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Mehr InfosDiplomarbeit, 2008, 85 Seiten
Diplomarbeit
1,7
1. Einleitung
2. Zur Psychologie und Physiologie des Erwachsenen
2.1. Stadien des Erwachsenenalters aus Sicht der Entwicklungspsychologie
2.1.1. Frühes Erwachsenenalter
2.1.2. Mittleres Erwachsenenalter
2.1.3. Spätes Erwachsenenalter
2.1.4. Das hohe Alter
2.2. Der Erwachsene und seine körperlichen Veränderungen
2.2.1. Äußerliche Anzeichen
2.2.2. Veränderung der inneren Organe
2.2.3. Sonstige Veränderungen
2.3. Der Erwachsene und seine neuropsychologischen Veränderungen
2.3.1. Veränderungen der Intelligenz
2.3.2. Veränderungen des Gedächtnisses
2.3.2.1. Die sensorischen Register
2.3.2.2. Das Kurzzeitgedächtnis
2.3.2.3. Das Langzeitgedächtnis
2.3.3. Das Lernverhalten Erwachsener
2.4. Sozialpsychologische Faktoren des Erwachsenenalters
2.4.1. Der Erwachsene und seinen zwischenmenschlichen Beziehungen
2.4.2. Der Erwachsene in seinem Beruf
2.4.3. Das Freizeitverhalten Erwachsener
2.5. Erstes Resümee: Zur Entwicklungspsychologie
3. Der Erwachsene im Instrumentalunterricht
3.1. Allgemeine Charakteristika erwachsener Schüler
3.2. Die Motivation des Erwachsenen zum (Wieder-)Erlernen eines Instruments
3.2.1. Musikspezifische Bedürfnisse
3.2.2. Musizieren als Ausgleich zum Alltag
3.2.3. Ausleben eines unerfüllten Wunsches und der Drang nach Selbstverwirklichung
3.2.4. Lebensgestaltung und Sinngebung
3.2.5. Soziale Komponenten des Musizierens
3.3. Schwierigkeiten und Probleme Erwachsener beim Instrumentalspiel
3.3.1. Psychologische Erschwernisse
3.3.2. Motorische Beeinträchtigungen
3.3.3. Kognitive Veränderungen
3.3.4. Andere Hindernisse
3.4. Der erwachsene Schüler im Vergleich zu jüngeren Schülern
3.4.1. Psychologische Aspekte
3.4.2. Musikbezogene Aspekte
3.4.3. Lerntechnische Aspekte
3.5. Besonderheiten bei Anfängern und Wiedereinsteigern
3.6. Exkurs: Die vier Alterungstypen im Musikunterricht nach Berger/Gerngross
3.7. Zweites Resümee: Zur psychologischen Disposition erwachsener Schüler
4. Vorschläge zum Umgang mit Erwachsenen im Instrumentalunterricht
4.1. Methodische Vorüberlegungen
4.1.1. Persönlichkeit und Vorlieben des Schülers
4.1.2. Erfolgserlebnisse und Motivation
4.1.3. Vermeiden von Überforderung
4.1.4. Reduktion der eigenen Ansprüche
4.1.5. Ermöglichen sozialer Kontakte
4.2. Praktische Herangehensweisen
4.2.1. Vorgespräch
4.2.2. Unterrichtsplanung und Unterrichtsinhalte
4.2.3. Auswahl der Stücke
4.2.4. Ausgleich zum Instrumentalspiel
4.2.5. Nachgespräch
4.3. Didaktische Folgerungen für den Anfangsunterricht am Klavier
4.3.1. Spiel ohne Noten
4.3.2. Einfache Improvisationen
4.3.3. Vereinfachen vom Notentext
4.3.4. Instrumentalschulen
4.3.5. Anknüpfen an bereits Erlerntem
4.4. Das zwischenmenschliche Verhältnis im Instrumentalunterricht
4.4.1. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis
4.4.2. Merkmale eines “modernen Instrumentallehrers”
4.4.3. Zum personenzentrierten Ansatz
4.5. Drittes Resümee: Zum schülerorientierten Unterricht
5. Stand der Wissenschaft und zusammenfassender Ausblick
5.1. Zum Forschungsgebietsgebiet “Musikalische Erwachsenenbildung im Instrumentalunterricht”
5.2. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Die Aufgabe, einen Erwachsenen[1] zu unterrichten stellt, für die meisten Instrumentallehrer[2] häufig eine große Herausforderung dar. Denn der Schwerpunkt der pädagogischen wie der didaktischen Arbeit und vor allem der Wissensvermittlung, welche in den Hochschulen und Institutionen betrieben wird, liegt in der Beschäftigung mit Kindern und Jugendlichen. So kommt dem Lehrer, der sich mit dem Unterrichten Erwachsener befassen möchte, in der Regel auch viel Arbeit zu. Denn vernünftiges Material für erwachsene Instrumentalschüler liegt kaum vor und somit ist der Instrumentallehrer auf die musikalische Arbeit mit dieser Altersgruppe methodisch und didaktisch nicht ausreichend vorbereitet.
Doch gerade wegen des wachsenden Interesses der Erwachsenen an Instrumentalunterricht in den letzten Jahren, steigt das Bedürfnis nach einer angemessenen Konzeption für die Pädagogen.
Zur Erstellung eines solchen Konzeptes und einer “erwachsenengerechten” Methodik ist jedoch ein besseres Verständnis über Kernfragen und -probleme Erwachsener von Nöten. Eben jenes Verständnis bildet regelrecht eine Basis für den Entwurf einer erwachsenenspezifischen Umgangsweise, welche die Kenntnis über die Vor- und Nachteile des Erwachsenenalters mit einschließt und abverlangt.
