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Mehr InfosDiplomarbeit, 2010, 200 Seiten
Diplomarbeit
1,7
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1 Soziale Sicherheit durch flexiblen Arbeitsmarkt
1.1 Flexicurity
1.2 Das dänische Flexicurity-Modell
1.3 Pläne der Europäischen Kommission
1.3.1 Entstehung des europäischen Flexicurity-Konzepts
1.3.2 Der Vorschlag der Europäischen Kommission
1.4 Flexicurity in der Reformpolitik der Bundesregierung
1.4.1 Nationales Reformprogramm 2008-2010
1.4.2 Umsetzung der Reformprioritäten
1.4.3 Flexibilität am Arbeitsmarkt
1.4.4 Das deutsche Flexicurity-Modell
1.5 Arbeitsmarkt und Sozialpolitik im Deutsch-Dänischen Vergleich
1.6 Ein „Professional Transfer Center“ als Beispiel für Flexicurity in Deutschland
1.6.1 Geschäftsziel Flexicurity
1.6.2 ProfessionalTC
1.7 Schichten der Alterssicherung
1.8 Stellung der bAV im deutschen Gesamtsystem
1.9 Zwischenfazit
2 Einführung in die betrieblichen Altersversorgung
2.1 Definition
2.2 Das Recht auf betriebliche Altersvorsorge
2.3 Grundgedanke der bAV
2.4 Durchführungswege
2.5 Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften
2.6 Regelungen zur Portabilität
2.6.1 Übertragung von Versorgungsanwartschaften
2.6.2 Übertragung auf Verlangen des Arbeitnehmers (§ 4 Abs. 3 BetrAVG)
2.6.3 Übertragung im Fall der Liquidation (§ 4 Abs. 4 BetrAVG)
2.6.4 Rechtsanspruch auf Übertragung
2.6.5 Steuerliche Flankierung der Portabilität
2.6.6 Abgrenzung zum Wechsel des Durchführungsweges
2.7 Rückdeckungsversicherung
2.8 Übertragungsabkommen
2.8.1 Direktversicherung
2.8.2 Unterstützungskasse
3 Verbreitung der bAV in der deutschen Wirtschaft
3.1 Einführung
3.2 Durchdringung der bAV
3.2.1 Verbreitung in den Unternehmen
3.2.2 Verbreitung und Interesse bei den Arbeitgebern
3.2.3 Interesse bei den Mitarbeitern
3.3 Gründe für die geringe Durchdringung der bAV
3.4 Beweggründe der Arbeitgeber für die Einrichtung einer bAV
4 Ansätze für die Harmonisierung von bAV und Flexicurity
4.1 Von Unternehmerseite
4.1.1 Möglichkeiten zur Kostensenkung durch die bAV
4.1.2 Animierung der Mitarbeiter zur Eigenvorsorge
4.1.3 Portabilität mit einer Clearing-Stelle
4.2 Von Seiten der EU
4.2.1 Solvency II
4.3 Von Gesetzgeberseite
4.3.1 Auswirkungen der Gesetzgebung auf die bAV
4.3.2 Beseitigung steuerlicher Hemmnisse
4.4 Ansatzpunkte in den einzelnen Gestaltungsformen
4.4.1 Direktzusage
4.4.2 Unterstützungskasse
4.4.3 Das Altersvorsorgekonto
Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Erklärung
Anlagen
Abbildung 1:Das Goldene Dreieck (nach Arbejdsministeriet 1999)
Abbildung 3: Direktzusage
Abbildung 5: Direktversicherung
Abbildung 6: Pensionskasse
Abbildung 7: Pensionsfonds
Abbildung 8: Interesse der Mitarbeiter
Abbildung 9: Schichten der Alterssicherung
Abbildung 11: Hindernisse bei der Einführung der bAV
Abbildung 11: Beweggründe für die Einrichtung einer bAV
Abbildung 12: Die Clearing-Stelle
Abbildung 13: Beispiel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Flexicurity steht nach wie vor ganz oben auf der Tagesordnung der Europä-ischen Kommission“. Dies erklärte der Abgeordnete Csaba Gergely in einem telefonischen Interview und bestätigte der Verfasserin damit, dass die Flexi-bilisierung des Arbeitsmarktes gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise mehr denn je von Bedeutung für die Europäische Union ist. Die Union und damit auch Deutschland haben es sich mit dem Start der "Flexicurity Mission" zur Aufgabe gemacht, Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt mitei-nander in Einklang zu bringen, was das bisherige Denken in Dimensionen der Arbeitsplatzsicherheit hin zur einer Dimension der Beschäftigungssicherheit bewegen soll. Nicht mehr der spezifische Arbeitsplatz, sondern der reibungs-lose Übergang in neue Beschäftigungsverhältnisse wird fokussiert.[1]
Das bedeutet, dass der Kündigungsschutz gelockert wird, neue Vertrags-modelle gefasst und der Übergang vom alten zum neuen Arbeitgeber durch bessere Vermittlungssysteme erleichtert werden muss. Die Zeiten, in denen der durchschnittliche Familienvater bei einem Unternehmen in die Lehre ging und dort bis zur Rente arbeitete, scheinen sich dem Ende zu zuneigen. Realität werden Freistellungen und häufig wechselnde Beschäftigungsverhältnisse.
