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Mehr InfosDiplomarbeit, 2008, 74 Seiten
Diplomarbeit
1,3
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Problemstellung und Vorgehensweise
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
2 Grundlagen der Kundenbewertung und der Risikoberücksichtigung in der Investitionstheorie
2.1 Bewertung von Einzelkunden
2.1.1 Überblick und Anforderungen an ein Kundenwertmodell auf Einzelkundenebene
2.1.2 Bestimmung des Einzelkundenwertes
2.2 Methoden der Risikoberücksichtigung
2.2.1 Begriffe der Risikoanalyse
2.2.2 Einzelkundenspezifische Risiken
2.2.3 Methoden der Risikoanalyse
2.2.3.1 Risikozuschlagsmethode
2.2.3.2 Sicherheitsäquivalentmethode
2.2.3.3 Simulationsbasierte Bewertung
3 Einbezug von Risikozuschlägen in die Einzelkundenbewertung
3.1 Ausgangsbasis: Fallbeispiel
3.2 Übertragung der Risikozuschlagsmethode auf die Einzelkundenbewertung
3.3 Bestimmung des Einzelkundenwertes
3.4 Bewertungsbeispiel
3.5 Zwischenfazit
4 Einbezug von Risikoabschlägen in die Einzelkundenbewertung
4.1 Übertragung der Sicherheitsäquivalentmethode auf die Einzelkundenbewertung
4.2 Bestimmung des Einzelkundenwertes
4.3 Bewertungsbeispiel
4.4 Zwischenfazit
5 Simulationsbasierte Einzelkundenbewertung
5.1 Übertragung der Simulationstechnik auf die Einzelkundenbewertung
5.2 Bestimmung des Einzelkundenwertes
5.3 Bewertungsbeispiel
5.4 Zwischenfazit
6 Vergleich und kritische Würdigung der Verfahren
7 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Klassifizierung von Unsicherheit
Abbildung 2: Kundenwertperspektiven
Abbildung 3: Primäre Einzelkundenrisiken
Abbildung 4: Ablauf der Risikosimulation
Abbildung 5: Beispiele für Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Abbildung 6: Wahrscheinlichkeiten der Abwanderung und Zuwanderung des Kunden L über die komplette Dauer der Geschäftsbeziehung
Abbildung 7: Abbildung der mit Wahrscheinlichkeiten versehenen Einzelrisiken des Kunden L in Periode 1
Abbildung 8: Verteilung des Abwanderungsrisikos Kunde L pro Periode
Abbildung 9: Verteilung des Abwanderungsrisikos Kunde S pro Periode
Abbildung 10: Abbildung des Zahlungsausfallrisikos über eine Bernoulli-Verteilung
Abbildung 11: Abbildung der Wahrscheinlichkeit einer verspäteten Zahlung und eines kompletten Zahlungsausfalls anhand einer Bernoulli-Verteilung
Abbildung 12: Abbildung des Planungsrisikos über eine Normalverteilung
Abbildung 13: Verteilung der Kundenwerte des Kunden M
Abbildung 14: Overlay Chart
Abbildung 15: Vergleich der rückwärtig kumulierten Häufigkeiten der Kundenwerte (Risikoprofil)
Abbildung 16: Sensitivitätsanalyse - Kunde S
Abbildung 17: Sensitivitätsanalyse - Kunde L
Tabelle 1: Prognostizierte Cashflows für die 3 zu bewertenden Kunden
Tabelle 2: Überblick über die mit Wahrscheinlichkeiten versehenen Einzelrisiken verschiedener Kunden
Tabelle 3: Betafaktoren nach Abwanderungsrisiko
Tabelle 4:CLV bei Variation der Marktrendite
Tabelle 5: Abbildung aller Cashflows und Wahrscheinlichkeiten der drei Kunden in der kompletten Geschäftsbeziehung
Tabelle 6: Abbildung der über die Sicherheitsäquivalentmethode bestimmten Kundenwerte
Tabelle 7:Vergleich der Kundenwerte bei Variation des Risikoaversionskoeffizienten
Tabelle 8: Reihe der sich aus der Simulationsstudie ergebenden Kundenwerte
Tabelle 9: Statistische Kenngrößen der Variablen „Kundenwert“ der drei Kunden
Tabelle 10: Quantile der Variablen „Kundenwert“ der drei Kunden
Tabelle 11: Methodenvergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Entscheidung, in welchen Einzelkunden ein Unternehmen investieren soll, um einen maximalen Erlös zu generieren, ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. In Abhängigkeit von der Größe des Kunden bzw. dem Umfang der Kundenbeziehung ist hier sogar eine strategische Fragestellung zu beantworten. Die Unvorhersehbarkeit des Verhaltens eines einzelnen Kunden macht dabei diese Entscheidung zu einer wissenschaftlich anspruchsvollen Herausforderung.[1]
