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Mehr InfosBachelorarbeit, 2009, 54 Seiten
Soziologie - Soziales System, Sozialstruktur, Klasse, Schichtung
Bachelorarbeit
2,3
In den letzten Jahren existierten viele Debatten hinsichtlich einer neuen Aktivierungspolitik und bis heute gilt diese aufgrund ihrer Effizienz als sehr umstritten. Der Strukturwandel dieser Politik umfasste vor allem die Bereiche der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, welche einen gravierenden Umbruch für die soziale Lebenssituation der BürgerInnen bewirkte.
Diese Abschlussarbeit befasst sich daher mit der Fragestellung, welche Auswirkungen der Strukturwandel in einer aktivierenden Politik hervorgerufen hat und ob sich unser Land in einem Veränderungsprozess befindet, der feudalähnliche Züge aufweist, die unsere soziale Staats- und Gesellschaftsstruktur gefährden. Um den Wandlungsprozess zu verstehen, werden im zweiten Gliederungspunkt der mittelalterliche Feudalismus und die Ablösung des Feudalismus geklärt. Desweiteren zählt zu dem Gliederungspunkt die historische Kategorisierung und Definition des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, um dann die Entwicklung des Neoliberalismus und den modernen Feudalismus erläutern zu können. Anschließend findet im dritten und vierten Gliederungspunkt eine Analyse hinsichtlich sozialer Ungleichheiten statt. Die Analyse beschränkt sich hier auf die Schwerpunkte Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit sowie einer ausführlichen Untersuchung von Wohlstand in Deutschland. Gewiss wären auch andere Bereiche zur Untersuchung relevant, jedoch würde dies nicht dem Rahmen der Abschlussarbeit entsprechen, deshalb liegt der Fokus nur auf die genannten Schwerpunkte. Im weiteren Verlauf wird ermittelt, wo sich die Soziale Arbeit in einer aktivierenden Sozialpolitik einordnet und wie sich die gesellschaftlichen Auswirkungen auf die Soziale Arbeit überträgt.
Die Schlussbemerkung liefert eine kritische und zusammenfassende Betrachtung wesentlicher Elemente, die durch den Strukturwandel herbeigeführt wurden.
Der Begriff Feudalismus leitet sich aus dem Latainischen „feodum“ oder „feudum“ ab und bedeutet „Lehen“. Im Mittelalter war der Feudalismus eine hierarchische Gesellschafts- und Herrschaftsform. Hinter dieser stand ein Weltbild, indem die Ungleichheit der Menschen als Teil der göttlichen Ordnung akzeptiert und als unveränderlich betrachtet wurde.[1]
Das Bodenrecht und somit abhängige Personenrecht dieser Herrschaftsform beinhaltete drei Rechtsformen. Das erste Recht regelte die Landvergabe als Lehen zur Belohnung für die Dienstleistung (Benefizum). Desweiteren sicherte ein zweites Recht die Landleihe aufgrund von Bittgesuchen (Prekarie). Ein drittes Recht ermöglichte die Zuweisung von Land zur Rodung gegen festen Zins und erblichen Besitz (Landsiedeleihe). Mit den neuen Landrechten entstanden eine Vielzahl von Abhängigkeitsverhältnissen. Diese Abhängigkeiten zeigten sich in einer streng hierarchischen Ordnung, die durch unterschiedliche Rechte und Pflichten, von Zwang und Missbrauch gekennzeichnet waren.[2] Veranschaulicht wird es oftmals mit einer Pyramide, welche das unausgewogene Verhältnis sozialer Gruppierungen und Strukturen umschreibt. Zur angepassten sozialen Schichtung zählten drei wesentliche Stände; Adel, Klerus und Bauern.[3]
An der Spitze der Pyramide zeichnete sich die Herrschaft durch den hohen Adel (Könige und Stammesfürsten) aus , der seine Ländereien oder andere Verfügungsrechte als „Lehen“ auf Lebenszeit an Vasallen übertrug. Die Vasallen waren dem niederen Adel zugehörig (Grafen, Markgrafen, Herzöge) und hatten durch ihre „Lehen“ wechselseitige Pflichten und Leistungen zu erfüllen, die auf einem persönlichen Treueverhältnis gegenüber dem König oder dem Fürsten beruhten.