Aus der eigenen Unterrichtstätigkeit heraus habe ich bereits erfahren, wie schwierig es ist, Anregungen und Materialien über geeignete Unterrichtsinhalte sowie eine angemessene Umgangsweise mit Erwachsenen zu finden. Neben einigen wenigen Klavierschulen für diese Altersgruppe (im Vergleich zur größeren Auswahl an Klavierschulen für Kinder) gibt es kaum Literatur, welche die wichtigsten Aspekte der musikalischen Arbeit mit Erwachsenen andeutet. So gibt es zwar vorhandene Schriften, die sich hauptsächlich mit entweder pädagogischen, psychologischen und methodischen Aspekten der Erwachsenenarbeit beschäftigen, oder mit rein inhaltlichen, lern- und musikspezifischen Feldern, wie dies in Instrumentalschulen der Fall ist. Auf die lebensgeschichtlichen Determinanten, sowie der physiologischen und die psychologischen Merkmale eines Erwachsenen wird aber dort nicht genau eingegangen, so dass die zu unterrichtende Zielgruppe der Erwachsenen dem Pädagogen in seinen Eigenschaften nicht eingehend genug beschrieben wird.
Die Motivation und die Hauptfragestellung dieser Arbeit war also ursprünglich für mich: Ist es möglich eine Klavierschule für erwachsene Anfänger[3] zu entwerfen, der es gelingt sowohl den Anforderungen, Zielen und Ansprüchen Erwachsener mit all ihren Vorzügen und Problemen gerecht zu werden, als auch über eine sinnvolle, interessante (im Sinne von erwachsenenspezifische) Konzeption die Unterrichtsinhalte, die am Anfang zum Erlernen des Instruments Klavier notwendig sind, zu vermitteln?
Mir wurde jedoch bald deutlich, dass die beiden großen Überthemen “der Erwachsene” und “Unterrichtsmethoden im Instrumentalunterricht”, die dieser Arbeit zugrunde liegen, einen so großen Raum und Umfang einnehmen werden, dass auf die didaktischen und musikspezifischen Aspekte nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Deshalb musste ich den Bereich der Lernfelder und Unterrichtsinhalte reduzieren. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt daher auf der Erörterung von Vorschlägen zur methodischen Herangehensweise im Unterricht mit Erwachsenen.
Damit verbunden ergaben sich Fragen wie: Was heißt eigentlich “erwachsen” und welche Eigenschaften werden dieser zunächst einmal relativ neutralen und weit gefassten Altersbezeichnung zugeschrieben? Welche Stadien durchläuft ein Mensch, bis man ihn als erwachsen bezeichnet, und welche weiteren Unterteilungen gibt es für das Erwachsenenalter? Welche spezifischen Aufgaben und Anforderungen, welche Schwierigkeiten haben Erwachsene in ihrer jeweiligen Altersphase und wie werden diese bewältigt?
Mit welchen körperlichen und geistigen Veränderungen und Beeinträchtigungen des erwachsenen Schülers in den verschiedenen Lebensstadien muss ich als Lehrender rechnen, wenn ich mit ihm arbeiten möchte? Welche äußeren Bedingungen umgeben ihn und – bezugnehmend zur anfänglichen Fragestellung – welche Auswirkungen und Konsequenzen haben diese Aspekte speziell auf den Instrumentalunterricht? Was genau erhofft sich der Erwachsene vom Instrumentalspiel, welche Schwierigkeiten könnten ihn auf diesem Weg behindern und wie kann der Instrumentalpädagoge diese ausräumen?
Auch die Frage, was letztendlich den erwachsenen Schüler von Kindern und heranwachsenden Schülern unterscheidet und welcher musikpädagogische Umgang mit Erwachsenen im Unterricht angemessen wäre, soll hier erläutert werden.
Somit gliedert sich die Arbeit zunächst in drei Teile auf. Im ersten Teil wird in einem entwicklungspsychologischen Kontext der Erwachsene in seiner psychologischen und physiologischen Beschaffenheit beschrieben. In diesem Zusammenhang werden die möglichen Probleme, denen der erwachsene Schüler im Instrumentalunterricht[4] begegnen könnte, bereits angesprochen. In einem weiteren Teil wendet sich die Arbeit speziell der Frage zu, was den erwachsenen Schüler im Instrumentalunterricht kennzeichnet. Im dritten Abschnitt sind einige Vorgehensweisen aufgelistet, wie der Instrumentalpädagoge auf eben jene spezifischen Eigenschaften des erwachsenen Schülers eingehen kann. In einem abschließenden Abschnitt soll noch einmal der aktuelle Stand der Forschung über die musikalische Erwachsenenarbeit in kurzer Form dargestellt werden.
Für den Bereich der psychologischen und physiologischen Veränderungen im Erwachsenenalter habe ich mich zunächst auf eine Auswahl von entwicklungspsychologischer Literatur gestützt und bei der Erörterung von pädagogischen und musikunterrichtsbezogenen Themen, Aufsätze derjenigen Musikpädagogen zur Hilfe genommen, die sich heute mit der Aufgabe der musikalischen Erwachsenenbildung auseinander setzen.
Bei der Beantwortung der oben aufgeworfenen Fragen war mein Ziel, eine Art Katalog über die zu beachtenden Faktoren und Probleme im Unterrichten Erwachsener zu erstellen, welche gerade für jemanden, der sich bislang kaum oder gar nicht mit Erwachsenenunterricht beschäftigt hat, als Hilfe und Anregung nützlich sein kann.
Diese Arbeit möchte also das Interesse derer wecken, die das Unterrichten Erwachsener als eine neu zu erforschende und entwickelnde Aufgabe betrachten – eine Aufgabe, die das Unterrichten nicht nur als einen Vermittlungsweg von musikalischem und instrumentenbezogenem Wissen versteht, sondern vor allem den Menschen in den Vordergrund der weitestgehend gemeinsamen Arbeit von Schüler und Lehrer rückt.