Einflüsse wie Kundenloyalität, Zahlungsfähigkeit eines Kunden und mögliche Verbundeffekte sind dabei in eine Bewertung zu integrieren, um die komplette Geschäftsbeziehung realistisch darzustellen und richtig zu bewerten.[2] In der traditionellen Marketing-Forschung wurde das Thema Kundenbewertung bereits intensiv behandelt[3], jedoch findet das für die Bewertung einer Geschäftsbeziehung mit einem Einzelkunden aus Anbietersicht bedeutendste Risiko - das Abwanderungsrisiko - meist keine angemessene Berücksichtigung. Methoden zur Risikoberücksichtigung werden zwar im Rechnungswesen und Controlling angewendet, allerdings im Bewertungkontext von Finanz- und Realinvestitionen oder im Rahmen der Unternehmensbewertung. Es muss folglich eine Übertragung der aus dem Controlling und der Unternehmensbewertungslehre stammenden Methoden auf die Theorien der Marketingforschung erfolgen, um Risikobewertungsaspekte in der Einzelkundenbewertung berücksichtigen zu können.
Die gewonnenen Erkenntnisse können als Grundlage für die Beurteilung des Verhaltens von Anbietern gegenüber bedeutenden Kunden dienen und die Allokation von Marketing-Ressourcen entscheidend beeinflussen. Ist die Geschäftsbeziehung mit einem Kunden aufgrund einer Bewertung als hinreichend bedeutend anzusehen, so könnte die Erstellung eines kundenindividuellen Marketingprogramms Vorzug finden im Vergleich zu kundensegmentspezifischen Aktivitäten.[4]
Dabei ist zu erwarten, dass nicht nur die Marketingforschung nach Methoden der risikoadäquaten Kundenbewertung sucht. Auch für die Unternehmensbewertung könnten Ergebnisse aus dieser Forschungsrichtung hilfreiche Resultate liefern, beispielsweise im Rahmen der Plausibilisierung und Fundierung von ermittelten Gesamtunternehmenswerten. Bei Unternehmen mit starken Abhängigkeiten von Einzelkunden kann so durch eine das Einzelkundenrisiko einbeziehende Bewertung ein Mehrwert für den Entscheider erzielt werden; unternehmerische Entscheidungen, die stark von Einzelkundenbeziehungen abhängen, können durch die Fortschritte in diesem Forschungsbereich besser fundiert werden.
Auch die Trends in der internationalen Rechnungslegung der letzten Jahre lassen ein zunehmendes Interesse - insbesondere auch der Wirtschaftsprüfer und Konzernbuchhalter - vermuten. Mit der Einführung der Bilanzierungsstandards IFRS 3 sowie SFAS 141/142 fand ein Paradigmenwechsel in der Goodwill-Bilanzierung statt. Bei der Erstkonsolidierung nach einem Unternehmenskauf sind demnach zunächst alle einzeln identifizierbaren Assets zu bewerten und stille Reserven aufzudecken, nur noch die verbleibende Restdifferenz des Kaufpreises zum neubewerteten Eigenkapital ist als Goodwill auszuweisen. In diesem Rahmen sind nun auch übernommene Kundenlisten bzw. Einzelkundengeschäftsbeziehungen zu bewerten. Diese als Assets identifizierten, bewerteten und ausgewiesenen Vermögenswerte sind sodann jährlich auf Werthaltigkeit zu prüfen, was wiederum eine Kundenbewertung notwendig macht.
In den etablierten Methoden zur Kundenbewertung werden Risiken betreffend die Einzelkundenbeziehung nicht berücksichtigt. Damit fehlt ein für die Bewertung der Kundenbeziehung wesentlicher Faktor. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb auf Methoden der Risikoberücksichtigung bei der Unternehmensbewertung zurückgegriffen und auf die Einzelkundenbewertung angewendet. Zur Bewertung der unterschiedlichen Methoden werden Kriterien erarbeitet an denen diese Methoden gemessen werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist somit ein objektiver Vergleich unterschiedlicher Methoden zur Risikoberücksichtigung bei der Einzelkundenbewertung.
