der breiten Zustimmung der Bevölkerung unter.[3] Die dabei so aufgebauschten Sexualmorde in den Medien, machen dabei nur einen sehr kleinen Anteil der Delikte der sexuellen Selbstbestimmung insgesamt aus. Sexualdelikte machen nicht einmal 1% der insgesamt polizeilich registrierten Straftaten aus. Emotionsheischende und Angst fördernde Schlagzeilen und Artikel suggerieren einen anderen Eindruck. Die Berichterstattung trägt daher meist wenig zur Aufklärung bei, sondern steigert in erster Linie die Auflage.
Zwei schreckliche Sexualmorde in den Jahren 1996 und 1997[4] waren der Anlass, innerhalb von 12 Monaten zwei Gesetze[5] zu verabschieden, die den Umgang mit Sexualstraftätern im StGB[6] und in der StPO verschärften. Der Gesellschaft wird dabei vorgetäuscht, mit restriktiveren Maßnahmen gebe es eine ultimative Sicherheit. Durch zahlreiche Forschungen von Kriminologen, Psychologen und Psychiatern, die den Stereotyp von unheilbar kranken, psychopatischen, nicht behandelbaren und höchst rückfallgefährdeten Sexualtriebtätern widerlegt haben, schüren Politiker weiterhin Angst und beschwören hartes Durchgreifen. Dies hat in der Verschärfung der Sicherheitsverwahrung in Form eines Vorbehaltes der Sicherungsverwahrung und der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit der Verabschiedung der neu eingeführten §§ 66a und 66b StGB sein vorläufiges[7] Ende gefunden.[8] Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen kann nach Verbüßung der Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung in nahezu aussichtslosen Fällen angeordnet werden und bleibt im Strafrecht die ultima ratio[9]. Mehr Sicherheit und eine Beruhigung der Öffentlichkeit konnte mit den Verschärfungen im Umgang mit Sexualstraftätern allerdings nicht erreicht werden. Die schwierigen Fragen, inwieweit dem Resozialisierungsanspruch des Sexualstraftäters gegenüber dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit Vorrang einzuräumen ist, welche Erkenntnisse zu Therapieerfahrungen und deren Wirksamkeit vorliegen, soll u.a. im folgenden Verlauf beantwortet werden.
Hierfür wird im ersten Kapitel zunächst die Kriminalitätsentwicklung nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) vorgestellt und die gefühlte Kriminalitäts-entwicklung der Bevölkerung erläutert. Zudem wird aufgezeigt, inwieweit die Massenmedien den öffentlichen Umgang mit Sexualdelinquenz maßgeblich beeinflussen. Im anschließenden zweiten Kapitel wird auf die deutsche Sexualstraftätergesetzgebung eingegangen, wobei eine Übersicht über Wandlungen des Sexualstrafrechts bis zum derzeitigen gültigen Gesetz aufgestellt wird und der damit verbundenen Auswirkungen analysiert werden. Das dritte Kapitel gibt einen Überblick über die gesetzlichen Möglichkeiten der Sexualstraftäterbehandlung, deren praktische Umsetzung anschließend im vierten Kapitel vorgestellt wird. Letztlich wird innerhalb der Zusammenfassung ein Ausblick über zukünftige Reformvorhaben aufgeführt, dessen Abschluss Schlussfolgerungen über die immer wiederkehrende Frage nach dem Umgang mit Sexualstraftätern bildet.
Unter quantitativen Gesichtspunkten ist die Sexualdelinquenz trotz des großen öffentlichen Interesses ,,im Gesamtspektrum der Kriminalität ein eher unbedeutendes Randphänomen.“[10] In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden für das Jahr 2006 in Deutschland 8.118 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung[11] registriert. Die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch[12] betrugen im selben Jahr 12.765. Diese absoluten Zahlen erscheinen sehr mächtig, relativeren sich aber, wenn man die Zahlen mit der gesamten Kriminalitätsbelastung vergleicht. Es wurden 6.304.223 Mio. Straftaten für das Jahr 2006 registriert. Prozentual ausgedrückt, beträgt die Sexualdeliktrate 0,8 % (siehe hierzu Abbildung 1).
Abbildung 1: Registrierte Gesamtkriminalität 2006
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach der PKS 2006, S. 29
Angesichts der durch die Polizei angezeigten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der letzten Jahre, zeigt sich insgesamt, ein Rückgang der Straftaten. Der sexuelle Missbrauch von Kindern (§§ 176, 176a, 176b StGB) stellt dabei trotz rückläufiger Tendenz, wie aus der Abbildung 2 und der Abbildung 3 ersichtlich, mit knapp 24% die größte Fallgruppe dar. Nicht in der Abbildung aufgeführt, sind die 4 (2005: 10 Fälle) registrierten Fälle bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung mit Todesfolge (§ 178 StGB). Mit etwa 15% folgen Vergewaltigung und se-
Abbildung 2: Ausgewählte Delikte zur sexuellen Selbstbestimmung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: PKS 2006, S. 133
xuelle Nötigung (§§ 177, 178 StGB). Knapp 15% der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung fielen auf exhibitionistische Handlungen von Jugendlichen und Erwachsenen (§ 183 StGB) unter Einbeziehung der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183a StGB. Die genannten Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung belegen etwa Dreiviertel aller in der PKS genannten Straftaten. Hinzu kommen noch mit 13,07% Fälle der sonstigen sexuellen Nötigung (§177 Abs. 1 und 5 StGB) und schließlich mit 11,88% Fälle, die unter dem Oberbegriff ,,Ausnutzen sexueller Neigungen“ bekannt sind. Darunter sind die Verbreitung und der Besitz von Kinder- und Jugendpornographie (§ 184 Abs. 2 und 4 StGB) und der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Ausnutzung einer Amtsstellung oder eines Vertrauensverhältnisses zu verstehen.
Abbildung 3: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Fallzahlen 2006 (n=52.231)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: PKS
Die Fälle von Sexualmorden benötigen einen separaten Blick, da sie nicht unter den Sexual-, sondern unter den Tötungsdelikten aufgeführt werden. Anhand der Tabelle 1 zeigt sich der kontinuierlich rückläufige Trend von Sexualmorden. Die erfassten 23 Fälle aus dem Jahr 2006 stellen weniger als einem Drittel der 1971 registrierten Fälle dar und belegen den beträchtlichen Rückgang. Diese positive Entwicklung ist noch bedeutender, weil die PKS erst seit 1993 die Zahlen für das gesamte Bundesgebiet einschließlich der neuen Bundesländer ausweist, während sich die Zahlen zuvor nur auf das alte Bundesland bezogen haben.
Tabelle 1: Die Entwicklung von Sexualmorden in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 1971-2006
Bei den Sexualstraftaten handelt es sich um so genannte Anzeigedelikte. Darunter sind Straftaten zu verstehen, deren Erfassung, Aufklärung und Verfolgung im Wesentlichen davon abhängt, ob die Opfer Anzeige erstatten oder nicht.[13]
Des Weiteren ist das so genannte Dunkelfeld[14] im Bereich der Sexualdelikte besonders ausgeprägt, da viele Opfer Nachteile bei einer Anzeige befürchten. Anstrengende und unangenehme Vernehmungen sind u.a. darunter zu verstehen, weil sich die Opfer mitschuldig fühlen oder lieber die Angelegenheit zwanglos mit dem Täter zu klären versuchen. In Deutschland gibt es bislang keine regelmäßigen Opferumfragen und Kriminalitätsbelastungen, die wiederum nur einen Teil des Dunkelfeldes aufhellen können.[15] Ergebnisse in Form von Opferbefragungen und z.T. auch in Form von Täterbefragungen liegen erheblich auseinander. Die Prävalenzraten[16] im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs reichen von 6% bis 62% und die Dunkelziffern bewegen sich zwischen 1:6 und 1:20.[17] Diese deutliche Spannbreite lässt sich durch die große Stichprobenauswahl, der angewandten Methodik und die unterschiedlichen Missbrauchdefinitionen in der Befragung erklären. Wird nur der sexuelle Kindesmissbrauch an Opfern unter 14 Jahren betrachtet, der nach deutschem Recht unter Strafe gestellt wird, so ergibt sich eine Prävalenzrate unter 10%.[18] Die Anzeigebereitschaft bei Beziehungstaten ist bewiesenermaßen erwartungsgemäß[19] geringer als bei Fremdtätern.