Um dem Erwachsenen[5] in der Unterrichtssituation angemessen zu begegnen, ist es sinnvoll, zunächst einmal einige seiner charakteristischen Wesenszüge, die universeller Natur sind, zu beleuchten. Es stehen also nicht die individuellen Eigenschaften und die Typologie einer Person im Mittelpunkt, denn die Aufzählung von solchen Eigenschaften und Eigenheiten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es ist auch klar, dass diese generalisierende Betrachtungsweise der individuellen Wirklichkeit des Einzelnen nicht gerecht werden kann. Deshalb werden im Folgenden also jene allgemeingültigen Merkmale eines Erwachsenen aufgezählt, die insbesondere für den Instrumentalpädagogen, der mit erwachsenen Schülern zusammenarbeiten möchte, relevant sein könnten.
Dabei umfasst die Aufgabe, den Erwachsenen zu beschreiben weitaus mehr als die Betrachtung seiner psychologischen und physiologischen Merkmale und Veränderungen. Der Begriff des Erwachsenen stellt nämlich nicht wie die Bezeichnung aller anderen Altersstufen eine bloße Umschreibung dar, sondern er enthält zugleich eine Wertung. So wird ganz unbewusst und subtil die Verwendung dieses Begriffs mit Eigenschaften wie Reife, Mündigkeit, Selbständigkeit, Autonomie u.a. in Verbindung gebracht. Von einem Erwachsenen wird häufig die Fähigkeit erwartet, dass er selbst seine Entscheidungen trifft und zu ihnen steht und dass er für seine Handlungen und den darauf folgenden Wirkungen und Konsequenzen die Verantwortung übernimmt.
Das Erwachsenen-Sein kennzeichnet aber auch die Volljährigkeit und damit die Befähigung zur Bewerkstelligung zahlreicher Aufgaben und Anforderungen, die das Leben an den Menschen stellt. Doch man könnte sagen, dass das Erwachsenwerden weniger auf das Alter als vielmehr auf die Lebenssituation bezogen ist, die bestimmte Bedingungen und Anforderungen an den Menschen stellt. Hier ist es die Aufgabe der Entwicklungspsychologie, sich mit diesen und anderen Fragen der Entwicklung und Veränderung des Menschen – immer auch im Kontext zu seinem sozialen und gesellschaftlichen Rahmen – zu beschäftigten. Selbstverständlich spielt für das Verständnis des erwachsenen Menschen – wie auch des Menschen in allen früheren und späteren Altersstufen – das Wissen über die Bedeutsamkeit der Kindheit eine wesentliche Rolle. Denn die frühen Lebensjahre sind es, welche die Grundsteine für die darauf folgenden Denk-, Handlungs- und Reaktionsschemata des Menschen legen und die eigentlich für die Kenntnis der Charakteristik Erwachsener unerlässlich wären. Doch die Betrachtung der ersten Lebensphasen bis hin zum Erwachsenenalter kann in dieser Arbeit nicht erörtert werden. Deshalb wird im Folgenden unmittelbar an das Erwachsenenalter (also dem 18. Lebensjahr) angeknüpft, das in vier Stadien unterteilt werden kann.
In der etwa 100-jährigen Geschichte der Entwicklungspsychologie gibt es verschiedene Forschungstraditionen und Theorien zur Entwicklung des Menschen. Diese sind von jeher bemüht, altersbezogene Verhaltensänderungen zu beobachten und diese auf ein Konzept zu übertragen, welches zum besseren Verständnis der jeweiligen Entwicklungsstadien führt (vgl. Montada 2002, 3). Dabei wird vorausgesetzt, dass jedes Entwicklungsstadium sich auf dem vorhergegangenen aufbaut und sozusagen Voraussetzung für das Folgen der nächsten Entwicklungsstufe wird. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass diese entwicklungsmäßigen Veränderungen “universell, d.h. in allen normalen Entwicklungsumwelten beobachtbar, [...] insofern natürlich und nicht kulturgebunden sind.” (ebd.)
Die traditionelle Entwicklungspsychologie ging zunächst davon aus, dass die Entwicklung des Menschen während der Kindheit und des Jugendalters bloß auf ein Ziel – nämlich dem Eintritt ins Erwachsenenalter – zustrebt. Daher wurden alle Versuche, die bei der Annäherung an dieses Ziel unternommen wurden, als Fortschritt und Gewinn betrachtet und interpretiert. Danach allerdings hat man alle Veränderungen in der Erwachsenenzeit nicht mehr auf Entwicklung, sondern auf das “Altern” zurückgeführt (vgl. Mietzel 1997, 15). Demnach wurde die über das ganze Leben gespannte Entwicklung des Menschen in drei Phasen unterteilt:
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Die erste Phase der Kindheit betrachtete man als eine Zeit von “Aufbau und Wachstum”, die zweite Phase als die der “Reife und Stabilität” und die dritte als einen Abschnitt des “Alterns und des Abbaus” (vgl. Montada 2002, 8).
Erst seit Ende der 1960er Jahre hat sich dann das Forschungsinteresse zunehmend der gesamten Lebensspanne bis hin zum hohen Alter (Gerontologie) zugewandt. Dabei wurde mit Hilfe der modernen Entwicklungspsychologie die Annahme widerlegt, dass das Altern mit dem Abbau gleichgesetzt wird. Denn vielmehr sollte Entwicklung als ein Prozess betrachtet werden, der immer gleichzeitig Aspekte von “Wachstum oder Gewinn und Abbau oder Verlust” beinhaltet (ebd., 8).
Entwicklung findet auch nicht etwa nur bis zur Adoleszenz statt, wovon man lange ausgegangen ist, sondern führt zu Veränderungen, die sich über das gesamte Leben erstrecken – also “von der Empfängnis bis zum Tod” (s.o.). Diese Erkenntnis ist insofern für jeden Menschen wichtig und ausschlaggebend, als dass damit die Vorurteile dem Alter und dem Altern gegenüber neu durchdacht und korrigiert werden können. Dies wäre nicht nur für den älterwerdenden Menschen von Relevanz, sondern insbesondere für denjenigen, dem durch sein Beruf ein professionelles, soziales Handeln abverlangt wird (vgl. Steinebach 2000, 17).
