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Mehr InfosDiplomarbeit, 2007, 192 Seiten
Diplomarbeit
Universität Rostock (Erziehungswissenschaften, Allgemeine und Sozialpädagogik)
1,0
Theoretischer Teil
1. Einleitung
2. Emotionen in der Pädagogik
2.1 Ein Überblick über die Geschichte der Emotionspsychologie
2.2 Emotion – Aspekte einer Definition
2.3 Kognition
2.4 Motivation
2.4.1 Intrinsische und Extrinsische Motivation
2.5 Wie werden Emotionen kommuniziert
2.6 Zur Sozialisation der Emotionen
2.6.1 Aus der sozialwissenschaftlichen Perspektive
2.7 Zusammenfassung und Ausblick
3. Bedeutung von Emotion und Motivation in Lernprozessen
3.1 Bedeutungswandel und Definition des Begriffs „Lernen“
3.2 Gefühle beim Lernen
3.2.1 Freude – Eine vernachlässigte Emotion
3.4 Gedächtnis
3.5 Vernetztheit von Informationen
3.5.1 Mind Mapping
3.6 Zusammenfassung und Ausblick
4. Fernstudium – Lerntypen, Lernstile, Lernstrategien
4.1 Zum Begriff des Fernstudiums
4.2 Ein kurzer historischer Überblick
4.3 Lerntypen – Sinnvoll oder Irrtum?
4.4 Lernstrategien
4.4.1 Approaches-to-Learning-Ansätze
4.5 Zusammenfassung und Ausblick
5. E-Learning und Emotionen
5.1 Einführung E-Learning
5.1.1 Die technische Seite des E-Learning
5.1.2 Lernumgebungen beim E-Learning
5.1.3 Didaktik beim E-Learning
5.2 Betreuung im Fernstudium
5.2.1 Aufgaben und Kompetenzen bei der Betreuung
5.2.2 Emotionale Belastung
5.3 Zusammenfassung und Ausblick
Empirischer Teil
6. Der Chat als belastungshemmender Faktor? – Am Beispiel des Fernstudiums an der Universität Rostock
6.1 Ein Exkurs in den Fernstudiengang „Umwelt & Bildung“
6.2 Datenerhebung und Material
6.3 Fragestellung und Ziel der Untersuchung
6.4 Methodisches Vorgehen
6.5 Auswertung
6.6 Zusammenfassung und Ausblick
7. Schlussbetrachtungen
8. Literatur
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Inhaltliche Kategorien
1.2 Ankerbeispiele
2. Chat 1 (29.11.2006)
3. Chat 2 (06.12.2006)
4. Chat 3 (13.12.2006)
5. Chat 4 (17.01.2007)
6. Chat 5 (31.01.2007)
7. Chat 6 (07.02.2007)
Eidesstattliche Erklärung
„Dem stärksten Willen fehlt oft die Kraft, die einer zarten Emotion selbstverständlich ist“ (Elfriede Hablé). Getreu diesem Aphorismus sollten Emotionen auch im Lernprozess genügend Beachtung zukommen.
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit Emotionen im Lernprozess im Allgemeinen und mit den emotionalen Bedingungen des Fernstudiums im Speziellen.
Mir ist aufgefallen, dass Emotionen grundsätzlich auf bestimmte Art und Weise kommuniziert werden, und dass sie ebenso durch Kommunikation beeinflusst werden können. Gleichzeitig machte ich die Feststellung, dass Emotionen auch an Lernprozessen beteiligt sind. Für den Lernprozess an sich spielen Emotionen insofern eine Rolle, als sie zum Lernen motivieren, den nötigen Antrieb schaffen und Ziele besser verfolgen helfen. Man kann davon ausgehen, dass Emotionen allzeit zugegen sind, sie somit den Lernprozess begleiten und ihn positiv oder negativ beeinflussen können.
Negative Emotionen, wie zum Beispiel Angst, können den Lernprozess hemmen. Schlechte Ergebnisse sind die Folge. Positive Emotionen, wie Freude am Lernen, werden i. d. R. positivere Ergebnisse mit sich bringen.
Durch meine Tätigkeit als Teletutorin im Fernstudiengang „Umwelt & Bildung“ stellte sich für mich nun die Frage: Spielen im Fernstudium die gleichen Emotionen eine Rolle, und wie werden sie kommuniziert, wenn die Lehrenden und Mitstudierenden nicht präsent sind? Ist es möglich, Emotionen trotzdem telefonisch oder virtuell zu übertragen?
Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema musste ich feststellen, dass das Fernstudium und E-Learning noch nicht ausreichend aus diesem Blickwinkel untersucht wurde.
In der Schule rücken heute neben kognitiven Aspekten auch affektive Komponenten (wie Emotionen) beim Lernen immer mehr in den Vordergrund. Langeweile in bestimmten Stunden, Angst vor Klassenarbeiten und Freude über gute Noten finden mehr Beachtung und sorgen für Überlegungen, wie negativen Emotionen entgegengewirkt werden und positive Emotionen gefördert werden können. Heute ist bekannt, dass das Gedächtnis eng mit dem Limbischen System zusammenhängt, also jenem Teil des Gehirns, welches für die Gefühle verantwortlich ist. So spielen Assoziationen mit Gesehenem, Gerochenem und Gefühltem eine große Rolle beim Erinnern. In den letzten Jahren wurde viel Gehirnforschung betrieben, um die am Lernen beteiligten Abläufe im Gehirn, erfassen zu können.
Lange Zeit wurden Emotionen in der Erziehungswissenschaft und pädagogischen Psychologie jedoch vernachlässigt. Das Fernstudium wird noch immer nicht auf emotionale Aspekte hin untersucht. Es gibt leider keine aktuellen Studien zu den Lebensbedingungen von Fernstudierenden und nur wenige Artikel aus der Fachliteratur, die sich mit dem Zusammenhang von Emotionen und E-Learning beschäftigen. Ein hervorragendes Beispiel ist der Artikel „Die vergessenen Weggefährten des Lernens: Herleitung eines Forschungsprogramms zu Emotionen beim E-Learning“ von Gabi Reinmann-Rothmeyer, der sich mit der Integration von Emotion und Motivation im E-Learning beschäftigt.
Aus diesem Grund möchte ich in dieser Arbeit die beiden Komponenten Fernstudium (E-Learning und Blended Learning) und Emotionen etwas näher zusammenführen. Ein empirischer Teil, in dem ich die Kommunikation von Chats auf Emotionen hin untersuche, soll dazu meine Annahmen untermauern.
Meine Hauptthese, die der Arbeit zugrunde liegt, lautet: Ein Fernstudium ist emotional belastender als ein Präsenzstudium. Diese Annahme entsteht, wenn ich darüber nachdenke, dass die Fernstudierenden neben dem Studium noch einem Beruf nachgehen und der soziale Kontext ein komplett anderer ist als der in der Schule oder an einer Präsenzhochschule. In diesem Zusammenhang tun sich Fragen auf wie:
- Kommt der Austausch mit Kommilitonen/-innen zu kurz? Kommt er überhaupt zustande? In welcher Art und Weise ist er mit der anderen Form vergleichbar?
- Müssen Fernstudierende in besonderem Maße motiviert werden?
- Sollten Fernstudierende andere bzw. zusätzliche Voraussetzungen für das Studium mitbringen als Präsenzstudierende?
- Wie kann die Betreuung und Motivation im Blended bzw. E-Learning aussehen?
Diese und weitere Fragen werde ich in den nächsten Kapiteln beantworten.
Mein Anliegen besteht darin herauszufinden, welche Emotionen bei Fernstudierenden zu erkennen sind und wie sie überhaupt wahrgenommen werden können.
Im Anschluss möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, die die negativen Emotionen (belastende Emotionen wie Stress und Unsicherheit) ein wenig reduzieren und positive Emotionen (wie Freude) fördern.
Ziel ist es demnach, meine These in den folgenden Kapiteln zu verifizieren, um anschließend auf notwendige Konsequenzen für das Fernstudium, Blended Learning und E-Learning einzugehen.
Es ist jedoch unerlässlich, sich eingangs mit den in dieser Arbeit verwendeten Fachtermini auseinanderzusetzen. Die vorliegende Diplomarbeit beginnt daher zunächst mit der Definition und Erläuterung der komplexen Begrifflichkeiten Emotion, Kognition und Motivation (Kapitel 2). Im Anschluss daran widme ich mich dem Zusammenhang von Kommunikation und Emotionen (Kapitel 2.5). Inhaltlich beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Frage, über welche Kanäle Emotionen kommuniziert werden. Danach gebe ich noch einen Einblick in die Sozialisation der Emotionen (Kapitel 2.6). Das heißt, es soll geklärt werden, ob Emotionen angeboren sind. Sollte dies der Fall sein, ist dann jeder mit dem gleichen Emotions-Set ausgestattet? Daraus resultiert die nächste Frage, ob man in der Erziehung Einfluss auf die Entwicklung der Emotionen nehmen kann. Abschließend werden kulturelle Unterschiede bei der Ausprägung der Emotionen untersucht.
Zum Abschluss dieses Kapitels gebe ich eine kurze Zusammenfassung mit einem Ausblick, welche Rolle Emotionen gerade in der Pädagogik spielen. Ein solches Fazit mit Entwicklungstendenzen werde ich nach jedem Kapitel schreiben.
In Kapitel 3 beschäftige ich mich etwas ausführlicher mit der Bedeutung von Emotionen und Motivation in Lernprozessen. Als Einstieg geht es um den Bedeutungswandel und die Definition des Begriffs „Lernen“ (Kapitel 3.1). Danach folgt eine genauere Betrachtung des Themas „Gefühle beim Lernen“, insbesondere des Gefühls Freude (Kapitel 3.2 und 3.2.1). Von den Gefühlen schlage ich einen Bogen zum Thema Gedächtnis und zeige den Zusammenhang von Gefühlen und Gedächtnisfunktionen auf, die schließlich eine wesentliche Rolle beim Lernen spielen (Kapitel 3.4). Um das Wissen über die Beteiligung von Emotionen zu nutzen, gibt es bestimmte Memo- bzw. Lernmethoden, die ich im Kapitel 3.5 erläutere.
Vom Lernen im Allgemeinen komme ich dann im Kapitel 4 zum Fernstudium, wo ich als erstes den Begriff Fernstudium erörtere (Kapitel 4.1) und einen kurzen Überblick über die Geschichte des Fernstudiums gebe (Kapitel 4.2). Im Anschluss daran betrachte ich verschiedene Theorien, die häufig in den Zusammenhang mit didaktischen Konzepten im Fernstudium gebracht werden. Dabei handelt es sich um einen kritischen Blick auf die Lerntypentheorie von Frederic Vester (Kapitel 4.3) und eine Übersicht über die Lernstrategien.
