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Mehr InfosBachelorarbeit, 2008, 47 Seiten
Bachelorarbeit
Universität Kassel (Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften)
1,0
1. Einleitung
2. Sicherheit und Innere Sicherheit
3. Freiheit und Sicherheit in der Staatsphilosophie: Liberaler und totaler Staat
3.1. Thomas Hobbes
3.2. John Locke
4. Die Grundlagen des liberalen Rechtsstaates
5. Maßnahmen der Bundesregierung zur Terrorismusabwehr ..S
5.1. Die Reaktion der Bundesregierung auf den RAF-Terrorismus
5.1.1. Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung
5.2. Die Reaktion der Bundesregierung auf den internationalen fundamentalistischen Terror
5.2.1 Das Sicherheitspaket I
5.2.2. Das Sicherheitspaket II
5.2.3 Evaluierungsergebnisse und Ergänzungsgesetze
5.3. TBG – Wahl des geeigneten Mittels?
6. Rechtsstaat versus Präventionsstaat
6.1. Vom Ende des Rechtsstaats? Hobbes´sche Tendenzen des „Präventionismus“
6.2. Angst, Bedrohung und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung
7. Alternativen
8 . Fazit
Literatur
Versicherung
Wenn ein Staat sich einer Bedrohung ausgesetzt sieht, die seine Herrschafts- – und Lebensform angreift, stellt sich die Frage nach den geeigneten Mitteln zur Gegenwehr. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit solchen Angriffen zwei Mal im Laufe ihrer Geschichte auseinandersetzen müssen; im „Deutschen Herbst“ der 70er Jahre und aktuell durch den Al Qaida Terrorismus. Beide Male waren die Herausforderer Terroristen, die den Rechtsstaat zum Ziele hatten. Die jeweiligen Regierungen reagierten schnell durch umfangreiche Gesetze. Nach dem 11.09.01 wurden zwei Sicherheitspakete in aller Eile geschnürt und auf den Weg gebracht, Ergänzungsgesetze folgten.
Damit hat ein Wandel der Inneren Sicherheit in Deutschland Einzug gehalten. Die neue Bedrohung, hat eine neue innerdeutsche Innen- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Dieser Wandel betrifft nicht nur die Diskussion über Einzelgesetze, sondern tangiert in gleichem Maße die Grundlagen unseres liberalen Rechtsstaates.
Die unvermeidliche Spannung zwischen Freiheit und Sicherheit wird angesichts dessen neu ausgelotet.
In welchem Ausmaß die Bedrohung durch den Terror sich gesetzgeberisch niedergeschlagen hat, und welche Folgewirkungen dies auf den Rechtsstaat und die demokratischen Grundrechte- und Werte hat, soll in dieser Arbeit dargelegt werden.
Unter diesen Gesichtspunkten soll die Sicherheitsgesetzgebung der vergangen sieben Jahre und der damit einhergehende Wandel des Sichersystems als Ganzes betrachtet und abschließend bewertet werden.
Dies macht im ersten Schritt eine Eingrenzung und genauere Definierung des Sicherheitsbegriffes generell und der Inneren Sicherheit im speziellen notwendig.