Gerade für das Kernthema dieser Arbeit ist eine solche Feststellung von großer Bedeutung. Denn sie stellt die Voreingenommenheit gegenüber der Lernfähigkeit Erwachsener im Alter in Frage und ermöglicht somit, das Altern und die sich damit ergebenden entwicklungsbedingten Vorzüge neu zu betrachten.
Nach Meinung der Entwicklungspsychologen weist jede Entwicklungsstufe seine ganz spezifischen Merkmale und Veränderungen im Erleben und Verhalten auf. Somit ergeben sich damit auch einhergehende “Entwicklungsaufgaben” (ebd., 22). Mit solchen oder ähnlichen Theorien haben sich Psychologen wie Sigmund Freud, Jean Piaget, Lawrence Kohlberg, Martin Trautner u.a. befasst.
Das folgende Kapitel wendet sich Modellen von Erik H. Erikson und Robert H. Havighurst zu, die zu den anerkanntesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie gehören. Sie gehen jeweils davon aus, dass Entwicklung durch die Bewältigung von bestimmten Aufgaben und der Lösung von bestimmten Problemen entsteht (s.o.).
Obwohl es in der Entwicklung des Menschen keine abrupten Sprünge oder Veränderungen gibt und die Übergänge zwischen den Lebensphasen kontinuierlich sind, ist es üblich, das Erwachsenenalter in drei Stadien zu unterteilen. Mit dem frühen Erwachsenenalter ist für gewöhnlich der Lebensabschnitt zwischen dem 18.-30. Lebensjahr, dem mittleren vom 30.- 60. und dem späten zwischen 60-80 Jahren gemeint, wobei es sich hier nur um Annäherungswerte handelt (s.o.).
Dabei gibt es natürlich Abweichungen oder Verschiebungen innerhalb der unterschiedlichen Konzepte und Theorien. Diese Zeitangaben sind daher als Annäherungswerte zu betrachten, denn die Lebensabschnitte sind oftmals nicht durch alterszeitliche Abgrenzungen gekennzeichnet, sondern “vor allem durch Zuordnung bestimmter Lebensereignisse” (Mietzel 1997, 18). Diese Lebensereignisse und Veränderungen der Lebensumstände innerhalb des Erwachsenenalters werden im folgenden Kapitel näher beschrieben.
Auch ist es wichtig an dieser Stelle zu erwähnen, dass die menschliche Entwicklung oftmals nicht linear, gleichmäßig oder bloß in eine Richtung gehend verläuft. Es bestehen auch erhebliche Unterschiede innerhalb des Entwicklungsverlaufs und der verschiedenen Entwicklungsbereiche, wie z.B. in der Motorik und der Intelligenz. Auch historische Unterschiede, die zwischen verschiedenen Generationen vorkommen können, sowie kulturelle Verschiedenheiten können diese Differenzen herbeiführen (vgl. Steinebach 2000, 32).
Somit wären zumindest einige wesentliche Kenntnisse im Bereich der Entwicklungspsychologie für die Praxis aller sozialen und pädagogischen Berufe, die eine qualifizierte Begleitung von Menschen bieten, erforderlich (vgl. ebd., 17).
Gerade im Instrumentalunterricht, wo die zwischenmenschliche Beziehung und die enge Arbeit mit dem Schüler an erster Stelle stehen, ist ein solches Wissen unerlässlich und kann Wesentliches zum besseren Verständnis und zur besseren Zusammenarbeit beitragen (siehe dazu Kap. 4.4.1.).
Das von Erik H. Erikson aufgestellte “Konzept der krisenhaften Entwicklungsphase” (Steinebach 2000, 22) stellt die Entwicklung des Menschen als einen Entwicklungsverlauf dar, in dem verschiedene “psychosexuelle Krisen” (ebd.) durchschritten werden. Erst deren Lösung und Bewerkstelligung sei nach Erikson die Voraussetzung der weiteren Entwicklung des Menschen.
Für das frühe Erwachsenenalter, der Phase, die man also zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr bezeichnet, ergeben sich nach Erikson folgende Entwicklungsaufgaben:
Es wird vorausgesetzt, dass es dem Erwachsenen zuvor gelungen ist, seine Identität in der Adoleszenz zu finden. Dies äußert sich laut Erikson darin, dass der Erwachsene fähig wird, enge dauerhafte Bindungen einzugehen und die Intimität mit dem anderen Geschlecht zuzulassen. Die Bedingung jedoch, solch eine Fähigkeit zu erwerben liegt darin, zunächst einmal diese Intimität und Vertrautheit mit sich selbst zu finden. Denn sonst könnte es “keine wahre Zweiheit geben, bevor man nicht selbst eine Einheit ist” (Rothgang 2003, 90). Nur so könne man sich – so Erikson – auf Bindungen und Partnerschaften einlassen, die in diesem Lebensabschnitt von zentraler Bedeutung werden. Gelingt es dem Erwachsenen aber nicht, sein Selbstbild zu entwickeln und sich für ein Gegenbild zu öffnen, dann droht die “Isolation”, was als ernsthaftes Entwicklungsproblem angesehen werden muss (vgl. ebd.).
An dieser Stelle ist es deshalb wichtig zu wissen, welche natürlichen- im Sinne von: entwicklungsbedingten – Bedürfnisse ein Erwachsener im frühen Erwachsenenalter haben und welche seelischen Problemen er erleiden kann, wenn eben jene Bedürfnisse aufgrund von inneren oder äußeren Umständen nicht erfüllt werden können. Dies ist vor allem dann von Belang, wenn ein Schüler im Rahmen des Instrumentalunterrichts dieser Isolation zu entfliehen versucht, in dem er den Lehrer als eine ihm zur Verfügung stehende Bezugsperson nutzt (siehe dazu Kap. 3.2.5. und 4.4.1).