Im Kapitel 5 erörtere ich dann den multimedialen Aspekt des Fernstudiums und kläre, was sich hinter dem Begriff E-Learning verbirgt. Dabei erläutere ich die technische Seite (Kapitel 5.1.1), die Lernumgebung (Kapitel 5.1.2) und die Didaktik (Kapitel 5.1.3) beim E-Learning.
Ein Gesichtspunkt, der ebenso Beachtung im E-Learning findet, ist die Betreuung der Fernstudierenden. Hierbei schildere ich die Aufgaben und Kompetenzen bei der Betreuung (Kapitel 5.2.1) und gehe dann zur emotionalen Belastung über (Kapitel 5.2.2), wobei ich besonderes Augenmerk auf den Belastungsfaktor Stress lege. Der Grund dafür ist, dass ich annehme, dass es der größte Belastungsfaktor im Fernstudium ist, da die Studierenden in den meisten Fällen berufstätig sind und häufig eine Familie haben, um die sie sich kümmern müssen. (Prüfungs-)Angst als Belastungsfaktor kann dagegen im Präsenzstudium gleichermaßen auftreten wie im Fernstudium.
Mit dem Kapitel 5 „E-Learning und Emotionen“ ist der Theorieteil dieser Arbeit abgeschlossen; beim Schlusskapitel handelt es sich um den empirischen Teil meiner Arbeit.
Darin werde ich einleitend von meiner Arbeit als Teletutorin berichten, wozu ich kurz den Fernstudiengang „Umwelt & Bildung“ der Universität Rostock vorstelle (Kapitel 6.1). Besonderes Augenmerk möchte ich dabei auf die Online-Betreuung legen. Ich werde aufzeigen, dass und in welcher Art und Weise es möglich ist, die wichtigsten emotionalen Vorgänge des Lernens auch über die begrenzten Kanäle zu übertragen.
Dafür bediene ich mich eingangs der Forschungsmethode der Qualitativen Inhaltsanalyse, um das Datenmaterial zu strukturieren und systematisieren. Im Kapitel 6.2 gehe ich auf das Material ein. Es handelt sich beim Datenmaterial um sechs Chatprotokolle, die während der Online-Sprechstunden aufgezeichnet wurden. Bevor ich diese Protokolle analysieren und interpretieren kann, muss ich mir über meine Fragestellung und das Ziel der Untersuchung im Klaren sein (Kapitel 6.3). Daraufhin erläutere ich das methodische Vorgehen (Kapitel 6.4). Im letzten Schritt erfolgt eine kommunikationsanalytische Auswertung der Chatprotokolle und eine Beantwortung meiner Fragestellungen (Kapitel 6.5). Auch am Ende dieses Kapitels folgt wieder eine Zusammenfassung mit einem Ausblick.
Abschließend werde ich in meinen Schlussbetrachtungen (Kapitel 7) die gesamte Arbeit, d. h. den Theorieteil und Empirieteil noch einmal zusammenfassen und in einen Gesamtzusammenhang stellen. Dazu werde ich das Fazit meiner Erhebung mit einbeziehen und die Hauptthese meiner Arbeit noch einmal überprüfen.
Ich habe mich in dieser Diplomarbeit für eine gendergerechte Sprache entschieden. Das heißt, ich werde i. d. R. beide Geschlechter nennen, z. B. Lehrer und Lehrerin oder Wörter verwenden, die im Plural neutral sind, z. B. Lehrende.
In Fällen, in denen die Grammatik es zulässt, werde ich die Variante mit dem großen I einsetzen, z. B. die SchülerInnen. Dabei richte ich mich nach den Sprachrichtlinien der herausgegebenen Broschüre der Gleichstellungsbeauftragten der Fachhochschule Köln von 2003 sowie dem Leitfaden „geschlechtergerechtes Formulieren“ vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur aus Wien.
Zitate werde ich nicht gendergerecht umformulieren. Sollte eindeutig klar sein, dass es sich nur um das weibliche oder männliche Geschlecht handelt, verwende ich nur die entsprechende Form.
Zu Beginn dieser Arbeit soll der Begriff Emotion näher beleuchtet werden. Ähnlich wie bei anderen Begriffen aus den Sozialwissenschaften gibt es auch hier keine eindeutige Definition. Ein kurzer Ausflug in die Geschichte der Emotionspsychologie soll Aufschluss darüber geben, wie vielfältig und differenziert der Begriff verwendet wird und welche Arbeitsdefinitionen es bereits zu diesem Thema gibt.
Einen sehr guten Überblick über die Geschichte der Emotionspsychologie gibt Merten. Laut seinen Ausführungen beschäftigten sich schon die Philosophen der Antike mit Emotionen. Es lassen sich im Wesentlichen zwei Traditionen unterscheiden, die auf Platon und Aristoteles zurückgehen. Zur Entwicklungslinie im Anschluss an Platon lassen sich die Arbeiten von Descartes, Locke, Hume und James zählen. Ausgangspunkt für die Theorien der Stoiker (Seneca und Chryssipus), Thomas von Aquin und Spinoza bildeten die Arbeiten von Aristoteles (vgl. Merten 2003, S. 22).
Letztere Entwicklungslinie hebt besonders die Rolle der Kognitionen für emotionale Prozesse hervor. Für diese beiden Theorieströmungen stellt sich die Frage nach der Lokalisation der Emotionen. Während Platon sie in der Seele lokalisiert, wo sich der nicht endende Kampf zwischen Verstand und Leidenschaft abspielt, formuliert Aristoteles in seinem Werk Rhetorik eine differenziertere Auffassung von Emotionen. „Für ihn waren sie das Resultat eines Zusammenspiels der höheren kognitiven Fähigkeiten mit mehr appetitiven Strebungen zusammen mit Aspekten des rein sinnlichen, auf Reizbefriedigung ausgerichteten Lebens.“ (Merten 2003, S. 23)
Hauptsächlich treten Gefühle jedoch im Kontext von Überzeugungen und Wünschen an die Umwelt und an andere Menschen auf.
Zu einer Emotion gehören nach Aristoteles drei Dinge: die Person muss in einem angemessenen mentalen Zustand sein, um eine Emotion erleben zu können, es muss ein (internaler) Stimulus vorhanden sein, der die Emotion auslöst, und es muss ein (externales) Objekt vorhanden sein, dem die Emotion gilt (ebd., S. 24).
Damit ist die aristotelisch-stoische Sichtweise der zeitgenössischen Philosophie und Psychologie am nächsten.
Im Mittelalter verlor diese allerdings an Bedeutung und wurde ‚platonisiert’, indem aus organisierter Materie wieder ein von einer Seele bewohnter Körper wurde, da dies den theologischen Vertretern des Mittelalters mehr entgegen kam.
Die eigentliche Geschichte der Emotionen in der Psychologie begann jedoch Ende des 19. Jahrhunderts (vgl. Merten 2003, S. 24 f.).
So schildern Meyer et al. (2001), dass sich die Psychologie in den ersten 50 Jahren der institutionalisierten Psychologie, also ca. zwischen 1870 und 1920, relativ intensiv mit dem Thema Emotionen beschäftigte. Beispiele für die Emotionstheoretiker aus dieser Zeit sind J. B. Watson (1919), W. James (1884) und Meinong (1894).
Einige der entwickelten Emotionstheorien dieser Zeit finden heute noch bzw. wieder Beachtung in der Fachliteratur oder existieren in modifizierter Form weiter. Die Theorie von Alexius Meinong (1894) beispielsweise nimmt in vielerlei Hinsicht Aspekte von modernen kognitiven Theorien der Emotion wie beispielsweise denen von Weiner (1986), Ortony et al. (1988) und Lazarus (1991) vorweg (vgl. Meyer et al. 2001, S. 12).
Zwischen 1920 und 1970 wurde es dann still um die Psychologie der Emotionen. Ein zentraler Grund dafür war zweifelsohne, dass besonders die amerikanische Psychologie in der Zeit zwischen 1920 und 1960 vom so genannten Behaviorismus dominiert wurde.
Behavioristen betrachteten ausschließlich beobachtbare Reaktionen und die sie verursachenden Reize als legitimen Gegenstand der Psychologie. Sie nahmen an, dass die Berücksichtigung von psychischen Zuständen für die Erklärung von Verhalten nicht erforderlich sei. Diese Sichtweise ließ nicht nur keinen Platz für den subjektiven Aspekt von Emotionen (d. h. für Gefühle wie Freude, Ärger, Angst oder Traurigkeit), sondern ging sogar davon aus, dass die wissenschaftliche Psychologie die Erforschung der Emotionen (verstanden als Gefühle) spätestens um 1950 als eine Kuriosität vergangener Zeit belächeln würde (vgl. Meyer et al. 2001, S. 13).
Diese etwas bissige Prophezeiung trat jedoch nicht ein, auch wenn es zunächst den Anschein hatte, als würde die Prognose zutreffen, da Emotionen um 1950 in der Psychologie nur noch wenig Beachtung fanden. Spezielle Lehrbücher der Emotionspsychologie gab es so gut wie gar nicht, und in renommierten Fachzeitschriften fanden sich nur vereinzelt Beiträge zum Thema Emotion (vgl. ebd., S.13 f.).
Mit der programmatischen Forderung „Wider die Vernachlässigung der Emotion in der Psychologie“ trat Klaus R. Scherer dann 1980 im Rahmen des Züricher Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vor die wissenschaftliche Öffentlichkeit und lenkte damit den Blick wieder zurück auf das so lange übergangene Phänomen.
Jetzt, gut zwei Jahrzehnte später, zeigt sich, dass diese Mahnung nicht ungehört blieb, denn um das einstige Stiefkind der Psychologie bemüht sich nun international eine große Zahl von Forschern, Projektgruppen und Instituten, welche Bedingungen, Ursachen, Begleiterscheinungen und Folgen menschlicher Gefühle unterscheiden (vgl. Schmidt-Atzert 1981, S. 24 ff.).
Seit einigen Jahren sind die Zeitschriftenpublikationen zum Thema Emotion kaum noch zu überblicken. Zwischen 1986 und 2001 wurden gleich drei neue internationale Zeitschriften gegründet, die auf empirische und theoretische Arbeiten zum Thema Emotion spezialisiert sind, die „Cognition and Emotion“, „Emotion“ und „Consciousness and Emotion“.