Im Gegenzug zum Treueid erhielten die Vasallen Grund und Boden. Der Adel sicherte sich somit nicht nur die Treue der Vasallen, sondern auch deren militärische Verfügbarkeit, Abgaben und Verwaltungsdienste (Gesetzgebung und Steuerwesen).[4] Darüber hinaus erhielten die Vasallen eigentumsähnliche Nutzungsrechte über Grund und Boden, welches vorerst zeitlich begrenzt und später erblich wurden. Die Aufteilung von „Lehen“ bestimmte somit zunehmend die Lebensbedingungen durch Geburt und soziale Herkunft.[5] Weiter zählten zum niederen Adel auch die freie Ritterschaft und Ministralien.[6]
Zusammen mit dem Adel herrschte vor allem die hohe Geistlichkeit (z.B. Papst, Bischof) an der Spitze der Pyramide. Die hohe Geistlichkeit gehörte dem Klerus an, zu dem auch der niedere Klerus (z.B. Mönche) zählte.
Die hohe Geistlichkeit wandte sich nicht sonderlich vom weltlichen Adel ab, sondern beteiligte sich am Feudalismus, indem sie Privilegien genossen, von der Lehensvergabe profitierte und somit einen angenehmen Lebensstil lebten. Die Mönche dagegen besaßen als Hüter der Schriften an sich schon ein Sonderrecht, doch im Gegensatz zur hohen Geistlichkeit waren sie mit der restlichen Gesellschaft als Ärzte oder Lehrer mehr verbunden. Trotzdem änderte dies nichts an ihrer Position, denn wie auch der Adel besaß der Klerus hinsichtlich Nachgeborener eine „Sonderstellung“. Das bedeutete, dass nachgeborene Adelige hohe Ämter wie Bischofs- oder Abtpositionen übernahmen, so dass der Klerus vor einem sozialen Abstieg bewahrt wurde.[7]
Den größten Bevölkerungsanteil der Ständegesellschaft bildeten die Bauern. Prozentual lag ihr Anteil bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen 80-85 %. Allgemein waren sie für die Bewirtschaftung des Grundbesitz der Vasallen zuständig, indem sie Frondienste leisteten. Zudem zahlten die Bauern Naturalabgaben und später auch Geld für die Pachtzins. Genauso wie der Vasall gegenüber dem König oder Fürsten waren auch die Bauern dem Feudalherrn gegenüber verpflichtet ihm treu zu dienen, da dieser widerrum für die Sicherung ihrer Existenz verantwortlich war.[8] Der Bauernstand zeigte sich in seiner Struktur sehr vielschichtig, denn es wurde zwischen freien Bauern mit Landbesitz, Bauern ohne Landbesitz und unfreien Bauern differenziert.[9] Einige freie Bauern mit Landbesitz erzielten oft einen Überschuss, den sie mitunter noch in der Stadt verkauften. Der Reichtum der freien Bauern führte dazu, dass jene sich mit dem niederen Adel messen konnten und aufgrunddessen gleichermaßen politischen Einfluss besaßen. Andere freie Bauern dagegen verschuldeten sich bei ihren Feudalherren, da sie Steuern und Abgaben nicht zahlen konnten, konträr zum Adel, der Steuerfreiheit genoss. Bauern ohne Landbesitz waren wirtschaftlich schlechter gestellt als freie Bauern mit Landbesitz, da sie höhere Abgaben an den Grundbesitzer zu begleichen hatten. Die Gruppe der unfreien Bauern entwickelte sich nach der germanischen Zeit. Die in diesem Zusammenhang folgende rechtliche und soziale Deklassierung freier Bauern hatte unterschiedliche Ursachen. Der Zwang zur Heerfolge von Bauern bewirkte eine Unterbrechung der wirtschaftlichen Tätigkeit, so dass die Existenz vieler Bauern gefährdet war. Folglich unterwarfen sich diese größerer Grundherren, um die Sicherung ihrer Lebenslagen zu gewährleisten. Dazu waren sie gezwungen das Eigentum an den Grundherren abzutreten, wobei als Konsequenz die Schollenbindung folgte. Dies bedeutete die „sachliche und persönliche Unfreiheit des Bauern und der Zwang zur Dienstleistung (Fronarbeit o.ä.).“[10] Sie wurden also zu Leibeigenen des Feudalherren, wobei sie nicht nur ihrer Freiheitsrechte beraubt wurden, sondern daraus resultierte auch eine Einbüßung im politischen Mitbestimmungsrecht.
