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Mehr InfosDiplomarbeit, 2007, 144 Seiten
Diplomarbeit
Humboldt-Universität zu Berlin (Soziologie, Sportwissenschaft)
1,3
1. EINLEITUNG
1.1 Problemstellung - Zielsetzung
2. MIGRANTEN IN DEUTSCHLAND
2.1 Der lange Weg in das Einwanderungsland Deutschland
2.2 Migrantensozialisation – Zwischen Aufnahme- und Herkunftsgesellschaft
2.2.1 Familie im Wandel
2.2.2 Identitätsfindung
3. PARTIZIPATIONSFORMEN VON MIGRANTEN AM ORGANISIERTEN SPORT?
3.1. Gesellschaftliche Partizipation der ethnischen Minderheiten allgemein und im Sport
3.2. Die Integration von Migranten in deutschen Sportvereinen
3.2.1 Das Programm „Integration durch Sport“
3.2.2 Fazit
3.3 Die Integration von Migranten in eigenethnischen Sportvereinen
3.3.1 Entstehung, Funktionen und Dysfunktionen Ethnischer Kolonien
3.3.2 Entstehungsprozesse eigenethnischer (Sport)Vereine
3.3.3 Der eigenethnische Verein: Integrationshindernis oder Mittel zur Binnenintegration?
3.3.5 Fazit
3.4 Migrantinnen – Sportinteressiert doch sportabstinent
3.4.1 Lebenslagen muslimischer Frauen in Deutschland und deren Auswirkungen auf das Sportengagement
3.4.2 Sportengagement bei türkischen Muslima – Ein Drahtseilakt zwischen zwei Welten
3.4.3 Modellprojekte zur Integration von Migrantinnen im und durch den Sport
3.4.4 Fazit
4. ETHNISCH-KULTURELLE KONFLIKTE IM SPORT
4.1 Ursachen für ethnisch-kulturelle Konflikte im Sport
4.1.1 Das Problem der körperlichen Fremdheit
5. EXKURS: WANN IST MAN INTEGRIERT?
5.1 Ausgewählte Theorien aus der Migrationsforschung
5.1.1. Die Assimilationstheorie von Milton M. Gordon
5.1.2 Die Assimilationstheorie von Hartmut Esser
6. MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DES SPORTS BEI DER INTEGRATION VON MIGRANTEN
6.1 Potentiale und Risiken des Sports als Feld sozialer Integration
6.2 Wie kann der Sport(verein) sein integratives Potential entfalten?
6.2.1 Interkulturelles Lernen in multikulturellen Gesellschaften
6.2.2. Interkulturelles Lernen im Sport
6.2.3 Voraussetzungen für interkulturelles Lernen im Sport
6. ANGEWANDTE SOZIALFORSCHUNG: DER EIGENETHNISCHE VEREIN: INTEGRATION ODER SEGREGATION?
6.1 Untersuchungsinstrument
6.2 Inhalt der Untersuchung
6.3 Auswahl der Befragten
6.4 Durchführung der Interviews
6.5 Auswertungsmethode
6.6 Interpretative Darstellung der Untersuchungsergebnisse
6.6.1 Erfahrungen der türkischen Befragten im deutschen Fußballverein
6.6.2 Gründe für den Wechsel in den eigenethnischen Verein
6.6.3 Konflikte zwischen deutschen und türkischen Mannschaften
6.6.4 Der Einfluss von Schiedsrichtern, Fußballverband und Sportamt auf die interethnischen Beziehungen
6.6.5 Der türkische Sportverein: Integration vs. Segregation
6. 7 Diskussion der Ergebnisse
7. FAZIT UND AUSBLICK
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS
BILDNACHWEIS
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Kontroverse Debatten um Integrationsfragen sind dauerpräsent in den deutschen Medien: „Ehrenmorde“, Zwangsehen, Hilferufe von Lehrern aus ethnischen Kolonien in Berlin, oder Ausschreitungen in den Pariser Vorstädten lieferten hier medienwirksame Anlässe. Integration ist ein gesellschaftspolitisches Thema, das immer dann in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, wenn Defizite in der Eingliederungspolitik sichtbar werden.
Die Diskussionen sind dabei häufig von Gemeinplätzen begleitet. Je nach Einschätzung der Integrationssituation werden Parallelgesellschaften angeprangert oder Multi-Kulti-Utopien beschworen. Als Reaktion auf die angespannte Lage zwischen ethnischen Minderheiten und Mehrheitsgesellschaft, berufen sich Politiker gerne auf den Sport.
Die Welt des Sports ist eine bunte. In den Nationalmannschaften Deutschlands sind Sportler jeglicher Hautfarbe vertreten. Fußballnationalspieler, mit Namen, wie Asamoah, Klose und Odonkor sind gefeierte Stars. Der Sport ist ein positiv besetzter Lebensbereich und verleitet Funktionäre und Politiker auf der Jagd nach Wählerstimmen dazu ihn als das ideale Integrationsmedium anzupreisen:
„Sport ist nicht Mittel zur Integration, Sport ist Integration“ (DOSB 2007)
Dieses Zitat von DOSB-Präsident Thomas Bach ist nur eines von zahlreichen Beispielen. Insbesondere dem organisierten Sport werden dabei positive soziale Funktionen zugeschrieben. Den wissenschaftlichen Beleg bleiben die Betroffenen schuldig.
Was also kann der Sport tatsächlich leisten? Wo liegt, jenseits leerer Floskeln, sein Potential und wo birgt er Risiken?
Die Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer erklärt:
"Sport ist einer der wichtigsten Integrationsmotoren in unserem Land" (Bundesregierung 2007)
Derartige Statements implizieren einerseits, dass eine hohe Sportbeteiligung der Migranten[1] gegeben sei und anderseits eine quasi automatische Eingliederungsgarantie durch die sportliche Teilnahme gewährleistet würde.
Ausgehend von dieser öffentlichen Diskussion stützt sich die nachfolgende Arbeit auf folgende Fragestellungen:
- In welchem Maße unterscheidet sich die Lebewelt von Migranten, von der Einheimischer?
- In welcher Zahl und Organisationsform sind Migranten im Vereinsport präsent?
- Wie wirkt sich die Art der Sportorganisation auf die Integration von Migranten aus?
- Welche Prozesse sind verantwortlich für ethnisch-kulturelle Konflikte?
- Wie muss sich der organisierte Sport aufstellen, um sein integratives Potential zu entfalten?
Ausländer sind alle Personen, die nicht im Besitz eines deutschen Passes sind, unabhängig ob sie in Deutschland geboren wurden oder nicht. Die ausländische Wohnbevölkerung liegt seit 1996 relativ konstant bei 6,7 Mio., was einem Ausländeranteil von 8,1 % an der Gesamtbevölkerung entspricht (Vgl. Özcan 2005, 4).
Zählt man zu den Ausländern, alle Personen, die vom statistischen Bundesamt als „Personen mit Migrationshintergrund“ betrachtet werden (u.a. Spätaussiedler, Kinder, die Kraft Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben), steigt die Zahl auf 15,3 Mio. Menschen, was einem Anteil von 19% der Bevölkerung entspricht (Vgl. Luft 2006, 32-33).
Abb.1: Ausländische Bevölkerung nach Staatsangehörigkeit 2003
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(In Özcan, 2005, 4)
Eine erfolgreiche Integrationspolitik ist von erheblichem staatlichem wie gesellschaftlichem Interesse. Sie bewahrt einerseits die innere Sicherheit und verhindert anderseits eine dauerhafte Überbeanspruchung der Sozialsysteme. Daher sollte das Ziel der Integrationspolitik sein, allen dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Personen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion gleiche Partizipationschancen zu ermöglichen. Die Aufnahmegesellschaft muss dafür Integrationsbedingungen anbieten, während die Zuwanderer sich selbst aktiv um Eingliederung bemühen sollten (Vgl. Luft 2006, 316-317).
Lange Zeit wurde in Deutschland jedoch keine aktive Eingliederungspolitik betrieben, da in der Öffentlichkeit eine kontroverse Diskussion um die Kategorisierung der Einwanderungsprozesse geführt wurde.