Dem gegenüber steht die soziale Absicherung im Alter. Die wachsende Rentenlücke und die daraus resultierende Altersarmut soll durch zusätzliche private Versorgungssysteme und betriebliche Altersversorgung (bAV) verhindert werden. Dabei stellt sich folgende Frage: Ist es zu schaffen, auf einem Arbeitsmarkt mit ständig wechselnden Beschäftigungsverhältnissen eine funktionierende bAV aufrecht zu erhalten. Und was kann die Bundesregierung ggf. unternehmen, um eine Harmonisierung der bAV mit der neue Situation zu ermöglichen.
Diese Arbeit soll einen Überblick über derzeitige Verhältnisse und angestrebte Veränderungen verschaffen, sich an der Diskussion über die beschriebene Problematik beteiligen und schließlich konkrete Lösungsansätze hervor-bringen, wie die Betriebe im Kontext mehr Sicherheit durch flexiblen Arbeitsmarkt besser in die betriebliche Altersversorgung zu integrieren sind.
Flexicurity kombiniert die Begriffe „flexibility" und „security". Hierbei geht es um eine Politik, bei der nicht der Bestandsschutz des einzelnen Arbeitsplatzes, sondern die Beschäftigungssicherheit durch neue Chancen der Integration in den Arbeitsmarkt im Vordergrund steht. Ziel ist es, Menschen beim Verlust ihres Arbeitsplatzes schnell wieder eine Beschäftigung mit Perspektiven zu vermitteln. Dies bedeutet, dass erstens die Unternehmen durch die Anstellung oder Entlassung von Mitarbeitern über Flexibilität bei der Produktionsplanung verfügen, sodass der Personalbestand laufend dem aktuellen Bedarf entspricht und zweitens die Arbeitnehmer über eine hohe Beschäftigungs- bzw. Einkommenssicherheit verfügen.[2]
Im europäischen Kontext bezeichnet Flexicurity eine „[...] integrierte Strategie zur gleichzeitigen Stärkung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt“.[3] Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit angesichts sich verändernder wirtschaftlicher Strukturen. Dazu sollen die Arbeitsmärkte dereguliert und für die Arbeitnehmer Einkommens- und Beschäftigungssicherung ermöglicht werden.[4]
Häufig wird Dänemark als Musterbeispiel für Flexicurity hervorgehoben. Dort gelang es im Laufe der 1990er Jahre, die Arbeitslosigkeit drastisch zu reduzieren (von mehr als 10 Prozent vor 14 Jahren auf rund 2,5 Prozent im Jahr 2009[5] ) und eine dauerhafte positive Wirtschaftsentwicklung zu stimulieren. Mit einer Politik, die die scheinbar widersprüchlichen Anfor-derungen moderner Arbeitsmärkte – Flexibilität und Sicherheit – vereinte.[6]
Stark vereinfacht lautet die Beschreibung des dänischen Flexicurity-Modells:
- In Dänemark kann man frei heuern und feuern - es gibt quasi keinen Kündigungsschutz (Flexibilität).