Eine Diskussion von Sicherheitspolitik in ihrer Wechselwirkung zu den Freiheitsrechten der Bürger macht es unerlässlich, die staatsphilosophischen Vorläufer unseres Verfassungsstaates mit einzubeziehen. Sie geben Zeugnis von den Ursprüngen, Entwicklungen und Lernprozessen der Staatstheorie auf der letztlich auch unser Staat fußt und in deren Tradition wir uns in verschiedener Weise befinden. Im Anschluss soll deshalb dargelegt werden, aus welchen grundsätzlichen Übereinkünften sich das Verständnis unseres liberalen Verfassungsstaates herleitet. Dies ist von Nöten, da Krisenzeiten Akteure verleiten, die Liberalität des Staates als Schwäche auszulegen. Wie genau dies geschieht und geschehen ist, soll am Beispiel des RAF-Terrorismus und der Reaktion des Staates dargestellt werden. Die zu diesem Anlass einsetzenden Veränderungen der Inneren Sicherheit erfuhren eine exponentiale Beschleunigung ab dem Jahr 2001. Die ab 2001 verabschiedeten Gesetze werden inhaltlich zusammengefasst und auf ihre freiheitsbeschränkende sowie sicherheitsstiftende Komponente hin untersucht. Die Diskussion über die Ablösung des Rechtsstaates durch den Präventionsstaat wird die aktuelle Debatte abschließend wiedergeben. Ziel ist es festzustellen, welche Auswirkungen die Bedrohung unseres Rechts- und Verfassungsstaates auf diesen selber haben können und ob die ergriffenen Mittel zur Abwehr dieser Gefahren ihrem Zweck dienlich sind.
Der Begriff der Sicherheit umfasst eine Vielzahl an Dimensionen und unterliegt aufgrund seiner Vielschichtigkeit einer großen Bedeutungsspannweite.
Sicherheit im allgemeinen meint die Abwesenheit von Gefahren und Bedrohungen.
Über die reine körperliche Unversehrtheit hinausgehend, werden im Staat auch politische, soziale und juristische Sicherheit gewährleistet.
Die soziale Sicherheit ist in Deutschland durch das Sozialstaatprinzip in Art. 20 des Grundgesetzes (GG) festgeschrieben. Der Erhalt eines gewissen wirtschaftlichen Standards und die Absicherung in Hinblick auf mögliche Lebenskrisen und deren sozialen Folgewirkungen wird damit gewährleistet.
Ebenfalls unter Art. 20 des GG gefasst, ist die Rechtssicherheit. Sie schützt den Bürger vor willkürlichen Eingriffen des Staates, regelt die Unversehrtheit von Rechtsgütern, sowie die Beachtung von anerkannten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der individuellen Lebensführung.
Politisch umfasst Sicherheit ein institutionelles Arrangement innerhalb einer politischen und sozialen Ordnung. Ziel ist der Schutz von Leben und Eigentum, sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die ausführenden Organe des staatlichen Gewaltmonopols.
In Deutschland zählen zu diesen Institutionen auf Bundesebene das Bundesministerium für Inneres (BMI), das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die Bundeszollverwaltung, das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI), das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) sowie der Generalbundesanwalt und der Bundesgerichtshof. Auf Landesebene sind die Landeskriminalämter (LKA), Landespolizeien, Feuerwehren und Ordnungsämter zuständig. Alle Institutionen und Einrichtungen des Staates, die mit der Aufgabe der Sicherheit beauftragt sind, sind in ihren Kompetenzen und Befugnissen dem Verfassungsrecht und dem Grundgesetz untergeordnet.
Der Begriff „Innere Sicherheit“ ist in keinem Gesetz inhaltlich festgelegt bzw. rechtsverbindlich geregelt. Alltagspraktisch ist darunter der Schutz vor Kriminalität und Extremismus zu verstehen; d.h. Maßnahmen die Kriminalität, Gewalt und sonstige Angriffe auf das gemeinschaftlich geregelte Zusammenleben verhüten und die Stabilität der Gemeinschaft sowie deren Schutz vor inneren Feinden zum Ziele haben.[1]
Damit bildet die Innere Sicherheit den Gegensatz zur äußeren Sicherheit; seit dem Aufkommen des international agierenden radikal-islamistischen Terrors wird allerdings von einer Entgrenzung zwischen diesen Sphären gesprochen.[2]
Sicherheit ist jedoch ebenso ein soziales Konstrukt, dass stark von der subjektiven Wahrnehmung der Bürger anhängig ist. Sicherheit beschreibt in dieser Hinsicht ein allgemeines Grundbedürfnis, dass eine Vergewisserung, ein „Verlassen können“ auf eine funktionierende Gefahrenabwehr und die Erhaltung des Status quo einschließt.