Zunächst werden die Grundlagen der Kundenbewertung und der Risikoberücksichtigung in der Investitionstheorie vorgestellt. Es werden die Ziele sowie die Anforderungen an ein geeignetes Kundenwertmodell formuliert, um daraufhin die Bestimmung eines Einzelkundenwertes zu erläutern. Es folgt eine Klärung der Begriffe der Risikoanalyse und eine Darstellung Einzelkundenspezifischer Risiken, um auf dieser Basis die Methoden der Risikoanalyse vorzustellen.
In den Kapiteln 3-5 wird dann der Einbezug von Risiko in die Einzelkundenbewertung betrachtet. Anhand eines Fallbeispiels werden die drei betrachteten Methoden angewandt und hinsichtlich ihrer Eignung zur Einzelkundenbewertungsmethode unter Berücksichtigung der Risiken überprüft.
In Kapitel 6 werden die Methoden anhand verschiedener Kriterien gegenübergestellt und einer kritischen Bewertung unterzogen. Kapitel 7 fasst die Ergebnisse zusammen.
Voraussetzung für die Bewertung eines Kunden ist zunächst eine Klärung des Kundenwertbegriffes. Im Folgenden wird der Kundenwert als Summe der kundenbezogenen Rückflüsse über die Dauer der Geschäftsbeziehung unter Berücksichtigung der Risiken verstanden. Um diesen Wert zu bestimmen, wird eine Methode benötigt, die die Bedeutung der kompletten Geschäftsbeziehung mit einem Kunden für den Anbieter quantitativ bewerten kann.[5]
Dabei sollen folgende Ziele mit Hilfe eines geeigneten Kundenwertmodells erreicht werden:
- Einschätzbarkeit des Wertbeitrags eines betrachteten Kunden
- Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für die Allokation von Marketingressourcen[6]
- Identifikation von bedeutenden Kunden und gegebenenfalls Erstellung individueller Marketingprogramme[7]
- Verbesserung von Cross-Selling Potentialen[8]
- Fundierung einer Gesamtunternehmensbewertung durch unterstützende Einzelkundenbewertung
Es gibt verschiedene Methoden zur Messung des Wertbeitrages eines Kunden für den Anbieter. Dabei lässt sich zwischen statischen und dynamischen Methoden unterscheiden. Während statische Methoden wie bspw. die ABC-Analyse, die Kundendeckungsbeitragsrechnung, Scoringmodelle und Kundenportfolioanalysen einzelperiodenbezogene Kundenwerte bestimmen, wird der Kundenwert bei dynamischen Methoden periodenübergreifend ermittelt.[9] Der Customer Lifetime Value-Ansatz ergänzt statische Betrachtungen der Rentabilität eines Kunden um den Faktor Zeit durch Diskontierung der erwarteten Zahlungsrückflüsse über den Lebenszyklus auf einen Betrachtungszeitpunkt.[10] Da in der vorliegenden Arbeit komplette Geschäftsbeziehungen mit Kunden betrachtet werden sollen, ist die periodenübergreifende Bewertung auf Basis des Customer-Lifetime-Value Ansatzes die einzig relevante Methode.
Folgende fünf Anforderungen an ein Kundenwertmodell lassen sich auf Einzelkundenebene formulieren:
(1) Das Kundenwertmodell muss auf einzelne Kunden anwendbar sein
Die Bewertung von Kunden aus Anbietersicht findet häufig in Form von Bewertungen ganzer Märkte oder Marktsegmente statt.[11] Dabei werden Kunden anhand bestimmter Eigenschaften in Gruppen bzw. Kundensegmente eingeteilt, was im Massengeschäft ökonomisch sinnvoll sein kann. Allerdings stellt der individuelle Einzelkundenwert im Business-to-Business Bereich häufig das wesentliche Entscheidungskriterium für Managementmaßnahmen dar.[12] Zudem unterstützt die Bewertung der Attraktivität einzelner Kunden die Steuerung von Geschäftsbeziehungen. Es ist zu prüfen, ob die Geschäftsbeziehung mit einem einzelnen Kunden aufgrund der Bewertung als hinreichend bedeutend angesehen wird, um daraufhin das Erstellen eines Einzelkunden-spezifischen Marketingprogramms im Vergleich zu kundensegmentspezifischen Aktivitäten zu erwägen.[13] Somit wird eine Methode benötigt, die einen einzelnen Kunden separat vom gesamten Kundenstamm bzw. zusätzlichen potenziellen Kunden bewerten kann.