Im Spätmittelalter gehörten zwei Drittel der Bauern zur Unterschicht und arbeiteten aufgrund ihrer Not als Gesinde. Die Mehrheit der Bauern leisteten Fronarbeit oder waren Leibeigene. Nicht nur das Abhängigkeitsverhältnis, was Abgaben und Bleiberecht (Ortsanbindung) beinhaltete, belastete die soziale Lebenslage der Bauern, sondern auch die ständige Angst vor Hungerleiden durch Missernten o.a. erschwerten außerdem das ländliche Leben.[11]
Viele Menschen des Mittelalters gehörten zu keinem der Stände, nämlich Bettler, Gesinde, Höker oder das fahrende Volk.[12]
Bereits im 12. Jahrhundert begann sich die Grundstruktur des Feudalismus zu wandeln. Der Modernisierungsprozess in den Städten bildete die Grundlage für die Veränderungen in den ländlichen Regionen. Und da der Prozess der Ständeformierung sowie die Entstehung neuer Herrschaftsbeziehungen voranschritt, führte dies schrittweise zu einer Umformung und Auflösung des Herrschaftssystems. Wesentlich für den Verfall wurde außerdem der Wegfall der Funktion des Militärs und die Bauernbefreiung zwischen 1780 und 1850. Die Bauern forderten wirtschaftliche sowie persönliche Freiheit. Die Bauerbefreiung führte zu einer Entbindung aus ihrer Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit. Zudem wurden Reformen geschaffen, die eine bessere Nutzung der Ländereien versprachen und den Bauern die Übertragung von Grund und Boden ermöglichte gegen Entschädigung des Grundbesitzers. Durch das Abzahlen verschuldeten sich insbesondere Kleinbauern oftmals erneut, was dazu führte, dass sie abermals in Abhängigkeit zu einem Gutsherrn gerieten. Eine weitere Ursache für den Verfall des Feudalismus war der Merkantilismus. Der Merkantilismus war ein neues Handels- und Gewerbesystem, das sich bis ins 18. Jahrhundert in den Städten entwickelte. Die Merkmale des Merkantilismus bestanden in einer neuen aktiven Wirtschaftspolitik, die durch Zollpolitik und Erneuerung der Infrastruktur zum Ausdruck kam. Das Ziel jener neuen Politik war es Exportüberschuss und eine Handelsbilanz zu erlangen. Das politische Interesse ging hierbei von Fürsten, Handel- und Gewerbebetreibenden aus.[13]
Seit dem 17. Jahrhundert zeichneten sich neue gedankliche Konzeptionen hinsichtlich der bis dahin bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ab. Die Ideen persönlicher Freiheit beeinflussten ab dem 17. Jahrhundert zunehmend die Gesellschaft. Insbesondere Denker des Liberalismus wie John Locke, Jean-Jacques Rousseau oder Immanuel Kant unterstützten und forderten ein neues Konzept.[14]
Obwohl die Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen einen Wandel durchlebte und das feudalistische Netz von Abhängigkeitsverhältnissen sich auflöste, blieben vereinzelt alte feudalistische Elemente bis in das 18. Jahrhundert erhalten.[15] Zwischen 1800 und 1850 wurde das Feudalssystem endgültig durch die Prinzipien der „staatsbürgerlichen Rechtsgleichheit und des Kapitalismus“ abgelöst.[16]
Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielt eine Verelendung der Bevölkerung aufgrund von Verstädterung und Industrialisierung Einzug. Es lösten sich alte Schutzmechanismen der Ständegesellschaft auf, so dass beispielsweise das Proletariat unter der Willkür und Ausbeutung des Kapitalismus litt, meist arm war, keinerlei Rechte und soziale Absicherung besaß. Als Reaktion auf die schlechten Lebensbedingungen forderte die Arbeiterbewegung[17] zunehmend ihre Rechte ein und lehnte sich gegen die Staatsgewalt und gegen reiche Fabrikherren auf.[18] Da im Zuge der Industrialisierung ein Großteil der Menschen verarmte setzte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Wohlfahrt durch. Die Forderung nach gerechten und angemessenen Löhnen, nach Wahlfreiheit oder Demokratie wurde stärker.[19] Durch die Not der arbeitenden Klasse und unter der Bedrohung einer Regierungsfähigkeit des Proletariats führte Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Sozialgesetze ein.[20] Der Wohlfahrtsstaat beschreibt ein Institutionsgefüge, in dem seine BürgerInnen einen besonderen Schutz erhalten, wenn ihnen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall oder Älterwerden drohen. In sozial- und christdemokratischen Wohlfahrtsländern werden diese Sicherungen erweitert. Sie kontrollieren beispielsweise das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, begrenzen die Wohlstandsdifferenzen zwischen sozialen Milieus oder geographischen Gebieten. Ferner umfasst ein Wohlfahrtsstaat alle Aktivitäten des Staates ohne militärischen Charakter. Zudem sichert er industriegesellschaftliche Risiken ab, sorgt für die Umverteilung der Einkommen, gleichzeitig solle für das wirtschaftliche Wachstum gesorgt sein sowie für einen sozialen Zusammenhalt.[21] In der Diskussion, ob der Sozialstaat dem Wohlfahrtsstaat gleichgesetzt werden kann, sind sich Kritiker uneinig. Der Begriff Sozialstaat sei viel umfassender zu verstehen als der Begriff des Wohlfahrtsstaates. Der Kritiker Christoph Butterwegge greift hierzu ein Zitat von Gerhard A. Ritte rauf; dieser plädiert für die Verwendung des Begriffes „Sozialstaat“. Ritter ist der Ansicht, „er vermeidet sowohl die Anklänge an die bürgerliche Freiheiten beschränkende paternalistischen Wohlfahrt absoluter Staaten wie auch Mißverständnisse, die sich aus den Vereinigten Staaten inzwischen üblichen Unterscheidung zwischen ,Welfare`, der oft als unerwünschte Notwendigkeit verstandenen Sozialhilfe für Bedürftige, und der meist positiv beurteilten ,Social Security` (soziale Sicherheit), der auch auf eigenen Beitragsleistungen beruhenden Sozialversicherung, ergeben.“[22] In Deutschland ist der institutionelle Kern des Wohlfahrtsstaates ein System der sozialen Sicherung, welches durch den Verfassungsauftrag des Staates gewährleistet werden soll. Die im Grundgesetz verankerten Staatsprinzipien, Demokratiestaatsprinzip, Sozialstaatsprinzip, Rechtsstaatsprinzip, Bundesstaatsprinzip und Republikprinzip gelten als wichtigste Ziele des Auftrages, wobei dem Sozialstaatsprinzip, welches eng mit den Prinzipien der Demokratie verflochten ist, vor allem im Hinblick auf den Sozial- oder Wohlfahrtsstaat eine wesentliche Bedeutung zukommt.[23] Das Sozialstaatsprinzip regelt u.a. die Gleichheit vor dem Gesetz aller Staatsbürger, die öffentliche Fürsorge oder die materielle Gerechtigkeit; dies schließt vor allem ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit, ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit und eine soziale Balance mit ein.[24]