Kaufmann spricht in diesem Zusammenhang von einem „Wortsymbol einer gesellschaftlichen Wertidee“[3].
Der Umstand, dass die soziale Sphäre der Sicherheit von der subjektiven Wahrnehmung der Bürger getragen wird, deutet bereits an, dass die Wahrnehmung von Sicherheit nicht gleichbedeutend sein muss mit der tatsächlichen vorhandenen Gefahr.
Von staatlicher Seite ist der Schutz der Bürger voreinander, der Schutz vor dem Staat bzw. staatlicher Willkür, sowie die soziale Sicherheit verpflichtend. Ob es ein Grundrecht auf Sicherheit gibt, wie von Josef Isensee vertreten[4], wird vor allem von liberaler Seite bestritten.
Die Diskussion über das Für und Wider dieser These ist darauf zurück zuführen, dass ein Mehr an Sicherheit nur durch Einschränkungen der Freiheit zu erkaufen ist. Das von Isensee formulierte Grundrecht auf Sicherheit würde eine umfassende, einklagbare Schutzpflicht des Staates bedeuten, die ihn verpflichtet den Bürger von jedweder Beeinträchtigung ihrer Sicherheit zu bewahren. Dazu könnte er sich alle Befugnisse zum Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bedienen, die durch die Grundrechte des Grundgesetzes gerade abgewehrt werden sollen.[5]
Das sensible Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit und die Diskussion um die angemessene Abwägung ist indes keine neue Erscheinung. In welcher Weise beide Kategorien gewichtet werden sollen und inwiefern sie letztendlich die Legitimation der Institution Staat betreffen, ist schon in der frühneuzeitlichen und modernen Staatsphilosophie behandelt worden.
Thomas Hobbes Auffassung von den Aufgaben des Staates ist stark geprägt von den kriegerischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Der „Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates“ erschien 1651, im Kielwasser der englischen Glaubens- und Bürgerkriege.
Die anarchischen Zustände trugen ihren Teil bei zu dem negativen Menschenbild, welches Hobbes im Zuge seiner Beschreibung des vorstaatlichen Naturzustandes zeichnet (homo homini lupus) und schlagen sich in der Kompetenzausstattung des Souveräns bzw. Leviathans, des sterblichen Gottes, nieder.
Hobbes zufolge liegen in der menschlichen Natur die Übel der Konkurrenz, des Misstrauens und der Ruhmsucht angelegt, welche die Menschen dazu bringen, sich gegenseitig Gewalt anzutun. Da im Naturzustand keine Macht existiert, die den Menschen Einhalt gebietet, befinden sich die Menschen fortdauernd „in einem Zustand der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden.“[6]Der vorstaatliche Zustand ist somit ein Zustand der Angst. Ein jeder muss um sein Eigentum und sein Leben fürchten.
Unter diesen Prämissen leitet Hobbes die Notwendigkeit eines Vertrages ab, der die Abtretung der Rechte der Einzelnen auf einen Souverän regelt, auf dass „eine allgemeine Gewalt, die sie im Zaum halten und ihre Handlungen auf das Gemeinwohl hinlenken soll“ geschaffen wird.[7]
Der Vertrag eines jedem mit jedem, beinhaltet die Abgabe aller persönlichen Rechte, einschließlich des Selbstbestimmungsrechts auf den Souverän. Der eigene Wille und das eigene Urteil wird dem des Souveräns unterworfen:
„ Ich autorisiere diesen Menschen oder diese Versammlung von Menschen und übertrage ihnen mein Recht, mich zu regieren, unter der Bedingung, dass du ihnen ebenso dein Recht überträgst und all ihrer Handlungen autorisierst. – Ist dies geschehen, so nennt man diese zu einer Person vereinte Menge Staat.“[8]
Instrument der Friedenssicherung durch absolute Machtkonzentration ist der „dadurch erzeugte Schrecken“ der den Souverän in die Lage versetzt, „den Willen aller auf den innerstaatlichen Frieden und auf gegenseitige Hilfe gegen auswärtige Feinde hinzulenken“[9]
„Staat“ existiert nach Hobbes also nur dann, wenn der Souverän über diese unbeschränkten Souveränitätsrechte verfügt. Unbeschränkt ist die Macht des Souveräns deshalb, weil er Kraft des Vertrages den Willen aller repräsentiert und deswegen naturgemäß gar nicht in der Lage ist, den Untertanen ein Unrecht anzutun, denn der Wille des Souveräns wird dem Willen jedes Einzelnen gleichgesetzt. Dies erklärt auch, warum Hobbes den Untertanen kein Widerstandsrecht zugesteht. Seiner Logik folgend, ist ein Widerstandsrecht nicht erforderlich, da die Untertanen nicht gegen ihren eigenen Willen aufbegehren würden.