- Diese Flexibilität wird mit einer sehr hohen Arbeitslosen-unterstützung kombiniert (Sicherheit).[7]
Diese beiden Hauptaussagen müssen jedoch nuanciert werden:
Es gibt einen Kündigungsschutz in Dänemark. Nur ist dieser für die Arbeiter nicht gesetzlich fixiert. Die Regulierung des Arbeitsmarktes wird weitgehend den Sozialpartnern[8] überlassen und über die Tarifverträge geregelt. Aus den Tarifverträgen ergibt sich die Notwendigkeit einer sachlichen Begründung der Kündigung. So wird der Arbeitnehmer gegen willkürliche Entlassungen geschützt. Die durch die Parteien festgelegten Regeln, um die Arbeitskraft an den tatsächlichen Bedarf anzupassen, sind sehr flexibel. Deshalb kann man in Dänemark von einem flexiblen Arbeitsmarkt sprechen.[9]
Die finanzielle Arbeitslosenunterstützung ist hoch - bis zu 90 Prozent des letzten Einkommens. Dies gilt in der Praxis aber nur für die untersten Lohngruppen. Alle anderen überschreiten die Obergrenze, die den maximalen Umfang des Arbeitslosengeldes festlegt. Deshalb gilt: Je höher das Einkommen, desto geringer die Lohnkompensation. Für einen gut verdienenden Arbeiter mit Fachausbildung oder einen Ingenieur wird das Arbeitslosengeld in der Regel weniger als 60 Prozent des letzten Einkommens betragen. Da die Gruppen mit den niedrigsten Einkommen auch das höchste Arbeitslosigkeitsrisiko tragen, sieht man es in Dänemark für angemessen an, dass diese Gruppen im Falle des Arbeitsplatzverlustes auch die höchste Lohnkompensation erhalten. Wer keine Berechtigung zum Bezug von Arbeitslosengeld aus der freiwilligen Arbeitslosen-versicherung hat, kann ersatzweise eine recht hohe, bedarfsgesteuerte Sozialhilfe von der Kommune beziehen. Deshalb lässt sich von einem hohen Grad an Einkommenssicherheit im dänischen Modell sprechen: Der Kompensationsgrad ist hoch für diejenigen, die das größte Risiko tragen.
Flexicurity bietet jedoch keine Garantie für niedrige Arbeitslosenzahlen. Wenn Dänemark heute ein niedriges Zins- und Inflationsniveau hat, die Zahlungsbilanz und die öffentlichen Haushalte Überschüsse erzielen und eine so niedrige Arbeitslosigkeit herrscht, dass immer mehr Arbeitnehmer aus den Nachbarländern, auch aus Deutschland, zuwandern, dann beruht das nicht etwa darauf, dass man in den 1990er-Jahren die Flexicurity eingeführt hätte - diese gab es schließlich schon viel früher. Vielmehr liegt das daran, dass die wechselnden Regierungen der letzten 25 Jahre eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt haben.[10]
Über die Einführung einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik sollte die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitslosen verbessert werden und der Druck, eine Beschäftigung anzunehmen, steigen. Um das Arbeitsangebot zu steuern, wurden gleichzeitig großzügige Freistellungsmöglichkeiten für Beschäftigte eingeführt. Die Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit wurde um eine dritte Achse zum sog. „Goldenen Dreieck“ erweitert.
Abbildung 1:Das Goldene Dreieck (nach Arbejdsministeriet 1999)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bogedan C. „Mehr als Flexicurity. []“
Die Abbildung des goldenen Dreiecks zeigt, dass Flexicurity und die Arbeitsmarktreformen in Dänemark untrennbar mit der institutionellen Ordnung des dänischen Wohlfahrtsstaates verbunden sind. Um den Erfolg der dänischen Arbeitsmarktpolitik zu verstehen, reicht es daher nicht aus, allein die dänische Reformpolitik zu untersuchen. Es kommt auch auf das komplexe Wechselspiel zwischen den Politikbereichen an. Im Zentrum der dänischen Arbeitsmarktreform steht ein Jobrotationsmodell, das sowohl eine Verknappung des Arbeitsangebots als auch die Möglichkeit der Qualifizierung für Beschäftigte eröffnen soll. Um der wachsenden Bedeu-tung der Arbeitsvermittlung gerecht zu werden, können seither private, anerkannte Arbeitsvermittlungen ihre Leistungen anbieten, die von den Kommunen auf Erfolgsbasis bezahlt werden. Der veränderte Stellenwert der Vermittlung wurde durch die Einrichtung einer Arbeits- und Informationsdatenbank für alle Arbeitssuchenden untermauert.[11]