So, wie die zeitweise Vernachlässigung von Emotionen zumindest teilweise mit der um 1920 einsetzenden „behavioristischen Revolution“ einherging, so hatte das neu erwachte Interesse an Emotionen entscheidend mit dem Niedergang des Behaviorismus und der um 1960 allmählich stattfindenden „kognitiven Wende“ zu tun, die eine neuerliche Zuwendung zu inneren psychischen Zuständen beinhaltete. Somit wurden Emotionen wieder zu respektablen Forschungsobjekten (vgl. Meyer et al. 2001, S. 14).
Auch wenn Emotionen im Zeitraum von ungefähr 1920 bis 1970 sehr wenig Beachtung in der psychologischen Forschung fanden, wurden sie nie komplett vernachlässigt. Zum einen lieferten selbst Behavioristen wertvolle Beiträge zur Emotionspsychologie, und zum anderen war die Psychologie nicht durchweg behavioristisch organisiert. So konnte sich die behavioristische Position nie ganz in der europäischen Psychologie durchsetzen und auch Teile der amerikanischen Psychologie widmeten sich eher der Sozialpsychologie (vgl. ebd., S. 15).
Auch der Einfluss von Emotionen auf Prozesse des (sozialen) Lernens ist Gegenstand heutiger Forschungen, deren Ergebnisse für die Pädagogik sehr hilfreich und aufschlussreich sind. Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit zunächst der Versuch einer Begriffsbestimmung von Emotion unternommen werden.
Das Wort Emotion stammt aus dem lateinischen emovere und heißt sich bewegen (vgl. Weiner 1994, S. 246).
Einsiedler schildert: Ursprünglich wurde mit dem Wort das Umherziehen von einem Ort zum anderen, im Sinne einer Wanderung bezeichnet: „Die verschiedenen Emotionen der Türken“ (1603). Später erhielt es die Bedeutung von Bewegung, Aufruhr, Erschütterung, Unruhe und wurde im physikalischen Sinn von z. B. „Der Donner verursachte eine große Emotion in der Luft“ (1708) verwendet. Die Bedeutung weitete sich dann auch auf den sozialen und politischen Bereich aus und bezeichnete Volksunruhen wie beispielsweise „Es gab großen Aufruhr und Emotionen in der Lombardei“ (1579). Schlussendlich wurde das Wort Emotion für einen agitierten und heftig erregten psychischen Zustand des Individuums verwendet, z. B. „Die Freude und Genugtuung wird zu Recht als Emotion bezeichnet“ (1762) (vgl. Einsiedler 2006, S. 51).
Vielfach wird heute das Wort Emotion einfach mit dem Wort „Gefühl“ übersetzt. Gefühl ist jedoch kein Synonym für das Wort Emotion. Es ist lediglich ein Teil von Emotionen, schlicht der gefühlte Teil.
Da es bisher keine einheitliche Definition für den Gegenstand der Emotionspsychologie gibt, weichen viele Autorinnen und Autoren auf eine Arbeitsdefinition aus. Kleinginna und Kleinginna (1981) geben einen Überblick über Definitionen von fast hundert verschiedenen Autorinnen und Autoren. Sie fassen diese in einer Arbeitsdefinition zusammen. Diese Definition zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich den Phänomenen widmet, die mit einer Emotion einhergehen (vgl. Merten 2003, S. 12).
Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/ humoralen Systemen vermittelt wird, die
a. affektive Erfahrungen wie Gefühle der Erregung oder Lust/ Unlust, bewirken können;
b. kognitive Prozesse wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse hervorrufen können;
c. ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können;
d. zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist (Kleinginna & Kleinginna zitiert nach Merten 2003, S. 13).
Laut Sherer gibt es fünf Komponenten von Emotionen: Die kognitive Komponente, die neurophysiologische Komponente, die motivationale Komponente, die Ausdruckskomponente und die Gefühlskomponente.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Organismische Subsysteme in Beziehung zu Funktionen und Komponenten von Emotionen (vgl. Scherer 1990, S. 4)
Auch bei Hubert Hofmann (1997) finden sich diese fünf Komponenten wieder, die er aus verschiedenen definitorischen Grundlagen als die fünf wichtigsten Bestandteile herausgefiltert hat. Sie werden in anderer Reihenfolge aufgeführt und sind anders, wenn auch ähnlich benannt. Dennoch geht aus seinen Beschreibungen hervor, dass es sich um die gleichen Komponenten handelt.
- Die affektive Komponente:
Dieser Bereich meint das Emotionserleben oder das subjektive Gefühl. Es handelt sich um die für jede Emotion charakteristische Gefühlstönung des Erlebens.
- Die kognitive Komponente:
Der kognitiv-emotionale Bereich umfasst Prozesse der Wahrnehmung und Bewertung von emotionsrelevanten Situationen und Verhaltensweisen, das Benennen von Emotionen und die Aktivierung von Gedächtnisinhalten oder emotionalen Schemata. Auf der einen Seite können Emotionen durch Kognition generiert werden und auf der anderen Seite haben Emotionen eine Auswirkung auf kognitive Prozesse (z. B. beim Lernen).
- Die physiologische Komponente:
Im Zusammenhang mit Emotionen sind damit peripher-physiologische Veränderungen gemeint, die vor allem durch das autonome Nervensystem beeinflusst werden und z. B. zu Herzklopfen, Schwindel oder Erröten führen können.
- Die expressive Komponente:
Hiermit ist das emotionsspezifische Ausdrucksverhalten gemeint, welches sich in Mimik, Gestik, Körperhaltung, stimmlichen Unterschieden und durch sichtbare physiologische Veränderungen (z. B. Erröten, Blässe) zeigt. Weiterhin fallen darunter emotionale Verhaltensweisen wie Notfall- und Abwehrreaktionen (wie Flucht und Angriff) oder auch Änderungen im Muskeltonus (wie Anspannung und Entspannung).
- Die motivationale Komponente:
Sie beschreibt emotionsspezifische Handlungsimpulse. Emotionen haben eine intentionale Struktur, angenehme Strukturen aufrecht zu erhalten und die unangenehmen zu verändern (vgl. Einsiedler 2006, S. 53 f.).
Neben Erläuterungen und Beschreibungen bestimmter Merkmalen und Faktoren wurden vielerlei Emotionslisten entworfen. Eine der älteren Listen stammt von Darwin aus seinem Buch „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und bei Tieren“.
Seine Liste sieht folgendermaßen aus:
- Leiden und Weinen
- Gedrücktsein, Sorge, Kummer, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung
- Freude, Ausgelassenheit, Liebe, zärtliche Gefühle, Andacht
- Überlegung, Nachdenken, üble Laune, Schmollen, Entschlossenheit
- Hass und Zorn
- Geringschätzung, Verachtung, Abscheu, Schuld, Stolz usw., Hilflosigkeit, Geduld, Bejahung und Verneinung
- Überraschung, Erstaunen, Furcht, Entsetzen
- Selbstaufmerksamkeit, Scham, Schüchternheit, Bescheidenheit, Erröten
(vgl. Merten 2003, S. 18).
Weitere Aufstellungen und Grafiken von verschiedenen Emotionen finden sich bei Izard (1997), bei Ekman (1992), Plutchik (1962) und anderen Autorinnen und Autoren, welche sich vor allem mit der Frage beschäftigt haben, ob es so genannte Primäremotionen gibt.
Eine gute Zusammenfassung zu diesen Basisemotionen geben Ortony and Turner (1990):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: A Selection of Lists of “Basic” Emotions (Ortony & Turner 1990, S. 316)
Nach McDougall (1908) sind Primäremotionen solche Emotionen, die im Sinne des Instinktprozesses entstehen, vererbt sind und nicht mehr in andere Gefühlsqualitäten zerlegt werden können. Laut Ekman (1973) führen spätere Untersuchungen an Urstämmen, Primaten, Säuglingen und Erwachsenen verschiedenster Kulturen zu der Annahme, dass Freude, Überraschung, Angst, Trauer, Ekel und Ärger tatsächlich angeborene Emotionen sind. Alle anderen Emotionen gelten somit als kulturell bedingte Mischformen dieser Basisemotionen. Emotionen, die in fast jeder Liste vorkommen, sind Angst, Ärger, Freude und Traurigkeit (vgl. Reinmann-Rothmeier 2003, S. 9).
Eine sehr schön zusammengefasste Arbeitsdefinition, die sowohl eine Aufzählung von Emotionsbeispielen als auch ihre Merkmale enthält, findet sich bei Meyer et al.
Danach sind:
1. Emotionen […] zeitlich datierte, konkrete einzelne Vorkommnisse von zum Beispiel Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst, Eifersucht, Stolz, Überraschung, Mitleid, Scham, Schuld, Neid, Enttäuschung, Erleichterung sowie weitere Arten von psychischen Zuständen, die den genannten genügend ähnlich sind.
2. Diese Phänomene haben folgende Merkmale gemeinsam:
(a) Sie sind aktuelle psychische Zustände von Personen.
(b) Sie haben eine bestimmte Qualität, Intensität und Dauer.
(c) Sie sind in der Regel objektgerichtet.
(d) Personen, die sich in einem dieser Zustände befinden, haben normalerweise ein charakteristisches Erleben (Erlebensaspekt von Emotionen), und häufig treten auch bestimmte physiologische Veränderungen (physiologischer Aspekt von Emotionen) und Verhaltensweisen (Verhaltensaspekt von Emotionen) auf (Meyer et al. 2001, S. 24; Umstellung und Anpassung: S. M.).
In dieser Arbeitsdefinition finden sich viele der vorher genannten Faktoren wieder. Ebenso wie bei Kleinginna & Kleinginna gehen Meyer et al. davon aus, dass Emotionen objektgerichtet sind – Siehe Punkt (c) – bei Kleinginna & Kleinginna Punkt (d). Weiterhin wird die physiologische Komponente angesprochen. Alle Definitionen berücksichtigen den physiologischen Aspekt von Emotionen. Sie erwähnen, dass mit einer Emotion immer auch physiologische Veränderungen einhergehen.
Kleinginna & Kleinginna führen im Punkt (a) die affektiven Erfahrungen/ Gefühle auf, die im Punkt (a) bei Meyer et al. mit den aktuellen psychischen Zuständen vergleichbar sind. Im Punkt (b) fügen Meyer et al. noch die deskriptiven Merkmale Qualität, Intensität und Dauer ein.