Der Vertrag konstituiert sich infolge dessen nicht zwischen Untertanen und Herrscher, sondern ausschließlich zwischen den Untertanen, jedoch nur zugunsten des Herrschenden.[10]
Hobbes Staatsverständnis fokussiert sich damit einzig auf die uneingeschränkten Rechte des Souveräns, die notwendig sind, um dem Staatsziel der Sicherheit nachzukommen.
Die zu verwendenden Mittel dafür liegen allein im Ermessen des Souveräns.
Die Furcht voreinander, welche die Untertanen im Zustand des Krieges jeder gegen jeden erleiden müssen, wird ersetzt durch die Furcht vor der Sanktion und Bestrafung durch den Souverän.
Mit allen Rechten und Mitteln ausgestattet, garantiert der hobbes ´sche Staat Sicherheit vor den Mitmenschen. Dafür büßen die Untertanen ihre Freiheit ein und unterliegen dem Willen und Urteil des Staates in jeder Hinsicht. Zwar erklärt Hobbes
„die Aufgaben und Pflichten des Oberherrn, sei es eine einzelne Person oder eine Gesellschaft, ergeben sich deutlich aus dem Zweck, zu welchen jeder Staat errichtet wird, nämlich dem Wohle des Volkes. (...) Zum Wohl des Volkes gehört aber nicht etwas nur Sicherheit des Lebens, sondern auch die dazu nötigen Bequemlichkeiten, welche sich jeder Bürger ohne Nachteil und Gefahr des Staates rechtmäßiger Weise erwarb und besitzt.“[11]
Jedoch ist es der Staat, der das Wohl des Volkes definiert. Ihm obliegt die Deutungshoheit und das Bestimmungsrecht über Freiheit, Meinung und Religionsausübung. Eigentum wird nur unter Genehmigung des Souveräns gewährt. Die Definition der Gerechtigkeit ist an die von ihm erlassenen Gesetze gekoppelt. Der Souverän legt die Besteuerung fest, entscheidet über Freund und Feind, über Zensur der Lehre und über Krieg und Frieden.[12]
Die Garantie der totalen Sicherheit, geschieht demnach durch totale Unterwerfung und Selbstentmündigung der Untertanen zugunsten des autoritären Staates.
Aufgrund dessen wurde Hobbes Vertragstheorie zur Legitimation absolutistischer Herrschaftsformen herangezogen.
Diese verlangten jedoch ihrerseits bald nach Zügelung; schließlich handelt es sich bei dem Souverän, dem Leviathan, um einen „sterblichen Gott“, letztlich also auch um einen Menschen, der die gleichen zerstörerischen Leidenschaften in sich tragen kann, wie die Menschen, die aufgrund dieser voreinander geschützt werden müssen.
Es bedurfte einer Mäßigung der Herrschaft, um der paternalistischen Einengung gesellschaftlicher Freiheit zu entgehen.
Dieser Wandel vollzog sich erst durch den liberalen Rechtsstaat. Seine Grundlagen legte John Locke.