Als die ersten ausländischen Arbeiter ab 1955 und in verstärktem Maße nach 1961 angeworben wurden, sahen alle in den Prozess involvierten Parteien, die Situation als vorübergehend an: die Arbeitgeber, die Herkunftsländer, die Aufnahmegesellschaft und auch die „Gastarbeiter“ selbst. Man ging von einer zeitlich begrenzten Beschäftigung nach dem „Rotationsprinzip“ aus. Doch dieses System funktionierte nur teilweise. Aus Kostengründen, wollten die Arbeitgeber ihre Angestellten weiter beschäftigen, da diese schon eingearbeitet und sozialisiert waren. Auch die „Gastarbeiter“ hatten weiterhin die Absicht in ihre Heimatländer zurückzukehren, doch wurden dieses Vorhaben immer wieder aufgeschoben (Vgl. Heckmann 2003, 51)
In der Anwerbephase von „Gastarbeitern“, die bis 1973 anhielt, spielte die Integration in die deutsche Gesellschaft keine Rolle. Der Anwerbestopp von 1973 sollte zu einer Abnahme der ausländischen Bevölkerung führen, doch das Gegenteil geschah: Aufgrund von Familiennachzügen wuchs die ausländische Bevölkerung stetig an. Diese Situation erforderte eine Neudefinition der Lage. Die Sprachregelung der Bundesregierung lautete fortan: „Deutschland ist kein Einwanderungsland“.[2]
Da die Bundesrepublik Deutschland sich nicht als Einwanderungsland sah, existierte abgesehen vom Ausländerrecht und seinen Ausführungsbestimmung lange kein Konzept infrastruktureller, sozial- und bildungspolitischer Maßnahmen. Ausländerpolitik bedeutete vor allem Arbeitsmarktpolitik (Vgl. Meier-Braun 2002, 30-31).
Es wurden ferner keine Institutionen und Gesetze geschaffen, die Zuwanderern eine Zukunft als deutsche Staatsbürger in Aussicht stellten.[3]
Mit einigen Abweichungen wurde diese Linie der Ausländerpolitik bis 1998 fortgeführt (Vgl. ebd., 52). Indes verzeichnete Deutschland noch vor klassischen Einwanderungsländern wie den USA und Kanada, die weltweit höchste Einwanderungsquote (Vgl. Meier-Braun 2002, 60).
Trotz der Verkennung der Einwanderungssituation, begann sich die Politik Mitte der 70er Jahre Gedanken über konkrete Integrationsmaßnahmen zu machen. So sollten Migranten zunächst verstärkt über Kirchen und andere soziale Einrichtungen integriert werden. 1978 reagierte auch die Bundesregierung und richtete ein Büro für den „Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen“ ein. Es entstand ein schizophrener Zustand: dieser war gekennzeichnet durch die Leugnung der Einwanderungssituation auf der einen Seite und die Anerkennung der Notwendigkeit von Integration auf der anderen. Durch das Eingliedern der Migranten in das Sozialsystem Deutschlands wurde die Bindung an die Aufnahmegesellschaft noch verstärkt (Vgl. Heckmann 2003, 52).
Von 1990 bis zum rot/grünen Regierungswechsel 1998 entbrannte die Zuwanderungsdebatte erneut, nur konzentrierte sich die Diskussion nun auf die Asylbewerber und nicht mehr auf die „Gastarbeiter“. Nachdem das Asylverfahrensgesetz bereits über 30 Mal verändert worden war, trat am 1. Juli 1993 eine Novellierung des Gesetzes in Kraft, die das Grundrecht auf Asyl erheblich einschränkte.
Aussiedler wurden im Gegensatz zu anderen Einwanderungsgruppen von der Bundesregierung mit sozialpolitischen Maßnahmen und Integrationshilfen unterstützt. Diese Situation war für die „Gastarbeiterfamilien“, die seit Jahrzehnten in Deutschland wohnten nicht nachvollziehbar. Während die Aussiedler Vorteile genossen, wurden öffentlich über die Legitimität des Aufenthaltsrecht der eigenen Kinder diskutiert (Vgl. Meier-Braun 2002, 72-80).
Mit dem Regierungswechsel 1998 erkannte die Bundesregierung erstmalig die Einwanderungssituation in Deutschland offiziell an. Das Resultat dieser Neudefinierung war das Einbürgerungsgesetz von 1999.
In den Jahren 2000/2001 entwickelte sich die gesellschaftliche Definition von Einwanderung weiter. Die Opposition (CDU/CSU) bezeichnete Deutschland zwar nicht als klassisches Einwanderungsland, erkannte aber mit Blick auf den Arbeitsmarkt und aus demographischen Gründen an, dass eine beschränkte Zuwanderung notwendig sei. Engpässe auf dem Arbeitsmarkt, speziell in der IT – Branche, machten das Anwerben von Fachkräften notwendig. Darüber hinaus wurde Zuwanderung als Strategie erkannt, um die sozialen und ökonomischen Konsequenzen des demographischen Wandels bewältigen zu können (Vgl. Heckmann 2003, 53).
Im Jahr 2000 wurde eine unabhängige Kommission „Zuwanderung“ unter der Leitung der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) gegründet. Die Kommission setzte sich zusammen aus Politikern und Experten repräsentativer Organisationen der deutschen Gesellschaft: Gewerkschaften, Kirchen, Nicht-Regierungsorganisationen. Mit dem Endbericht der Kommission lieferten auch die Parteien CDU, CSU, SPD und FDP Positionspapiere zum Thema Zuwanderung ab, deren Schlussfolgerungen den Ergebnissen der offiziellen Kommission sehr ähnlich waren. Im Vergleich zu Konflikten aus früheren Jahren bestand jetzt erstmalig relativ große Einigkeit u.a. darüber, dass Deutschland Einwanderer brauche. Diese Entwicklung hat die Basis für eine neue gesellschaftliche Definition der Zuwanderungssituation gestärkt. Qualifizierte Einwanderer wurden nun als Potential betrachtet. Alles in allem war es der größte Konsens in der Geschichte der Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg und Basis für eine zeitgemäßere Zuwanderungspolitik.[4]
Dieser Abriss der Migrationspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg zeigt, dass die deutsche Ausländerpolitik über Jahrzehnte unberechenbar und nicht immer nachvollziehbar war. MEIER-BRAUN findet des Weiteren zahlreiche Beispiele für die Instrumentalisierung der Migrationspolitik, bei denen es weniger um die Sache als um eigene, parteipolitisch motivierte Profilierung ging. Migranten wurde somit eine Integration auf vielen Ebenen erschwert.[5]
Zudem sind Einwanderer dem Stress ausgesetzt, den der Wanderungsprozess mit sich bringt: Sie müssen eine Balance zwischen den Wertsystemen der Herkunfts- und der Aufnahmegesellschaft finden. Auf diesen Sozialisationsprozess bzw. Resozialisationsprozess soll im folgenden Kapitel eingegangen werden.
Um die Bedürfnisse von Migranten im Sport besser einschätzen zu können, muss zunächst ermittelt werden, inwieweit sich der Sozialisationsprozess der Zuwanderer von dem der Einheimischen unterscheidet. Dabei macht HECKMANN deutlich, dass weder aus interethnischer noch aus innerethnischer, sozioökonomischer und kultureller Sicht von der Migrantenfamilie gesprochen werden kann. Er bezieht sich auf Hopf und Alba die starke Unterschiede im Bildungsverhalten und -erfolg zwischen verschiedenen ethnisch nationalen Gruppen aufgezeigt haben (Vgl. Heckmann 1998, 32).[6] Auch POLAT verweist auf die Heterogenität der Gruppe der Migranten, die u.a. auch bedingt ist durch Einreisealter, Aufenthalt in Deutschland, Geburtsland, Bildung sowie das Gefühl der sozialen wie kulturellen Zugehörigkeit (Vgl. Polat 2000, 11).
VIEHBÖCK/BRATIC haben sich mit der Sozialisation von Migrantenjugendlichen der zweiten Generation in Deutschland befasst. Sie beschreiben wie die Familie d.h. die primäre Sozialisationsinstanz im Laufe der Jahre einem Wandel unterzogen wird: Die erste Generation kam zumeist aus agrarischen Kulturen und wurde patriarchalisch erzogen. Sie vermittelten ihren Kindern Werte, die den Erhalt der Großfamilie sichern sollten. Die Interessen der Familie dominieren in dieser patriarchalen Gesellschaftsform die privaten Interessen. Individualismus als Prinzip ist nicht zunächst existent (Vgl. Viehböck/Bratic 1994, 85). KELEK beschreibt den Migrationsprozess muslimischer Einwanderer als: „(…)Weg vom Kollektiv des Familienclans zur Kleinfamilie, von der Vormundschaft in die Freiheit, von der Tradition in die Moderne, vom Sozialwesen zum Individuum“ (Kelek 2006, 25).