Insgesamt weist die PKS einen leichten Rückgang für die Gesamtheit aller Straftaten aus. Gerade die Straftaten, die von den Bürgern als bedrohlich oder emotional beängstigend wahrgenommen werden, weisen einen quantitativ starken Rückgang auf. So sind etwa die vollendeten Fälle von Mord und Totschlag von 77 (-9,6%) auf 727 zurückgegangen (siehe Abbildung 4). Rückläufig haben sich auch die Zahlen der Diebstahlsdelikte (-4,6%) und besonders der Kfz-Diebstähle (-16,0%) entwickelt. Dagegen sind zum wiederholten Mal (+11,5%) die Zahl der Online-Betrügereien mit 8,8% weiter angestiegen.[20] Als bedenkliche Entwicklung sind die Gewaltdelikte und besonders der Anstieg der einfachen Körperverletzungsdelikte bei Jugendlichen (+2,7%) und Heranwachsenden (+4,6%)zu betrachten.[21]
Abbildung 4: Mord und Totschlag einschließlich Versuche
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: PKS
Einen für die Zeit seit 1993 anhaltenden Rückgang der Gesamtheit aller Straftaten sehen die Autoren Pfeiffer, Windzio und Kleimann durch den Alterungsprozess der Republik bedingt: ,,Die Vergreisung der Republik fördert offenkundig die innere Sicherheit.“[22]
Dass Sexualverbrechen zum größten Teil von fremden Tätern verübt werden, kann durch zahlreiche Studien seit den 90er Jahren entkräftet und mit Statistiken widerlegt werden. Diverse Studien belegten, dass der überwiegende Teil der Opfer die Täter bereits vor dem sexuellen Missbrauch kannte.[23]
In der Literatur sind die unterschiedlichsten Häufigkeitsangaben zu finden, die zum Teil zahlenmäßig große Unterschiede aufweisen. Zur Veranschaulichung werden Angaben einer Studie Deegeners ausgewählt, da seine Analysen als beispielhaft gelten. So zeigt die folgende Abbildung 5, dass 25% der Täter Angehörige, 25% Fremde sind und 50% aus dem Bekannten- oder Freundeskreis der Opfer stammen.
Abbildung 5: Bekanntheitsgrad der TäterInnen zu den Opfern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Deegener 2001, S. 40
Laut weiterer Untersuchungen werden Mädchen zu etwa einem Drittel von Tätern aus der Familie missbraucht (Stief-Väter, Brüder, Mütter, im Haushalt lebender Opa). Der größte Teil kommt aus dem außerfamilialen Nahbereich, z.B. Verwandte, Pädagogen, männliche Jugendliche und Babysitter.[24] Männliche Opfer werden meist von Bezugspersonen aus dem außerfamilialen Nahraum, z.B. von Bekannten, Pädagogen, Trainern und von Fremden, sexuell ausgebeutet. Die Täter kommen mit 10% bis 20% etwas seltener aus der Familie.[25]
Diese Zahlen sind immer noch aussagekräftig und stehen im gleichen Verhältnis zu den gegenwärtigen Zahlen. Im Vergleich zu den aktuellen Zahlen der Untersuchungen des Bundeskriminalamtes zur Täter-Opfer-Beziehung bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus dem Jahr 2006, so kann folgendes festgestellt werden: in ca. Dreiviertel der Delikte besteht irgendeine Vorbeziehung. In 19,6% handelt es sich sogar um verwandtschaftliche Beziehungen, was auch Geschiedene und Pflegeeltern mit einschließt. Bei ca. 40% geschehen die Delikte im Bekanntenkreis. Die tatsächlichen Zahlen sehen allerdings noch einmal ganz anders aus, da es sich nach Schätzungen des Kriminalamtes bei über 90% der Sexualdelikte um Beziehungsdelikte handelt.[26] Dies verblüfft, da in der Bevölkerung die überwiegende Meinung vertreten ist, dass es sich bei den Tätern um Fremdtäter handelt.
Die in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellten positiven Zahlen, die sich die letzten zehn Jahre zur Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland abzeichneten, sind nicht der öffentlichen Mehrheit der Bevölkerung bekannt geworden. Pfeiffer, Windzio und Kleimann beauftragten das Institut Infratest, 2.000 Bundesbürger zum Kriminalitätsgeschehen zu befragen. Die Studie wurde erstmals in der Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform im Dezember 2004 im Zusammenhang des Artikels ,,Die Medien, das Böse und wir“ unter den o.g. Auftraggebern der Studie vorgestellt und analysiert.[27] Den Befragten wurden aus der PKS Zahlen aus demselben Jahr vorgelegt. Die Testpersonen sollten dann eine Einschätzung abgeben, inwieweit sich diese Zahlen im Jahr 2003 verändert hätten.[28]
In der nachfolgenden Tabelle 2 wird in der linken Hälfte zunächst ein Überblick gegeben, wie sich bestimmte Delikte bzw. Deliktgruppen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik im Vergleich der Jahre 1993 zu 2003 entwickelten. In der rechten Hälfte werden zuerst die jeweiligen Einschätzungen der befragten Bürger wiedergegeben. In der vorletzten Spalte der Tabelle werden die Angaben aufgeführt, um wie viel Prozent die Straftaten aus der Sicht der Befragten jeweils zugenommen haben. Die letzte Spalte spiegelt das Ausmaß der Über- bzw. Unterschätzung im Vergleich zur tatsächlich registrierten Zahl der Delikte wieder.
Tabelle 2: Die Entwicklung der Kriminalität zwischen 1993 und 2003 (ausgewählte Straftaten) nach der Polizeilichen Kriminalstatistik und in der Einschätzung der Bevölkerung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
a) ohne Verkehrsdelikte, Stimulus: 5.800.00 b) ohne Schwarzfahren
Quelle: Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 417
Ergebnis der Befragung war, dass die deutsche Bevölkerung einen starken Anstieg der Gewalt bei allen Delikten vermutete. Je gravierender und emotionalisierender die Tat, umso erheblicher war die Fehleinschätzung. Beim Wohnungseinbruch betrug die Fehleinschätzung das Zweieinhalbfache, beim Mord das Doppelte und der vollendete Sexualmord wurde mit dem Sechsfachen extrem überschätzt. Die Delikte Betrug und Körperverletzung wurden dagegen überwiegend richtig eingeschätzt. Zusammengefasst waren nur maximal zehn Prozent der Befragten in der Lage, den Rückwärtstrend von sieben ausgewählten Deliktbeispielen mit insgesamt fallenden Kriminalitätszahlen, richtig aufzufassen.[29]
Eine Annahme für die gravierende Verschätzung der Geschätzten zu der tatsächlich von der Polizei registrierten Kriminalitätsentwicklung, ist in der Darstellung der Kriminalität in den Massenmedien zu finden.
Das Ergebnis der Umfragen zur Kriminalitätsentwicklung wird von dem Kriminologen Prof. Dr. Kerner[30] zum Teil relativiert, wenn man sich die Befragungstechniken gründlicher betrachtet. Kerner erklärt, dass Personen bei ,,offenen Fragen“ über aktuelle oder grundsätzlich besonders wichtige Probleme in Deutschland ganz anders antworten als bei so genannten „geschlossenen Fragen“. Bei ,,geschlossenen Fragen“ bietet der Interviewer z.B. den Befragten ein Set mit Kärtchen an oder legt ihnen eine Liste vor, worauf sich vorformulierte Problemgebiete befinden. Die Frage würde dann lauten, ob z.B. die Kriminalität in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr gefallen, gleich geblieben oder gestiegen sei. Bei ,,offenen Fragen“ soll sich der Befragte frei zu seiner Ansicht äußern, wie etwa zu der Frage: ,,Was sind Ihrer Meinung nach gegenwärtig die größten Probleme in unserer Gesellschaft?“ Je nach Methodenansatz werden dann drei bis zu allen Aussagen möglichst genau notiert und nach Kategorien gesammelt. Die ,,Kriminalität“ wurde bei offenen Fragen nur selten geäußert. Im Vordergrund standen zumeist das Problem der Arbeitslosigkeit, der Rente, der Wirtschaftsentwicklung insgesamt oder die Sicherung der Krankenversorgung. Bei den geschlossenen Fragen nahm dabei die Kriminalitätsentwicklung regelmäßig einen hoch bewerteten Rang ein. Bei den ,,offenen Fragen“ schienen die Personen ihre alltäglichen Sorgen auszudrücken und die Kriminalitätsentwicklung in den Hintergrund zu fallen.