In seinem 1690 erschienen Werk „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ entwirft Locke einen Staat, der sich eben nicht durch die Abgabe aller Rechte auf einen Souverän konstituiert, sondern dessen Grundfunktion es ist, die bürgerlichen Freiheitsrechte zu schützen, unter welche er Leben, Freiheit und Besitz fasst.
Die staatsphilosophischen Auffassungen von John Locke unterscheiden sich auch deshalb von denen Thomas Hobbes´, weil die Grundvoraussetzungen andere sind. Lockes Menschenbild und daraus folgend seine Idee des Naturzustandes sind weit weniger pessimistisch. Der Naturzustand ist für Locke ein Zustand „vollkommener Freiheit“ und „Gleichheit“[13]in dem jeder „innerhalb der Grenzen der Natur“ über sein Leben, seine Handlungen und über seinen Besitz verfügen kann, wie es ihm beliebt. Im Gegensatz zu den Wölfen die sich bei Hobbes gegenseitig zerfleischen, kennzeichnet sich Lockes Naturzustand durch ein Miteinander des „Friedens, des Wohlwollens und der gegenseitigen Erhaltung“[14]. Einziger Makel des vorpolitischen Zustandes ist das Fehlen überparteilicher Instanzen, welche die Übertretung der Naturrechte ahnden. Da im Naturzustand jeder befugt ist, Übertretungen der Gesetze zu bestrafen, kann die ausufernde Selbstjustiz aber einen Zustand des Krieges hervorrufen.[15]Die Probleme die es zu bewältigen gilt, sind zum einen der Interpretationsrelativismus des Naturrechts und zum zweiten die unkontrollierte Privatjustiz.
Um diese zu vermeiden, erklärt Locke die Notwendigkeit einer institutionalisierten politischen Durchsetzung des Naturrechts. Zu diesem Zwecke wird ein Vertrag geschlossen, durch den die Bürger diejenigen ihrer natürlichen Rechte abtreten, die zum Erhalt des Allgemeinwohls notwendig sind. Es bildet sich die politische Gesellschaft. Die Gemeinschaft überträgt ihre Autorität an eine übergeordnete Instanz, die „nach festen, stehenden Regeln zum unparteiischen und einzigen Schiedsrichter für alle“[16]wird. „Das große Werkzeug und Mittel“, um „das große Ziel“, den friedlichen und sicheren Genuss ihres Eigentums zu verwirklichen, sind die Gesetze die die Gesellschaft erlässt und die durch den Staat durchgesetzt werden.[17]
Die politische Gesellschaft bildet sich zur Schaffung eben jener Instanzen: Zur Festlegung eines bekannten und geordneten Gesetzes, zur Benennung eines überparteilichen Richters und zur Schaffung einer ausführenden Gewalt, welche die Gesetze vollzieht und ihnen dadurch Rückhalt und Gültigkeit verschafft.[18]
Legitimiert wird die staatliche Gewalt durch den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte, sie wird durch diese aber auch gleichzeitig limitiert. Die Staatsfunktion bezieht sich auf die Sicherung der Grundrechte und der privaten Güter. Anders als bei Hobbes, ist der Staat aber ebenfalls an den Vertrag gebunden. Die Bürger geben ihre Rechte nicht ab, sondern übertragen sie in Form einer konstitutionellen Gewaltenteilung an den Souverän, der nur im Rahmen der natürlichen und positiven Rechte autorisiert ist, dem Zweck des Allgemeinwohls zu folgen.
Die Abgabe aller Rechte ist nach Locke gar nicht möglich, da die natürlichen Rechte der Menschen überzeitlich und universell gültig und dadurch unveräußerlich sind.