Die wirtschaftliche Bedeutung der Familie tritt mit der Entwicklung des Individualismus in der kapitalistischen Gesellschaft in den Hintergrund. Diese Umstellung der Familienstruktur, die sich innerhalb von wenigen Jahrzehnten vollzieht, verursacht bei den Arbeitsmigranten ungeheure Spannungen. Das Großfamiliensystem verliert immer mehr an Stabilität. Während Frauen und Kinder sich emanzipieren, verliert der Vater an Autorität. Zudem schwächt die zunehmende Selbstständigkeit der Kinder die erzieherische Funktion der Eltern. Diese sind von der Geschwindigkeit des Wandels überfordert, traditionelle Konfliktlösungen erweisen sich als ungenügend. So werden von den Eltern Erfahrungen an die ausländischen Jugendlichen vermittelt, die diese Familien in ihrer Ganzheit nicht mehr besitzen. In dieser Übergangsphase kommt es zu einer Konkurrenz zwischen Aufnahmegesellschaft und Familie. Da die Eltern nicht mit den Regeln der Aufnahmegesellschaft vertraut sind, kann es entweder zu Konflikten zwischen Ursprungs- und Aufnahmegesellschaft kommen oder zu einer Annäherung der beiden (Vgl. ebd. 90 -93).
Während demnach auf der einen Seite die Familie, familiäre Verkehrskreise sowie religiöse Institutionen auf die Reproduktion von Minderheitenkultur hin sozialisieren, lassen sich auf der anderen Seite Kindergarten, Schule sowie berufliche Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse im modernen Betrieb als Instanzen begreifen, die Akkulturationseinflüsse ausüben[7]. Die Politik entscheidet in welchem Maße Sozialisationsinstanzen wie Schulen, Vereine und andere Organisationen wirken d.h. ob sie Minderheitenkultur oder Akkulturationsprozesse bei den ethnischen Minderheiten fördern (Vgl. Heckmann 1998, 32-33).
VIEHBÖCK/BRATIC machen deutlich, dass eine gelungene Integration für Migrantenjugendliche nur dann möglich ist, wenn der geschlossene kulturelle Hintergrund, der durch die Eltern repräsentiert wird, nicht gegen den Anpassungsmechanismus gerichtet wird, den die Aufnahmegesellschaft von Ihnen fordert.
Ein Problem in vielen Migrantenfamilien stellt nach VIEHBÖCK/BRATIC, das Fehlen von Gefühlskommunikation dar. Als Ursache für den Mangel an Kommunikation führt sie die unterschiedlichen Jugenderfahrungen von Eltern und Kindern sowie die verschiedenen Wertauffassungen beider Generationen an. Doch nicht nur zwischen Eltern und Kindern auch zwischen beiden Elternteilen und den Geschwistern fehlt der emotionale Austausch. Der Vater stellt keine Identifikationsfigur mehr dar. Die Jugend ist von familiären Vorbildern befreit und wird gezwungen, neue Wertsysteme und Vorbilder zu finden sowie neue Lebensformen zu entwickeln. Auch bedingt durch die Tatsache, dass die Probleme der Kinder den Eltern oft fremd sind. Für sie gibt es keine tradierten Verhaltensmuster und den Lösungsmöglichkeiten stehen die Eltern oft skeptisch gegenüber. Aus diesem Grund können die Eltern ihren Kindern keine angemessene Identifikationsgrundlage geben. Da die Kinder sich zwischen zwei Wertsystemen entscheiden müssen, entstehen hier die größten Konflikte (Vgl. Viehböck/Bratic 1994, 90 -94)
Das Machtgefüge in der Familie verändert sich weiterhin durch die Sprachkompetenz der Jugendlichen, die oft als Dolmetscher zum Bindeglied zwischen Familie und Außenwelt werden.
Diese unklaren Familienverhältnisse gekoppelt mit dem Wandel der Familienstruktur, können zu einer Beziehungslosigkeit mit dem eigenen Umfeld führen. Daraus resultiert, dass sich Migranten zunehmend mit sich selbst beschäftigen. Sie sind einerseits nicht mehr in der Großfamilie eingebettet, werden aber anderseits von der Aufnahmegesellschaft nicht als gleichwertig akzeptiert. Sie suchen sich Gleichgesinnte und beschäftigen sich mit ihren eigenen Problemen (Vgl. ebd., 95 -96).
Das Ringen um eine Identität besteht bei Migrantenjugendlichen darin, die Welt der Eltern und die Welt der Aufnahmegesellschaft miteinander zu verbinden. Damit unterscheiden sie sich maßgeblich von einheimischen Jugendlichen. Durch Stigmatisierung wird die extreme Unsicherheit des Ichs noch verstärkt. In dieser Phase distanzieren sich die Migranten im Gegensatz zu einheimischen Jugendlichen nicht nur von ihren Eltern, sondern auch zunehmend von der Gesellschaft. Da Migrantenjugendliche aufgrund ihrer Herkunft häufig von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, kommt es aber nicht so sehr zu einer Stärkung des Individualismus wie bei den Einheimischen. Sie sind in dieser Situation eher auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen (Vgl. Viehböck/Bratic 1994, 106-113).
Die zweite Generation von Migranten ist die erste Generation, die den Migrantenstatus bewusst akzeptiert. Die Jugendlichen befinden sich in einer anderen, sozial-psychologisch schwierigeren Situation, da sie im Gegensatz zu ihren Eltern die Migration nicht mehr durch den Traum von der Rückkehr verarbeiten. Wenn es ihnen dagegen gelingt, auf die Aufnahmegesellschaft nicht nur so zu reagieren wie ihre Eltern, sondern selbstständig in ihr zu agieren und auf die Wirklichkeit des Aufnahmelandes konstruktiv zu reagieren, können sie eine positive Identität entwickeln.
Da sie jedoch aufgrund ihrer Abstammung stigmatisiert werden, erfährt das Selbstbewusstsein der Migrantenjugendlichen an diesem Punkt eine große Demütigung. Die Entwicklung einer positiven Identität wird den Migranten auch durch politisch-gesetzliche Begrenzung verwehrt. Die Gesellschaft, die üblicherweise bestrebt ist all Mitglieder möglichst homogen zu formen, macht die Jugendlichen durch Ausgrenzung zu gesellschaftlichen Fremdkörpern (Vgl. ebd., 114-116).
POLAT weist darauf hin, dass in der deutschsprachigen Migrationsforschung die Lebenssituation der Migranten wiederholt als krisenhaft dargestellt wird. Der Integrationserfolg türkischer Jugendlicher wird häufig nach Bewertungsmaßstäben gemessen, die auf einer kulturell vorgeprägten Betrachtung basieren. Nach POLAT kann die Befindlichkeit türkischstämmiger Migrantenkinder jedoch nur dann offenbart werden, wenn die Betrachtung, von der Wahrnehmung der Jugendlichen selbst ausgeht. Basierend auf der Theorie der sozialen Identität von Tajfels[8] befragte POLAT 306 jugendliche Türken über ihr Gefühl sozialer Zugehörigkeit. Zentrales Ergebnis der Befragung: der Großteil der Teilnehmer (56%) fühlte sich türkisch und ein beachtlicher Teil (30%) definierte sich als bikulturell.
Erstere identifizierten sich demnach eher mit der Türkei. POLAT erklärt diese Rückbindung zu der Gruppe der Türken damit, dass die türkische Identität von der Mehrheitsgesellschaft häufig kategorisiert und emotional bewertet wird. Durch diese Stigmatisierung greifen die türkischen Migranten eher auf alte Identitätsfiguren zurück. Das gesellschaftliche Klima hat demnach einen erheblichen Einfluss auf die Identitätsbildung seiner Individuen. Während die Mehrheitsgesellschaft sich durch eine abwertende Differenzierung von der Migrantengruppe Überlegenheit sichert, versucht die Minderheit ihren Status positiv umzudeuten. Demnach sind es Intergruppenspannungen, die zur Segregation der zweiten bzw. dritten Generation führen. Inwieweit die türkische Identität Symbolcharakter hat oder tatsächlich gelebt wird, konnte nicht geklärt werden (Vgl. Polat 2000, 16-19).