Spektakuläre Verbrechen oder Aufmerksamkeit erregende Berichte in den Massenmedien, führt zu einer erhöhten Einschätzung der Kriminalitätslage. Bei „geschlossenen Fragen“ wird der entsprechende Stimulus auch ohne konkreten Anlass geweckt und führt zu einer einheitlichen Antworttendenz der Befragten.[31] Wie anhand des nächsten Kapitels dargestellt wird, ist die Darstellung von Kriminalität in den Massenmedien enorm gestiegen. Dies führt zu der Tendenz, das die Einschätzungen der Kriminalitätslage erheblich über der PKS liegt.
,,Virtuelle Realität und Verbrechensfurcht sind Kennwörter einer Informations-gesellschaft, die sich immer weniger selbst erlebt, die ihre Erfahrungen immer mehr aus der zweiten Hand der Medien erhält.“[32] Ob Straftaten zunehmen oder rückläufig sind, kann persönlich nicht wie z.B. die schwankenden Benzinpreise an jeder Tankstelle verfolgt und wahrgenommen werden. Dies gilt erst recht in Bezug auf die weniger häufigen, schweren Straftaten. Diese Wahrnehmung der Bevölkerung ist davon abhängig, was und wie darüber in den Massenmedien berichtet wird. Die Fehleinschätzungen der Kriminalitätsentwicklung sind gemäß Pfeiffer, Windzio und Kleimann auf die Darstellung der Kriminalität in den Massenmedien zurückzuführen. Die Autoren berufen sich dabei auf verschiedene Studien (vor allem aus den USA und Kanada).[33]
Die Zahl der Filmberichte über spektakuläre Gewaltdelikte in den Abendnachrichten der USA ist um das Vierfache gestiegen, obwohl auch in den USA die Häufigkeit der schweren Gewalttaten zwischen 1991 und 1995 leicht zurückgegangen ist. Die Autoren vermuten, dass im Wesentlichen die Einführung des Privatfernsehens auch in Deutschland, welches sich vollständig durch Werbeeinnahmen finanziert, zu dieser quotenorientierten Auswahl von (Kriminalitäts-) Inhalten führt.[34]
Tabelle 3: Anteil kriminalitätshaltiger Sendungen am ausgewiesenen Gesamtprogramm
für ausgewählte Sender* und das Gesamtprogramm
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
* Neben den ausgewiesenen Sendern wurden außerdem kodiert und in die Auszählung des Gesamtprogramms mit einbezogen: NDR, MDR, arte, 3Sat, RTL2, SuperRTL, Kabel1, VOX, 9Live.
Quelle: Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 420
Zur Klärung der Vermutung haben Pfeiffer, Windzio und Kleimann in Zusammenarbeit mit dem Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hannover, eine Untersuchung des Fernsehprogrammteils der Bild-Zeitung durchgeführt. Die Daten in der Tabelle 3 beziehen sich jeweils auf die zweite Oktoberwoche der Jahre 1985, 1995 und 2004. Der Anteil kriminalitätshaltiger Sendungen am Gesamtprogramm stieg zwischen 1985 und 1995 von 3,5% auf 15,4% enorm an, da besonders die privaten Sender anfänglich auf fiktionale Filme und Serien aus den USA setzten. Bis zum Jahr 2003 hat der Anteil wieder nachgelassen, jedoch nicht bei den reichweitenstärksten Sendern ZDF, RTL und SAT.1. Hier konnte sogar eine wiederholte Zunahme festgestellt werden. Des Weiteren wurde in diesem Zeitraum eine Verschiebung von fiktionalen hin zu nicht-fiktionalen Formaten (z.B. Gerichtsshows) beobachtet. ,,Es dominieren also immer stärker solche Formate, die dem Rezipienten suggerieren, ein wirklichkeitsnahes Bild von Kriminalität und Kriminalitätsverfolgung zu vermitteln.“[35]
Neben dem Anstieg der kriminalitätshaltigen Berichterstattung ist auch die Gewichtung einzelner Straftaten im TV interessant.
Abbildung 6: Struktur der Berichterstattung über Kriminalität in deutschen TV- News
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
100 %: alle Berichte zu Kriminalität (nicht politisch)
Basis: 10.975 Beiträge in 7 deutschen TV News (01.01.2002 – 31.08.2006)
Quelle: http://www.mediatenor.de/pdf/case_studies/55_9092.pdf
Abbildung 6 zeigt, dass Mord, Entführungen und Sexualdelikte die Kriminalitätsberichterstattung dominieren. Betrug, Diebstahl und Straßenverkehrs-delikte sind hingegen nicht so von großem Interesse, obwohl sie laut der PKS den größten Anteil an Straftatbeständen ausmachen.
Kriminalitätsbekämpfung ist ein ständiges Thema für Politiker in Wahlperioden. ,,Für Politiker geht es darum, Stimmungen unter ihren Wählern zu erspüren.“[36] Wenn in der Öffentlichkeit ein Sexualverbrechen bekannt wird, wird dieses von Politikern skandalisiert und benutzt, um Versagen anzuprangern und härteres Durchgreifen zu versprechen. Böllinger versucht diese opportunistischen Motive und Nahziele der Politiker verständlicher zu machen: ,,Machterhaltung und –gewinn durch populistische Parolen sowie eine schlichte Nachfrageorientierung in Verbindung mit Verzicht auf die eigentlich wesentliche Funktion von politischen Parteien zur Information und Aufklärung der Bürger und der Konzeptualisierung von Lösungsoptionen. Mittelbar trägt dazu auch die gefällige Abstimmung mit den Medien bei, die über ihre Nachrichtenkonstruktion und direkte Finanzierung ihrerseits maßgeblich zu Machtgewinn und erhalt von Politikern beitragen.“[37] Seltene sexuell motivierte Tötungsdelikte binden Ängste vor sexuellen Übergriffen im sozialen Nahraum. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Sexualstraftäter mit ihren Opfern gut bekannt ist (siehe Kapitel 1.1.3 Täter-Opfer-Beziehung), wird verdrängt. Angst vor Fremdtätern taucht dann im erhöhten Maße wieder auf. Die Bevölkerung fühlt sich vor diesen Gefahren ausgeliefert und ohnmächtig, wodurch das Bedürfnis nach Schutz wächst.[38] Dieses Sicherheitsbedürfnis versuchen Politik und Justiz durch ein symbolisches Strafrecht demonstrativ zu befriedigen.
Wenn in der Bevölkerung durch Medien der Eindruck entsteht, dass die Kriminalität und vor allem schwere Delikte stark ansteigen, dann hat das auch Folgen auf die Kriminalpolitik. Die Massenmedien werden wegen ihrer Funktion und faktischen Kontroll- und Steuerungs-Macht nicht umsonst als ,,Vierte Gewalt im Staate“ bezeichnet.[39]
Pfeiffer, Windzio und Kleimann führen an, dass die fünf Reformgesetze seit 1992 immer mit Strafverschärfungen verbunden waren. In den vergangenen 12 Jahren hat die Gesetzgebende Gewalt zu 40 Straftatbeständen die Strafandrohung drastisch erhöht.[40]
Die Gerichte haben dazu vergleichbar ihre Sanktionspraxis verschärft. Bei der schweren Körperverletzung etwa ist die Quote der Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von 5,7% auf 6,9% zwischen 1990 bis 2002 angestiegen. Die Dauer der Haftstrafe hat sich gleichzeitig um fast ein Drittel erhöht. Dieses zusammen bewirkte laut Pfeiffer, dass sich die Summe der Haftjahre, die Gerichte pro 100 Angeklagte dieser Tätergruppe verhängt haben, von 6,2 auf 10 Jahre erhöht hat. Dieser Wandel wäre nachvollziehbar gewesen, wenn sich im gleichen Atemzug die Tatschwere im gleichem Maße erhöht hätte. Doch genau das Gegenteil war der Fall.[41]
Die erwähnten zunehmenden verschärften Sanktionen für Sexual- und Gewaltstraftäter beruhigen allenfalls die Gemüter nach einer Massenmedienwirksam aufgebauschten Straftat. Kury verweist auf der Internetplattform ,,(ITP) Informationen und Beratung zum Thema Pädophilie“ darauf, dass die Erreichung einer substantiellen Reduzierung der Kriminalitätsbelastung offen bleibt.[42],,Die Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten, vor allem was lange Haftstrafen betrifft, stimmen eher skeptisch.“[43]
Der in der Öffentlichkeit vorherrschende Eindruck einer konstanten Steigerung an Sexualstraftaten und besonders an solchen mit kindlichen Opfern, lässt sich kriminalstatistisch nicht belegen. Allenfalls ein Anstieg der Medienberichterstattung über Kriminalität und vor allem einzelnen spektakulären Sexualstraftaten mit Tötungsfolge, die eine starke Betroffenheit hervorrufen. Diese Überhäufung der medialen Berichterstattung führt zu dem gesellschaftlichen Eindruck, dass die Zahl der Sexualdelikte zunimmt und die Bevölkerung ausschließlich von Kindmördern und brutalen Vergewaltigern umgeben ist.[44]
Es geht keinesfalls darum, schwere Straftaten zu bagatellisieren, sondern sie lediglich im korrekten Verhältnis zu sehen. Es muss absolut alles getan werden, was Straftaten, wie z.B. sexuell motivierte Kindestötungen, Sexualstraftaten generell oder Schwerkriminalität überhaupt reduziert. Jedes einzige Opfer ist zu viel. Eine völlige Ausrottung wird allerdings nicht möglich sein. Die Menschheit muss seit Beginn mit Straftaten leben und wird das auch weiterhin tun müssen. Die völlig übertriebene[45] und in dramatisierender Weise medial präsentierte Kriminalität, kann das Kriminalitätsbild der Bevölkerung von der tatsächlichen Situation einander völlig widersprechen, wie am Beispiel der Sexualkriminalität zu sehen ist. Es verwundert nicht, dass tägliche Berichterstattungen aus der ganzen Welt über Mord, Raub, Vergewaltigung und Sexbestien zur beachtlichen Abweichung der Kriminalitätsvorstellungen der Bevölkerung von der Wirklichkeit führt. Es bleibt zwangsläufig kein anderer Weg als einen Sexualstraftäter einzusperren, wenn er für ein gefährliches Monster gehalten wird.