Seit der Einführung sozialer Reformen, nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden die Merkmale des Wohlfahrtsstaates bis heute mehr oder minder ausgebaut. Kritiker sprechen eher von einem Abbau als Aufbau des Wohlfahrtsstaates, da er unter den Folgen einer neoliberalen Politik leide.[25]
Der Begriff Neoliberalismus stammt vom Liberalismus ab. Der Liberalismus ist eine Weltanschauung, die jede Form von geistigen, sozialen, politischen oder staatlichen Zwängen ablehnt. Im Vordergrund des Liberalismus steht die Freiheit des einzelnen Menschen.[26] Zudem basiert der Liberalismus auf vier Prinzipien; „das Recht auf Selbstbestimmung auf der Basis von Vernunft und die Einsicht, die Beschränkung politischer Macht und die Freiheit gegenüber dem Staat, die Selbstregulierung der Wirtschaft auf der Basis persönlichen Eigentums.“[27] Die Wurzeln des Liberalismus liegen in der Aufklärung. Es wird zwischen politischem und wirtschaftlichem Liberalismus unterschieden. Das Ziel eines politischen Liberalismus war es die Freiheit der Individuen zu fördern und die Reichweite der Staatsgewalt durch die Freiheit des Individuums zu begrenzen, wobei die Freiheit einer Person dort endet, wo andere beeinträchtigt werden. Die Notwendigkeit des Staates wird hier nicht bestritten; im Gegenteil, denn die Ziele des Liberalismus sollen durch staatliche Institutionen erreicht werden. Der wirtschaftliche Liberalismus sieht das Privateigentum, den freien Wettbewerb und den Freihandel als Vorraussetzung für die Erschaffung von gesellschaftlichem Wohlstand. Der wirtschaftliche Liberalismus führte dazu, dass sich die Industrialisierung rasant entwickelte, so dass sich ein (privat-)kapitalistisches Wirtschaftssystem etablierte. Die Folgen dieses Prozesses führten aber zur Verarmung der breiten Bevölkerung. Nachdem der Liberalismus durch den Sozialstaat abgelöst wurde, fand er erst nach dem zweiten Weltkrieg wieder Beachtung. In seiner neuen Blütezeit lies der Liberalismus es zu, dass der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen für einen freien Wettbewerb schuf und vor allem durch regulierende Eingriffe in die Marktwirtschaft für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs sorgte. Diese Ideologie eines neuen Liberalismus wurde vom ersten deutschen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und A. Müller-Armack vertreten. Ihre Weltanschauung führte nicht nur zu einem neuen Liberalismus (Neoliberalismus), sondern bewirkte zudem, dass Erhard und Müller-Armack basierend auf dem Keynesianismus[28] zu den Gründungsvätern der sozialen Marktwirtschaft wurden und dies somit zu einer Abkehr von den Elementen des freien Marktes führte.[29] In der Nachkriegszeit und der Gründung der Bundesrepublik galt Ludwig Erhards Buch „Wohlstand für alle“ als Erfolgsrezept, an dem die breite Masse am Aufschwung teilhaben sollte.[30] Doch während Erhard einst noch plädierte „Die soziale Marktwirtschaft schließt alle Schichten unseres Volkes; insbesondere Unternehmer und Arbeitnehmer zu echter Zusammenarbeit an gemeinsamen Zielen zusammen.“[31], zeigte sich in den letzten Jahrzehnten ein anderes Bild neoliberalistischer Politik.