Das Konzept von Erikson wird von dem Entwurf von Robert H. Havighurst ergänzt, in dem die Kompetenzen, die im Laufe der Problemlösungen angeeignet werden, in den Vordergrund treten. So sieht Havinghurst z.B. als eine der wichtigen Aufgaben des Erwachsenen in diesem Stadium hauptsächlich den Loslösungs-Prozess von den Eltern und das Erlangen von Autonomie an. Der Erwachsene würde erst danach fähig sein, eine feste, dauerhafte Beziehung eingehen zu können und neben der Wahl seines Berufes eine eigene Familie zu gründen (vgl. Steinebach 2000, 23).
Als weitere Entwicklungsaufgaben wäre die Kindererziehung, das Führen eines eigenen Haushaltes, das Finden eines Freundeskreises sowie das Übernehmen von Verantwortung für sich und seine Mitbürger kennzeichnend (vgl. Rothgang 2003, 94).
In dem Buch “Grundformen der Angst” von Fritz Riemann wird das frühe Erwachsenenalter als eine Entwicklungsphase angesehen, in der allmählich das Verlangen nach Stabilität und das Einrichten des Lebens in den Vordergrund tritt (vgl. Riemann 2006, 238). Dies würde somit auch im Gegensatz zu der vorangehenden Altersphase – der Jugend und Pubertät stehen, wo “das optimistische Gefühl, dass wir selbst und die Welt voller Möglichkeiten sind, die Zukunft vor uns liegt und wir uns ins Leben entwerfen voll Hoffnung und Abenteuer” (ebd.) noch dominiert. Im frühen Erwachsenenalter wird eher das Ausbauen des eigenen Macht- und Besitzbereiches zum höchsten Ziel und es entsteht das Verlangen nach “Selbstverwirklichung in Beruf, Partnerschaft und Elternschaft” (s.o.).
Dies sind also weitere Forderungen, die der Erwachsene im Alltag zu bewältigen und zu erfüllen hat. Sie sind dahingehend von Belang, als dass der Lehrer mit dem begrenzten Krafteinsatz und Zeitpensum des Schülers in diesem Lebensabschnitt rechnen und seine Unterrichtsplanungen, aber auch seine eigenen Erwartungen der Situation des Schülers anpassen sollte.
Auch mit dem Begriff der Selbstverwirklichung, der hier auftaucht, wird allzu häufig der Wunsch nach Instrumentalspiel in Verbindung gebracht (siehe dazu Kap. 3.2.3.).
Im mittleren Erwachsenenalter besteht der Grundkonflikt nach Erikson in der “Generativität und Stagnation” (Rothgang 2003, 90). Mit Generativität ist das Weitergeben von Ideen und Kenntnissen und vor allem den eigenen Erkenntnissen gemeint, die der Erwachsene in der Regel bis dahin gewonnen hat. Er fühlt sich demnach in diesem Lebensabschnitt verpflichtet, diese “materiellen und ideellen Werte” (ebd.) weiter zu reichen. Wird er daran gehindert – sei es durch äußere Bedingungen oder durch die eigene depressive oder narzisstische Natur, kann seine Entwicklung in dem Stadium gestockt werden. Das Weiterreichen seines Wissens oder seines Eigentums hindert ihn somit an der Stagnation und der damit entstehenden Egozentrik (vgl. ebd.).
Havinghurst sieht die Aufgabe eher im Bewerkstelligen der eigenen Lebensbedingungen. So steht neben dem Führen des eigenen Heims und Haushalts, sowie der Kindererziehung die Karriere im Vordergrund (vgl. Steinebach 2000, 23).
Der Erwachsene übernimmt aber auch soziale und öffentliche Verantwortung und versucht, die ihm zur Verfügung stehende freie Zeit mit der Pflege seiner Beziehung zum Partner und mit angemessenen Freizeitaktivitäten zu füllen. Hinzu kommt, dass in dem Lebensabschnitt sich allmählich die eigenen Eltern und die eigene physiologische Befindlichkeit verändern, was nun auch eine andere Herangehensweise und Anpassung an die eigenen Kräfte erfordert (vgl. Rothgang 2003, 95).
Riemann betrachtet den Abschnitt nach der Lebensmitte als eine Zeit der Wandlung an, in dem “der Wunsch nach Verwirklichung von Wesensmöglichkeiten” (Riemann 2006, 239) endlich auch gelebt werden kann. Denn bisher hatte der Alltag mit all seinen Aufgaben, Pflichten und Forderungen die Realisierung solcher Bedürfnisses erschwert. In diesem Lebensabschnitt treten auch vermehrt Sinnfragen und “metaphysisch-transzendente Bedürfnisse” (ebd.) auf und auch die Vergänglichkeit und das Loslassen werden als neu zu bewältigende Aufgaben empfunden, welche auch mit der wachsenden Selbstvergessenheit und dem allmählichen Verlust der “Ichhaftigkeit” (s.o.) einhergehen.
In diesem Lebensabschnitt ermöglichen es die Lebensumstände am ehesten, einer bisher noch nicht ausgelebten Leidenschaft nachzugehen, wie dies häufig die Musik für viele Menschen ist. Denn die äußeren Bedingungen und die noch größtenteils gute körperliche und geistige Verfassung bilden gute Voraussetzungen für den Beginn einer neu zu erlernenden Tätigkeit, allerdings unter Berücksichtigung des veränderten Lernverhaltens Erwachsener im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen.
Die Beschäftigung mit Musik kann in diesem Lebensabschnitt aber auch eben jene Bedürfnisse ansprechen, die “metaphysische-transzendente[r]” (s.o.) Natur zu sein scheinen. So können Fragen, die eine eher geistige als weltlich-materielle Betrachtungsweise erfordern, in der Beschäftigung mit der Musik, die immer auch einen handwerklichen, technischen aber vor allem künstlerisch-philosophischen Charakter hat, beantwortet und erweitert werden. Dem Lehrer muss dies verdeutlichen, welchen besonderen Stellenwert das Musizieren für einen Menschen im mittleren Erwachsenenalter einnehmen kann.