Zur Stärkung der nationalen Reformbemühungen wurde 1997 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) ins Leben gerufen. Durch weiche Steuerungsmechanismen, wie Benchmarking, freiwilliger Selbstverp-flichtung und gemeinsam vereinbarter Leitlinien soll die Modernisier-ung der nationalen Beschäftigungsordnungen vorangetrieben werden. Das vorrangige Ziel ist es, gleiche Chancen für alle sozialen Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Die soziale Segmentierung soll dabei mithilfe eines Flexicurity-Ansatzes aufgehoben werden.[12]
Die EBS verfolgt die Förderung von Flexicurity, verstanden als Kombination aus flexiblen Arbeitsmärkten und einem hohen Grad an Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit.[13] Dieses Modell einer modernen Beschäftigungsordnung verbindet einen geringen Kündigun-gsschutz mit einem hohen Niveau an sozialer Absicherung und fließ-enden Übergängen zwischen Beschäftigungsverhältnissen. Flankiert wird dies durch umfangreiche Maßnahmen der aktiven und aktiv-ierenden Arbeitsmarktpolitik mit zielgerichteter Qualifizierung der Arbeitssuchenden und lebenslangem Lernen.[14]
Ausgangspunkt für die Diskussion über Flexicurity in Europa waren die in Punkt 1.2 dargelegten erfolgreichen Erfahrungen mit der Flexicurity -Strategie in Dänemark unter dem damaligen sozialdemo-kratischen Premierminister Poul Nyrup Rasmussen. Daran anknüpfend hatte der Rat der Arbeits- und Sozialminister sich in den Beschäftigungsleitlinien von 2003 darauf verständigt, sich an diesen Wandel anzupassen und „dem Bedarf an Flexibilität und Sicherheit Rechnung zu tragen“. Auch der gemeinsame Beschäftigungsbericht 2005/2006 sprach bereits gezielt von Flexicurity , die daraufhin zu einem Bestandteil der beschäftigungs-politischen Leitlinien für den Zeitraum 2005–2008 wurde. Während der österreichischen Ratspräsi-dentschaft im ersten Halbjahr 2006 wurde das Konzept auf europäischer Ebene konkretisiert.[15]
Die EU-Kommission will sich den Gegebenheiten der globalisierten Welt anpassen und auf den europäischen Arbeitsmärkten das neue Gleichgewicht zwischen Flexibilität und sozialer Sicherheit finden. Arbeitnehmer müssen darauf vorbereitet werden, keine lebenslange Arbeitsplatzgarantie mehr zu haben, aber dennoch bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive erhalten.[16]
In Übereinstimmung zwischen der Kommission und den Mitglied-staaten wurden vier Komponenten verabschiedet. Sie sollen den Rahmen für nationale Flexicurity-Strategien bilden.[17]
Die Komponenten umfassen:[18]
- flexible und zuverlässige vertragliche Vereinbarungen
- umfassende Strategien des lebenslangen Lernens
- wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
- moderne Systeme der sozialen Sicherung
Ausgehend von diesen vier Komponenten soll ein gemeinschaftlicher Bezugsrahmen für Flexicurity -Strategien geschaffen werden, der von allen Mitgliedstaaten akzeptiert wird. Infolgedessen schlägt die Kommission in ihrer Mitteilung acht gemeinsame Grundsätze zur Umsetzung vor.[19]
Ein wichtiger Teil dieser Grundsätze beinhaltet auch die Förderung von internen und externen Formen der Flexicurity.[20] Der Sozialschutz soll zur Mobilität anregen und Übergänge beim Stellenwechsel ebenso wie den Zugang zu einer neuen Beschäftigung erleichtern.[21]
Die 2007 erarbeiteten Grundsätze wurden im Beschäftigungsteil der neuen integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2008-2010) aufgegriffen. Gem. Artikel 2 der Leitlinien sind diese von den Mitgliedstaaten in ihren beschäftigungspolitischen Maßnahmen zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten den inte-grierten Flexicurity-Ansatz der Europäischen Kommission in Zusam-menarbeit mit den Sozialpartnern in ihr Politikprogramm aufnehmen und die ausgeführten Zielvorgaben und Schwerpunktaktionen verwirklichen müssen.[22]
Mit dem Nationalen Reformprogramm (NRP) 2008-2010 informierte die Bundesregierung die Europäische Union, die gesetzgebenden Kör-perschaften in Deutschland sowie die europäische Öffentlichkeit über ihren Beitrag zum zweiten Zyklus der erneuerten Lissabon-Strategie.[23]
Entsprechend ihrer Strategie „Sanieren, Reformieren und Investieren“ hat die Bundesregierung ihre Reformpolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung fortgesetzt. Zentrale Elemente der Reformstrategie waren unter anderem:[24]