Forderungen nach härteren Strafen, der Todesstrafe oder nach lebenslanger Verwahrung werden immer wieder laut, wenn es irgendwo zu einem grausamen Sexualdelikt gekommen ist. Oft entsteht dabei der Eindruck, dass die Täter durch Gutachter viel zu oft als schuldunfähig bzw. vermindert schuldunfähig erklärt werden und eine Einweisung in forensische Psychiatrien erfolgt. Quantitative Untersuchungen belegten einen anderen Wert. Nur ca. 0,1 % der Täter werden als schuldunfähig und ca. 2,5 % als vermindert schuldfähig eingestuft.[46]
Es muss an den Entstehungen angesetzt werden, die zu straffälligen Verhalten beitragen und gleichzeitig muss den Opfern von Straftaten geholfen werden. Die Bevölkerung muss realistisch über drohende Gefahren durch Kriminalität aufgeklärt werden, sodass hoch risikobehaftete und mit großer Opferwahrscheinlichkeit verbundene Situationen nicht aufgesucht werden. Übertriebene und völlig überzogene Berichterstattung kann den Einzelnen in seiner Lebensqualität mindern und beschränken ohne die persönliche Sicherheit merkbar zu erhöhen. An den populistischen Bekundungen, die ein ,,Wegsperren für immer“[47] fordern, ist erkennbar, wie weit sich einige Politiker von den wichtigen Grundwerten der Verfassung entfernen und nicht bereit sind, sich an den demokratischen Regeln unserer Gesellschaft auszurichten.
Die strafrechtliche Klassifikation der Sexualdelikte ist im überwiegenden Teil im 13. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches (StGB) unter der Bezeichnung ,,Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ zu finden. In den §§ 174 – 184f werden die einzelnen Sexualdelikte bestimmt, wobei im § 184f die gesetzliche Definition der sexuellen Handlungen tritt, die den Gegenstand dieser Delikte bilden. Die §§ 180b, 181a alter Fassung wurden durch das 37. StrRÄndG aus dem 13. Abschnitt in den 18. Abschnitt ,,Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ mit ihrer Neufassung (§§ 232, 233a, 233b) verlagert.[48] Sexualmorde, also ein Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebes wird nicht im 13. Abschnitt des StGB erfasst, sondern bei den Tötungsdelikten im § 211 StGB.
Die sexuell motivierten kriminellen Handlungen werden aus kriminologischem Blickwinkel in drei Hauptgruppen unterteilt, und von Egg[49] für die nachfolgenden Ausführungen übernommen:
1.) Sexuelle Gewaltdelikte: Vergewaltigung und sexuelle Nötigung (§§ 177 und 178 StGB).
2.) Sexuelle Missbrauchsdelikte: Dabei geht es vor allem um den sexuellen Missbrauch von Kindern (§§ 176, 176a und b StGB); ferner zählen hierzu die Straftatbestände von § 174 StGB (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), § 174a StGB (sexueller Missbrauch von Gefangenen, Verwahrten oder Kranken in Anstalten), §§ 174b, c StGB (sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung bzw. eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses) und § 179 StGB (sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger).
3.) Sexuelle Belästigungsdelikte: Exhibitionistische Handlungen und Erregung öffentlichen Ärgernisses (§§ 183, 183a StGB). Die sexuelle Belästigung von Kindern wird strafrechtlich als sexueller Kindesmissbrauch gemäß § 176 Abs. 3 StGB verfolgt.
Die Freiheitsstrafe, die Unterbringung in einer Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) und die Maßregeln der Besserung und Sicherung gehören zu den Sanktionsmöglichkeiten, um auf sexualdelinquentes Verhalten zu reagieren. Die meiste angewandte Sanktion ist die Freiheitsstrafe. Die Dauer der Freiheitsstrafe kann von einigen Monaten bis lebenslang gehen. Eine Unterbringung auf Lebenszeit, welche so oft verlangt wird, ist vom Gesetz her möglich. In den meisten Fällen endet sie aber nach 15 Jahren. Ein Gesetz, bei dem die Menschenwürde an oberster Stelle steht, muss den Untergebrachten immer die reelle Chance geben, seine Freiheit wieder zu erlangen.[50] Art. 1 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip Art. 20 I GG verbietet für den Bereich der Straf- und Maßregel, ,,den Menschen zwangsweise seiner Freiheit zu entkleiden, ohne dass zumindest die Chance für ihn besteht, je wieder der Freiheit teilhaftig werden zu können.“[51]
Die Sicherungsverwahrung (§ 66, 66a, 66b StGB)[52] wird wie die Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt durchgeführt, gehört aber zu den Maßregeln der Besserung und Sicherheit. Wenn das zuständige Gericht entscheidet, dass ein besonders gefährlicher Täter nach Verbüßung seiner Haftstrafe eine weitere Gefahr für die Allgemeinheit ist, kann er in Sicherungsverwahrung genommen werden. Die Sicherungsverwahrung ist zeitlich unbegrenzt und wird alle zwei Jahre auf ihre Notwendigkeit überprüft.[53]
Die Verlegung in eine SothA erfolgt bei einem Sexualstraftäter, der »wegen einer Straftat nach dem §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist.«[54] Verlegungen von einer Justizvollzugsanstalt in eine sozialtherapeutische Einrichtung, ist weder an eine Einwilligung des Gefangenen, noch an eine Erlaubnis der SothA gebunden. Wenn der Zweck der Behandlung nicht erreicht wird, die in der Person des Gefangenen liegen, ist der Gefangene zurückzuverlegen.
Eine Bestrafung von Schuldunfähigen (§ 20 StGB) oder vermindert Schuldfähigen (§ 21 StGB) schließt das deutsche Rechtssystem ganz oder teilweise aus. Dennoch muss dem Anspruch der Gesellschaft vor Straftaten geschützt zu werden auf andere Weise entsprochen werden. Hierfür hat der Gesetzgeber die Option der so genannten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung geschaffen, die angrenzend der Strafen angesiedelt sind. Sie erlauben die Unterbringung eines Straftäters, dem im juristischen Sinn kein Schuldvorwurf gemacht werden kann, zur Sicherung der Allgemeinheit.[55] Diese freiheitzentziehende Maßregeln werden je nach Zustand, in dem die rechtswidrige Tat begangen wurde, in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt § 64 StGB) vollzogen.[56]
Ein weiteres Sanktionsmittel ist die Bewährungsstrafe, die bei einer Freiheitsstrafe, wenn sie die Dauer von 2 Jahren nicht überschreitet, ausgesprochen werden kann (§ 56 StGB). Häufig wird die Bewährungsstrafe mit ambulanten Therapieauflagen ausgesprochen. Es kann jedoch auch bloß eine ambulante Therapie ohne Bewährungsauflagen auferlegt werden.[57] Weisungen werden ausgesprochen, wenn einem Verurteilten die restliche Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird und »dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen (§§ 57 Abs. 3, 56c Abs. 1 Satz 1 StGB).« Straftäter, die zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt wurden und als ,,gefährlich“ gelten, können als Erweiterung der Weisungen, mit der Führungsaufsicht etwa im Anschluss an eine voll verbüßte Strafe belegt werden (§§ 68f, 68b StGB).[58]
Die Einstellung zur Sexualität hat sich im laufe der Menschheit stets verwandelt. Was als verboten, abweichend oder unmoralisch gilt, unterliegt einem Wandel und ist von gesellschaftlichen Normen abhängig.[59] Die Dynamik der Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland der letzten 100 Jahre kann u.a. an den Debatten der Freigabe der Pornographie und der Aufhebung der Homosexualität, aber auch anhand der Reform des Schwangerschaftsabbruchs sowie der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe belegt werden. Die Gradwanderung zwischen Sexualität, Recht, Moral und Ethik ermöglicht keine dingfesten, immer geltenden Regelungen und Antworten. Die sexuelle Vielfältigkeit wird vielmehr von vornherein vom Recht begrenzt.[60] Diese rechtlichen Begrenzungen sowie die herrschenden Wertvorstellungen der jeweiligen Zeitperiode und die daraus resultierende Entwicklung des Sexualstrafrechts wird im folgenden Verlauf vorgestellt.