Dafür wird der kognitiven Komponente bei Meyer et al. kein sehr großer Stellenwert beigemessen. Lediglich ein Hinweis auf das Auftreten bestimmter Verhaltensweisen deutet diese Komponente an, da hierfür eine Bewertung vonstatten gegangen sein muss.
Auch Dieter Ulich (1995) hat zehn Bestimmungsmerkmale von Emotionen bzw. Gefühlen ausgemacht.
Der Autor wechselt stellenweise vom Begriff Emotion zum Begriff Gefühl, ohne direkt auf Unterschiede aufmerksam zu machen. Er verwendet sie scheinbar synonym, weshalb seine Begrifflichkeiten hier an den entsprechenden Stellen genauso übernommen werden. Dennoch wird deutlich, dass es sich zwar um Emotionen (mit alle ihren Komponenten) handelt, es dem Autor aber vorrangig um die Gefühlskomponente geht. Durch die Vermischung der Begriffe entsteht hauptsächlich ein Mix aus Emotion und der reinen Gefühlskomponente. Die Gefühlskomponente wird am häufigsten bedacht, während die physiologische und kognitive Komponente hin und wieder mit einbezogen wird.
Seine zehn Merkmale sind die Folgenden:
1. Zustandsbewusstsein
Die leib-seelische Zuständlichkeit einer Person steht im Mittelpunkt, nicht etwa eine Sache, eine Kognition o. ä.
2. Selbstbetroffenheit
Gefühle entstehen nur, wenn eigene Ziele, Interessen und Bedürfnisse betroffen sind. Diese Betroffenheit gilt als „emotionale Beteiligung“ oder „Ich-Bezug“.
3. Spontanität
Emotionen erscheinen oft wie von selbst, unwillkürlich. Dennoch gibt es auch den umgekehrten Fall, in welchem Emotionen nicht einmal durch Anstrengung wieder ins Bewusstsein gerufen werden können, z. B. durch Verdrängung (nach Freud).
4. Passivität
Die Person erlebt Gefühle eher passiv, ist ihnen sozusagen ausgeliefert.
5. Erregung
Das Erleben einer Gefühlsregung ist häufig mit einer inneren Aufregung verbunden, in der sich physiologische Erregungszustände widerspiegeln.
6. Einzigartigkeit
Aktuelle Gefühlsregungen einer Person „[…] sind selten vorgeprägte oder gesellschaftlich vorgeformte Wiederholungen, Wiedergaben oder Reproduktionen z. B. einer ‚Ur-Angst’, sondern meist einzigartige Erscheinungen und Bewußtseinsinhalte. […] Ein aktuell erlebtes Gefühl ist immer einmalig und unverwechselbar.“ (Ulich 1995, S.36; Auslassungen: S. M.)
7. Kontinuität und Identität
Die Person erlebt sich in ihren Gefühlsregungen stärker als mit sich selbst identisch, als im Wissen, Wollen oder im Handeln.
8. Selbstzweck
Wozu-Fragen sind im Zusammenhang mit Gefühlen nicht erlaubt. Emotionen haben nur eine einzige Funktion, nämlich die des Erlebt-Werdens.
9. Nicht-verbale Kommunikation
Das Ausdrücken und Verstehen von Emotionen erfolgt bevorzugt über nicht-verbale Kommunikationskanäle, da sie sich kaum in sprachlichen Kategorien beschreiben lassen.
10. Interpersonale Beziehungen
„Im Vergleich zu anderen psychischen Erscheinungen ist bei der Entwicklung von Emotionen die Verwobenheit in zwischenmenschliche Beziehungen besonders stark“ (Ulich 1995, S. 38).
Der Begriff Kognition bedeutet mehr als „Wissen“. Er umfasst Aspekte der Informationsverarbeitung, wie Prozesse des Wahrnehmens, Denkens, Lernens, Speicherns, Erinnerns und Problemlösens (vgl. Mandl & Huber 1983, S. 3).
Pekrun und Jerusalem deuten Kognitionen als „[…] interne, psychische Repräsentationen von tatsächlichen oder fiktiven Sachverhalten (Kognition als Produkt) bzw. [als] psychische Erzeugung solcher Repräsentationen (Kognition als Prozeß)“ (Pekrun & Jerusalem 1996, S. 3; Umstellung und Anpassung: S. M.).
Dies beinhaltet jedoch das Problem, dass sie einerseits als Prozesse und andererseits als Produkt der Erkenntnisgewinnung angesehen werden. Vom ursprünglichen Wortsinn[1] abgeleitet, ist Kognition jedoch als Prozess zu verstehen, als Prozess der Einsicht, der über bloße Wahrnehmungsprozesse hinausgeht und als Erstellen genauer und übergreifender Zusammenhänge verstanden wird. Auch Pekrun spricht sich dafür aus, Kognition und Wahrnehmung begrifflich voneinander zu trennen (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 22).
Im Vergleich dazu sieht Lazarus Kognition auf jeden Fall als Prozess, an dessen Ende eine Emotion entsteht. Lazarus ist der Meinung, dass Emotionen grundsätzlich das Resultat von Kognitionen sind. Er entwickelte die kognitive Emotionstheorie, nach der Kognition sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung für Emotionen ist. Hinreichend bedeutet, dass die Gedanken fähig sind, Emotionen auszulösen und notwendig heißt, Emotionen können nicht ohne eine Art von Gedanken auftreten (vgl. Standop 2001, S. 44).
Die grundlegenden Konzepte seiner Theorie sind „Kognitive Bewertung“ und „coping“, dessen Gegenstand die Auseinandersetzung der Person mit konkreten Problemen und Belastungen ist. Diese können entweder als Herausforderung oder als Bedrohung wahrgenommen werden. Dabei repräsentieren Emotionen das Ergebnis oder die Reaktion auf kognitiv vermittelte Transaktionen mit der Umwelt und sind somit Folge bewertender Urteile. Lazarus betont damit besonders die kognitive Komponente von Emotionen, auch wenn die motivationale und die physiologische Komponente trotzdem ihre Daseinsberechtigung finden (vgl. ebd., S. 45).
Weiterhin beschreibt er senso-motorische Reflexe, d. h. physiologische Steuerungsmechanismen wie Triebe und Emotionen als fundamentale Mechanismen, die in der Evolution entstanden sind und Tieren wie Menschen gleichermaßen angehören. Hierbei sind in der Evolution weiterentwickelte Spezies jedoch weniger von angeborenen Reflexen und Trieben abhängig als vielmehr von Emotionen (vgl. ebd.).
Lazarus versteht Erleben, Entscheidungen und Handlungen als Prozesse der Informationsverarbeitung und hat dafür ein idealtypisches Verlaufsmodell entwickelt. Das Modell dient der Beschreibung von Interaktionen zwischen einer Person und ihrer Umwelt (als offener Regelkreis bzw. offener Rück-Kopplungs-Prozess):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Kognitives Modell der Emotionsentstehung nach Lazarus (vgl. Standop 2001, S 45)
Nach dieser Auffassung sind Emotionen immer eine Folge kognitiver Bewertungen, nicht deren Ursache. Lazarus verbindet demnach auch keine motivierenden Funktionen mit Emotionen, sondern für ihn sind kognitive Einschätzungen Entscheidungsgrundlage für das Handeln.
Motivation ist ein Begriff aus der Psychologie. Ganz allgemein könnte er erst einmal mit Beweggrund übersetzt werden. Es handelt sich um einen Beweggrund für eine bestimmte Verhaltensweise oder Handlung. Die Motivation entscheidet beispielsweise darüber, ob eine Handlung ausgeführt oder unterlassen wird.
Bei motivationalen Vorgängen lassen sich auch immer gefühlsmäßige Vorgänge nachweisen. Gefühle selbst können motivierend wirken. Nach triebtheoretischen Auffassungen zielt Motivation auf Befriedigung von Bedürfnissen ab, wobei Befriedigung von Bedürfnissen als angenehm und Frustration als unangenehm erlebt wird. Gefühle sind also nicht nur Begleiterscheinungen von Motivation, sondern können selbst eine aktivierende oder hemmende Wirkung haben (vgl. Edelmann 2000, S. 242 f.).
Die Lernpsychologie beschäftigt sich mit vier grundlegenden Modellvorstellungen von Motivation. Die älteste Motivationstheorie ist dabei die Triebtheorie.
Triebtheorie
In diese Theorie wurden die physikalische und soziale Umwelt einer Person mit einbezogen. Die körpernahen Bedürfnisse (primäre Triebe) wie z. B. Hunger entstehen aus einem Mangelzustand. Die Aktivität der Person ist also darauf ausgerichtet, diesen Mangelzustand zu beheben. Im Beispiel „Hunger“ zielt die Aktivität also darauf, etwas zu essen zu suchen, zu kaufen oder zubereiten, um den Hunger zu stillen. Dieses Modell steht damit in enger Verbindung mit dem Homöostasemodell[2] (vgl. Edelmann 2000, S. 243).
Ethologen (Verhaltensforscher) gehen vom Trieb als Abfuhr psychischer Energie aus. Sie erklären, dass der Organismus ständig eine Energie erzeugt, die sich im Organismus anhäuft und wieder abgeführt werden muss. Im Gegensatz zum Homöostasemodell liegt hier also kein Mangelzustand vor, sondern ein Energieüberschuss, der abreagiert werden muss. Die Psychoanalyse geht von der Triebdeterminiertheit menschlichen Erlebens und Verhaltens aus. Triebe sind laut Freund appetitive interne Energiequellen des Verhaltens. Sie sind appetitiv, weil sie die Objekte aufsuchen bzw. erwarten; intern, weil sie auf Stoffwechselprozessen des Körpers beruhen, und Energiequellen, weil sie den Organismus antreiben. Außerdem haben Triebe grundsätzlich das Ziel, befriedigt zu werden und sind somit mit einem Objekt assoziiert, welches der Befriedigung dient.
Nachdem triebtheoretische Auffassungen an Bedeutung verloren haben, rückt die Neugiermotivation mehr und mehr in den Mittelpunkt (vgl. Edelmann 2000, S. 243 f.).
Neugiermotivation
Der Wissbegierde oder dem leidenschaftlichen Interesse kann durchaus etwas Triebhaftes innewohnen. In diesem Sinne gehen Maslow und Rogers von einer genetisch verankerten „Selbstverwirklichungstendenz“ aus. Auch hier ist wieder das Prinzip der Homöostase zu finden, da Menschen zu Ausgleich und Harmonie zwischen einzelnen relevanten Kognitionen neigen (vgl. ebd., S. 244). Der Übergang vom triebtheoretischen Modell zum Neugiermotivationsmodell ist demnach fließend.