- die Unternehmenssteuerreform, die die steuerliche Belastung von Unternehmen reduziert hat (vgl. Tabelle lfd. Nr. 38),
- die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, die Entlastung bei den Lohnzusatzkosten geschaffen hat (vgl. Tabelle lfd. Nr. 56), sowie
- die Fortsetzung des Konsolidierungskurses, der 2007 zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung wieder zu einem ausge-glichenen Staatshaushalt geführt hat (vgl. Tabelle lfd. Nr. 51).[25]
Die Bundesregierung hält inhaltlich am Grundsatz der im deutschen NRP 2005-2008 gesetzten sechs Reformprioritäten fest:
- die Wissensgesellschaft und Innovation voranzubringen,
- die Märkte offen zu gestalten und den Wettbewerb zu stärken,
- die Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit zu verbessern,
- die öffentlichen Finanzen tragfähig zu gestalten, nachhaltiges Wachstum zu sichern und soziale Sicherheit zu wahren,
- ökologische Innovation als Wettbewerbsvorteil zu nutzen, die Energieversorgung zu sichern und den Klimawandel zu bekämpfen,
- den Arbeitsmarkt auf neue Herausforderungen auszurichten und demografischen Veränderungen zu begegnen.[26]
In den weiteren Ausführungen zur Umsetzung der Reformprioritäten geht die Bundesregierung darauf ein, dass die Sozialversicherungs-systeme reformiert werden müssen, um Stabilität und Leistungs-fähigkeit der Systeme zu erhalten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund demographisch bedingt sinkender Einnahmen und kurzfristig steigender Ausgaben. Maßstab für die Bundesregierung bleibt dabei, den Menschen Teilhabe- und Entwicklungschancen zu eröffnen und dabei langfristig ein adäquates soziales Sicherungsniveau zu gewährleisten.[27]
Dies soll zum einen erreicht werden durch Gesundheitsreformen und eine nachhaltige Strategie zur Finanzierung der Rentenversicherung. Zum anderen soll die Eigenverantwortung in der Altersvorsorge gestärkt werden. Zwar wird die gesetzliche Rentenversicherung für die Beschäftigten eine wichtige Einnahmequelle im Alter bleiben. Zur Sicherung des Lebensstandards im Alter ist eine Ergänzung durch betriebliche und private Altersvorsorge jedoch unerlässlich. Mit dem Eigenheimrentengesetz soll künftig die Einbeziehung der selbst-genutzten Wohnimmobilie in die Riester-Förderung verbessert werden (vgl. Tabelle lfd. Nr. 60).[28]
Die Reformen am Arbeitsmarkt (u. a. Gesetz für moderne Dienst-leistungen am Arbeitsmarkt, Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt, SGB II- Fortentwicklungsgesetz) haben dazu beigetragen, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland sich schneller und deutlicher erholt hat als in früheren Aufschwungphasen. Anders als in der Vergangenheit kommt die neu gewonnene Flexibilität nun zunehmend auch den Gruppen zugute, die mit besonderen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt konfrontiert sind: den Älteren, Langzeitarbeitslosen, Personen mit Migrationshintergrund und Arbeitnehmern mit einfachen Qualifi-kationen. Die Langzeitarbeitslosenquote (Eurostat) ist in Deutschland von 5,7 % im Jahr 2005 über 5,5 % im Jahr 2006 auf 4,7 % im Jahr 2007 gefallen. Der Rückgang um 0,8 Prozentpunkte zwischen den letzten beiden Jahren ist der stärkste Rückgang im U15-Vergleich.[29]
Um die strukturelle Arbeitslosigkeit erneut zu senken, greifen die Reformen am Arbeitsmarkt verschiedene Elemente von Flexicurity auf. So zielt die deutsche Arbeitsmarktpolitik unter anderem darauf ab, den strukturellen Wandel sozial zu flankieren. Leistungsbezug bzw. die Hilfebedürftigkeit der Erwerbsfähigen sollen möglichst zügig und nachhaltig beseitigt oder zumindest verringert werden. Einerseits können den Arbeitsuchenden individuelle Unterstützungsangebote unterbreitet werden. Andererseits werden erwerbsfähige Leistungs-bezieher verpflichtet, aktiv mitzuwirken und zumutbare Anstren-gungen zu unternehmen, ihren Lebensunterhalt und den der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Außerdem werden die Übergänge zwischen verschie-denen Beschäftigungen unterstützt. Offene Stellen sollen schnell und passgenau besetzt werden, Arbeitnehmer sollen ihre Beschäftigungs-fähigkeit erhalten bzw. ausbauen. Zudem werden durch die Einführung eines besonderen Zuschusses an Arbeitgeber zusätzliche Beschäfti-gungsmöglichkeiten für langzeitarbeitslose Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen geschaffen, die auch unter Einsatz aller anderen Eingliederungsinstrumente auf absehbare Zeit nicht in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden können.[30]