Die zweite Gruppe zeigte gleichermaßen Sympathien für die deutsche und die türkischen Gruppe, identifizierte sich aber bei weitem mehr mit Deutschland als mit der Türkei. Die Zugehörigkeit zu beiden Kulturen wird von den Befragten als Bereicherung empfunden. Insbesondere Kontakte zu einheimischen Mitbürgern scheinen hier eine Veränderung der sozialen Identität hin zur Bikulturalität zu fördern. Hier wird deutlich, dass die Entwicklung von sozialer Identität maßgeblich von der Interaktion mit dem sozialen Umfeld abhängt. Tendenziell hatten die Teilnehmer mit bikultureller Identität zudem einen höheren Bildungsabschluss.
Sozialisationsprozesse von Migranten müssen demnach nicht zwangsläufig krisenhaft verlaufen. In Abhängigkeit vom Mehrheit-Minderheiten Verhältnis unterliegt die soziale Identität deutlichen Veränderung. Erfahren die Minderheiten Anerkennung und Akzeptanz durch die Mehrheit, scheint bikulturelle Identität gefördert zu werden. Zuwanderer mit bikulturellen Identitäten erfahren das Pendeln zwischen den Kulturen nicht als Zerrissenheit sondern als Bereicherung[9]. Sie sind flexibel im Umgang mit Sprache und Verhaltensweisen der jeweiligen Kultur (Vgl. ebd., 19-22).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Migrantenjugendlichen großem Stress ausgesetzt sind, da sie zwischen zwei Wertsystemen aufwachsen. Nun haben sie die Möglichkeit im Prozess der Identitätsbildung entweder beide Systeme zu akzeptieren, beide Systeme zu negieren oder eine Verbindung zwischen beiden herzustellen.
Eine erfolgreiche Sozialisation hängt dabei davon ab, inwieweit die Migranten gleichermaßen Anerkennung und Teilhabemöglichkeiten von Aufnahmegesellschaft und der ethnischen Community bekommen (Vgl. Kleindienst-Cachay 2005a, 1).
Die Ermittlung der Einbindung der ethnischen Minderheiten in den Vereinssport erweist sich als schwierig, da weder die ethnische Herkunft noch die Staatsangehörigkeit in den Mitgliederstatistiken erfasst wird[10].
Eine Erhebung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) aus dem Jahr 2004 liefert teilweise Aufschluss. Demnach sind in den Mehrheiten der Vereinsformen jeweils weniger als 1 % der Mitglieder (junge Erwachsene) ausländischer Herkunft. Dabei erreichen nur Sportvereine und Gewerkschaften deutscher Provenienz eine Partizipationsquote von mehr als 10 %. Dies macht deutlich, dass Ihnen wichtige Aufgaben der Integration zufallen (Vgl. Glatzer 2004, 49)[11].
Weitere Daten liefert das Zentrum für Türkeistudien, das seit 1999 in jährlichem Abstand repräsentativ 1000 erwachsene türkischstämmige Migranten zu verschiedenen Themen der gesellschaftlichen Partizipation befragt. Die Befragung beschränkt sich auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), wo ein Drittel der türkeistämmigen Migranten Deutschlands leben. In NRW sind demnach insgesamt 47% der Migranten in keinem Verein oder Verband organisiert. Ein Drittel der Befragten gehört deutschen (33%) oder türkischen (33%) Organisationen an, während 15% sowohl in deutschen als auch in türkischen Organisationen Mitglied sind (dies sind 30 % aller organisierten Migranten). Ein weiteres Drittel der organisierten Zuwanderer sind entweder nur in einem deutschen oder nur in einem türkischen Verband Mitglied.
Die Mitgliedschaft in Gewerkschaften ist in „Gastarbeiternationen“ traditionell stark ausgeprägt. Erwartungsgemäß ist die Zahl der Zuwanderer in deutschen Gewerkschaften mit 17 % am größten. An zweiter Stelle liegen schon die Sportvereine mit 13 % der Befragten. Diese Ergebnisse stimmen in etwa mit den Werten der BIB Studie überein. Bei den Mitgliedern aus türkischen Vereinen liegt der Schwerpunkt bei den religiösen und kulturellen Organisationen. 18% gehören den religiösen Gemeinschaften an und 7 % den Sportvereinen.
Tab. 1: Organisation von Türkischstämmigen in Nordrhein-Westfalen in deutschen und türkischen Vereinen und Verbänden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (in Halm/Sauer 2005, 38)
Einen wesentlich niedrigeren Organisationsgrad weisen die türkischen Migrantinnen auf, die mit 56% weder in einem deutschen noch in einem türkischen Verein Mitglied sind (bei den Männern beträgt dieser Prozentsatz nur 39%). Die Unterrepräsentation der Frauen in Vereinen könnte unter anderem auch auf alternative Organisationsmuster in türkischen Vereinen zurückzuführen sein. So wird oftmals nur der Mann als „Familienoberhaupt“ Mitglied des Vereins, auch wenn sich die Frau gleichermaßen oder überwiegend im Verein engagiert.
Insgesamt machen diese Ergebnisse deutlich, dass von der Etablierung einer Parallelgesellschaft nicht die Rede sein kann[12], sondern dass vielmehr eine eigenethnische Organisation dort erfolgt, wo kompatible Angebote der Aufnahmegesellschaft tatsächlich fehlen. Dies sind zum einen die Bereiche Religion und Kultur zum anderen aber auch der Sport, da auch hier mitunter eine kulturelle Differenz zur Aufnahmegesellschaft besteht (Vgl. Halm/Sauer 2005, 37-40).
Eine IPOS-Studie[13] aus dem Jahr 2003 zieht einen Vergleich der Freizeitgestaltung zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach sind zum einen nur 16% der befragten jugendlichen Migranten Mitglied in einem Verein (davon 23% männlich und 10% weiblich) zum anderen stellen Sportvereine auch hier mit 74% den ersten Platz auf der Beliebtheitsskala (ipos-Studie 2003, 136-137).
Dieser Trend in den Ergebnissen wird auch von WEIDACHER bestätigt, der Italiener, Türken und Griechen in Deutschland nach der Teilnahme am sozialen Leben in Form von Mitgliedschaften in Vereinen befragt hat. Mit mehr als 5% waren nicht-deutsche junge Erwachsene nur in Sportvereinen, Gewerkschaften und religiösen Verbänden vertreten (Griechen auch in Jugendverbänden). Außer im religiösen Bereich sind Frauen (wie auch bei den deutschen Jugendlichen) in Vereinen unterrepräsentiert. Die jungen Erwachsenen aus Migrantenfamilien sind zwar seltener in deutschen Vereinen als Deutsche, aber sie sind zusätzlich oder alternativ in eigenethnischen Vereinen aktiv. So gaben 59% der Griechen und 52% der Türken an Mitglied in einem ihrer eigenethnischen Vereine oder in einem deutschen Verein zu sein. (Vgl. Weidacher 2000, 101-102).
Die hier angeführten Studien machen deutlich, dass Migranten insgesamt weniger als Deutsche in der Vereinslandschaft vertreten sind aber vor allem die Sportvereine eine hohe Partizipationsquote genießen wobei alles in allem die Migrantinnen auf fast allen Ebenen unterrepräsentiert sind.