Die im 13. Abschnitt des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 als „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ umschriebenen §§ 171 bis 184b, wurden aus dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851 eingeführt. Unmoralisches Verhalten wurde als sozialschädlich angesehen und bestraft. Das Strafrecht sollte die Moral schützen. Kriterien für die strafrechtliche Relevanz waren unsittliche, unzüchtige Handlungen, die das allgemeine geschlechtliche Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzen.[61] So galten z.B. sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe als unzüchtig. Selbst Verlobte haben nur dann nicht gegen die geschlechtliche Zucht verstoßen, wenn die Absicht zur Ehe entschlossen war und sie sich ihrer Verantwortung bewusst waren, der Eheschließung aber zwingende, von den Verlobten nicht zu verantwortende und in absehbarer Zeit auch nicht zu behebende Hindernisse entgegenstanden.[62] Diese Rechtsprechung galt im Wesentlichen über 100 Jahre gleich bleibend bis in die 1960er Jahre.
Eine Rechtssprechung des BGH besagt, dass die ,,Normen des Sittengesetzes (…) aus sich selbst heraus“ gelten. Die Verbindlichkeit der Normen des für den Menschen wahrnehmbaren Sittengesetzes entstehe ,,auf der vorgegebenen und hinzunehmenden Ordnung der Werte und der das menschliche Zusammenleben regierende Sollenssätze; sie gelten unabhängig davon, ob diejenigen, an die sie sich mit dem Anspruch auf Befolgung wenden, sie wirklich befolgen und anerkennen oder nicht; ihr Inhalt kann sich nicht deswegen ändern, weil die Anschauungen über das, was gilt, wechseln.“[63]
Die sexuellen Moralvorstellungen einer Gemeinschaft müssen nicht immer mit denen der Richter und oberster Gerichtshöfe übereinstimmen. Simon und Geerds haben die im Gegensatz zu der oben aufgeführten Rechtssprechung des BGH folgendes vermerkt: ,,Da es geschriebene Sittengesetze im wörtlichen und allgemeinen Sinn im außerreligiösen Rechtsbereich nicht gibt, taucht (…) die unbeantwortete Frage auf, ob und wie sich die gültigen weltlichen Sittennormen erkennen lassen, wenn sich die Allgemeinheit oder die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung nicht oder nicht mehr zu ihnen bekennt. Vor allem (…) ist die Grundfrage zu klären, ob die Sittlichkeit und ihre Normen absolute und unveränderliche Werte bilden oder ob sie kulturgeschichtlichen Wandlungen, Entwicklungen und Umwertungen unterliegen und entsprechend zu relativieren sind.“[64]
Ende der 60er Jahre kehrte der BGH von seiner Herabwürdigung der Sexualität ab, als er 1969 im so genannten Fanny-Hill[65] -Urteil[66] zu der auf den Wertpluralismus gestützten Auffassung gelangte: ,,Die Anschauungen darüber, was (…) gemeinschaftsschädlich wirkt und wo demnach die Toleranzgrenze gegenüber geschlechtsbezogenen Darstellungen zu ziehen ist, sind zeitbedingt und damit dem Wandel unterworfen.“[67] In derselben Entscheidung kommt der BGH von der überkommenen Auslegung, das Strafrecht habe die allgemeine Sittenordnung zu beschützen, zu der Ansicht: ,,Das Strafgesetz hat nicht die Aufgabe, auf geschlechtlichem Gebiet einen moralischen Standard des erwachsenen Bürgers durchzusetzen, sondern es hat die Sozialordnung der Gemeinschaft vor Störungen und groben Belästigungen zu schützen.“[68]
Für weitere Reformdiskussionen sorgte der ,,Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches“ von 1968[69] und der 47. Deutsche Juristentag 1968, auf dem sich die strafrechtliche Abteilung mit der Reformbedürftigkeit des damals geltenden Sexualstrafrechts befasste. Den Leitgedanken der Reformbemühungen bildete so dann nicht mehr der Schutz von Schamgefühlen und Sittlichkeit, sondern eine Beschränkung der Pönalisierung[70] auf gravierende sozialschädliche Verhaltensweisen stand im Vordergrund.[71]
Im Jahr 1973 erhielt mit dem 4. StrRG[72] der 13. Abschnitt des StGB die neue Überschrift: ,,Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“.[73] Der Staat wollte fortan der Bevölkerung nicht mehr moralisch einwandfreies Verhalten vorschreiben, sondern nur noch das ethische Minimum. Fragen des Ehebruchs und der Homosexualität gehörten seit dem nicht mehr dazu.[74] Vielmehr steht der Schutz der Freiheit vor Fremdbestimmung auf sexuellem Gebiet im Vordergrund. Jedem soll die Fähigkeit erhalten bleiben, ob es von einer anderen Person zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem sexualbezogenen Geschehen eingeschlossen werden will oder nicht. Entscheidend ist also allein, ob sexuelle Handlungen ein spezielles Freiheitsrecht einer anderen Person beeinträchtigen: das der sexuellen Selbstbestimmung. Diese Rechte hat der Gesetzgeber konkret in den §§ 174 bis 184b StGB festgelegt.[75]
Es vergingen fast 20 Jahre bis es zu weiteren wesentlichen Änderungen in der Gesetzgebung zu Sexualdelikten kam. Gössel hat in seiner systematischen Darstellung des neuen Sexualstrafrechts, die in relativ kurzen Abständen erfolgten Änderungen wie folgt vermerkt: Das 26. StrRÄndG aus dem Jahre 1992 sollte den blühenden Menschenhandel mit ausländischen Frauen, die zur Tätigkeit der Prostitution nach Deutschland verschleppt wurden, bekämpfen. Im Jahre 1993 kam es dann zu Verschärfungen mit dem 27. StrRÄndG zur Bekämpfung kinderpornographischer Darstellungen. Die Aufhebung der Strafbarkeit männlicher homosexueller Handlungen, soweit sie einverständlich und ohne Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern vorgenommen wurden, war wohl eine der bedeutsamsten Änderungen die mit dem 29. StrRÄndG im Jahre 1994 einherging. Änderungen bei den Tatbeständen der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung brachten die Veränderungen im 33. StrRÄndG im Jahre 1997. Der geschlechtsneutrale Begriff von Tätern und Opfern, sodass männliche wie weibliche Täter an weiblichen wie männlichen Opfern erfasst wurden, sowie ferner die Gleichstellung des erzwungenen Beischlafs mit erzwungenen, besonders erniedrigenden sexuellen Handlungen. Besonders hervorhebenswert ist die Gleichstellung erzwungener sexueller Handlungen innerhalb oder außerhalb der Ehe.[76]
Die Ausstrahlungswirkung von Ereignissen und Entwicklungen in den Jahren 1996 und 1997[77], indem dramatische Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit anschließender Tötung der Opfer bekannt wurden, beeinflussten das kriminalpolitische Klima in Deutschland. Das Land Bayern ergriff die Initiative und brachte einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Sexualstraftätern im Bundesrat ein. Dieser Entwurf bildete die Grundlage für das Gesetz[78] zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998, welches die Gefahr von Widerholungstaten verringern[79] und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit dienen soll.[80] Änderungen von Regeln wurden z.B. in der Aussetzung des Strafrestes auf Bewährung, bei der Behandlung in sozialtherapeutischen Anstalten, Entlassungen aus dem psychiatrischen Maßregelvollzug, die Sicherungsverwahrung sowie die Registrierung von Sexualstraftätern im Bundeszentralregister getroffen. Die hauptsächlichen Neugestaltungen der Gesetze zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten schildert Dünkel wie folgt zusammengefasst:
,, - eine ,,Klarstellung“ (keine Verschärfung!, vgl. Nomos Kommentar-Dünkel, § 57 Rn. 14 ff.) der Voraussetzungen für die Aussetzung eines Strafrechts einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 57 StGB)
- die Aussetzung der weiteren Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§ 67d Abs. 2 StGB) nur, ,,wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte […] keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“. (Ergänzend ist § 454 Ab. 2 StPO in der neuen Fassung zu beachten: Verlangt wird vom Gutachter die positive Feststellung, dass keine Gefahr mehr besteht! Vor 1998 war eine Aussetzung möglich, ,,wenn verantwortet werden kann zu erproben […]“, d.h., ein gewisses ,,Restrisiko“ erneuter Straftaten wurde akzeptiert.)