Während früher die Schaffung von Arbeitsplätzen und deren Sicherung im Mittelpunkt der Anstrengungen stand, gelten heute die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit, die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und die gleichberechtigte Teilhabe aller Gruppen als Ziel der arbeitsmarkt-politischen Maßnahmen.[31]
Wesentlicher Bestandteil des deutschen Flexicurity-Modells ist das Arbeitsrecht. Gesetzliche arbeitsrechtliche Regelungen beschränken sich regelmäßig auf die Festlegung von Mindestnormen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Tarifvertragsparteien und Betriebspartner haben im Rahmen der gesetzlichen Regelungen einen erheblichen Spielraum zur Gestaltung solcher Arbeitsbedingungen. Diese sichern eine flexible Arbeitsorganisation und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unter wechselnden Bedingungen und gewährleisten zugleich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer.[32]
Auch die sozialen Sicherungssysteme haben eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Flexicurity. Das deutsche Sozialrecht bietet nicht nur Einkommenssicherheit auf hohem Niveau, sondern es enthält auch zentrale Elemente zur Sicherstellung von Flexibilität. Vor allem in den Bereichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie flexible Arbeits-organisation. Beispiele sind: Mini-Jobs, Gleitzone, Kindererziehungs-zeiten in der Rentenversicherung und Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Wertguthaben. Von Herbst 2006 bis Mitte 2007 hat die Koali-tionsarbeitsgruppe Arbeitsmarkt überprüft, wie durch eine Neuordnung des Niedriglohnbereichs eine sowohl arbeitsmarktpolitisch zielfüh-rende als auch fiskalisch tragfähige Gesamtlösung gefunden werden kann. Die bestehenden Instrumente Wohngeld und Kinderzuschlag wurden weiterentwickelt um Familien mit niedrigen Erwerbseinkom-men gezielter unterstützen.[33]
[...]
[1] Europäische Kommission, „Was ist Flexicurity“, http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=116&langId=de# , Zugriff am 26.02.2010.
[2] Vgl. Ministerium des Äußern: „Flexicurity“ http://www.ambberlin.um.dk/de/menu/%C3%9Cber+D%C3%A4nemark/Arbeitsmarkt+-+Leben+und+Arbeiten+in+D%C3%A4nemark/Das+d%C3%A4nische+Flexicurity-Modell/ (im folgenden zitiert als „Ministerium des Äußeren“) und BDA – Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände .http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/779DF6D50F0D0918C12574F0003D8CB6?open&ccm=800, Zugriff am 26.02.2010.
[3] Europäische Kommission 2007.
[4] Bogedan, C: „Mehr als Flexicurity. Lehren aus der dänischen Arbeitsmarktpolitik“ in: Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.) „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik Kontroversen um Effizienz und soziale Sicherheit“ 2009 (im folgenden zitiert als „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik“), S. 270.
[5] Vgl. Ministerium des Äußeren, Zugriff am 02.03.2010.
[6] Bogedan C.: „Mehr als Flexicurity. Lehren aus der dänischen Arbeitsmarktpolitik“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 267.
[7] Vgl. Ministerium des Äußeren, Zugriff am 02.03.2010.
[8] Der Begriff Sozialpartner bezeichnet Arbeitgeber und Gewerkschaften. Die Kommission ist verpflichtet, die Sozialpartner zu konsultieren, wenn sie sozialpolitische Vorschläge vorzulegen gedenkt. Dieser soziale Dialog wird mit den drei wichtigsten Organisationen geführt, welche die Sozialpartner auf europäischer Ebene vertreten:
- der Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB);
- die Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE);
- der Europäische Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (ECPE).