Das vorherige Kapitel hat aufgezeigt, dass die Mehrzahl der Migranten in deutschen Sportvereinen organisiert ist. Diese Form der Einzelmitgliedschaft wird auch von vielen Autoren als bestes Modell für eine erfolgreiche Integration betrachtet (Vgl. Klein/Kothy/Cabadag 2000, 339). Sportvereine sind dabei nicht per se auf Integration ausgerichtet. Die Funktion der Sportvereine liegt in erster Linie darin begründet, unter Gleichgesinnten Sport zu treiben (Vgl. Pilz 2005, 3). Für Sozialarbeit scheinen die sie im Gegenteil nur begrenzt tauglich zu sein. Zum einen stehen die unflexiblen Vereinsstrukturen den Bedürfnissen vieler Jugendlicher nach flexibler Sportgestaltung entgegen (Vgl. Breuer 2002, 121). Zum anderen hat Kapitel 3.1 deutlich gemacht, dass die Sportvereinsmitgliedschaften sozial-kulturell determiniert sind, mit einer deutlichen Unterrepräsentation von nicht-deutschen Jugendlichen. Die Tautologie vom Sportverein als Integrationswerkstatt entspricht demnach nicht der Realität. Primärer Zweck des Sportvereins ist und bleibt der Sport. BRAUN weist darauf hin, dass die Schwerpunkte des Vereins nicht auf extrafunktionale Eigenschaften reduziert werden dürfen. Vielmehr müssen Ressourcen und fachliche Kompetenz bereitgestellt werden, wenn die Vereine einen Beitrag zur sozialen Integration leisten sollen. Nach BRAUN wäre es utopisch zu glauben, dass Vereine dort erfolgreich sein können, wo die Gesellschaft gescheitert ist (Vgl. Braun 2006). Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat den Handlungsbedarf erkannt und gemeinsam mit dem Bund das Programm „Integration durch Sport“ entwickelt.
Mit der politischen Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland hat auch der organisierte Sport Integration als gesellschaftliche Aufgabe anerkannt und 2002 das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ ins Leben gerufen[14], das die Integration von Zuwandern und benachteiligten Einheimischen fördert.
Das Programm wird vom Bundesministerium des Innern gefördert und setzt sich deutschlandweit aus ca. 400.000 Teilnehmern in 476 Stützpunktvereinen zusammen. Die Bundeskoordination liegt beim Deutschen Olympischen Sportbund. Zur Umsetzung des Programms tragen zusätzlich 2500 Einzelmaßnahmen sowie 736 Starthelfer/ Übungsleiter bei. Durch diesen Maßnahmenmix soll das Engagement der Sportvereine gestärkt werden (Vgl. Kübler/Eser/Illmer 2006, 22-27). Die Konzeption des Bundesprogramms ist langfristig, ganzheitlich und flächendeckend angelegt und in 5 Integrationsmodule unterteilt:
Modul 1: Stützpunktvereine
Der DOSB wählt die Stützpunktvereine nach Qualität der Integrationsarbeit, Rahmenbedingungen und Gesamteindruck aus. Vertreter der Migranten werden dabei stark in die Integrationsarbeit eingebunden. Zudem haben die Vereine häufig umfangreiche Kontakte zu lokalen Organisationen wie Schulen, Jugendämter, Kirchen etc.
Modul 2: Integrationsmaßnahmen
Wichtigstes Ziel der Maßnahmen ist es, auf breiten- und freizeitsportlicher Basis Kontakte zwischen Einheimischen und Migranten herzustellen. Durch Sonderprogramme, ein- oder mehrtägige Integrationsmaßnahmen sowie Großveranstaltungen sollen Vorurteile abgebaut und Akzeptanz und Toleranz gefördert werden. Neben den klassischen leistungsorientierten Sportarten wie Turnen, Leichtathletik und Schwimmen, die Werte wie Disziplin, Wettbewerb, Regelakzeptanz und Gleichheit vermitteln sollen, werden auch moderne Sportformen mit einbezogen. Dazu gehören z.B. Capoeira, Breakdance, Streetball oder Abenteuersport wie Klettern oder Rafting. So können die Teilnehmer unter Berücksichtigung ihrer Lebenssituation Toleranz, Offenheit und Selbststärke erfahren und durch das gemeinsame Erleben, Akzeptanz und Vertrauen aufbauen.
Modul 3: Starthelfer
Die Starthelfer sind ehrenamtlich oder freiwillig engagierte Personen, die einen besonderen Zugang zur Zielgruppe haben. Durch ihre sprachliche und kulturelle Nähe wird eine hohe Identifikation der Teilnehmer mit den Angeboten erreicht. Da die Starthelfer häufig eine erfolgreiche Sportvergangenheit haben steigt überdies das qualitative Angebot des Vereins.
Modul 4: Qualifizierungsmaßnahmen
Fester Bestandteil des Programms ist die regelmäßige Qualifizierung von Mitarbeitern und Starthelfern. Praxisorientierte Diskussionen und Workshops vermitteln Wissen um Themenschwerpunkte wie u.a. die Schulung interkultureller Kompetenz, Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien, Umgang mit geschlechtsspezifischen Problemen.
Modul 5: Sportmobile
Sportmobile sind Kleinbusse oder Transporter, die mit vielfältigen Materialien, Sport und Spielgeräten ausgestattet sind und dort zum Einsatz kommen, wo keine Sportplätze und Sporthallen vorhanden sind. Sie lassen sich variabel auf jedes Alter und Interesse ausrichten. Im Jahr 2003 wurde das Sportmobil von Vereinen über 2000 Mal eingesetzt (Vgl. DSB 2003, 14-21).
Ein weiterer Schwerpunkt des Programms ist Netzwerkbildung mit öffentlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Partnern:
Abb.2: Netzwerkbildung des Programms „Integration durch Sport“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(in DSB 2001, 8)
Um den Erfolg von Integrationsmaßnahmen wie dem Programm „Integration durch Sport“ zu messen zu können, gilt es die verschiedenen Module wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Darüber hinaus wird von Medien, Politik und Sportfunktionären regelmäßig verkündet wird, Sportvereine seien offen für alle gesellschaftlichen Gruppen. Tatsächlich bleibt der Zugang zum Sportverein gleichermaßen Teilen der deutschen Mehrheit wie der ethnischen Minderheit verwehrt. Dabei bezieht sich diese hohe soziale Selektivität keinesfalls ausschließlich auf exklusive Sportarten wie Golf und Segeln. Selten ist die Mitgliederstruktur im Sportverein ein Abbild der gesellschaftlichen Bevölkerungsstruktur. Die Teilnahme am organisierten Sportbetrieb erfordert hohe Anpassungsleistungen, die der einheimischen Bevölkerung leichter fallen als den Angehörigen ethnischer Minderheiten. Diese Leistungen beziehen sich u.a. auf die Regeln des Wettkampfsports, den Trainingsbetrieb, die Umgangsformen im Verein usw.
Die Einzelmitgliedschaft im deutschen Verein bietet hier aufgrund der Kontakte zu Einheimischen scheinbar die günstigsten Bedingungen für die Integration seiner Mitglieder. Nicht nur aus demografischen Gründen ist diese jedoch nicht immer realisierbar. Sie scheint für Migranten lediglich im Jugendbereich das vornehmliche Integrationsmodell zu sein. Im erwachsenen Alter erfolgt nicht selten der Wechsel in den eigenethnischen Verein(Vgl. Klein 1999, 58). Auf die Entstehungsprozesse eigenethnischer Vereine und ihre integrationsfördernde- oder möglicherweise hemmende Wirkung wird im Folgenden eingegangen.
Eine Alternative zur Mitgliedschaft im deutschen Verein, stellen für Migranten die eigenethnischen Vereine dar. Bevor man sich mit dem eigenethnischen Sportverein auseinandersetzt ist es unabdingbar sich mit der ethnischen Kolonie zu beschäftigen, da die Migrantenvereine nur eine Institution dieser Kolonie darstellen.
Nach HECKMANN entstehen ethnische Kolonien als institutionelle Antwort auf die Bedürfnisse der Migranten in der Migrations- und Minderheitensituation. Die ethnischen Kolonien bieten Schutz vor den Unsicherheitsmomenten, die durch Migration entstehen können (Vgl. Heckmann 1992, 98). Eine aversive Grundhaltung der Mehrheitsgesellschaft fördert dabei die Herausbildung einer kollektiven Identität (Vgl. Hadeed 2005, 25). Für Neuankömmlinge bedeutet dies, dass Ihnen der „Kulturschock“ zum Teil erspart bleibt, da sie bestimmte Elemente des Vertrauten aus ihrem Herkunftskontext wiederfinden. Zugleich bietet ihnen die Ethnische Kolonie bestimmte praktische, kognitive und emotive Anpassungshilfen.