- die Einholung eines Gutachters vor der Strafrestaussetzung zur Bewährung bei als besonders rückfallgefährdet eingeschätzten Tätern (§ 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO: Sexualtäter mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe)
- die Möglichkeit einer Therapieweisung bei der Strafaussetzung oder Strafrestaussetzung zur Bewährung. Die Weisung, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, ist nur dann noch von der Einwilligung des Verurteilten abhängig, wenn sie mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist (vgl. § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB); dies beinhaltet theoretisch auch gegen den Willen des Betroffenen.
- Ausweitung der obligatorischen Führungsaufsicht (Erweiterung der Führungsaufsicht auf Vollverbüßer bei Sexualdelikten bereits bei mindestens einem Jahr verbüßter Freiheitsstrafe; für andere Vorsatztäter sind zwei Jahre voll verbüßte Freiheitsstrafe Voraussetzung, vgl. § 68f Abs. 1 StGB).
- Ausweitung der Verlegung von Sexualstraftätern in sozialtherapeutische Anstalten (§§ 6, 7, 9 StVollzG; seit 01.01.2003: Mussvorschrift bezüglich der Verlegung von wegen eines Sexualdelikts zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe Verurteilten, vgl. § 9 Abs. 1 StVollzG).
- Ausweitung der Sicherungsverwahrung für rückfällige Sexual- und Gewalttäter (Sicherungsverwahrung bereits bei erstem Rückfall und ggf. bei erster Verurteilung, vgl. § 66 Abs. 3 StGB; Wegfall der absoluten Höchstdauer von zehn Jahren bei erstmaliger Anordnung der Sicherungsverwahrung, nur noch besondere Prüfung der Fortdauer nach zehn Jahren, vgl. § 67d Abs. 3 StGB, vgl. hierzu aktuell BVerfG vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, NJW 2004, S. 739 ff. Hier wird hervorgehoben, dass diese Neuregelung zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, jedoch mit zunehmender Dauer der Unterbringung das Freiheitsrecht des Untergebrachten an Bedeutung gewinnt, sodass eine Fortdauer über zehn Jahre hinaus nur ausnahmsweise in Betracht kommt.)
- Verlängerung der Fristen des Bundeszentralregistergesetzes bei Sexualstraftaten“[81]
Die hauptsächliche Zielsetzung des 6. Strafrechtsreformgesetzes war die Angleichung der Strafrahmen an den Wertevorstellungen der Bevölkerung. Die noch zum Teil von dem Reichsstrafgesetzbuch geprägten Strafrahmen führten dazu, das beispielsweise die gefährliche Körperverletzung in der Regel mit Geldstrafen belegt worden, während bei bestimmten Eigentumsdelikten häufiger eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde. Die Strafrahmenverschiebung führte zu einer Verschärfung der Strafrahmen bei Gewalt- und Sexualdelikten.[82]
Im § 57 StGB der die Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe regelt ist die Formulierung »sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Gefangene außerhalb der Haft keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird« gegen die Formulierung »sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann« ausgetauscht worden.
Der § 67d Abs. 2 StGB, der die Dauer der Unterbringung im Maßregelvollzug regelt, wurde schärfer formuliert und heißt seit dem: »wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. « Dies führt zu höheren Anforderungen an die Entlassungsprognose aus dem Maßregelvollzug als die Strafaussetzung zur Bewährung. Nedopil kommentiert die Verschärfung der Entlassungsvoraussetzungen bei psychisch kranken Rechtsbrechern als die wiederkehrende ,,Dämonisierung der psychisch Kranken und Gestörten, ihre Ausgrenzung und Abschiebung.“[83] Diese Aussage trifft Nedopil hinter dem Aspekt, da 1998 nur ca. 20%, der wegen eines schwerwiegenden Sexualdelikts Verurteilten, im Maßregelvollzug untergebracht[84] waren und daher ihre Entlassung nach dem § 57 StGB begründet werden musste. Die ca. 80% wegen erheblicher psychischer Störungen eines anderen Deliktes Untergebrachten wurden mit der Härte belegt, die weder Grund noch Anlass der Gesetzesänderung waren. Die Täter, vor denen geschützt werden sollte, erreichte das Gesetz nicht.[85]
Schöch warnte 1998 vor weiteren Rufen nach Verschärfungen des Strafrechts und prophezeite bei einer übermäßigen Gesetzesreform zur weiteren Überfüllung der Justizvollzugsanstalten und der psychiatrischen Krankenhäuser.[86] Die Warnungen sind ungehört geblieben, wie die aktuelle Sexualstraftätergesetzgebung zeigt.
Mit dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften (SexÄndG)[87] sind Verschärfungen der Strafdrohungen gegen den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (§§ 174, 174a, 174c) des sexuellen Missbrauchs von widerstandsunfähigen Personen (§ 179) und von Kindern in den Fällen der §§ 176, 176a vollzogen.[88]
Weiterer Schwerpunkt ist die Strafbarkeit der Verbreitung von so genannter ,,harter Pornographie“ (Gewalt- Tier- und Kinderpornographie) welche aus dem bisherigen § 184 herausgenommen worden ist und in selbstständigen Straftatbeständen in den Paragraphen
- § 184a: Gewalt- und Tierpornographie,
- § 184b: Kinderpornographie
Geregelt ist. Die bisherige Strafbarkeitslücke hinsichtlich der Echtzeitübertragungen (so genannte Live-Übertragungen) durch Radio und Fernsehen sind im Paragraphen
- § 184c: Verbreitung pornografischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste
zu finden.[89]
Zudem ist eine Ausweitung der DNA-Analyse eingeführt worden.[90] Bisher konnte eine DNA-Analyse nur angeordnet werden, wenn eine erhebliche Straftat vorlag. Nun ist das auch bei geringfügigeren Straftaten möglich, wenn eine Prognose vorliegt, dass in der Zukunft erhebliche Straftaten zu befürchten sind. Die Durchführung der DNA-Analyse im Strafverfahren ist mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz-DNA-Analyse (StVÄG) am 21.03.1997 in Kraft[91] getreten und wurde gleich mit kritischen Stimmen vor genetischer Ausforschung und einer daraus folgenden Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung belegt worden.“[92]
Aus der heutigen Sicht finden sich in der Literatur kritische sowie positive Aussagen über die Strafverfolgung durch die DNA-Kartei. Der ehemalige hessische Minister[93], der Justiz Dr. Christian Wagner, fordert eine DNA-Kartei für alle Straftaten und bemängelt die hohe Hürde zur Erhebung von DNA-Identifizierungsmustern durch die einschlägige Vorschrift des § 81 StPO und begründet dies mit der Verantwortung des Bundesgesetzgebers, die Bevölkerung bestmöglich vor Straftätern zu schützen.[94] Auf diese Aussage bezieht sich die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerin[95] der Justiz, Anne Lütkes, und Dr. Helmut Bäumler, die eine andere Position vertreten: ,,Eine Reform der Regelungen zur DNA-Analyse im Strafverfahren darf sich nicht ausschließlich an diesen naturwissenschaftlichen wie kriminologisch fraglichen Grundannahmen orientieren und muss den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein rechtsstaatliches Strafverfahren genügen.“[96] Eine weitere Aussage der Beiden: ,,Die Bekämpfung von Straftaten war schon immer ein beliebtes Argumentationsmuster, wenn es galt, die Einschränkung von Rechten medienwirksam zu legitimieren.“[97]
Durch das 37. StrRÄndG[98] sind die bisherigen Strafvorschriften gegen den Menschenhandel der §§ 180b, 181 aufgelöst worden und in den 18. Abschnitt ,,Straftaten gegen die persönliche Freiheit’“ (§ 232–241a) als neue Strafvorschrift (§ 232 Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung) eingeführt. Des Weiteren finden sich
- § 233 Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft,
- § 233a Förderung des Menschenhandels und
- § 233b Führungsaufsicht, Erweiterter Verfall
im 18. Abschnitt, in den Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Der Gesetzgeber hat damit den Schutz eines Teilbereiches der persönlichen Freiheit (sexuelle Selbstbestimmung) durch den § 232 auf den Gesamtbereich der persönlichen Freiheit ausgedehnt.[99]
Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften (SexÄndG) und das 37. Strafrechts-änderungsgesetz (StrRÄndG) sind alle mit Strafschärfungen und Tatbestandserweiterungen für Sexualdelikte verbunden. Dass nur wenige Jahre nach der Überarbeitung und Verschärfung der §§ 174 ff. StGB durch das 6. Strafrechtsreformgesetz die Strafnormen zum Schutze von Kindern gegen sexuellen Missbrauch wieder ins Zentrum gesetzgeberischer Aktivitäten gerückt sind, ist halten Duttge, Hörnle und Renzikowski für unverständlich und wurden wohl nicht zuletzt durch die Aufsehen erregenden Medienberichterstattung ausgelöst.[100]
Von den neuen Regelungen und zahlreichen Details werden nachfolgend nur die wichtigsten Regelungen aufgeführt, die im Wesentlichen einen Überblick über die Strafverschärfungen in Bezug auf Sexualdelikte geben sollen:
- Bei sexuellem Missbrauch von Kindern beträgt der Strafrahmen für § 176 Abs.1 und Abs. 2 StGB nach wie vor sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Der Strafrahmen für minder schwere Fälle wurde gestrichen, sodass auch für Delikte am untersten Rand des Schwerespektrum, statt der bisher möglichen Geldstrafe eine Freiheitsstrafe obligatorisch ist.