(2) Die Mehrperiodigkeit der Beziehung muss berücksichtigt sein
Da es in einer Geschäftsbeziehung durchaus möglich ist, dass ein Investitionsprojekt in der ersten Periode geringe oder sogar negative Rückflüsse einbringt, um dann umso höhere Rückflüsse in späteren Perioden zu generieren, kann eine einperiodische Betrachtung der Geschäftsbeziehung zu falschen Entscheidungen führen.[14] Da Aufwendungen für Akquisition und Kundenbindung zu Beginn einer Geschäftsbeziehung höher sind und somit schwankende Rückflüsse während einer Geschäftsbeziehung zu erwarten sind, ist eine mehrperiodische Betrachtung der Kundenbeziehung notwendig, um ein sachgerechtes Bild des insgesamt durch die Kundenbeziehung erzielbaren Wertbeitrages zu erlangen.[15]
(3) Zukunftsperspektiven aus der Kundenbeziehung müssen berücksichtigt werden und prognostizierbar sein
Bei der Entscheidung, ein potenzielles Geschäft mit einem Kunden nicht einzugehen, müssen Auswirkungen auf die spätere Entwicklung der Beziehung und somit auf mögliche Geschäfte mit dem Kunden in der Zukunft berücksichtigt werden.[16] Veränderungen in der Lebenssituation eines Kunden, wie z.B. der Berufseinstieg bei Privatpersonen, beeinflussen das Konsumverhalten bzw. die Beschaffungsentscheidungen gravierend und können nicht mit aus vergangenen Perioden ermittelten Durchschnittswerten erfasst werden.
Aufgrund der prospektiven Ausrichtung des Customer Lifetime Value (CLV) ist dieser Ansatz geeignet, die zukünftigen Potenziale eines Kunden zu erfassen. Durch Bestimmung des auf die Zukunft ausgerichteten Wertbeitrages des Einzelkunden und die Bewertung mit Hilfe von Methoden der dynamischen Investitionsrechnung betrachtet man die Einzelkundenbeziehung wie ein Investitionsobjekt.[17]
(4) Das Vorhandensein nicht-monetärer Potenziale sollte überprüft werden
In eine Bewertung sollten nach Möglichkeit alle aus einer Geschäftsbeziehung entstehenden Vorteile bzw. Nachteile, ebenso Chancen und Risiken einbezogen werden. Nicht-monetäre Potenziale könnten z.B. durch Cross-Selling-Möglichkeiten generiert werden, welche die Möglichkeit wiedergeben, zusätzliche komplementäre Produkte an den Kunden zu verkaufen. Ein weiteres nicht-monetäres Potenzial ist der Referenzwert, welcher durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda entsteht, die potentielle Kunden in ihrer Entscheidung positiv beeinflussen kann.[18] Genauso sind mögliche Auswirkungen auf andere Kunden einzubeziehen, wenn eine Einzelkundenbeziehung zu einem starken Konkurrenten anderer Kunden eingegangen wird.
(5) Die in einer Kundenbeziehungen entstehenden Einzelrisiken müssen in das Modell integriert werden können
Um Risikoaspekte in die Bestimmung des Einzelkundenwertes mit einzubeziehen, empfiehlt sich die Verwendung einer dynamischen Methode, die auf den Kapitalwert zurückgreift, da der Risikoeinbezug analog zur Investitionsrechnung erfolgen kann.[19] Dabei sind unterschiedliche, die Kundenbeziehung betreffende Einzelrisiken zu betrachten. Gerade bei der Bewertung einzelner Kunden sind die Auswirkungen der Einzelrisiken, beispielsweise das Risiko der Abwanderung, besonders gravierend, da sie sich nicht wie bei der Kundensegmentbewertung durch gegenläufige Entwicklungen anderer Kundenbeziehungen ausgleichen. In der Einzelkundenbewertung sind die Einzelrisiken in jeder Periode erneut individuell zu integrieren.