Sie kann das Bedürfnis nach primärgruppenhaften Beziehungen befriedigen. Sei es durch Kettenwanderung verpflanzte Verwandtschafts- und Nachbarschaftsbeziehungen, religiöse Gemeinden oder ethnische Vereine. All diese Strukturelemente der Ethnischen Kolonie bieten die Möglichkeit die Herkunftskultur zu praktizieren und einer eigenkulturellen Gruppe anzugehören, was eine wichtige Voraussetzung für die Identitätssicherung bzw. die Identitätsrekonstruktion ist. Dies führt zur Stabilisierung der Persönlichkeit. Die Wanderungsprozesse und die Akkulturation an die neue Gesellschaft stellen für die Zuwanderer der ersten Generation gewissermaßen eine zweite Sozialisation dar, die mit starkem Lern- und Anpassungsdruck verbunden ist. Die Möglichkeit sich in eigenkulturellen Strukturen zu bewegen bedeutet eine Entlastung von diesem Druck.
Die Selbsthilfe als Funktion ethnischer Kolonienbildung hat in entwickelten Sozialstaaten wie der Bundesrepublik weniger Bedeutung als in anderen Ländern. Dennoch hat die kollektive Selbsthilfe auch hier weiterhin einen hohen Stellenwert. Sei es bei der Unterstützung von Erwerbs- und Familienarbeit, Kranken- und Kinderbetreuung oder beim Informationsaustausch im Rahmen innerethnischer Sozialbeziehungen. (Vgl. Heckmann 1992, 112-113)
Weiterhin ermöglicht die Kolonienbildung eine kulturspezifische aber auch allgemeine Sozialisation. Diese läuft zum Teil auch über die Mitgliedschaft in eigenethnischen Vereinen ab, da diese ein Übungsfeld für sozial aktive Personen darstellen. Somit sind sie Organe sozialer und kultureller Qualifizierung. Die Mitgliedschaft in ethnischen Vereinigungen bedeutet schließlich auch eine Form der sozialen Einbindung, die dazu beitragen kann unerwünschtes Verhalten zu vermeiden.
Neben der Funktion der sozialen Kontrolle bietet die ethnische Kolonie schließlich die Möglichkeit der Interessenartikulation- und Vertretung sowie die Repräsentation der Minderheitengruppe in Öffentlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft. Hierbei haben kulturelle und sportliche Gruppen einen besonderen Stellenwert. Die politische Wirkung, die von einer ethnischen Kolonie ausgehen kann, hängt jedoch nicht zuletzt von dem Verhältnis von Mehrheit zu Minderheiten, den Machtverhältnissen zwischen den einzelnen Gruppen und ihren politischen Strategien ab.
Neben den Funktionen lassen sich auch mögliche Dysfunktionen der ethnischen Kolonie ausmachen. Eine zu stark ausgeprägte Struktur der ethnischen Kolonie behindert das für die soziale Mobilität notwendige Aufnehmen von außerethnischen Kontakten und das Eintreten in einen universalistischen Wettbewerb. Somit werden Faktoren bekräftigt, die das bestehende System reproduzieren und es wird darauf verzichtet Kontakte außerhalb der eigenen Gruppe zu suchen. Es entsteht eine ethnische Selbstgenügsamkeit (Vgl. ebd., 113-115).
Da der ethnische Sportverein nach HECKMANN ein Strukturelement der ethnischen Kolonie ist, kann man davon ausgehen, dass er für seine Mitglieder ähnliche Funktionen und Dysfunktionen hat, wie die ethnische Kolonie insgesamt. Die in diesem Kapitel aufgezeigten Funktionen und Dysfunktionen bilden die Grundlage für die Debatte um die integrative Wirkung des Sports im Migrantensportverein. Diese soll im Folgenden, nach einem kurzen Abriss der Entstehungsprozesse eigenethnischer Vereine diskutiert werden.
In den 60er Jahren wurden als Anlaufstelle für Neuankömmlinge und zur Pflege heimatlicher Bräuche die ersten eigenethnischen Vereine gegründet[15], wo die „Gastarbeiter“ ohne Anpassungsdruck Kontakte knüpfen konnten. HALM erklärt das sprunghafte Anwachsen der Migrantenselbstorganisation in den 80er und 90er Jahren mit dem Heranwachsen der zweiten und dritten Migrantengeneration, für die eine Remigration meist nicht mehr in Frage kam. Damit wuchs das Engagement in Deutschland und das Verlangen zur Sicherstellung kultureller Bedürfnisse. Mittlerweile sei indes ein Sättigungsgrad erreicht (Vgl. Halm 2002, 5).
KLEIN/KOTHY/CABADAG haben die interethnischen Konflikte untersucht, von denen die Entstehungsprozesse der Migrantensportvereine oftmals begleitet werden. Demnach kommt es zunächst innerhalb des deutschen Vereins zu Interessenskonflikten zwischen Deutschen und Migranten[16].
Der Kampf um knappe Ressourcen führt nicht selten zur Gründung eigener Mannschaften in deutschen Sportvereinen. Diese werden zunächst geduldet, um die finanziellen Einbußen eines hohen Mitgliederverlustes zu verhindern. Auf dieser neuen Ebene der organisatorischen Einbindung in das Sportsystem der Mehrheitsgesellschaft, werden die Konflikte jedoch abermals reproduziert. Der aus dem Zusammenschluss der Migranten resultierende Machtzuwachs, verbessert ihre Verhandlungsmöglichkeiten. Letztendlich geben die deutschen Vereine dem Wunsch der Migranten nach einem eigenen Verein nach (Vgl. Klein/Kothy/Cabadag 2000, 328): „(…) dem Verlust an Mitgliedern steht die Wiedergewinnung von interner Homogenität und externen Renommee entgegen, da ihre Minderheiten Mannschaften zunehmend in eskalierte Konflikte vor allem bei Spielen gegen deutsche Mannschaften verwickelt werden und den Ruf des Vereins belasten“ (Klein/Kothy/Cabadag 2000, 329).
Ähnliche Formen der ethnischen Vereinsentwicklung hat auch SCHWARK am Beispiel des Vereins Birlik Spor Duisburg ausmachen können. Dieser entwickelte sich zunächst aus einem losen Zusammenschluss von Türken und Kurden mit gewerkschaftlichem Hintergrund, die in ihrer Feizeit an Fußballturnieren teilnahmen. Auf der Suche nach festen Trainingszeiten, traten sie schließlich dem Verein Eintracht Duisburg als dritte Mannschaft bei. Nach anfänglich positiver Aufnahme, gestaltete sich der Spielbetrieb zunehmend konfliktreich und endete mit dem Ausschluss aus dem Verein. Nach einjähriger Pause erfolgte eine erneute Aufnahme in den Verein FC Taxi Duisburg, bevor es 5 Jahre später zur Gründung eines eigenen Vereins kam. Weitere 2 Jahre Später verfügte der Verein Birlik Spor Duisburg schließlich auch über ein eigenes Vereinshaus (Vgl. Schwark 1998, 78-79).
Entsprechende Prozesse sind nach BRÖSKAMP neben dem Fußballsport auch im Feld der Kampfsportarten zu beobachten. So verdanken Unterschichtensportarten wie das Boxen oder das Ringen, ihre Renaissance dem Sportengagement der Migranten (insbesondere junger Türken), die dort die besten Möglichkeiten sehen, ihre Vorstellungen von Maskulinität zu verwirklichen. Problematisch wird es, wenn das Mehrheits-Minderheiten Verhältnis umgekehrt wird. Leistungsstarke türkische Sportler sind zwar einerseits willkommen, anderseits haben die Vereine Angst vor dem Verlust der einheimischen Mitglieder. Der sportliche Raum wird zum Austragungsort für symbolische Machtkämpfe[17]. Dabei sind deutsche Verbände gleichermaßen Opfer wie Nutznießer. Denn während türkische Jugendliche die Existenz der Vereine sichern, wenden sich deutsche Arbeiterjugendliche, von diesen traditionellen Unterschichtensportarten ab, um ihr Glück in Sportarten zu versuchen, die höhere symbolische Gewinne versprechen (Vgl. Bröskamp 1994, 176-178).