- Für die in § 176 Abs. 4 StGB n.F. angeführten Handlungen ist eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten als Mindeststrafe vorgesehen (vorher: Geldstrafe). Bei unbenannt schweren Fällen ist ein neuer Absatz (Abs. 3) eingeführt worden, der eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr androht.
- Die Mindeststrafe in § 176a StGB n.F. ist deutlich von bisher einem Jahr Freiheitsstrafe auf zwei Jahre erhöht worden.
- Auch bei § 179 StGB sind die minder schweren Fälle des Grunddelikts abgeschafft und in eine neue Norm für unbenannte schwere Fälle mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe eingeführt worden.
- In den §§ 174 bis 174c StGB ist die Mindeststrafe von Geldstrafe auf drei Monate Freiheitsstrafe heraufgesetzt worden.[101]
Wesentliche Veränderungen sind bereits seit 1998 mit der bestehenden Möglichkeit auch für Sexualverbrecher die Sicherungsverwahrung anzuordnen eingetroffen. Diese Vorschrift ist im August 2002 durch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung und im Juli 2004 durch die Möglichkeit zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ergänzt worden. Diese strengen Verschärfungen und die dadurch auftretenden Probleme in der Behandlung, die sich bereits in der Untersuchung ergeben, bedürfen eines eigenen Unterkapitels und werden deshalb im nachfolgenden Kapitel ausführlich dargelegt.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten war mit einer ersten Vereinfachung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit einer erheblichen Verschärfung verbunden. Mit dem neu geschaffenen § 66 Abs. 3 StGB kann bei einer Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren die Sicherungsverwahrung bereits nach der ersten Rückfalltat, nach der der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist, angeordnet werden.[102] Des Weiteren kann auch nach der ersten Wiederholungstat die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn der Täter zwei Straftaten begangen hat, durch die er jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird.[103]
Indem der § 6 Abs. 3 StGB auf genaue Verbrechen bzw. Straftaten (§§ 174 bis 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, §§ 180, 182 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat ein Verbrechen oder eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist) verweist, ist der Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung im Wesentlichen auf Sexual- und Gewaltstraftäter beschränkt. Eine weitere Beschränkung für den Personenkreis, für die neben der Strafe die Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, findet sich im § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Es muss ein Hang zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, vorliegen.
Eine weitere erhebliche Verschärfung ist mit dem eingefügten § 67d Abs. 3 StGB entstanden, wonach die Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren als erledigt gilt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Somit wird jede Sicherungsverwahrung bei Gewalt- und Sexualtätern unbeschränkt nach Verbüßung der Strafhaft und zehn Jahren Sicherungsverwahrung angeordnet, bei denen eine weiterhin erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Um zu klären, ob nach 10 Jahren weiterhin mit erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit aufgrund des Hanges zu Gewaltdelikten zu rechnen ist, wird im § 463 Abs. 3 StPO geregelt.
[...]
[1] In der vorliegenden Arbeit wird im Sinne sprachlicher Flüssigkeit der Terminus Sexualstraftäter gebraucht bzw. synonym Täter, Straftäter, Gefangener, Patient, Klient. Verwendet wird nur die männliche Form. Dies dient zur Vereinfachung der Schreibweise und trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die meisten Sexualdelikte überwiegend von Männern begangen werden.
[2] Bild am Sonntag, 08.07.2001, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.07.2001. Das zitierte Kanzlerwort Gerhard Schröders fiel im Zusammenhang mit dem tödlichen Sexualverbrechen, dem die damals acht Jahre alte Julia aus Biebertal zum Opfer fiel.
[3] Die Ansicht, die Täter seien ,,nicht therapierbar“, entbehre jeder kriminologischen Grundlage und die Forderung, die Täter für ,,immer wegzuschließen“, sollte sich für einen auf das Grundgesetz vereidigten Politiker verbieten laut Prittwitz (2003, S. 231 (233)).
[4] Der Fall Natalie Astner aus Bayern und Kim Kerkow aus Niedersachsen sowie weitere spektakuläre Fälle (Kusch 1997, S. 89 (89 ff.)).
[5] 1997 das 33. StrRÄndG und 1998 das 6. StrRG 1998
[6] Alle verwendeten Gesetzestexte in dieser Diplomarbeit sind zur Einsicht im Anhang vollständig aufgelistet.
[7] Vorläufig nur deshalb, weil der Bundesrat den vom Freistaat Bayern und dem Land Sachsen-Anhalt vorgestellten neuen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 27.5.2004 beim Deutschen Bundestag eingebracht hat. Danach sollen zur Schließung weiterer Schutzlücken u.a. die Anordnunsvoraussetzungen für die Unterbringung nach § 63 StGB weiter abgesenkt werden und die gleichzeitige Anordnung mehrerer Maßregeln (§ 72 StGB) erleichtert werden (Boetticher 2005, S. 417 (417)).
[8] Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung hatten vorab schon einzelne Bundesländer eingeführt. Das wurde im Zuge der Verfassungsmäßigkeit, vor allem in der Kompetenz der Länder heftig kritisiert. Der Disput wurde durch das BVerfG mit Beschluss vom 10. Februar 2004 entschieden, indem es die nachträgliche Sicherungsverwahrung der Länder wegen fehlender Gesetzeskompetenz für verfassungswidrig erklärte und dem Bundesgesetzgeber eine Gelegenheit gab, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen (AZ 2 BvR 834/02 und 1588/02). Nun regelt der Bundesgesetzgeber die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Es ist im Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.07.2004 (BGB1. I S. 1838) geregelt. Das Gesetz zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil vom 07.06.2002 trat bereits am 28.08.2002 in Kraft (BGB1. I S. 3344).
[9] Ultima ratio (lat. für: ultimus = der letzte, der am weitesten entfernte, der äußerste und ratio = Vernunft, vernünftige Überlegung) bezeichnet den letzten Lösungsweg.
[10] Meier 1999, S. 447.
[11] §§ 177 und 178 StGB einschließlich Versuche.
[12] §§ 176, 176a, 176b StGB.
[13] Anders z.B. bei den so genannten Kontrolldelikten wie z.B. Drogen- oder Wirtschaftsdelikte.
[14] Als Dunkelfeld wird die Differenz zwischen der Anzahl "tatsächlich" vorgefallener Fälle von Kriminalität und der in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgrund amtlicher Kenntnisnahme aufgenommenen Fälle bezeichnet (vgl. Sack 1993, S. 99 (101)).
[15] Vgl. Elz 2001, S. 39 ff.
[16] Prävalenzraten = Anteil der Personen, die ein bestimmtes Ereignis im jeweiligen Zeitraum erlebt haben, relativiert auf die Stichprobe bzw. Grundgesamtheit.
[17] Vgl. Elz 2001, S. 40.
[18] Vgl. Elz 2001, S. 42.