Ein wichtiger Unterschied liegt bei Locke im Vergleich zu Hobbes darin, dass die Menschen die sich zur politischen Herrschaft zusammenschließen, ein Widerstandsrecht besitzen, dass sie gegen die Regierung einsetzten können, wenn diese ihre Kompetenzen überschreitet:
„Der Grund, aus dem die Menschen in eine Gesellschaft eintreten, ist die Erhaltung ihres Eigentums, und der Zweck, zu dem sie eine Legislative wählen und bevollmächtigen, ist, dass Gesetze erlassen und Regeln festgelegt werden, um das Eigentum aller Glieder der Gesellschaft zu bewachen und zu beschützen und so die Gewalt und die Herrschaft jedes Teiles und Gliedes der Gesellschaft zu beschränken und zu mäßigen. Denn es kann niemals als Wille der Gesellschaft vorrausgesetzt werden, dass die Legislative eine Macht habe, das zu vernichten, was jeder einzelne mit seinem Eintritt in die Gesellschaft zu sichern bezweckte und um dessentwillen das Volk sich Gesetzgebern unterwarf, die es selbst ernannt hatte. Wann immer daherdie Gesetzgeber bestrebt sind, dem Volk sein Eigentum zu nehmen und zu vernichten(...) oder unter ihre willkürliche Gewalt zu bringen, versetzen sie sich dem Volk gegenüber in einen Kriegszustand.“[19]
Auf diese Weise äußert sich die Limitiertheit der übertragenden Regierungsrechte, die sich gleichzeitig durch den Schutz der Freiheitssphären der Individuen gegenüber dem Staat ausdrückt.
Denn Freiheit bedeutet für Locke die Abwesenheit „von absoluter und willkürlicher Gewalt“[20]. Und dies ist nicht nur auf das Verhältnis zwischen den Menschen untereinander, sondern auch auf das Verhältnis der Staatsmacht zu den Untertanen oder Bürgern zu beziehen.
Auf der Verteidigung der individuellen, erzwingbaren Untertanenrechte liegt im Vergleich zu Hobbes Souveränitätsvorstellung das entscheidende Moment; damit legt Locke den Grundstein für die Herausarbeitung und Begründung der Idee des liberalen Rechtsstaates.[21]
Der Staat ist gleichermaßen formal an das gegebene Gesetz gebunden, wie auch materiell den bürgerlichen Freiheitsrechten verpflichtet.
Die Austarierung von Sicherheit und Freiheit wird klar justiert: Eine Freiheitseinschränkung ist nur dann zulässig, wenn sie zur Gewährleistung der Sicherheit ausdrücklich erforderlich ist.
Unser liberaler Rechtstaat der heutigen Zeit steht in Tradition John Lockes. Um die entscheidenden Änderungen und Eingriffe der Sicherheitsgesetze nachvollziehen zu können, muss zunächst auf die wichtigsten verfassungsrechtlich festgelegten Freiheitsräume eingegangen werden, die zu den Grundlagen des Rechtsstaates gehören:[22]
Dieser definiert sich zum einen über die Tatsache, dass er seine Organe sich nur im Rahmen der bestehenden Gesetze bewegen dürfen und er die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger garantiert, es herrscht der Grundsatz der Rechtssicherheit. Staatliche Entscheidungen müssen durch unabhängige Gerichte überprüft werden können. Es gelten die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit. Die Gewaltenteilung sowie der Schutz vor staatlicher Willkür muss gewährleistet sein.[23]
1. Autonomie des Menschen
Die Souveränität geht vom Volke aus. Dies impliziert bereits, dass der Einzelne Legitimationssubjekt der Verfassung ist. Die Freiheit des Individuums ist damit konstitutiv für die Verfassung, die gleichzeitig im Dienste des Schutzes dieser Freiheit steht. Der individuelle Freiheitsschutz umspannt die persönliche Entfaltung, wie auch die Förderung der Demokratie als solcher durch die Erhaltung einer pluralen und offenen Gesellschaft.