Resümierend lässt sich festhalten, dass die Gründungen ethnischer Vereine von zahlreichen Konflikten begleitet werden und üblicherweise einem bestimmten Muster folgen:
Tab. 2: „Idealtypische Entwicklungsvariante von ethnischen Mannschaften und Vereinen im Fußballsport
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(in Schwark 1998, 77)
Das Kapitel 3.3.2 hat gezeigt, dass die Migrantensportvereine der „Gastarbeiter“ schon seit über 40 Jahren in Deutschland existieren.
So alt wie die ersten eigenethnischen Vereine ist auch die Debatte, um die Frage, ob die Teilnahme am eigenethnisch organisierten Sport eher die Integration oder die Segregation fördere. Dabei sind positive und negative Auswirkungen einer Mitgliedschaft im eigenethischen Verein, immer stark vom Integrationsverständnis der Autoren bzw. Sportfunktionäre und Politiker abhängig. Und obgleich in Kapitel 3.1 belegt werden konnte, dass die in Deutschland lebenden Ausländer größtenteils in deutschen Vereinen organisiert sind, reißt die Diskussion um die eigenethnische Sportorganisation nicht ab. Möglicherweise auch deshalb nicht, weil sie eng mit der gesamtgesellschaftlich geführten Integrationsdebatte zusammenhängt[18] und Grundsatzfragen zum allgemeinen Verständnis von Integration aufwirft.
Bis zum Ende der 70er Jahre wurden im ausländerpolitischen wie auch im sozialwissenschaftlichen Diskurs Prozesse der Konstituierung intraethnischer Sozialsysteme in deutschen Großstädten negativ als „Ghettobildung“ und damit als ihrer Integration abträglich erklärt. Dass auch das freizeitliche und wettkampforientierte Sporttreiben in ethnisch homogenen Ausländergruppen als eingliederungshemmend betrachtet wurde, macht BRÖSKAMP am Beispiel der Grundsatzerklärung des Deutschen Sportbundes von 1981 deutlich. Dort gilt die Einzelmitgliedschaft von Ausländern in deutschen Sportvereinen als optimale Lösung, wohingegen ausländische Sportvereine als Not-, Zwischen- oder Übergangslösung bezeichnet werden (Vgl. Bröskamp 1994, 45).
Vor allem Anfang der 80er Jahre wurde den Zuwanderern der zweiten Generation häufig der Integrationswille abgesprochen. Die deutsche Öffentlichkeit zeigte sich über angebliche Segregationstendenzen enttäuscht. Verantwortlich für diese Abkehr von der Mehrheitsgesellschaft machte man extremistische Gruppen. Die Diskussion wurde politisiert und Ängste wurden geschürt vor Integrationsverweigernden Migranten unter der Führung einer radikalen Elite und wachsender Immigration (Vgl. Schwarz 1998, 90-91).
Eine sachlichere, empirisch fundierte Herangehensweise liefert BRÖSKAMP. Er stellt zwei frühe Forschungsarbeiten von John C. Pooley und Robert D. Day vor, die eigenethnische Fußballvereine auf Grundlage des Assimilationskonzeptes[19] untersucht haben. Trotz ähnlicher empirischer Forschungsmethoden kommen die Autoren der Studien zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen.
Pooley war der erste Wissenschaftler, der 1967 in den USA, im kulturell heterogenen Einwanderermilieu der Stadt Milwaukee ethnische Fußballvereine unter Assimilationsaspekten untersucht hat. Mittels strukturierter Interviews kam er zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme am ethnischen Fußball bei den untersuchten Gruppen nicht nur der strukturellen sondern auch der kulturell-sprachlichen, identifikativen und ehelichen Assimilation abträglich sei. Zudem verhindere die Vereinspolitik die strukturelle Assimilation der Mitglieder, da sie überwiegend auf die Rekrutierung eigenethnischer Mitglieder ausgerichtet sei und es infolgedessen kaum zu Kontakten mit der Mehrheitsgesellschaft komme.
Robert D. Day kommt 1977 in einer Replikationsstudie im kanadischen London mit denselben theoretischen Konzepten zu einem anderen Ergebnis. Nach Day, konnten die von ihm untersuchten ethnischen Fußballvereine den Assimilationsprozess zunächst verlangsamen aber letztendlich nicht aufhalten. Die starke Konkurrenz zwischen den Fußballteams führte zu einem Wandel: Die Vereine waren gezwungen leistungsstarke Fußballspieler zu rekrutieren und begannen auch Mitglieder anderer ethnischer Zugehörigkeit aufzunehmen, was zu einem Abbau struktureller Barrieren der Assimilation führte. Die Studie von Day macht deutlich, dass kulturelle Abgrenzung insbesondere unter der Voraussetzung wettbewerbsorientierter Sportkonkurrenzen aufzubrechen ist. Erst dann wird die ethnische Zugehörigkeit eines Sportlers vergleichsweise unwichtig. Der leistungsorientierte Sport fördere somit die Integration auf einer strukturell-assimilativen Ebene (Vgl. Bröskamp 1994, 27-29).
Auch HECKMANN betrachtet die ethnische Kolonie als Übergangsinstitution, da sie ein Produkt von Versuchen der Migranten ist, mit der Einwanderung verbundene Probleme in der neuen Umgebung zu lösen. Schwächen sich die Bedürfnislagen ab, auf welche die ethnischen Institutionen ausgerichtet sind oder findet keine Neueinwanderung statt, verliert die ethnische Kolonie an Bedeutung und Bindekraft.
Jedoch können sich auch bei Fehlen von Zuwanderung neue Motive ergeben, die Selbstorganisation fortzuführen. Hier spielt das Mehrheits-Minderheitenverhältnis eine entscheidende Rolle. Eine geschlossene Mehrheitsgesellschaft führt wahrscheinlich zu Formen von Selbstorganisation in der Minderheit, da andere Formen nicht möglich sind und die Selbstorganisation außerdem der sozialen Kontrolle dient (Vgl. Heckmann 1992, 115-116).
Für BRÖSKAMP ist die Annahme, die ethnische Kolonie würde sich im Prozess gesellschaftlicher Modernisierung auflösen, nicht haltbar.
Spätestens seit den 70er Jahren wird die problemlose Auflösung ethnischer Gruppen samt den Prozessen der kulturellen Homogenisierung immer mehr angezweifelt und so gelte es die Fragestellung selbst z.B. der Studien von Day und Pooley nach der assimilativen Kraft des Sports zu problematisieren (Vgl. Bröskamp 1994, 37).
Erst mit der Ausarbeitung von theoretischen Konzepten wie dem der „ethnischen Kolonie“ von Heckmann und dem der „Binnenintegration“ von Elwert kam es zu einem Perspektivenwandel in der Ausländer- und Sportforschung. Das Konzept der Binnenintegration machte erstmals deutlich, dass eine stärkere Einbindung der Migranten in ihre eigenen sozialen Zusammenhänge auch eine positive Auswirkung für ihre Integration in die Mehrheitsgesellschaft haben kann[20] (Vgl. ebd., 45).
Der Sportverein als größte Organisationsform der Einwanderungskolonie, bietet seinen Mitgliedern einen kulturell vertrauten Erfahrungsraum, in dem sie von Stress erzeugendem Anpassungsdruck entlastet werden. Das Bedürfnis nach Primärgruppenkontakten wird befriedigt und ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt. Der Verein schützt seine Mitglieder vor Marginalität und Anomiegefahren. Hinzu kommen die hohen Zuschauerzahlen sowie die beeindruckenden Leistungen einiger türkischer Fußballvereine, die eine hohe Repräsentationsfunktion haben und bedeutende Identifikationsobjekte bilden.[21] So können die Vereine durch sportliche Leistung Prozesse der Entstigmatisierung fördern und diskriminierende Bilder, die in der Öffentlichkeit von der Minderheit existieren positiv verändern (Vgl. Bröskamp 1994, 47).
Während HECKMANN aber 1984 noch auf die Bedeutung der pluralistischen Integration für die gesamtgesellschaftliche Integration von Migranten verwies, konstatiert er 1998: „Ethnische Organisierung im Sport, ob als Verein oder Mannschaft, wirkt also gegen Integration, gegen die soziale und kulturelle Annäherung von Migranten und Einheimischen“ (Heckmann 1998, 39).