Vgl. EUFIS, http://www.eufis.de/eu-glossar.html?title=Sozialpartner, Zugriff am 02.03.2010.
[9] Bogedan C.: „Mehr als Flexicurity. Lehren aus der dänischen Arbeitsmarktpolitik“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 273.
[10] Vgl. Ministerium des Äußeren, Zugriff am 26.02.2010.
[11] Bogedan C.: „Mehr als Flexicurity. Lehren aus der dänischen Arbeitsmarktpolitik“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 268-277.
[12] Zirra S., Preunkert J..: „Die Europäisierung nationaler Arbeitsmarktreformen“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 288.
[13] Rebhahn R.: „Gibt es ein Europäisches Sozialmodell der Arbeitsbeziehungen?“ in ZESAR Ausgabe 04/09, Seite 167 und. EG-Kommission: „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“, 2007.
[14] Zirra S., Preunkert J..: „Die Europäisierung nationaler Arbeitsmarktreformen“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 289.
[15] Kaufmann I., Schwan A. in „Flexicurity auf Europas Arbeitsmärkten –Der schmale Grat zwischen Flexibilität und sozialer Sicherheit“, S. 2.
[16] Kaufmann I., Schwan A. in „Flexicurity auf Europas Arbeitsmärkten –Der schmale Grat zwischen Flexibilität und sozialer Sicherheit, S. 2.
[17] Die vier Komponenten der Flexicurity wurden zum ersten Mal auf dem EPSCO-Rat (Employment, Social Policy, Health and Consumer Affairs Council) am 1. und 2. Juli 2006 debattiert. Damals war noch von vier »Voraussetzungen« für ein ausgewogenes Verhältnis von Flexibilität und sozialer Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt in einer verabschiedeten Entschließung der Arbeits- und Sozialminister die Rede.
[18] EUROPA: „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten“ .http://europa.eu/legislation_summaries/employment_and_social_policy/community_employment_policies/c10159_de.htm, Zugriff am 26.02.2010.
[19] In verkürzter Form finden sich die gemeinsamen Grundsätze im Anhang auf S. XIII.
[20] „Die interne Flexibilität bezieht sich vor allem auf die Situation im Unternehmen. Insbesondere die Bereiche der Arbeitszeit, der Löhne, der Funktion der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Organisation des Unternehmens werden angesprochen. Die externe Flexibilität bezieht sich auf die wechselnde Anzahl der permanenten und temporären Kontrakte eines Unternehmens mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (und somit indirekt auf den Kündigungsschutz) sowie der Nutzung von outsourcing - und subcontracting - Angeboten.“ Kaufmann I., Schwan A. in „Flexicurity auf Europas Arbeitsmärkten –Der schmale Grat zwischen Flexibilität und sozialer Sicherheit, S. 3.
[21] Rat der Europäischen Union: „Schlussfolgerungen des Rates-Ausarbeitung gemeinsamer Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz“, Brüssel, 2007, S.5-6.
[22] Vgl. Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten, „Das
europäische Sozialmodell fördern“, S. 30.
[23] Vgl. Nationales Reformprogramm Deutschland 2008-2010, 2008, Seite 4 (im folgenden zitiert als „Nationales Reformprogramm“).
[24] Vgl. Nationales Reformprogramm, Abs. 4, S. 6.
[25] Vgl. NRP 2008-2010 Tabelle: „Maßnahmen und deren Stand der Umsetzung“, Anlagen, S. XIX.
[26] Vgl. Nationales Reformprogramm, Abs. 5, S. 6-7.
[27] Nationales Reformprogramm, Abs. 43, S. 22.
[28] Nationales Reformprogramm, Abs. 45-50, S. 24-25.
[29] Nationales Reformprogramm, Abs. 66, S. 31.
[30] Nationales Reformprogramm, Abs. 67, S. 32.
[31] Zirra S., Preunkert J.: „Die Europäisierung nationaler Arbeitsmarktreformen“ in Seifert, H. und Struck, O. (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, S. 293.
[32] Nationales Reformprogramm, Abs. 68, S. 32.
[33] Nationales Reformprogramm , Abs. 69, S. 32.
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