Dies führt zu einer „Zentralität des Menschen als Ausgangspunkt für die Rechtsordnung“[24]. Im Grundgesetz schlug sich dies nieder in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“
2. Grundrechte
Diese sind wichtigstes Instrument zum Schutz der individuellen Freiheit. Sie sind, so das Bundesverfassungsgericht im so genannten Lüth-Urteil, „in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern.“[25]Durch sie soll willkürliche Herrschaft ausgeschlossen werden. In den einklagbaren Grundrechten spiegelt sich die locke´sche Staatsauffassung wieder. In besonderem Maße tangiert wurden durch die neuen Gesetze seit 2001 vor allem Art. 2 Abs. 1 GG, das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (ebenfalls Art.2); die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3) sowie das in Art. 16a GG festgelegtes Asylrecht, das in Art. 10 festgelegte Post – und Fernmeldegeheimnis und schließlich das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art.13).
Eine Einschränkung der Freiheitsrechte darf nach Artikel 19 GG nur dann geschehen, wenn dies den Wesensgehalt der Grundrechte nicht antastet. Die Änderungen müssen zudem einem höheren Rechtsgut dienen oder sich durch Berufung auf wichtige Gemeinschaftsgüter rechtfertigen.
3. Rechtsschutz
Der Artikel 19 des GG Abs. 4 hält überdies fest, dass jedem Bürger der Rechtsweg offen steht, der in seinen Rechten durch staatliche Eingriffe verletzt wird.
Es besteht jedoch die Möglichkeit (insbes. betreffs des Post - und Fernmeldegeheimnisses), dass an die Stelle des Rechtsweges die Beurteilung durch ein parlamentarisches Kontrollgremium gesetzt wird (vgl. Sicherheitspaket II), wenn der Eingriff dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dient. Die Beschreitung des Rechtsweges ist jedoch nur möglich, wenn die betreffende Person überhaupt davon in Kenntnis gesetzt wird, dass sie überwacht wird oder wurde.
4. Gewaltenteilung
Die Gewaltenteilung des Rechtsstaates bezieht sich sowohl auf die horizontale, als auch auf die vertikale Ebene. Die Gewalten sind auf Bundesebene und zwischen Bund und Ländern geteilt. Die Teilung geht in Deutschland über die klassische Teilung von Exekutive, Legislative und Judikative hinaus, da sie durch die föderalistische Struktur der BRD ausdifferenziert wird. Anders als beispielsweise in den USA, ist der Vollzug des Bundesrechts Sache der Länder, während nur in Ausnahmefällen eine Bundesverwaltung zum Tragen kommt. Die Macht der Exekutive ist auf die Regierungsebene beschränkt. Intention dieser Regelungen ist eine Vermeidung von Machtkonzentrationen auf einer Ebene.
Dies wirkt sich auch entsprechend auf die zugedachten Befugnisse der Sicherheitsbehörden aus.[26]Nachrichtendienst und Strafverfolgungsbehörden sind getrennt. Die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder auf dem Gebiete der Kriminalpolizei sowie des Verfassungsschutzes fällt zwar in die Kompetenz des Bundes; jedoch sind die Strafverfolgung und Gefahrenabwehr ausschließlich Sache der Länder.[27]Die Verfassungsschutzbehörden haben keine polizeilichen Befugnisse. Auch hier liegt die Intention zugrunde, dass es keine Ballung von Eingriffsbefugnissen innerhalb einer Bundesbehörde geben soll, die in die Kompetenzen der Länder übergreifen kann. Aufgrund dessen dürfen Verfassungsschutz und Nachrichtendienste nicht mit der Polizei zusammengelegt werden. Entsprungen sind diese Trennungen dem Wunsch, freiheitssichernde Mechanismen innerhalb der Sicherheitsstrukturen zu installieren und das Entstehen von Zentralstellen wie dem „Reichssicherheitshauptamt“ zu verhindern.