Fern des „klassischen“ Liberalismus, der den Feudalismus und seine Überreste bekämpfte, wird der heutige Neoliberalismus vor allem als Gegner des Sozialstaates verstanden. Neoliberalistische Kritiker sehen den Wohlfahrtsstaat eher als Einschränkung der Eigeninitiative und Verantwortlichkeit oder ineffizient und freiheitsgefährdend.[32]
Butterwegge meint der Neoliberalismus sei „eine (Wirtschafts-)Theorie, Ideologie und Strategie, die den Staatsinterventionismus zurückdrängen und den Markt zu universalen, alle Gesellschaftsbereiche übergreifenden Regulierungsmechanismus erheben möchte“[33] . Seit dem Wirtschaftseinbruch durch die Ölkrise in den 1970er Jahren und der in diesem Kontext folgenden Massenarbeitslosigkeit, hat der Neoliberalismus mehr an Einfluss gewonnen. Durch Schmidts Regierung wurden Leistungskürzungen vorgenommen. Auf gesellschaftlicher und politischer Ebene setzte sich eine Haltung durch, die die Privatisierung staatlicher Aufgaben befürwortete.[34] Die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse durch den freien Markt wurde wieder zentral und das Konzept des Keynesianismus galt als gescheitert.[35] Seither scheint der freie Markt ein Instrument zu sein, um wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse zu rechtfertigen und umzusetzen. Der Kritiker Engartner meint, dass der Neoliberalismus weniger Unterschiede im sektoralen oder regionalen Bereich beachtet. Das angestrebte Ziel sei die Entrechtung der Politik. Der erneute Aufstieg des Neoliberalismus mit dem Verdrängen des Keynesianismus löste eine Abkehr des interventionistischen Wohlfahrtsstaates aus. Somit verschoben sich auch die politischen Ideologien hinsichtlich eines Wohlfahrtsstaates, denn statt sozialer Sicherung und Fürsorge, wird den BürgerInnen nun „Freiheit“ und „Selbstverantwortung“ nahe gelegt; ganz im Sinne einer neoliberalen Politik. Zudem sollte das Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft weitestgehend aufgelöst werden, so dass sich die Privatisierung als Kern des Neoliberalismus wirksam ausweitete. Zu den von der Privatisierung betroffenen Institutionen zählten Kliniken, Seniorenheime, Schulen, Universitäten, kommunale Wohnungsbaugesellschaften usw..[36] Das notwendige Ziel der profitorientierten Ausrichtung sei es „die Effizienz zu steigern, Synergieeffekte zu erzielen und Organisationsstrukturen zu „verschlanken“.“[37] Besonders nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland entfaltete sich der Neoliberalismus. Der Wohlfahrtsstaat wurde als Irrweg betitelt und staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft waren nicht erwünscht. Kritiker sehen den neoliberalen Wohlfahrtsstaat als Gefahr, da somit ein Um- bzw. Abbau des Sozialstaates voranschreitet. Die Notwendigkeit einer Neustrukturierung wird von Neoliberalisten mit der Globalisierung oder dem demographischen Wandel gerechtfertigt. Mit einher geht damit aber auch ein neues Gerechtigkeitsverständnis hinsichtlich der Notwendigkeit von Reformen als Schlüsselrolle.[38] Das Reformen eine besondere Rolle darstellen, zeigt sich seitdem vom „aktivierenden“ Staat die Rede ist, der viele Merkmale neoliberalistischer Politik vereint. Es scheint als würde sich der Staat zunehmend aus seiner Verantwortung gegenüber den Bürgern zurückziehen, so dass diese den Elementen der neoliberalistischen Privatisierung und den freien Wettbewerb überlassen werden. Begriffe wie „Deutschland soll fit gemacht werden für die Zukunft, Steuererleichterung, Eigenverantwortung, Flexibilität, Freiheit, Humankapital, aktive Politik oder Generationsgerechtigkeit unterliegen dem so genannten „framing“(umdeuten) und scheinen ein Aushängeschild für eine Rechtfertigung neoliberaler Politik zu sein.