Der Customer Lifetime Value beschreibt den Wert eines Kunden für den Anbieter anhand der Zahlungsströme, bestimmt durch kundenbezogene Einzahlungen nach Abzug kundenspezifischer Auszahlungen. Die Bestimmung des CLV erfolgt auf Basis der aus der dynamischen Investitionsrechnung stammenden Kapitalwertmethode, bei der frühere Einzahlungen durch die Diskontierung eine höhere Gewichtung erhalten als spätere.[20] Der CLV entspricht dem Kapitalwert der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden, wobei ein positiver CLV eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung widerspiegelt.[21] Die Geschäftsbeziehung wird somit wie ein Investitionsobjekt betrachtet.[22] Einzelne Kunden lassen sich zukunftsorientiert bewerten, indem die erwarteten Einzahlungsüberschüsse des Kunden aus der Geschäftsbeziehung mit dem jeweiligen Kalkulationszinsfuß abdiskontiert und aufsummiert werden.
Der CLV wird anhand folgender Formel berechnet:[23]
(1) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten et: erwartete Rückflüsse aus der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden in Periode t at: erwartete Auszahlungen aus der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden in Periode t
i: Kalkulationszinsfuß
t=1,…,n Betrachtungszeitraum
n= vorrausichtliche Anzahl der Perioden, in denen der Kunde dem Unternehmen erhalten bleibt
Die einzelnen Größen wie die jährlichen Rückflüsse und Auszahlungen, der Kalkulationszinsfuß sowie die geplante Dauer der Geschäftsbeziehung müssen anhand von Erfahrungswerten bestmöglich geschätzt werden. Auszahlungen sind neben den Produktionskosten auch Kosten für Kundenbindungsmaßnahmen oder Kosten für die Akquisition eines Kunden, z.B. Kontrahierung, Reisekosten, Beratungskosten oder Werbemaßnahmen. Rückflüsse aus der Kundenbeziehung ergeben sich aus dem vereinbarten Produktpreis multipliziert mit der Absatzmenge.
Bei Betrachtung einer kompletten Geschäftsbeziehung anhand des CLV-Ansatzes kann die Idee des Lebenszykluskonzepts, nach der eine Geschäftsbeziehung verschiedene Phasen durchläuft und somit schwankende Kundenwerte hervorruft, integriert werden.[24] Die kundenspezifischen Auszahlungen sind zu Beginn der Geschäftsbeziehung aufgrund von erhöhten Werbe- und Kundenbindungsmaßnahmen hoch. Sie werden mit zunehmendem Andauern der Beziehung jedoch langsam geringer, da die Transaktionen effektiver ablaufen und weniger Kundenbindungsmaßnahmen durch die bestehende Zusammenarbeit notwendig sind.[25] Die Nachfragemenge ist zu Beginn der Beziehung zunächst als gering zu erwarten, steigt aber mit zunehmendem Vertrauen des Kunden in das Produkt des Anbieters, am Ende des Lebenszyklus ist aufgrund von Markteintritten neuer Wettbewerber mit einem Absinken der Nachfragemenge zu rechnen.[26]
Problematisch bei der CLV-Bewertung ist der Aufwand, der betrieben werden muss, um realistische Prognosen zu erhalten. Trotz guter Prognosen sind die Bewertungen mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren verbunden. Es ist also unbedingt erforderlich, Risikoaspekte in die CLV-Bewertung einzubeziehen. Die mit der Prognose der Cashflows verbundenen Risiken lassen sich auf verschiedene Weise berücksichtigen. Gängige Methoden zur Risikoberücksichtigung in der Investitionsrechnung sind die Risikozuschlagsmethode, die Sicherheitsäquivalentmethode sowie die simulationsbasierte Bewertung. Zu überprüfen ist, inwiefern eine Übertragung dieser Methoden auf die Einzelkundenbewertung möglich ist.
Der CLV als Bewertungsmechanismus ermöglicht es, mit nur einem Ergebniswert[27] eine Aussage über die Kundenattraktivität machen zu können.[28] Auswirkungen von Marketingaktivitäten auf den Cashflow können berücksichtigt werden und bei der Entscheidung, in den Kunden zu investieren, unterstützen. Das Konzept des CLV stellt somit trotz der Nachteile ein geeignetes Instrument zur Ermittlung des Kundenwerts dar und liefert eine fundierte Ausgangsbasis zum Einbezug von Risiken.