[19] Eine z.B. finanziell von ihrem Mann abhängige Mutter, welche den sexuellen Missbrauch ihres Kindes durch den Vater bemerkt hat, hat oftmals nicht den Mut und die psychische Kraft, eine Anzeige zu erstatten. Scham, Stigmatisierung in der Öffentlichkeit oder die finanzielle Not im Falle einer Verurteilung sind weitere Gründe gegen eine Anzeige.
[20] Vgl. Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2006.
[21] Um herauszufinden, ob die Gewalt unter Jugendlichen weiter ansteigen wird und wo die Gründe für die Jugendgewalt liegen, hat das Bundesinnenministerium eine Dunkelfelderhebung zur Jugendkriminalität unter dem Titel "Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter" in Auftrag gegeben, deren Auswertung am Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. erfolgt.
[22] Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 415 (416)
[23] Vgl. u.a. Bange/Deegener 1996, S. 49, Julius/Boehme 1997, S. 72, Wetzles 1997, S. 171.
[24] Vgl. Wetzels 1997, S. 181.
[25] Vgl. u.a. Bange/Deegener 1996, S. 49, Brockhaus/Kolshorn 1993, S. 67 ff, Julius/Boehme 1997, S. 73.
[26] Vgl. Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2006, S. 61.
[27] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (416ff.).
[28] In der Studie wurden noch zu anderen Straftaten als die in der Tabelle 1 aufgeführten Delikte gebeten, um eine generelle Einschätzung der Entwicklung zu bekommen. Hierbei wurde von der großen Mehrheit der Befragten ein etwas bzw. viel häufigeres Auftreten der Delikte vermutet. Nur zu der ergänzend eingeführten Straftat des Drogenhandels konnten lediglich überwiegend zutreffende Einschätzungen abgegeben werden.
[29] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (418).
[30] Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner ist Direktor des Instituts für Kriminologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
[31] Vgl. Kerner 2003, S. 4 (4 f.).
[32] Kubink 2000, S. 111 (111).
[33] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (420 ff.).
[34] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (420).
[35] Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (421).
[36] Kubinek 2000, S. 111 (111).
[37] Böllinger 2004, S.53 (71).
[38] Vgl. Stiels-Glenn 2006, S. 338 (339 ff.).
[39] Vgl. Böllinger 2004, S. 53 (70).
[40] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (428).
[41] Vgl. Pfeiffer/Windzio/Kleimann 2004, S. 416 (429).
[42] Vgl. Kury 2006
[43] Kury 2006.
[44] Vgl. Wischka 2001, S. 528 (528).
[45] Siehe das Praxisbeispiel einer Berichterstattung im Anhang 9.
[46] Vgl. Marneros 1997, S. 61.
[47] Das in der Einleitung verwendete Zitat von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder.
[48] Vgl. Gössel 2005, S. 11.
[49] Egg 2003, S. 39 (39).
[50] Vgl. Krebber 1999, S. 58 f.
[51] BVerfGE 45, 187 (229) in Kinzig 1996, S. 41.
[52] Auf die Sicherungsverwahrung wird ab dem Kapitel 2.6.1 detailliert eingegangen.
[53] Vgl. Krebber 1999, S. 61 f.
[54] § 9 StVollzG.
[55] Vgl. Volckart/Grünebaum 1999, S. 1.
[56] Die §§ 66, 66 a, und 66 b StGB gehören auch zu den freiheitsentziehenden Maßregeln.
[57] Vgl. Krebber 1999, S. 72 f.
[58] Vgl. Dessecker 2001, S. 11 (16 f.).
[59] Im antiken Griechenland erlaubte die griechische Gesellschaft in streng reglementierten Zusammenhängen sexuelle Beziehungen zwischen Männern und Jungen. Diese Beziehungen wurden von vielen Pädophilien als gleichberechtigt bewertet und beschönigt (Vgl. Bange/Deegener 1996, S. 11 zitiert nach Hohmann 1979, S. 153.
[60] Vgl. Barabas 1998, S. 9 f).
[61] Vgl. Laubenthal 2000, S. 3 ff.
[62] Vgl. u.a. BGHSt. 6, S. 46 ff./ BGHSt. 17, S. 230 ff.
[63] BGHSt. 6, S. 52.
[64] Simson/Geerds 1969, S. 352 f.
[65] Fanny Hill (im englischen Original Memoirs of a Woman of Pleasure) ist ein erotischer Briefroman von John Cleland, der zuerst 1749 in London erschien.
[66] Im Fanny-Hill-Urteil ging das Gericht der Frage nach, ob es sich bei Schilderungen geschlechtlicher Vorgänge grundsätzlich um unzüchtige Schriften handelt, die gemäß § 184 StGB a. F. einem Verbreitungsverbot unterlagen. Es kam dabei zu der Erkenntnis, dass eine solche Schrift dann nicht unzüchtig sei, „wenn sie nicht aufdringlich vergröbernd oder anreißerisch ist und dadurch Belange der Gemeinschaft stört oder ernsthaft gefährdet“ (BGHSt 23, S. 40).
[67] BGHSt. 23, S. 42.
[68] BGHSt. 23, S. 43 f.
[69] Vgl. Baumann/Brauneck/Grünwald u.a. 1968, S. 5 ff.
[70] Pönalisierung = das “Unter-Strafe-Stellen”
[71] Vgl. Baumann/Brauneck/Grünwald u.a. 1968, S. 9.
[72] Das 4.StrRG ist am 01. Januar 1974 in Kraft getreten (BGBl. I 1973, S. 1725).
[73] Der 13. Abschnitt des StGB war heftig umstritten und hat sich gegen eine Vielzahl von Gegenvorschlägen: ,,Sexualstraftaten“, ,,Sexualbezogenen Straftaten“, ,,Straftaten im sexuellen Bereich“, ,,Straftaten im Bereich des Sexuallebens“, Straftaten gegen die sexuelle Freiheit“, Straftaten im Zusammenhang mit der Sexualität“ durchgesetzt (vgl. Sick 1993, S. 79 f.).
[74] Vgl. Dünkel 2005, S. 1 (4).
[75] Vgl. Laubenthal 2000, S. 9 f.
[76] Vgl. Gössel 2005, S. 5 f.
[77] Zum Beispiel der Fall Marc Dutroux in Belgien. Dutroux hatte mehrere Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 19 Jahren entführt, sexuell missbraucht, und seinen Komplizen Bernard Weinstein sowie zwei von ihm entführte jugendliche Frauen im Alter von 17 und 19 Jahren ermordet.
[78] Das 6. StrRG ist am 01. April 1998 in Kraft getreten (GVB1. I S. 146.
[79] Vgl. Laubenthal 2000, S. 11.
[80] Vgl. Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung, S. 365 (365).
[81] Dünkel 2005, S. 6.
[82] Dünkel 2005, S. 8.
[83] Nedopil 1998, S. 44 (44).
[84] Die derzeitige Belegung im Maßregelvollzug wird näher im Kapitel 2.7.1 erläutert.
[85] Nedopil 1998, S. 44 (45).
[86] Vgl. Schöch 1998, S. 1257 (1262).
[87] Das SexÄndG ist am 01. April 2004 in Kraft getreten (GVBl. I S. 3007).
[88] Vgl. Gössel 2005, S. 7 f.
[89] Vgl. Gössel 2005, S. 8.
[90] Vgl. Rzepka 2003, S. 234 (234).
[91] BGBl I, 53, Zeitschrift für Rechtspolitik 1998, S. 64 (65).
[92] Vgl. Schneider/Rittner 1998, S. 64 (65).
[93] Derzeitige Hessischer Justizminister ist seit November 2005 Jürgen Banzer.
[94] Vgl. Wagner 2004, S. 14 (14).
[95] Derzeitiger Minister für Justiz, Arbeit und Europa in Schleswig-Holstein ist seit April 2005 Uwe Döring.
[96] Bäumler/Lütkes 2004, S. 87 (87).
[97] Bäumler/Lütkes 2004, S. 87 (89).
[98] Das 37. StrRÄndG ist am 19. Februar 2005 in Kraft getreten (GVB1. I S. 239.
[99] Vgl. Gössel 2005, S. 8 f.
[100] Vgl. Duttge/Hörnle/Renzikowski 2004, S. 1065 (1065 f.).
[101] Wesentliche Änderungen sind u.a. aufgeführt bei Dünkel 2005, S.8 f. und Duttge/Hörnle/Renzikowski 2004 S. 1065 (1065 ff.).
[102] Vgl. Boetticher 1998, S. 354 (364).
[103] Zuvor war die Sicherungsverwahrung nur in bestimmten eingeschränkten Fällen möglich (zwei Vorverurteilungen mit bestimmter Strafhöhe und Vorverbüßung von bestimmter Dauer).
Kommentare