[39] Diese Entwicklung und Auflösung des Wohlfahrtsstaates bettet allerdings den Weg für prekäre soziale Ungleichheiten der BürgerInnen. Ganz nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“, scheinen heute neue Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Bürgern und dem Markt bzw. einzelner Unternehmen zu bestehen, die z.B. den (post-) materiellen Wohlstand und somit den Lebensstandard jedes Einzelnen bestimmen. Das Kapital kommt heute mehr denn je nur einigen wenigen zugute und Erwerbstätige scheinen mehr als zuvor unter verschleierten Vorwänden ausgebeutet zu werden. Hinzu kommt, dass soziale Sicherungssysteme für die Mittel- und Unterschicht nur noch bedingt und teils minimal ausfallen oder eine Gegenleistung erfordern. Es wird der Anschein erweckt, dass sich neue Formen der einseitigen Vermögenskumulationen, Abhängigkeitsverhältnissen und (Un-)Freiheiten abbilden, die an veraltete Feudalsysteme erinnern. Der Autor und Kritiker Wozniewski bezeichnet diese scheinbar neue Plutokratie seit einiger Zeit Neofeudalismus, moderner Feudalismus oder Meudalismus. Interessant dabei sind nicht nur die Merkmale des Feudalsystems, sondern vor allem auch die Verschiebungen des klassischen Feudalismus zum modernen Feudalismus. Während früher Grund und Boden als Zeichen von Macht und Wohlstand galten, so sollen es heute Geld und Kapital bzw. die daraus hervor gehenden Zinsen und Gewinne sein. Diese können eine Vermögenskumulation herbei führen ohne dafür eine Leistung zu erbringen.[40] Um dem modernen Feudalismus noch mehr Ausdruck zu verleihen stellt Wozniewski einen Vergleich auf, der humorvoll betrachtet werden soll. Dieser Vergleich liefert einen Denkanstoß hinsichtlich der heutigen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung, der gar nicht so realitätsfern erscheint.[41]
Auch verdeutlicht dieser nochmals, dass die heutigen Dimensionen neoliberalistischer bzw. neofeudalistischer Strukturen sehr umfangreich sind. Doch wie zeigen sich diese neuen Verhältnisse im Einzelnen in Deutschland? Um dies herauszufinden, werden im Folgenden Teilbereiche analysiert, die sich mit den ungleichen Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft befassen. Bei der Analyse sozialer Ungleichheiten richtet sich der Fokus insbesondere auf die Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit sowie den Wohlstand in all seinen Zügen.
[...]
[1] Vgl. http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/service/print,page01098858,node05589, 12.12.2008, 22:17 Uhr
[2] Vgl. Hradil, Stefan (2005): Soziale Ungleichheit in Deutschland, 8. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, S. 97
[3] Vgl. Wehler, Hans-Ulrich (1989): Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700-1815, Verlag C.H. Beck, München, S. 37
[4] Vgl. Hradil, Stefan (2005): Soziale Ungleichheit in Deutschland, S. 97f
[5] Vgl. Ebenda, S. 97f
[6] Vgl. Ebenda, S. 98ff
[7] Vgl. Ebenda, S. 100f
[8] Vgl. http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/service/print,page01098858,node05589, 12.12.2008, 22:17 Uhr
[9] Vgl. Hradil, Stefan (2005): Soziale Ungleichheit in Deutschland, S. 101 f
[10] Ebenda, S. 101 ff