Dieser Lebensabschnitt verlangt hauptsächlich die Akzeptanz des bisherigen und vor allem auch des weiteren Lebens. Denn hier geht es darum, das weitere Leben “mit den zu erwartenden körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen, Verlusten und Einschränkungen” möglichst angemessen zu gestalten (Rothgang 2003, 90). Erikson nennt diesen Konflikt den zwischen “der Integrität gegen die Verzweiflung” (ebd.), welches das Grundproblem meint, das entsteht, wenn der Erwachsene sein Alter und die damit einhergehenden Beschränkungen, die nun zunehmend eintreten, nicht akzeptiert.
Auch Havinghurst sieht diese Phase als eine Zeit der Anpassung an die sich veränderten Lebensbedingungen an. Dies wäre, wie bei Erikson vermerkt, das Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte. Hinzu kommt, dass der Ruhestand, der in diesem Abschnitt bei den meisten eintritt, auch zu einem verminderten Einkommen führt. Wenn der Lebensgefährte stirbt, ist es besonders wichtig, einen Anschluss an Gleichaltrige zu finden, um der Isolation zu entkommen und für befriedigende Lebensumstände zu sorgen (vgl. ebd., 95).
Auch an dieser Stelle kann der Instrumentalunterricht eine besondere Stellung im Leben eines Menschen einnehmen. Denn genau jene Bereiche, die dem Erwachsenen wegzubrechen drohen, können im Rahmen der Unterrichtspraxis gestützt und teilweise auch kompensiert werden. Dies fasst unter anderem auch das Nachlassen der körperlichen und geistigen Funktionen ein. Wenn es dem Lehrer gelingt, eben jene Einschränkungen möglichst ”unauffällig” im Unterrichtsgeschehen mit einzubauen und dem Schüler zu verdeutlichen, dass trotz dieser Hindernisse ein Lernprozess und eine Lernentwicklung im Instrumentalspiel zu erreichen sind, dann kann dies als ein wesentlicher Beitrag zum Wohlergehen des Menschen im späten Erwachsenenalter anerkannt werden.
Hier gibt es nach den neuen Schriften der Entwicklungspsychologie eine weitere, vierte Unterteilung des Erwachsenenalters, nämlich die des “Hohen Alters”, welche die Altergruppe der Menschen über 80 Jahren definiert (Lindenberger 2002, 350).
Das hohe Alter verlangt nach Lindenberger “vor allem aufgrund biologisch bestimmter Einschränkungen die Konzentration und Nutzung vorhandener Stärken” (ebd.). Denn war es im jungen und mittleren Erwachsenenalter mehr das Hineinwählen in verschiedene Lebensbereiche, wie z.B. der Wahl des Partners, des Berufes, der Elternschaft, so ist es nun das Abwählen zugunsten der Pflege der verbliebenen Bereiche (s.o.). Man könnte also meinen, dass in diesem Lebensabschnitt das vollständige Neuerlernen eines Instruments tatsächlich erschwerte Bedingungen mit sich bringt. Deutlich vorteilhafter wäre es, wenn der Erwachsene im hohen Alter gewisse Kenntnisse im Instrumentalspiel bereits – etwa in seiner Jugend – erworben hat und nun an das Erlernte anknüpfen kann.
In diesem Lebensabschnitt werden Fragen, die das Bewusstsein des Menschen betreffen ebenso beherrschend. Das Alter bringt auch die Erkenntnis mit sich, dass das Leben ein Ende nehmen wird. So “werden wir mit der Einsamkeit in neuer Form konfrontiert und können vielleicht weise werden im Annehmen unserer letzten Einsamkeit” (Riemann 2006, 239). Gelingt es dem alternden Menschen aber nicht, dieses Alleinsein sowohl als das “isolierte Alleinsein [...] als auch das uns bergende All-eins-Sein” (ebd.) zu begreifen, welches das “Bewusstsein, dass wir ein Teil eines großen Ganzen sind, in das wir wieder eingehen werden” voraussetzt (s.o.), so wird seine Reifung nicht ausgeführt und sozusagen vollendet werden – denn er wird stets versuchen, eben jener Einsamkeit zu entfliehen.
Begegnen wir demnach im Instrumentalunterricht einem solchen Schüler, der sein Alter und die damit verbundenen Einsamkeit schwer akzeptieren kann, besteht die Möglichkeit, dass auch hier der Unterricht und vor allem der Kontakt zum Lehrenden dafür genutzt wird, um eben jener Art des Alleinseins zu entkommen. Dann wäre es die Aufgabe des Pädagogen den Schwerpunkt des Unterrichts nicht auf musikalische oder theoretische Aspekte zu legen, sondern durch die Unterrichtssituation beispielsweise vermehrt für den Ausbau der sozialen und gemeinschaftlichen Komponenten des Unterrichts zu sorgen.
Diese neue vierte Kategorie des Erwachsenenalters zeigt, dass die steigende Lebenserwartung zwangsläufig zu einer neuen Definition des Begriffs “Alter” geführt hat. Betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen noch vor 130 Jahren rund 35 Jahren so hat sie sich in den Industrieländern nun bereits verdoppelt. So liegt die heutige Lebenserwartung mittlerweile bei Männern um die 73 Jahre und bei Frauen um die 80 Jahre (vgl. Peters 2004, 28). Damit ergibt sich die Frage nach einer sinnvollen Gestaltung der verbliebenen und ansteigenden Lebenszeit und der Nutzung der vorhandenen Ressourcen, denn:
“Der historische Anstieg der Lebenserwartung sowie des relativen Anteils an gesunden Jahren im Alter zeigt das Potential und die grundlegende Funktion von Kultur in der zweiten Lebenshälfte” (Lindenberger 2002, 352).