Neugiermotivation ist das Musterbeispiel für intrinsische Motivation. Es entstand aus dem Explorationsbedürfnis, wobei die Umwelt nicht nur zum Zweck der Nahrungsfindung erkundet wird. Hunger und Durst können als primäre Neugiermotivation bezeichnet werden, dennoch sind sie nicht die einzigen Gründe zur Erforschung der Umwelt. Laut Berlyne sind Organismen einerseits dauernd aktiv, andererseits aber streben sie danach, die durch Informationsverarbeitung verursachte Erregung zu reduzieren (vgl. Berlyne 1974, S. 243 ff.). Das heißt, es kann beim Menschen zu einem Konflikt zwischen Aufsuchen (Neugier) und Meiden (Furcht vor Neuem) kommen.
Physiologisch gesehen kommt es bei der Aktivation[3] (zum Zwecke der Exploration) zu einer Erregung des Zentralnervensystems und des autonomen Systems (z. B. Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz) und psychologisch gesehen entsteht emotionale Erregung und erhöhte Verhaltensbereitschaft (vgl. Edelmann 2000, S. 245).
Man unterscheidet beim Neugierverhalten das gerichtete und das diversive Neugierverhalten.
Das gerichtete Neugierverhalten entsteht bei optimaler Inkongruenz zwischen aktueller Information (Reiz-Input) und bereits vorhandenen Schemata. Wichtig ist dabei eine Reihe von Reizqualitäten wie z. B.:
- Neuheit (Überraschung und Verblüffung): Optimal ist ein subjektiv etwa mittleres Maß an Neuheit.
- Komplexität (Vielfältigkeit und Verschiedenartigkeit): Auch hier ist wieder ein mittleres Ausmaß an Komplexität das Beste. Ein zu geringes oder zu hohes Ausmaß von Komplexität verhindert eine Neugiermotivation.
- Ungewissheit (Zweideutigkeit, Widersprüchlichkeit, Zweifel): Sie sorgt für kognitive und emotionale Konflikte. Das Bedürfnis nach Widerspruchsfreiheit und Sicherheit sorgt dafür, solche ungewissen Situationen aufzuklären (vgl. Edelmann 2000, S. 246).
Das diversive Neugierverhalten ist das so genannte spezielle Neugierverhalten. Es ist ein Verlangen nach Abwechslung und Stimulation in monotonen und reizarmen Situationen.
Im Gegensatz zu triebtheoretischen Auffassungen, nach denen erst Mangelzustände oder Energieüberschüsse Lebewesen aktivieren, behaupten Theorien der Neugiermotivation, dass Menschen (und Tiere) im Grunde genommen fortwährend aktiv sind und Reize aufsuchen (vgl. ebd., S. 246.).
Anreiztheoretische Auffassung
Die anreiztheoretische Auffassung geht auf die die Feldtheorie von Lewin zurück. „Die Feldtheorie betont, dass stabile überdauernde Persönlichkeitsdispositionen (Bedürfnisse) für menschliches Handeln eine weit geringere Rolle spielen als der Aufforderungscharakter als wichtigste Komponente der aktuellen Gesamtsituation.“ (ebd., S. 249).
Die Grundzüge des Modells können in vier Punkten zusammengefasst werden:
- In der Person sind Motive latent als Persönlichkeitsdispositionen vorhanden.
- Wenn sie durch bestimmte Faktoren der jeweiligen Situation angeregt werden, gehen sie in den Zustand der aktuellen Motivation über.
- Der Aufforderungscharakter kann als emotionale Valenz begriffen werden.
- Dieser Aufforderungscharakter ist häufig erlernt, z. B. durch Reiz-Reaktions-Lernen, wie im Beispiel der Werbung (vgl. ebd.).
Motivation ist hier folglich als Wechselwirkung zwischen Aufforderungscharakter und Motiv zu verstehen.
Zusammengefasst besteht die anreiztheoretische Auffassung von Motivation aus zwei Komponenten: aus dem Motiv als Persönlichkeitsdisposition einerseits und aus dem emotionalen Aufforderungscharakter des Objekts andererseits. Diese Valenz regt das latente Motiv an und es kommt zum augenblicklichen Vorgang der Motivation (vgl. ebd., S. 249 f.).
Als letzte Modellvorstellung von Motivation soll hier die Entscheidungs- und Handlungsregulation vorgestellt werden.
Entscheidungs- und Handlungsregulation
Bei der Entscheidungstheorie geht es vor allem darum, dass eine Person die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten hat. Solche Theorien gehen häufig vom Menschen als „homo oeconomicus“ aus. Das heißt, dass das Verhalten an einem Prinzip der Nutzen- und Gewinnmaximierung orientiert ist (vgl. Edelmann 2000, S. 250).
Dabei wird wieder unterschieden zwischen Entscheidungen mit Sicherheit, Entscheidungen mit einem gewissen Risiko, und Entscheidungen mit großer Unsicherheit. Die Entscheidung mit Sicherheit setzt neben völliger Informiertheit auch völlige Rationalität voraus.
Bei der Entscheidung mit gewissem Risiko hängen die Entscheidungen von dem Produkt aus subjektiver Wahrscheinlichkeit und subjektivem Wert ab. Dies ist von der subjektiven Erwartung der Person abhängig. Auch bei geringer Wahrscheinlichkeit kann einem der Wert hoch genug erscheinen, sodass man hofft einen großen Nutzen dadurch zu erzielen, wie z. B. beim Lotto-Spielen (vgl. ebd. S. 250 f.).
Entscheidungen mit großer Unsicherheit werden entweder nach der Maximin-Regel oder der Maximax-Regel getroffen. Maximin-Regel bedeutet, dass man sich so entscheiden kann, dass der im ungünstigsten Fall zu erwartende Gewinn möglichst groß ist. Maximax-Regel heißt, im positiven Fall erhält man den größtmöglichen Gewinn; man setzt alles auf eine Karte (vgl. ebd. S. 251).
Zu den Entscheidungstheorien zählt auch noch die Austauschtheorie. Hier spricht man von sozialem Austausch. Soziales Verhalten wird als wechselseitiges Geben und Nehmen materieller und immaterieller Güter begriffen. Beispielsweise könnte eine Schülerin ihre Nachbarin bei einer Klassenarbeit abschreiben lassen, mit dem Nutzen im Ausbau einer freundschaftlichen Beziehung. Kosten könnten dafür schlechtere Noten sein, weil es mehrere gute Arbeiten gibt oder weil sie erwischt wird. Würde sie sich entscheiden, nicht abschreiben zu lassen, könnte der Nutzen in der besseren Note liegen und die Kosten wären eventuell der Vorwurf des Strebertums. Beide Möglichkeiten weisen eine unterschiedliche Kosten-Nutzen-Bilanz auf (vgl. ebd.).
Während bei Entscheidungstheorien das Prinzip der Nutzen- oder Gewinnmaximierung gilt, ist es im Modell der sozialen Interaktion das Nutzen-Kosten-Prinzip.
Bei der Handlungstheorie handelt es sich um planvolles Handeln, d. h. ein flexibles Handlungskonzept steuert später die Ausführung der Handlung. Dies nennt sich Handlungsregulation. Motivierend sind hier kognitive Phänomene (vgl. Edelmann 2000, S. 252).
Aus unzählbaren Motivklassen, z. B. physiologische Bedürfnisse wie Durst und Hunger, soll es im Folgenden vor allem um die Leistungsmotivation gehen.
Gemäß Edelmann gibt es zwei grundlegende Theorien, die sich damit auseinandersetzen. Dabei handelt es sich um die Theorie von Atkinson, der einen intrinsischen (von innen her) und einen extrinsischen (von außen her) Anteil der Motivation unterscheidet, und um die Attributionstheorie von Weiner.
„Der intrinsische Anteil besteht aus der Zusammenwirkung der Faktoren ‚Hoffnung auf Erfolg’ und ‚Furcht vor Misserfolg’“ (Edelmann 2000, S. 252).
In der Attributionstheorie von Weiner geht es um die Zuschreibung von Gründen für Erfolg und Misserfolg. Das heißt, dass eine Person internale Faktoren wie z. B. Begabung oder Anstrengung für den Erfolg bzw. Misserfolg verantwortlich machen kann. Sie kann diese aber auch externalen Faktoren zuschreiben, wie z. B. Aufgabenschwierigkeit oder Zufall. Begabung und Aufgabenschwierigkeit bezeichnet er als stabile und Anstrengung und Zufall als instabile Eigenschaften. Diese Ursachenzuschreibungen bestimmen die in Situationen entstehenden Erwartungen und Affekte, die dann einen Einfluss auf das Verhalten nehmen (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 46).
Für die Leistungsmotivation ist vor allem die intrinsische Motivation von Bedeutung. Sollen Lernende intrinsisch motiviert sein, dann ist eine notwendige Voraussetzung, dass beim Lernen häufig Erfolge erzielt werden (vgl. Edelmann 2000, S. 254).
Positive Emotionen wie Freude am Lernen führen wahrscheinlich zu positivem, eher intrinsischem Lernverhalten, während negative Emotionen intrinsische Motivation eher reduzieren. Es wird weiterhin angenommen, dass negative Emotionen (z. B. Langeweile) dazu führen, dass bestimmte Lerntätigkeiten nicht ausgeübt werden. Leider gibt es jedoch nur in geringem Umfang empirische Befunde dazu, da die Untersuchung der Emotionseffekte lange Zeit vernachlässigt wurde (vgl. Pekrun & Schiefele 1996, S. 166 f.).
Ebenso ist über die Folgen von Emotionen auf extrinsische Motivation nur wenig bekannt. Man nimmt an, dass prospektive Emotionen wie Hoffnung und Vorfreude eine höhere extrinsische Motivation hervorrufen, während Hoffnungslosigkeit eher zur Verminderung führt. Auch ist es sehr gut möglich, dass es bei Prüfungen zu einer Anstrengungssteigerung durch extrinsische Motivation kommt, um Misserfolge zu vermeiden (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 49).
In einigen Studien wird der Zusammenhang von intrinsischer Lernmotivation und Interesse besonders hervorgehoben. Interesse stellt die Beziehung einer Person zu bzw. die Auseinandersetzung mit erfahrbaren Ausschnitten ihrer Umwelt dar. „Dahinter steht eine Person-Gegenstands-Konzeption (Krapp, 1992), die bereits von J. Dewey oder J. Piaget erwähnt wurden“ (Gläser-Zikuda 2001, S. 49).