Bei einer Kundenbewertung auf Basis der Kapitalmethode müssen Prognosen über zu erwartende Rückflüsse durch den Einzelkunden erstellt werden. Da diese zukünftigen Rückflüsse nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden können, sind zunächst grundsätzlich zwei Arten von Unsicherheit zu unterscheiden, wobei die Unsicherheit hierbei die Möglichkeit einer Abweichung von den prognostizierten Größen beschreibt.[29] Abbildung 1 bildet die Klassifizierung von Unsicherheit graphisch ab:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klassifizierung von Unsicherheit[30]
Bei Ungewissheit besteht keinerlei Kenntnis über die Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher Umweltzustände. Unter Risiko dagegen lassen sich explizite Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen, die entweder auf objektiven oder auf subjektiven Wahrscheinlichkeiten beruhen.[31] Subjektive Wahrscheinlichkeiten basieren auf Einschätzungen einzelner oder mehrerer Entscheidungsträger. Objektive Wahrscheinlichkeiten werden hingegen entweder auf Basis von Häufigkeitsverteilungen aus der Vergangenheit mit statistischen Methoden empirisch bestimmt oder mit Hilfe von kombinatorischen Überlegungen - beispielsweise für Gewinnwahrscheinlichkeiten bei der Lotterie -ermittelt. Für die Bewertung von Einzelkunden werden vor allem subjektive Wahrscheinlichkeiten herangezogen. Diese werden beispielsweise auf Basis von Experteneinschätzungen und Erfahrungswerten bestimmt.
Das Risiko kann einseitig, also nur hinsichtlich negativer Abweichungen zukünftiger Zustände, oder zweiseitig hinsichtlich negativer und positiver Entwicklungen betrachtet werden (Einbezug von Risiken und Chancen).[32] Bei der Berücksichtigung von Risiken in der Einzelkundenbewertung können beide Sichtweisen relevant sein. Somit sind zunächst die für die Einzelkundenbeziehung relevanten Risiken zu identifizieren und hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu überprüfen.
Bei der Bestimmung des Einzelkundenwertes unter Risiko sind zunächst drei Dimensionen zu betrachten. Zunächst sind die für den Anbieter positiven Effekte aufgrund kundenbezogener Einzahlungen zu betrachten. Die negativen Effekte durch kundenbezogene Auszahlungen und die mit der Kundenbeziehung verbundenen Risiken werden identifiziert und zusammen mit den Einzahlungen zu sachlichen Kundenwertperspektiven zusammengefasst.[33] Abbildung 2 liefert einen Überblick über die zu betrachtenden Kundenwertperspektiven:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kundenwertperspektiven[34]
Für die drei sachlichen Dimensionen (kundenbezogene Einzahlungen, Auszahlungen und Risiko) ist jeweils die zeitliche Perspektive zu betrachten. Bei der zeitlichen Perspektive ist zunächst die Periodenanzahl zu betrachten. Die Entscheidung über die Anzahl der prognostizierten Perioden hängt sowohl vom erwarteten Kundenlebenszyklus als auch vom Planungshorizont des Bewertenden ab. Nachdem eine Entscheidung über die erwartete Dauer der Geschäftsbeziehung getroffenen wird, ist der Zahlungszeitpunkt der einzelnen Rückflüsse zu betrachten, welche den Zahlungsstrom über die jeweils folgenden drei Faktoren beeinflusst.
Der erste Faktor ist hierbei die Diskontierung, welche mit zunehmender Entfernung des Zahlungszeitpunkts vom Betrachtungszeitpunkt eine größere Gewichtung erhält. Durch die Diskontierung - in Abhängigkeit vom Diskontierungszinssatz - beeinflussen Zahlungen in der Zukunft den Wert im Betrachtungszeitpunkt tendenziell geringer. Zudem steigt mit dem zweiten Faktor, der Prognoseunsicherheit, das Risiko einer Abweichung vom prognostizierten künftigen Wert, je weiter eine Zahlung in der Zukunft liegt. Mit zunehmendem Zeithorizont steigt die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinschätzung in der Prognose. Dritter Einflussfaktor des Kalküls auf den Wert einer zukünftigen Zahlung ist die Unsicherheit über das Fortbestehen der Geschäftsbeziehung in der Zukunft, die ebenfalls mit dem zeitlichen Horizont zunimmt. Aus den beiden letzten Einflussfaktoren ergeben sich die hauptsächlichen Einzelrisiken, denen der Kundenwert eines einzeln betrachteten Kunden ausgesetzt ist.