[11] Vgl. Ebenda, S. 100f
[12] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndeordnung, 15.11.2008, 15:31 Uhr
[13] Vgl. Hradil, Stefan (2005): Soziale Ungleichheit in Deutschland, 8. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, S. 116 ff
[14] Vgl. Ebenda, S. 120 f
[15] Vgl. Wehler, Hans-Ulrich (1989): Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700-1815, S. 40ff
[16] Ebenda, S. 43
[17] Arbeiterbewegungen waren ein Zusammenschluss von Handwerkern, Lohnarbeiter in Arbeitervereinen, Gewerkschaften und Parteien zur Verbesserung ihrer sozialen Lebenslagen und Erkämpfung ihrer Rechte. Quelle: Vgl. Decker, Peter & Hecker, Konrad (2002): Das Proletariat – Die große Karriere der lohnarbeitetenden Klasse kommt an ihr gerechtes Ende, Gegenstandspunkt Verlagsgesellschaft mbH, S. 3 f
[18] Vgl. Ebenda, S. 3
[19] Vgl. Ebenda, S. 29 ff
[20] Vgl. http://www.grin.com/e-book/99560/bismarcks-sozialistengesetze-und-sozialgesetzgebung#, 20.01.2009, 13:05 Uhr
[21] Vgl. http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=745, 10.01.2009, 12:08 Uhr
[22] Butterwegge, Christoph (2005): Krise und Zukunft des Sozialstaates, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, S. 16 f
[23] Vgl. Ebenda, S. 17 f
[24] Vgl. http://www.marcus-heinemann.de/staatsorganisationsrecht/staatsprinzipien.pdf, 20.01.2009, 08:09
[25] Vgl. Butterwege, Christoph / Lösch, Bettina / Ptak Ralf (2008): Kritik des Neoliberalismus, 2. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmBH, Wiesbaden, S. 136
[26] Vgl.http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=6ACI8N, 20.01.2009
[27] Ebenda, 20.01.2009, 10:11 Uhr
[28] Keynesianismus bezeichnet ein System, in dem der Staat bei wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in die Wirtschaft eingreift, um wieder ein ein Vollbeschäftigungsniveua zu erreichen. Der Entdecker John Maynard Keynes (1883*- +1946) forderte schon 1926 eine planmäßige staatliche Lenkung der privaten Kapitalanlagen. Er hielt die eine Kombination von staatlicher und marktwirtschaftlicher Steuerung für eine befriedigende wirtschaftliche
Entwicklung sinnvoll und lehnte die Beschränkung auf eine Politik der Gestaltung und
Sicherung des marktwirtschaftlichen Rahmens ab.Quelle: http://www.wiwiss.fu-
berlin.de/institute/wirtschaftspolitik-geschichte/kisker/texte/neolib.pdf, 15.01.2009, 11:35 Uhr
[29] Vgl. http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=6ACI8N, 20.01.2009, 10:11 Uhr
[30] Vgl. http://de.youtube.com/watch?v=H4K6-_N3R1g&hl=de, 20.01.2009, 09:45 Uhr
[31] Ebenda, 20.01.2009, 09:45 Uhr
[32] Vgl. Butterwege, Christoph / Lösch, Bettina / Ptak Ralf (2008): Kritik des Neoliberalismus, S. 136
[33] Ebenda, S. 136
[34] Vgl. Butterwege, Christoph / Lösch, Bettina / Ptak Ralf (2008): Kritik des Neoliberalismus, 2. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmBH, Wiesbaden, S. 87 f
[35] Vgl. http://www.wiwiss.fu-berlin.de/institute/wirtschaftspolitik-geschichte/kisker/texte/neolib.pdf, 15.01.2009, 15:43 Uhr
[36] Vgl. Butterwege, Christoph / Lösch, Bettina / Ptak Ralf (2008): Kritik des Neoliberalismus, S. 87 f
[37] Ebenda, S. 88
[38] Vgl. Ebenda 136 f
[39] Vgl. http://www.attacberlin.de/uploads/media/Die_Sprache_der_Neoliberalen_Neosprech.pdf, 20.01.2009, 12:17 Uhr
[40] Vgl. http://www.brainworker.ch/Geldtheorie/feudalismus.htm, 12.12.2008, 17:53 Uhr
[41] Vgl. Tabelle 1 im Anhang
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