Gerade hier liegt also die neu zu bewältigende Aufgabe der Instrumentalpädagogen, die sich in Zukunft auf eine wachsende Anzahl von erwachsenen und auch “im hohen Alter” befindende Schüler einstellen müssen. Somit wird auch wieder ersichtlich, welche Notwendigkeit im Erstellen von neuen Unterrichtsmethoden und -konzepten für Erwachsene besteht, wo eben jene Potentiale auf eine angemessene, also dem Erwachsenen gerechte Art, entdeckt und genutzt werden könnten.
Verständlicher und sichtbarer sind neben den inneren, also seelischen Veränderungen, die sich im Laufe der Entwicklung eines Menschen ergeben, jene körperlichen Merkmale, die den Entwicklungsprozess wiedergeben. Auch wenn die hier aufgezählten Faktoren – vor allem, die des äußeren Erscheinungsbildes des Erwachsenen betreffend – sich nicht unmittelbar auf das Unterrichtsgeschehen auswirken, werden sie im Folgenden erwähnt. Denn sie sollen dem Instrumentalpädagogen verdeutlichen, mit welchen Umstellungen letztlich der erwachsene Schüler im Laufe der Jahre umgehen muss. Denn diese aufgezeigten Faktoren können sich nachhaltig auf das Selbstwert- und somit auf das Lebensgefühl des Erwachsenen auswirken, mit denen wir folglich im Instrumentalunterricht konfrontiert werden.
Mit fortschreitenden Jahren werden einige Veränderungen, die das Altern betreffen, auch für jeden Außenstehenden ersichtlich. So beispielsweise die Veränderung der Haut und der Haare (vgl. Peters 2004, 25). Es kommt zur Verminderung der Körperlänge, was mit der Veränderung der Wirbelsäule zutun hat, und die Knochen- und Muskelsubstanz wird allmählich abgebaut und durch Fette ersetzt, wodurch sich dann das Körpergewicht verändert (vgl. Mietzel 1997, 63).
Durch die verminderten Sinnesleistungen lässt das Hörvermögen (besonders wenn man sich in der Jugend starken Lautstärken ausgesetzt hat) nach, da die dafür zuständigen Sinneszellen absterben und nicht erneuert werden können (vgl. ebd., 69). Die Sehfähigkeit wird beeinflusst und es kommt bei den meisten Menschen zu Altersweitsichtigkeit, da sich die Linsen der Augen verändern. Aber auch der Geschmacks- und der Geruchssinn weisen eingeschränktere Funktionen auf, und die Schmerzempfindlichkeit nimmt ab (s.o.).
Häufig sind auch Schwierigkeiten in den sensomotorischen Fähigkeiten zu beobachten, so dass z.B. Störungen des Gleichgewichts entstehen können (vgl. Lindenberger 2002, 369). Neben diesen offensichtlichen Einschränkungen gibt es Veränderungen, die sich nicht sofort erkennen lassen, wie z.B. die des Bewegungsapparates. Diese werden oftmals erst bei einer Tätigkeit deutlich, die dann zunehmend Schwierigkeiten oder Hindernisse bereitet (vgl. Mietzel 1997, 58). Sie hängen zusammen mit der eingeschränkteren Dehnfähigkeit der Sehnen und Bänder und der allmählich schwindenden Muskelmasse und führen letztlich u.a. auch zu der Verlangsamung der Bewegungsausführung (Peters 2004, 25).
Mit diesen und anderen Informationen sollte ein Instrumentallehrer vertraut sein, wenn er einen Erwachsenen unterrichtet. Denn gemäß dieser genannten Aspekte ist es wichtig, die Unterrichtsinhalte abzustimmen und ein Verständnis für die Schwierigkeiten des Erwachsenen zu entwickeln. Gerade die körperlichen Veränderungen und die sich damit ergebenden motorischen und kognitiven Schwierigkeiten sollten im Instrumentalunterricht einen wichtigen Stellenwert bekommen, denn gerade dort ist es Aufgabe des Lehrers auf diese angemessen einzugehen und geeignete Methoden zu finden, um diese Beschränkungen ins Unterrichtsgeschehen zu integrieren.
Etwas weniger für den Lehrer und jeden anderen Außenstehenden ersichtlich, aber für das gesamte Körperempfinden zum großen Teil verantwortlich, sind auch die Veränderungen der inneren Organe. Neben der nachteiligen körperlichen Veränderungen im Alter als Folge von “Verbrauch und Abnutzung” (Mietzel 1997, 102) geht man davon aus, dass das Immunsystem einen wesentlichen Einfluss auf das Nachlassen körperlicher Funktionen hat, womit die Zunahme der Empfänglichkeit für Krankheiten und die Infektionsanfälligkeit im Alter zusammenhängt.
Zusätzlich führen Veränderungen des Herz- Kreislaufsystems zu Verminderungen der Leistungsfähigkeit des Herzens. Das hat zur Folge, dass die Kraft des Herzmuskels nachlässt und dadurch weniger Menge Blut in den Körper gepumpt wird (vgl. Mietzel 1997, 83). Auch die Blutgefäße verlieren nach und nach an Elastizität und verringern ihren Durchmesser durch Ablagerungen und Verkalkungen, die sie zusätzlich verengen (auch Arteriosklerose genannt) und es kommt häufig zur Steigerung des Blutdrucks (vgl. ebd.).