So lassen sich die in Abbildung 3 dargestellten primären Einzelkundenrisiken identifizieren, auf die in den folgenden Analysen vertiefend eingegangen wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Primäre Einzelkundenrisiken[35]
Das Kundenabwanderungsrisiko beschreibt den möglichen Verlust aufgrund einer Beendigung der Geschäftsbeziehung durch den Kunden. Der Anbieter muss dieses Risiko in jeder Periode erneut berücksichtigen, da der Einzelkunde in jeder Periode die Entscheidung trifft, ob er bei dem betrachteten Anbieter bleibt oder zur Konkurrenz wechselt. Analog zum Abwanderungsrisiko ergibt sich jedoch auch die Möglichkeit, dass sich der betrachtete Kunde nach einer Abwanderung zur Konkurrenz entscheidet, zum betrachteten Anbieter zurückzukehren. Somit ergibt sich bei einer mehrperiodischen Betrachtung eines Kunden neben der Abwanderungswahrscheinlichkeit ebenso eine Zuwanderungs- bzw. Rückkehrwahrscheinlichkeit.
Das Risiko des Zahlungsausfalls gibt die Gefahr von Liquiditätsproblemen des Kunden wieder. Dieses Problem hat insbesondere dann große Auswirkungen, wenn der Anbieter in einer Geschäftsbeziehung in Vorleistung treten muss und für das Produkt, in das spezifisch investiert wurde, keine alternative Verwendung möglich ist. Diese Art von Geschäftsbeziehungen ist häufig in der Bauindustrie zu finden. Weiterhin ist eine Unterscheidung zwischen einem kompletten Zahlungsausfall und einer lediglich verspäteten Zahlung zu treffen. Erfolgt eine Zahlung aufgrund vorübergehender Liquiditätsengpässe des Kunden verspätet, fallen zusätzliche Kosten für den Anbieter durch eine möglicherweise notwendige Zwischen- oder Überbrückungsfinanzierung an. Zusätzliche kurzfristige Kredite müssen aufgenommen werden oder bereits geplante Investitionen können nicht durchgeführt werden. Der Wert einer solchen verspäteten Zahlung entspricht folglich nicht der Höhe der Zahlung, sondern muss um die entstandenen Kosten reduziert werden. Fällt eine Zahlung des Kunden gänzlich aus, beträgt der Cashflow in der betrachteten Periode Null und die Geschäftsbeziehung ist als beendet anzusehen.
Das Kundenplanungsrisiko entsteht durch Fehlprognosen der Rückflüsse, ausgelöst durch interne oder externe Einflüsse. Beispielsweise könnten die regulatorischen Rahmenbedingungen im Markt die Nachfrage des Kunden belasten, denkbar ist aber auch eine Veränderung in der Geschäftsstrategie des Kunden, die Auswirkungen auf sein Beschaffungsverhalten zeigt.[36] Dieses Risiko drückt sich durch Abweichungen vom prognostizierten Cashflow aus. Hier ist eine zweiseitige Risikobetrachtung möglich; es sind sowohl negative als auch positive Abweichungen denkbar. Steigt die Absatzmenge bzw. der Preis im Vergleich zur ursprünglich angenommenen Prognose, so wirkt sich dies selbstverständlich positiv auf den Cashflow der Kundenbeziehung aus.
Um eine Risikoanalyse durchzuführen, bieten sich verschiedene Methoden an. Es werden im folgenden die drei Methoden Risikozuschlagsmethode, Sicherheitsäquivalentmethode und Simulation vorgestellt, wobei der Einbezug der Methoden in die Einzelkundenbewertung in den Kapiteln 3 bis 5 näher analysiert und unter Anwendung eines Fallbeispiels bewertet wird. Im Kapitel 6 werden die Methoden kritisch gegenüber gestellt.