Nach Krapp können zwei Merkmalskomponenten für das Interessenkonstrukt ausgemacht werden. Das sind zum einen die emotionale und zum anderen die wertbezogene Merkmalskomponente (vgl. Krapp 1992, S. 319 f.).
Als emotionale Komponente wird die Verbindung von Interesse mit positiven Gefühlen und Erlebensqualitäten begriffen. Es besteht eine optimale Spannung, da keine Angst und kein Zwang vorliegen, sondern Freude und Kompetenz an der Auseinandersetzung mit dem Interessengegenstand erlebt werden. Solche positiven Erfahrungen und Assoziationen werden im Gedächtnis gespeichert und als „gefühlsbetonte Valenzen“ bezeichnet. Die wertbezogene Merkmalskomponente drückt aus, dass der Interessegegenstand für die Person eine besondere subjektive Bedeutung innehat. Ob ein Inhalt jedoch für das Individuum eine wertbezogene Bedeutung hat, ist in der Regel das Ergebnis gründlicher rationaler Überlegungen. Die Wertkomponente des Interesses schließt eine höhere Bereitschaft zur aktiven Auseinandersetzung mit dem betreffenden Gegenstand ein (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 50 f.).
Bezogen auf die emotionale Komponente des Interesses bedeutet intrinsisch, dass die auf einem Interesse beruhende Handlung mit positiven Emotionen verbunden ist, was auch für entsprechende kognitive Repräsentationen von Handlungen gilt, die auf Interesse basieren. Hinsichtlich der wertbezogenen Komponenten meint intrinsisch, dass der Interessengegenstand in das Selbstkonzept eines Individuums eingeordnet worden ist. Dies kann vorübergehend oder dauerhaft der Fall sein. Das heißt, dass sich die mit dem Interessengegenstand verbundenen Handlungsziele mit den das „Selbst“[4] konstituierenden Einstellungen, Erwartungen und Werten vereinbaren lassen (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 51).
Fazit ist, dass extrinsisch orientierte Personen ihr Verhalten nach äußeren Umständen wie z. B. Belohnungen und Noten richten, während intrinsisch motivierte Personen sich dadurch auszeichnen, dass die Lösung einer Aufgabe, die Klärung eines Problems o. ä. in der Sache selbst liegt.
Eine besonders gesteigerte Form von intrinsischer Motivation wird mit dem Flow-Effekt beschrieben.
Flow-Erleben
Der Flow-Ansatz von Mihaly Csikszentmihalyi ist ein Forschungsansatz, der sich speziell mit den Bedingungen intrinsisch motivierter (Lern-) Handlungen beschäftigt. Dieser Ansatz stellt vorwiegend die Beschreibung der Erlebensformen, die mit einer intrinsisch motivierten Handlung einhergehen, in den Vordergrund. Dazu hat Csikszentmihalyi umfangreiches Datenmaterial aus Interviews mit Hochleistungssportlern, Künstlern und Chirurgen zusammengetragen (vgl. Gläser-Zikuda 2000, S. 51).
Csikszentmihalyi beschreibt Flow als einen positiven Erlebnis-zustand, bei dem Anforderungen und Fähigkeiten auf hohem Niveau zusammenpassen. Es ist ein Zustand absoluter Selbst-vergessenheit bei gleichzeitig geschärfter Wahrnehmung der eigenen Empfindungen. Es sei weiterhin ein Gefühl der abso-luten Selbstbestimmtheit bei klar strukturiertem und wohl definiertem Kontext. Flow ist das Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit (vgl. Gläser-Zikuda 2000, S. 52).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Modell des flow-Zustandes (vgl. Csikszentmihalyi 1996, S. 75)
Während der Ausübung einer Tätigkeit wird automatisch gelernt. „Das Verhältnis von Anforderung und Fähigkeit muss immer wieder neu hergestellt werden, so ist flow ein immer wieder neu herzustellendes Erlebnis“ (ebd.).
Es gibt deutliche Zusammenhänge zwischen Leistungsmotivation und Flow-Erleben. Dabei spielt die Passung zwischen Anforderung und Fähigkeit eine wichtige Rolle (vgl. Vollmeyer 2005, S. 69). Flow liegt demzufolge zwischen Über- und Unterforderung.
Es muss jedoch nicht bei jeder Übereinstimmung von Fähigkeit und Anforderung Flow entstehen. Zum Beispiel gibt es Tätigkeiten, bei denen die Passung zwar vorhanden ist, aber keine klare Struktur besitzt und somit nicht reibungslos verläuft (vgl. Rheinberg 2004, S. 160 ff.). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nur hoffnungsmotivierte und nicht furchtmotivierte Personen bei der Bearbeitung herausfordernder Aufgaben Flow erleben (vgl. Vollmeyer 2005, S. 69).
Man kann davon ausgehen, dass Menschen gewillt sind, diesen Zustand immer wieder von neuem herbeizuführen. Demzufolge sind sie dabei intrinsisch motiviert, sich mit neu herausfordernden Tätigkeiten auseinanderzusetzen, die dann wieder die intellektuelle Entwicklung fördern.
Der pädagogische Stellenwert besteht darin, dass Personen im Flow-Zustand in höchstem Maße leistungsfähig sind und nach einer höheren Kompetenz streben. Das bedeutet für die pädagogische Arbeit, dass sie es möglich machen sollte, Lernenden häufig die Möglichkeit zu geben, dem Lernen (und Lerninhalten) eine hohe persönliche Bedeutung zuzumessen und somit Flow zu erleben (vgl. Gläser-Zikuda 2000, S. 52).
An dieser Stelle soll Rückbezug auf die oben erwähnten Kanäle genommen werden, über die Emotionen kommuniziert werden. Schmidt-Atzert zufolge sind die hauptsächlichen Kanäle, die Emotionen ausdrücken können, Mimik, Stimme und Körperbewegungen. Er hat in seinem „Lehrbuch der Emotionspsychologie“ den Ausdruck von Emotionen sehr umfassend dargestellt.
Zum Erkennen von Emotionen werden verschiedene physiologische Veränderungen untersucht und auf bestimmte Signale geachtet.
Es gibt immer eineN „SenderIn, „Signale“ und eineN „EmpfängerIn“. Die sendende Person befindet sich in einem bestimmten Zustand und sendet entsprechende Signale, die dann von der empfangenden Person interpretiert werden. Diese Interpretationen können auch falsch sein. Zieht die sendende Person beispielsweise die Augenbrauen hoch, könnte dieses Signal als Überraschung gedeutet werden (vgl. Schmidt-Atzert 1996, S. 106). Wichtig wäre es jedoch, diese Annahme zu überprüfen. Dabei könnte es hilfreich sein, eine Information auf mehreren Kanälen zu erhalten, z. B. die zu Stimme hören und die Mimik zu sehen.
Die Mimik wurde von allen Kanälen bisher am intensivsten untersucht. Schon Darwin fertigte Skizzen zu Gesichtsausdrücken und den betroffenen Gesichtsmuskeln an.
Ekman und Mitarbeiter haben 1987 eine Untersuchung vorgelegt, die sehr hohe Beurteilerübereinstimmungen hatte, auch in Kulturvergleichenden Untersuchungen. Die höchsten Trefferquoten gab es bei den Emotionen Ekel, Ärger (74 Prozent) und Glück (90 Prozent). Dennoch wurde der Einwand erhoben, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass die verwendeten Fotos von Gesichtern streng selektiert sind (vgl. ebd., S. 108 f.).
Eine weitere Untersuchung dazu wurde von Osgood (1966) mit Psychologiestudenten und -studentinnen durchgeführt, die die Emotionen schauspielerisch darstellten. Das richtige Erkennen war dabei zum einen dadurch erschwert, dass mangelnde schauspielerische Fähigkeiten die Trefferquote senken und zum anderen durch den Umstand, dass nicht alle Emotionen gleich gut darstellbar sind. Daher lag die Trefferquote bei durchschnittlich 30 Prozent (vgl. ebd.).
Bei Untersuchungen zur Stimme gibt es auch zwei Hauptprobleme. Zum einen darf der Sprachinhalt die Beurteilung nicht beeinflussen, und zum anderen hängt sie wieder von der Qualität der Darstellung ab. Daher haben Fairbanks und Hoaglin (1941) Amateurschauspieler und Schauspielerinnen die gleichen 4 Sätze in immer wieder anderen Emotionen sagen lassen. Eine andere Möglichkeit kann sein, dass die beurteilenden Personen die Sprache nicht kennen. Auch hier lag die Trefferquote verhältnismäßig hoch: Es gab sechs Darstellende und 64 Beurteilende, die zu 66 Prozent Angst und zu 88 Prozent Gleichgültigkeit erkannt haben (vgl. ebd., S. 110 f.).
Desgleichen gibt es zu Körperhaltungen verschiedene Untersuchungen. Auch wenn menschliches Verhalten in der Regel instrumentell ist und dazu dient, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wird doch im Alltag auch immer wieder vom Verhalten auf Emotionen geschlossen. Beispielsweise wird Weglaufen als Zeichen von Angst interpretiert, während einfach schnelles Laufen noch nichts über eine Emotion aussagt. Hierzu muss wieder der Anlass (z. B. Sport) mit in Betracht gezogen werden. Die Übereinstimmungen, was „typische“ Verhaltensweisen bei bestimmten Emotionen sein könnten, waren bei entsprechenden Untersuchungen nicht so hoch wie bei Gesichtsausdrücken. Bei Izard (1977/81) nannten 45 Prozent der befragten Studierenden „weglaufen, sich zurückziehen und sich schützen“ als angsttypisches Verhalten. Auch wenn es bestimmte stereotype Vorstellungen über den Ausdruck von Emotionen im Verhalten gibt, findet sich keine Verhaltensweise, die mit hoher Übereinstimmung einer bestimmten Emotion zugeordnet wird. Bei Kirouac et al. (1986) scheint es jedoch eine Ausnahme zu geben: „Sich zu anderen gesellen“ wurde in dieser Untersuchung von 96 Prozent der Befragten mit Glück in Verbindung gebracht. Dieses Ergebnis ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu erklären, dass es die einzig positive Emotion war, die vorgegeben wurde und somit die Auswahl unter den insgesamt sechs vorgegebenen Emotionen nicht schwer fiel (vgl. Schmidt-Atzert 1996, S. 111).