Über die historisch bedingte Vorsicht hinaus gehend, legitimieren aber auch verschiedene materielle Gründe das Trennungsgebot[28]: die Verschiedenheit der Aufgaben von Verfassungsschutz und Polizei, die Verschiedenheit der Befugnisse der Behörden, sowie die Verschiedenheit der Arbeitsweisen. Das Trennungsgebot umfasst also mannigfaltige
[...]
[1]Jesse, Eckhard: Innere Sicherheit. In: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003.
[2]u.a. Gusy, Christoph: Die Vernetzung innerer und äußerer Sicherheitsinstitutionen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Herausforderung Terrorismus. Die Zukunft der Sicherheit. Wiesbaden 2004, S. 194–224.
[3]Franz Xaver Kaufmann, zitiert bei: Glaeßner, Gert-Joachim: Sicherheit und Freiheit. In: Aus Politik und Zeitgeschichte: Verwundbarkeit hochindustrieller Gesellschaften. B 10-11/2002, S. 3.
[4]vgl. Isensee, Josef: Das Grundrecht auf Sicherheit, Berlin 1983.
[5]Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine: Auf dem Weg in den autoritären Staat. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Band 1/2008, S. 61-71.
[6]Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hrsg. und eingel. von Iring Fetscher. Übersetzt von Walter Euchner. Frankfurt a. Main 1991, S. 94.
[7]Ebd.
[8]Ebd. S. 135.
[9]Ebd.
[10]Schlottky, Richard: Untersuchungen zur Geschichte der staatsphilosophischen Vertragstheorie im 17. und 18. Jhd. Mit einem Beitrag zum Problem der Gewaltenteilung bei Rousseau und Fichte. Amsterdam 1995, S.11 ff.
[11]Thomas Hobbes zitiert nach: Hamidi, Laila: Anlass, Durchführung, Folgen und Kritik der Anti-Terrorgesetzgebung der Bundesregierung nach dem 11.09.2001. Kassel 2005, S. 31.
[12]Vgl. Speth, Rudolf: Thomas Hobbes. Ausgewählt und interpretiert von Rudolf Speth. In: Massing, Peter/Breit, Gotthard (Hrsg.): Demokratie-Theorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. Texte und Interpretationen. Bonn 2005, S. 99-105.
[13]Locke, John: Zwei Abhandlungen über die Regierung. Hrsg. und eingel. von Walter Euchner. Frankfurt a. Main 1977, § 4.
[14]Ebd. § 19.
[15]Ebd.
[16]§ 87.
[17]§ 134.
[18]§ 124, § 125.
[19]§ 222.
[20]§ 23.
[21]Schlottky: Untersuchungen zur Geschichte der staatsphilosophischen Vertragstheorie im 17. und 18. Jhd., S. 17.
[22]Siehe dazu auch Lepsius, Oliver: Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheitsrechten in der BRD nach dem 11. September 2001. Im Internet unter www. aicg.org./documents/lepsius.pdf S.7 ff. sowie Thurich, Eckard: pocket.politik.. Demokratie in Deutschland. Bonn 2006.
[23]Thurich, Eckhard: Demokratie in Deutschland.
[24]Lepsius, Oliver: Sicherheit unf Freiheitsrechte nach dem 11. September 2001, S. 7ff.
[25]Zitiert bei Kutscha, Martin: Mehr Sicherheit durch weniger Freiheit? In: Humanistische Union (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr. Berlin 2003, S. 34.
[26]Lepsius, Oliver: Sicherheit und Freiheitsrechte nach dem 11. September 2001, S. 9.
[27]Art. 73 Abs. 1 Nr. 10, 87 Abs. 2 GG.
[28]eine detaillierte Ausführung zum Trennungsgebot findet sich bei Gusy, Christoph: Trennungsgebot. Tatsächliches oder vermeintliches Hindernis für effektive Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus? Im Internet unter http://www.jura.uni-bielefeld.de/Lehrstuehle/Gusy/Veroeffentlichungen_Vortraege/TERRORISMUSTRENNUNG.pdf.
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