Sowohl die Risikozuschlagsmethode auf CAPM-Basis als auch die Sicherheitsäquivalentmethode verdichten periodenspezifische, mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtete Cashflow-Prognosen auf einen Wert.[37] Die Risikoberücksichtigung erfolgt entweder durch einen Risikozuschlag im Nenner der Diskontierungsformel oder im Zähler durch einen Abschlag auf den Erwartungswert der periodenspezifischen Cashflows.[38] Eine Simulation bietet die Möglichkeit, Risiken bei der Wertermittlung explizit über Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu erfassen und simultan in der Bewertung zu berücksichtigen.[39]
Die Risikozuschlagsmethode erfasst die Risiken, die im Laufe der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden auftreten können, zusammengefasst im Nenner der Diskontierungsformel. Der risikolose Zinsfuß wird um einen Risikozuschlag erhöht, somit werden Zeit- und Risikokomponente gemeinsam im Zinsfuß des Kalküls berücksichtigt.[40] Zur Bestimmung des um einen Risikozuschlag erweiterten Zinsfußes wird bspw. in der Unternehmensbewertung[41] auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgegriffen. Für das CAPM gelten folgende Annahmen[42]:
- Perfekt diversifiziertes Portfolio
- Keine Transaktionskosten und Steuern
- Keine Konkurskosten
- Vollkommene Informationstransparenz
- Möglichkeit, unbegrenzt Kapital zum risikofreien Zinssatz aufzunehmen und anzulegen
- Marktteilnehmer agieren als risikoscheue Vermögensmaximierer
Die Einzahlungsüberschüsse werden bei geschätzter Wahrscheinlichkeitsverteilung durch den Erwartungswert repräsentiert.[43]
[...]
[1] Vgl. Dhar/Glazer (2003), S. 87.
[2] Vgl. Lissautzki/Weber (2004), S. 8.
[3] Vgl. Eberling (2002), S. 167-226; Günter/Helm (2006), S. 15-23; Krafft/Rutsatz (2006), S. 278-287; Rudolf-Sipötz (2001), S. 31-62.
[4] Vgl. Plinke (1989) S. 117f.
[5] Vgl. Rese (2006), S. 295.
[6] Vgl. Eberling (2002), S. 42.
[7] Vgl. Plinke (1989), S. 117; Reich (2003), S. 82f.
[8] Vgl. Gleißner (2005), S. 5.
[9] Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S.31f.
[10] Vgl. Weber/Willauer (2000), S. 30.
[11] Vgl. Günter/Helm (2006), S. 5.
[12] Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 32.
[13] Vgl. Plinke (1989) S. 117f.
[14] Vgl. Schmöller (2001), S. 149f.
[15] Vgl. Plinke (1997), S. 23.
[16] Vgl. Rese (2006), S. 295.
[17] Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 1230.
[18] Vgl. Gelbrich/Wünschmann (2006), S. 595.
[19] Vgl. Stahl/Matzler/Hinterhuber (2006), S. 430.
[20] Vgl. Günter/Helm (2006), S. 306; Günter (2006), S. 244; Krafft/Rutsatz (2006), S. 278f; Rudolf-Sipötz (2001), S. 45.
[21] Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 1230f ; Link/Gerth/Voßbeck (2000), S. 146f.
[22] Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 1230f ; Werner/Beutin (2000), S. 26f.
[23] Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 1230; Weber/Willauer (2000), S. 29f.
[24] Vgl. Günter (2006), S. 244.
[25] Vgl. Link/Gerth/Voßbeck (2000), S. 149; Werner/Beutin (2000), S. 26.
[26] Vgl. Link/Gerth/Voßbeck (2000), S. 149f; Paul/Horsch/Stein (2005) S. 309.
[27] Zwar bestimmt die simulationsbasierte Bewertung ein mehrwertiges Ergebnis, dies ist jedoch auf die wiederholte Durchführung des gleichen CLV-Bewertungsmechanismus mit jeweils durch einen Zufallsmechanismus variierenden Parametern zurückzuführen und nicht bedingt durch den Bewertungsmechanismus an sich.
[28] Vgl. /Helm (2006), S. 23.
[29] Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 94.
[30] Vgl. Kaninke (2004), S. 4; Perridon/Steiner (2007), S. 94.
[31] Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 212.
[32] Vgl. Kaninke (2004), S. 7.
[33] Vgl. Lissautzki (2007), S. 129.
[34] Quelle: In Anlehnung an Lissautzki (2007), S. 130.
[35] Quelle: In Anlehnung an Lissautzki (2007), S. 204.
[36] Vgl. Lissautzki (2007), S. 204f.
[37] Vgl. Jödicke (2007), S. 167.
[38] Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 213; Tomaszewski (2000), S. 58.
[39] Vgl. Jödicke (2007), S. 168.
[40] Vgl. Tomaszewski (2000), S. 60.
[41] Vgl. Ballwieser (2004), S. 92; Dirrigl (1998), S. 554f.
[42] Vgl. Dinstuhl (2003) S. 25; Gleißner (2007), S. 240.
[43] Vgl. Siegel (1994), S.464.
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