Es gab weitere Untersuchungen zu Körperbewegungen, bei denen beispielsweise die Darstellenden nur von hinten und nur sehr kurz zu sehen waren, oder in denen geometrische Figuren sich auf bestimmte Art und Weise aufeinander zu oder voneinander weg bewegten. Die Ratewahrscheinlichkeit ist in solchen Tests sehr hoch. Erstaunlich ist daher, dass sich die Beobachtenden mit so wenigen Informationen zufrieden gaben, um dann trotzdem auf bestimmte Emotionen zu schließen.
Hier liegt die Vermutung nahe, dass Körperbewegungen und Lokomotion[5] dazu benutzt werden, auch bei der Beobachtung natürlichen Verhaltens auf Emotionen zu schließen. Dabei ist reales menschliches Verhalten sehr viel komplexer als in den vereinfachten Darstellungen der Untersuchungen. Die tatsächliche Bedeutung von Körperhaltung für das Erkennen von Emotionen wurde jedoch im Vergleich zu anderen Kanälen, außer in populärwissenschaftlichen Werken, noch wenig beachtet (vgl. ebd., S. 112 f.).
Im Grunde genommen ist erkennbar, dass Mimik, Stimme und Körperhaltung wichtige Hinweise auf die Emotionen liefern, einseitig betrachtet jedoch auch zu Trugschlüssen führen können. Kommen alle Kanäle zusammen, ist die Chance höher, die tatsächliche Emotion dahinter zu erkennen. Noch eindeutiger wird es, wenn Sprache dazukommt, die die Emotion direkt oder indirekt thematisiert.
„Das emotionale Erleben wird meist über sprachliche Angaben des Individuums zu seinem Gefühlszustand erfaßt. Da unsere Sprache viele Wörter kennt, mit denen man Gefühle beschreiben kann, hat sich die Forschung mit der Systematik dieser Begriffe befaßt“ (Schmidt-Atzert 1996, S. 124). So können Begriffe durch ihre Ähnlichkeit sortiert und kategorisiert werden. Dabei ergeben sich zwei Gefühlsdimensionen: Valenz (Lust – Unlust) und Aktivierung (Erregung – Ruhe).
Die Klassifikation von Emotionen ist jedoch heterogener, da es hierbei um eine feinere Aufteilung geht. Daher ist der einfachste Weg zur Erfassung von Gefühlszuständen der, Personen dazu zu befragen, wie angenehm oder unangenehm sie sich fühlen. Für differenzierte Informationen über den Gefühlszustand gibt es Emotions- oder Stimmungsfragebögen.
Bei der Messung körperlicher Veränderungen und der Ausdrucksvariablen gibt es zwar zahlreiche Aussagen über die physiologischen Veränderungen z. B. bei Ärger oder Freude. Es ist aber weitgehend ungeklärt, was sie tatsächlich über den emotionalen Zustand einer Person aussagen (vgl. ebd., S. 124 f.).
Zur Kommunikation von Emotionen durch Sprache hat Reinhard Fiehler (1990) einige Untersuchungen durchgeführt. Diese werden im empirischen Teil dieser Arbeit eine größere Rolle spielen, da es in diesem Kapitel darum ging, erst einmal einen Überblick über die verschiedenen Arten, zu geben, Emotionen zu kommunizieren.
Emotionen werden meist als etwas Eigenes betrachtet: Die Emotion gehört mir; ich fühle sie. Dennoch sind Emotionen erlernbar bzw. stehen in einem gewissen Zusammenhang mit sozialen Situationen. Auf der einen Seite kann man Emotionen also als Elemente eines individuellen Innenlebens betrachten und auf der anderen als öffentliches Phänomen in sozialen Situationen interpersoneller Interaktion. An dieser Stelle soll es um Letzteres gehen. Das heißt, man fragt nach Funktion und Stellenwert von Emotionen in der Interaktion und danach, wie Emotionen in der Interaktion wechselseitig manifestiert, gedeutet und gemeinsam prozessiert werden und mit welchen kommunikativen Mitteln dies geschieht (vgl. Fiehler 1990, S. 1).
Es ist erkennbar, dass Emotionen so nach außen gelangen, wie man sie im Umgang mit anderen Menschen wahrnimmt, versteht, auf sie reagiert und sie gegebenenfalls auch gemeinsam behandelt. Es ist einem bewusst, in welcher Situation und wie stark man bestimmte Emotionen zeigen kann bzw. wann und wie stark es von einem erwartet wird. Bestimmte Situationen, in denen beispielsweise mit starken Emotionen zu rechnen ist, sind: Unglücke, Abschiede, Konflikte, Feiern und Kriege (vgl. Fiehler 1990, S. 1).
So erklären Ulich & Kapfhammer: Gefühle bzw. Emotionen sind leib-seelische Zustände einer Person. Welche Gefühle eine Person erlebt ist abhängig von:
- der auslösenden inneren Verfassung und äußeren Situation,
- von der Persönlichkeitsstruktur und Lebensgeschichte der Person sowie
- von formenden Einflüssen der Kultur und Gesellschaft (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 551).
Das soziale Gefüge gibt also vor, in welcher Situation welches Verhalten und welches Gefühl angebracht sind bzw. mit welcher Emotion man rechnen kann (vgl. Fiehler 1990, S. 1 f.). Daher beschäftigt sich auch die Sozialwissenschaft mit dem Phänomen Emotion und ihrer Entstehung.
Meist werden in der Literatur drei Fragestellungen unterschieden, nach denen die Entstehung von Emotionen untersucht wird:
1. Wie sind Emotionen aus phylogenetischer Sicht entstanden? (evolutionsbiologische Sichtweise),
2. Wie entwickeln sich Emotionen ontogenetisch? (entwicklungspsychologische Sichtweise),
3. Wie entstehen Emotionen aktualgenetisch? (allgemeinpsychologische Perspektive) (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 24).
Für die vorliegende Arbeit sind vor allem die beiden letzteren Fragestellungen von Bedeutung, da aktuell entstehende, situative Emotionen in eine individuelle Entwicklungsgeschichte eingebettet sind und gewohnheitsmäßige emotionale Reaktionstendenzen zum Verstehen und Erklären von emotionalen Erleben und Verhalten notwendig sind (vgl. ebd., S. 24.).
Auch auf die spezifischen Erklärungsmodelle aus der Psychoanalyse nach Freud et al. soll hier kein Bezug genommen werden, da sie für den pädagogischen Aspekt der Arbeit wenig Relevanz haben.
Psychologische Emotionskonzeptionen
a) Situationsbezogene Emotionen (Funktionszentriert)
Die Aktualgenese vollzieht sich folgendermaßen: Verschiedene Einflüsse (Dispositionen, aktuelle Emotion, aktuelle innere Prozesse, situative Bedingungen wie z. B. Verhalten anderer Personen) treffen zusammen und werden durch innere Prozesse verarbeitet, selektiert und gewichtet. „Teile eines individuellen Repertoires von emotionalen Schemata werden aktiviert, für die Person bzw. die Situation typische Interpretationsweisen kommen ins Spiel, situative Anreger, Bedürfnisse, Anreize und Modelle wirken sich aus“ (Ulich & Mayring 1992, S. 74). So entstehen beispielsweise die Emotionen Angst und aggressives Verhalten (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 25).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Ein Grundmodell zur Emotionserklärung (Ulich & Mayring 1992, S. 75)
Die Abbildung 3 veranschaulicht die Entstehung einer Emotion (hier: Angst) und macht deutlich, dass es sich dabei um eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Einflussfaktoren handelt.
Aktuelle „innere“ Prozesse sind dabei erinnerte Repräsentationen von Erfahrungen und Wahrnehmung von Ereignissen, die sich gegenseitig beeinflussen. „Aktualgenese einer Emotion meint demnach ein aktuelles ereignisbezogenes psychisches Geschehen, das unter situativen Bedingungen entsteht und in dem eine wechselseitige Beeinflussung von aktuellen und dispositionellen Faktoren stattfindet, deren Produkt eine Emotion ist“ (Gläser-Zikuda 2001, S. 25). Hierunter fallen auch die Funktionszentrierten Emotionskonzepte.
Der evolutionsbiologische Funktionalismus geht von einem Überlebenswert und einer Anpassungsleistung grundlegender Emotionen aus, die sich dem Konzept zufolge naturgeschichtlich entwickelt haben, genetisch vorprogrammiert sein sollen und unter dem Einfluss der Umwelt zur Entfaltung gelangen (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 551).
Der kognitiv-handlungstheoretische Funktionalismus stellt Emotionen in Beziehung zu handlungsleitenden Zielvorstellungen und Informationsverarbeitungsprozessen und prüft, welche Rolle Emotionen bei der Handlungsregulation spielen. Emotionen stehen dabei immer in engem Zusammenhang mit Bewertungen, dem Erreichen bestimmter Handlungsziele und der Bewältigung von Belastungen sowie Problemlösungen.
In beiden funktionszentrierten Emotionskonzepten wird unter dem Aspekt der tätigen Auseinandersetzung der Person zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung, wobei Emotionen die Aufgabe eines regulierenden Systems zukommt, ein komplexer Person-Umwelt-Bezug deutlich erkennbar (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 552).
Modelle kognitiver Emotionsverursachung
Weiterhin sind an der Wahrnehmung von Gegenständen und Verhaltensweisen von Personen auch Kognitionen beteiligt. Heute konzentriert man sich stark auf kognitive Einschätzungs- und Bewertungsprozesse, da sie als notwendige Determinanten der Emotionsentstehung angesehen werden. Seit einigen Jahren gibt es verschiedene Emotionstheorien, die die Aktualgenese dahingehend konzeptualisieren, dass sie kognitivistisch und systemtheoretisch orientierte Prozessmodelle entwerfen. Diese Modelle kognitiver Emotionsverursachung lassen sich danach differenzieren, welche Wirkvariablen wichtig sind (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 25).
So gibt es:
1. Theorien zur Bewertung der persönlichen Bedeutsamkeit und eigenen Bewältigungskompetenz,
2. Theorien im Sinne zeitlich sequentierter Prüfschritte und
3. Theorien zur Dimensionierung kognitiver Einschätzungen (vgl. ebd., S. 25 f.).
1. Als Beispiel für das erste Theoriemodell sei Lazarus genannt, der einen idealtypischen dreistufigen Ablauf von Bewertungsschritten beim emotionalen Erleben beschreibt. Es gibt primäre Bewertungen („primary appraisal“), die als Situationseinschätzungen nach ihrer Wichtigkeit für das eigene Wohlbefinden verstanden werden. Sekundäre Bewertungen („secondary appraisal“) umfassen selbstbezogene Kognitionen zur eigenen Bewältigungsfähigkeit in stressbezogenen Situationen. Neubewertungen („reappraisal“) stellen eine Art Überprüfung des Erfolges der Bemühungen dar, um eventuell erneut eine Problemlösung anzugehen (vgl. Lazarus 1991, S. 133 f.).