Meist führt die “geduckte” Haltung zur Abnahme der Lungenfunktion und es wird weniger Sauerstoff aufgenommen, so dass man schneller “außer Atem” kommt. Dieses Problem ist aber bedingt durch die verminderte Elastizität des Brustkorbs, wodurch mehr “Restluft” in den Lungen bleibt und nicht ausgestoßen wird (s.o.). Die Veränderung der Lungenfunktion würde zwar hauptsächlich für den Sänger oder den Bläser von Belang sein und würde im Klavierunterricht nicht unbedingt direkt zu nachteiligen Auswirkungen führen. Doch kann die verringerte Sauerstoffzufuhr mitverantwortlich für das schnellere Nachlassen der Konzentration und somit die Verschlechterung des geistigen Leistungsvermögens bei älteren Erwachsenen sein. Daher wäre es angebracht, gerade zu Beginn der Unterrichtsstunde beispielsweise einige Entspannungsübungen mit dem Schüler durchzuführen (siehe dazu Kap.4.2.4.).
Abhängig von den anatomisch-physiologischen Voraussetzungen und den sozialen Beziehungen ist auch eine Veränderung des sexuellen Verhaltens im Alter festzustellen. Bei Frauen ist es häufig mit den Wechseljahren verbunden und der sich damit ergebenden Verminderung der Hormonproduktion. Die Fortpflanzungsorgane des Mannes verändern sich ebenfalls und es kommt häufig zu hormonellen Veränderungen, die Einfluss auf die Sexualität haben (vgl. Mietzel 1997, 89).
Diese hormonellen Veränderungen können für erhebliche Stimmungsschwankungen sorgen, unter die der Erwachsene oftmals zu leiden hat. Häufig ist es ihm aufgrund der kaum sichtbaren Ursache unerklärlich, warum vor allem seine seelische Verfassung solchen Schwankungen ausgesetzt wird. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Instrumentallehrer auf solche Verstimmungen feinfühlig und verständnisvoll eingeht und den Schüler dazu ermutigt – gerade in solchen Momenten – sich der eigenen Leistungen sowie der Schönheit der Musik und dem Genuss, den sie bereitet, zu erfreuen.
Es sind auch Veränderungen des Schlafzustands zu beobachten, da die “Grade der Schlaftiefe” (Mietzel 1997, 96) sich verlagern. Die Tiefschlafphasen werden demnach kürzer und auch die Traumphasen (REM-Phasen) verringern sich, wodurch der Schlaf häufig unterbrochen wird. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass körperliche Beschwerden den tiefen Schlaf unterbrechen und dadurch der Schlaf nicht mehr als so erholsam empfunden wird. Dies würde auch die häufig anzutreffende Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten älterer Menschen erklären, die sich dann natürlich im Unterricht als besonders ungünstig herausstellen.
Somit führen diese körperlichen Aspekte und die Veränderungen unvermeidlich zur “Verlangsamung des Lebens im Alter” (Peters 2004, 26). Sie umfassen aber nicht nur die körperlichen, sondern auch die Bereiche der geistigen Funktionen, welche zum Erlernen eines Instruments gleichermaßen notwendig sind.
Die Frage, ob und wie weit auch Gehirnfunktionen von Alterungsprozessen beeinflusst werden, ist nach wie vor umstritten. Schließlich lassen sich die Fragen bezüglich der Veränderungen des Gehirns nur sehr schwer beantworten, denn “kein körperliches Organ entzieht sich der Erforschung so sehr wie das menschliche Gehirn” (Mietzel 1997, 93). Die meisten Erkenntnisse basieren daher auf Versuchen und Vermutungen.
Dabei gehen einige Forscher davon aus, dass die kognitiven Funktionen nicht wesentlich dem Prozess des Alterns unterliegen, vorausgesetzt, es liegen keine Erkrankungen vor, wie beispielsweise bei der Demenz o.ä. So ist davon auszugehen, dass “kognitive Plastizität [...] bei geistig gesunden älteren Erwachsenen bis ins hohe Alter erhalten [bleibt]” (Lindenberger 2002, 371). Die Differenzierung der kognitiven Leistungsfähigkeit zwischen den verschiedenen Alterstufen würde sich auch erst an den “Leistungsobergrenzen” bemerkbar machen (vgl. ebd., 372).
Dennoch ist deutlich zu beobachten, dass sich im Alter gewisse geistige Tätigkeiten verlangsamen, so z.B. die Geschwindigkeit der Aufnahme von Informationen sowie deren Verarbeitung, welches zur Verlangsamung von Lernprozessen führt.
Dies ist unter anderem mit der Veränderung des Nervensystems verbunden und wird als Folge der Verluste von Nervenzellen und der Verminderung der Leitfähigkeit der Synapsen betrachtet (vgl. Mietzel 1997, 93).
Zu den wesentlichen kognitiven Funktionen ist der Bereich der Intelligenz zu erwähnen, dessen Veränderungen im Folgenden kurz angedeutet werden.
[...]
[1] In dieser Arbeit umfasst der Begriff des Erwachsenen die Altersstufe des Menschen ab 18 Jahren bis zum Lebensende. Weitere Untergliederungen des Erwachsenenalters werden in Kap. 2.1. erwähnt.
[2] Zur besseren Lesbarkeit des Textes wird im Folgenden für alle Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt (dies gilt auch für alle anderen Anreden wie Schüler, Pädagoge, Lehrende usw.).
[3] Damit ist der spätberufene Anfänger, der Wiederanfänger (nach längerer Unterbrechung) oder “der nach musikalischer Aktivität strebende ältere Bürger” (Gutzeit 1989, 185) gemeint. Für den z.B. sich noch in der Adoleszenz befindenden Schüler, der neben seinem Studium sein Instrument pflegen möchte und für den erwachsenen Profi-Musiker gelten natürlich andere, in Einzelheiten abweichende Eigenschaften und Bedingungen.
[4] Diese Arbeit beschäftigt sich zunächst einmal mit dem erwachsenen Schüler und dem Instrumentalunterricht im Allgemeinen und bezieht sich im letzten Teil auf die klavierspezifischen Aspekte und Unterrichtsfaktoren.
[5] Geschlechterspezifische Merkmale bleiben in dieser Arbeit außer Acht gelassen.
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