2. Beim zweiten Modell wird vorgeschlagen mit Hilfe von zeitlich aufeinander folgenden Prüfschritten die Situation nach ihrer Neuheit, Behaglichkeit, Lösbarkeit und Übereinstimmung mit sozialen oder selbst gewählten Normen einzuschätzen, da sich im Laufe der individuellen Entwicklung neue Ziele, Werte, Anlässe für Emotionen, Bewältigung und Versagen ergeben (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 26).
3. Für das dritte Theoriemodell versuchen verschiedene Autorinnen und Autoren kognitive Prozesse bei der Emotionsentstehung mit Hilfe von Dimensionen zu beschreiben. Zum Beispiel gliedert Bernard Weiner die unterschiedliche Einschätzung der Verursachung von Ereignissen und Handlungsfolgen in vier grundlegende Bewertungsdimensionen (z. B. von Erfolg und Misserfolg). Dabei handelt es sich um die Valenz eines Ergebnisses (positiv/ negativ), die Lokation (Ursachen innerhalb oder außerhalb der eigenen Person), die Kontrollierbarkeit (durch die eigene Person, durch andere oder gar nicht) und die Stabilität (zeitlich stabile oder variable Ursachen) (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 26.).
b) Persönlichkeitsbezogene Emotionen (Personzentriert)
Bei den personzentrierten Emotionskonzepten spielt die Rückbesinnung auf die Gefühlskomponente eine große Rolle. Gefühlsregungen sind dabei im Wesentlichen Widerfahrnisse. Die Person erlebt Betroffenheit in der Begegnung mit inneren und äußeren Ereignissen, d. h. sie erfährt diese Betroffenheit passiv. Ein Handlungsbezug bzw. eine Zweckdienlichkeit sind hier eindeutig zweitrangig und dem Fühlen keinesfalls inhärente Merkmale. Der Sinn liegt im Fühlen selbst (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 552).
Auch Kognitive Bewertungstheorien der Emotion betonen eine subjektive Bedeutungszuschreibung im Fühlen. Diese ist aber meist einseitig auf gezielte Belastungsbewältigung und Handlungsregulation bezogen.
Auch wenn es den Anschein hat, als hätten Emotionen eine eigenständige Existenz, sind sie doch nicht von der Person ablösbar. Es ist die Person, die die Gefühle erlebt und sich somit entwickelt (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 553). Die emotionale Entwicklung wird vor allem in den ersten drei Lebensjahren untersucht. Wie auch in anderen Bereichen der Entwicklungspsychologie wird im Zusammenhang mit der emotionalen Entwicklung versucht, generelle Entwicklungsverläufe festzustellen und diese durch Phasen- oder Stufenmodelle wiederzugeben (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 26 f.).
Unter starkem Einfluss von biologischen Reifungstheorien wird emotionale Entwicklung als die Entfaltung angeborener Emotionssysteme gesehen, denen eine wichtige Rolle in der Person-Umwelt-Interaktion zugesprochen wird (vgl. Scherer & Ekman 1984, S. 9 f.).
Neben den biologischen Reifungstheorien gibt es jedoch weitere Forschungsansätze und Theorien. So beschäftigen sich z. B. die kognitiven Bewertungstheorien mit Einschätzungsstilen und Bewertungsdispositionen, Bindungstheorien mit Bindungssicherheit und wissens- und kompetenzorientierten Ansätzen mit Fähigkeiten zur korrekten Zuordnung von Situation, Zustand, Ausdruck und Emotionsbegriffen sowie zum adäquaten Erkennen von Emotionsauslösern (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 27).
Es ist anzunehmen, dass sich Emotionen im Verlauf des individuellen Lebens noch verändern, da sich auch die subjektive Bedeutung von dem verändern kann, was Gefühle auslöst. Die Veränderungen betreffen die Beziehungen zwischen erlebtem Zustand und Ausdruck sowie die Intensität und Dauer bestimmter Gefühlsreaktionen oder Stimmungen (vgl. ebd.).
Prozessual ist zu beobachten, dass sich Erlebnisse und Erfahrungen zu Strukturen (emotionalen Schemata) entwickeln. Im Gegensatz dazu steht der Begriff der Sozialisation, worunter die Vermittlung und Entwicklung von Mitgliedschaftsentwürfen fällt. Das betrifft Vorstellungen darüber, welche Merkmale ein Mitglied einer Gruppe ausmachen, um ein überlebensfähiges und partizipationsfähiges Individuum darzustellen (vgl. ebd.). „Sozialisation“ steht also für gewisse Umwelteinflüsse (der Kultur und der zwischenmenschlichen Interaktionen), „Entwicklung“ steht dagegen für die interne Organisation, für emotionale Schemata (vgl. ebd.).
Interindividuelle Unterschiede im emotionalen Erleben entstehen dadurch, dass Menschen unterschiedliche „emotionale Schemata“ ausbilden. „Emotionale Schemata sind psychische Strukturen, die entwicklungspsychologisch gesehen aus ineinander verschachtelten Substrukturen aufgebaut sind. Diese Substrukturen repräsentieren bestimmte Einflüsse und Einflussquellen“ (Gläser-Zikuda 2001, S. 27 f.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Sozialisationseinflüsse auf die Schemagenese (Ulich & Mayring 1992, S. 128)
Abbildung 6 zeigt die wichtigsten Einflussfaktoren bei der Bildung eines emotionalen Schemas. Das Stichwort „individuelle Lebensgeschichte“ umfasst sowohl Sozialisationstechniken wie Konditionierung, Instruktion, Modellierung als auch Situationen, in denen Kinder emotionale Erlebnisse haben und passende Erfahrungen machen.
Emotionale Entwicklung
Wie im Merkmal zehn von Dieter Ulich genannt, sind für die Entwicklung von Gefühlen interpersonelle Gefühle maßgeblich. Durch zwischenmenschliche Beziehungen werden Emotionen erlebt und erlernt (vgl. Ulich 1995, S.38).
Untersucht werden der Einfluss von Gesellschaft und Kultur auf die Gefühlsregungen, Gefühlshaltungen und Stimmungen. Wie entstehen sie, und wie verändern sie sich? Was genau im Gefühlsleben unterliegt eigentlich Veränderungen? Wie entstehen Persönlichkeitsunterschiede oder Neigungen zu bestimmten Gefühlsrichtungen?
Um diese und andere Fragen zu beantworten, konzentrierte sich die Forschung vor allem auf die ersten drei Lebensjahre, auf die biologisch-adaptive Funktion von Emotionen und auf deren stufenweisen Aufbau (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 553).
Dominierende Erklärungsansätze sind zum einen Reifungs- und Phasenmodelle, die von einer allmählichen Ausdifferenzierung emotionaler Zustände aus undifferenzierten Erregungszuständen ausgehen. Zum anderen dominieren Reifungs- und Phasenmodelle, die von genetisch angelegten diskreten Emotionen ausgehen, welche sich entsprechend ihrer funktionalen Zweckmäßigkeit unter dem Einfluss von Umweltbedingungen, vor allem der Mutter-Kind-Interaktion, entfalten (vgl. ebd.).
Man versucht Entfaltungsgesetzlichkeiten und universelle Stufenmodelle zu formulieren, indem beobachtet wird, in welchem Alter sich welche Emotionen zum ersten Mal im Gesichtsausdruck zeigen. Aber die Entwicklung von Emotionen wird auch als Bestandteil von Persönlichkeitsentwicklung gesehen, was durch die verstärkte Berücksichtigung von Lern-, Interaktions- und kulturellen Einflüssen und der Ausdehnung der Fragestellung auf das Erwachsenenalter deutlich wird (vgl. Ulich & Kapfhammer 1998, S. 553).
Neben dem einheitlichen Sozialisationsprozess, der Heranwachsenden wichtige Normen und Kulturtechniken vermitteln soll, damit sie gesellschaftlich handlungsfähig werden, geschieht die persönlichkeitsspezifische Differenzierung und Integration von Erfahrungen und Erlebnissen zu charakteristischen emotionalen Schemata, Einstellungen etc.
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[1] lat.: cognoscere = zusammen wissen, erfahren, kennen lernen (vgl. Gläser-Zikuda 2001, S. 22)
[2] Der Begriff Homöostase wurde 1932 von Cannon eingeführt. Er steht für die Konstanthaltung des „inneren Milieus“ des Organismus. Gemeint ist damit die selbstgesteuerte Gleichgewichtsregulierung der gesamten innerorganisch-physiologischen Prozesse. Bei Normalabweichungen wird der Organismus zu einem Verhalten aktiviert, welches darauf abzielt, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Seinen Ursprung fand dieses Modell in der vermehrten Bildung von Abwehrstoffen (z. B. Enzymen) zur Eindämmung eingedrungener Krankheitserreger (vgl. Edelmann 2000, S. 243).
[3] Der Begriff Aktivation bedeutet in der Psychologie, insbesondere der in Gedächtnisforschung, auch den Prozess, durch den Informationen entlang assoziativer Verbindungen aus dem Langzeitgedächtnis in das Kurzzeitgedächtnis gebracht werden (vgl. Universität Gießen, 2007).
[4] „Das Selbst oder Selbstkonzept ist eine durch Erfahrungen gebildete und sich verändernde Struktur von Wahrnehmungen, Empfindungen und Werthaltungen, die eine Person bezogen auf sich selbst hat. Es ist das mehr oder weniger bewusst wahrgenommene Bild von sich selbst“ (Hobmair 1997, S. 433). Der Begriff „Selbst“ geht auf Carl Rogers zurück. Das Selbstkonzept wird gebildet aufgrund von sozialen Erfahrungen und Interaktion mit anderen. Im Umkehrfall werden das eigene Anspruchsniveau, das Verhalten und die sozialen Beziehungen stark vom Selbstkonzept geprägt (vgl. Böhm 2000, S. 490).
[5] Lokomotion ist „[d]ie Fortbewegung frei beweglicher Organismen aus eigener Kraft. In der topologischen Psychologie nach K. Lewin eine vom Individuum in einer bestimmten Situation tatsächlich gewählte Verhaltensalternative“ (Stangl, 2005; Umstellung und Anpassung: S. M.).
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