Die Situation sei nun eine Neue. Ethnische Strukturen erschwerten außerethnische Kontakte und verstärkten Faktoren, die das System ethnischer Ungleichheit und Schichtung reproduzieren. Zudem beinhalte das Bestehen ethnischer Gruppen sowie die Konkurrenz um knappe Güter die permanente Möglichkeit ethnischer Konflikte.
HECKMANN favorisiert deshalb sein Akkulturations-Szenario, welches es von Formen der Zwangsassimlierung strikt zu unterscheiden gilt. Grundvoraussetzung für Akkulturation sei die Offenheit der Aufnahmegesellschaft sowie der Abbau von Vorurteilen. Ferner das Festhalten an gemeinsamer Sprache, die Begrenzung des Ethnischen auf den Raum des Privaten sowie das Prinzip der individuellen Vereinsmitgliedschaft. Auch eine aktive Akkulturationspolitik im Bildungssystem sei erforderlich. Dies bedeute: den Verzicht auf das Feiern ethnischer Unterschiede und auf getrennte Schulen. Folgen einer solchen Akkulturationsstrategie wären unter anderem die Stärkung des sozialen Friedens und der interkulturellen Kompetenz in der Bevölkerung, eine Verringerung der Gefahr interethnischer Konflikte, eine Abschwächung der Minderheitenbildung sowie eine soziale Annäherung von Migranten und Einheimischen (Vgl. Heckmann 1998, 37-39).
HECKMANN bleibt jedoch den empirischen Beleg für seine Thesen schuldig.
SCHWARZ bedauert diese Rückkehr zur Segregationsdebatte. Seine Arbeiten zu ethnischen Vereinen der letzten 12 Jahre hätten die Bedrohungsszenarien nicht bestätigt, wonach der Sport als eine Arena der Eskalation definiert würde, Akkulturationsprozesse nicht mehr stattfänden und ethnische Gruppen sich abschotteten. Vielmehr sei eine Annäherung der ethnischen Vereine an das Deutsche Modell zu beobachten. Ähnlich wie die Frauen-, die Schwulen- und Lesben- oder andere soziale Bewegungen, hätten die Zuwanderer Ethnizität als Argumentationsmuster entdeckt, um ihre Partizipationschancen aber auch die finanzielle Grundlage ihrer Organisationen bei Verknappung der Ressourcen in Jugend- und Sozialpolitik zu verbessern (Vgl. Schwarz in 1998, 92-93).
Der lange Kampf um ein klares Konzept in der Ausländerpolitik, wie in Kapitel 1 beschrieben, wurde ebenso auf sportsoziologischer Ebene ausgetragen. Inzwischen ist man von einer entweder-oder-Diskussion abgekommen, da Desintegration in erster Linie in der generellen nicht Teilnahme zum Ausdruck kommt.
So schlägt sich der Wandel um die Frage der Existenzberechtigung eigenethnischer Vereine auch in der neuen Grundsatzerklärung des DSB „Sport und Zuwanderung“ von 2004 nieder: „Der Deutsche Sportbund betrachtet die unterschiedlichen Mitwirkungsformen von Migrantinnen und Migranten am deutschen Sport – eigenethnische wie gemischtethnische – gleichermaßen als selbstverständlich“ (DSB 2004, 5).
Auch nach der Fusion des Deutschen Sportbundes mit dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) im Mai 2006 wird im Positionspapier „Integration durch Sport“ des neu gegründeten Deutschen Olympischen Sportbundes: „aufgrund gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen ein pluralistischer Integrationsansatz vertreten“(DOSB 2006a, 2).
Dessen ungeachtet bedeutet diese Erkenntnis nicht das Ende der Diskussion und es besteht weiterer Forschungsbedarf[22]. So schlägt KOTHY beispielsweise vor, die Anbindung vor allem türkischer Sportvereine an Moscheen zu untersuchen, da hier eine Unübersichtlichkeit entstehe, die auch im Hinblick auf innertürkische Konflikte im Sport relevant sein könnte. Darüber hinaus sei weitere Forschung nötig, um die Motive der Migranten zu einer stärkeren Bindung an das eigenethnische Milieu zu analysieren (Vgl. Kothy 1999, 95). Einen ersten Überblick hierzu soll das nächste Kapitel geben.
Nach einer Untersuchung von SCHWARZ über ethnische Vereine im Berliner Sport, haben 48 von den 1600 Berliner Sportvereinen eine Nichtdeutsche Mehrheit oder eine Nichtdeutsche Vereinsführung. Davon haben die 33 türkischen Vereine 1994 knapp über 50 % der türkischen Sporttreibenden organisiert. Dabei ist auffällig, dass Kinder bis zu 15 Jahren noch zu knapp 70% in deutschen Vereinen aktiv sind, während Jugendliche bis 18 zu 60 %, bei den Altersgruppen zwischen 19 und 21 Jahren nur noch rund 45 % und über 22 Jahre nur noch rund 20 % der türkischen Sporttreibenden in deutschen Sportvereinen organisiert sind (Vgl. Schwarz 1998, 89):
Abb. 3: Organisationsgrad türkischer Sportler in deutschen Vereinen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Kübler/Eser/Illmer 2006, 18)
Hier wird deutlich, dass mit zunehmendem Alter häufig ein Wechsel in den ethnischen Verein erfolgt. Für HECKMANN scheint ein mit zunehmenden Alter wachsendes ethnisches Bewusstsein sowie die fehlende oder wenig entwickelte Jugendarbeit in den ethnischen Vereinen ausschlaggebend für den Übertritt zu sein. Besonders bei guten Sportlern spielt neben dem steigenden Identifikationsbedürfnis auch verstärkt sozialer Druck der ethnischen Kolonie eine Rolle bei der Entscheidung für den eigenethnischen Verein. Mitverantwortlich dürften ebenfalls erfahrene Diskriminierungen in einheimischen Vereinen sein (Vgl. Heckmann 1992, 105).
Eine empfundene kulturelle Differenz zwischen Aufnahmegesellschaft und Migranten zählt nach HALM zu den bedeutendsten Gründen im Sport unter sich zu bleiben. Seine Studie macht ferner deutlich, dass viele Zuwanderer Zugangshindernisse zu deutschen Vereinen empfinden. Türkische Vereine ermöglichten zudem einen laxeren Umgang mit formalen Fragen der Mitgliedschaft, so werden einem Vereinsmitglied die Mitgliedbeiträge bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten unter Umständen erlassen (Vgl. Halm/Sauer 2005, 174).
Nach einer Studie von KLEIN/KOTHY/CABADAG beklagen sich viele Migranten über Verstöße gegen ihre kulturellen Normen[23]. Vor allem der Alkoholkonsum bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten sei ein Problem, was dazu führe, dass die Migranten solchen Angeboten fern blieben. Dies würde wiederum von deutschen Mitgliedern und Vereinsverantwortlichen als Integrationsunwilligkeit interpretiert. Aber auch religiöse Praktiken, Ernährungsgewohnheiten und Schamgrenzen müssten aus Sicht der Nichtdeutschen mehr respektiert werden. Ein weiterer zentraler Punkt sei vor allem die Gerechtigkeit bezüglich der Anerkennung der sportlichen Leistung. Im Fußball sei insbesondere der Stammplatz in der Mannschaft entscheidend für die soziale Position innerhalb der Gruppe. Hier fühlten sich viele nicht-deutsche Jugendliche gerade von ihren deutschen Trainern benachteiligt.
Dagegen verwiesen die deutschen Vereinsvertreter als Ursache zunehmend auf den Druck durch Freunde, Familie, die ethnische Community oder auf finanzielle Anreize (Vgl. Klein/Kothy/Cabadag 2000, 325).
Der eigenethnische Sportverein hat einen legitimen Platz im organisierten Sport.
HALM/SAUER macht dabei deutlich, dass kulturelle Spezifika im Sportverständnis, den monoethnischen Verein auch dann noch attraktiv machen, wenn die empfundenen Zugangsschranken und Diskriminierungen abgebaut würden. Dabei spielen vor allem die gemeinsame Sprache und der kulturelle Erfahrungshintergrund eine Rolle (Vgl. Halm/Sauer 2005, 175). Neben den sportlichen Aspekten, spielt der eigenethnische Verein als Strukturelement der Einwanderungskolonie ferner eine wichtige Rolle bei der Sozialisation seiner jugendlichen Mitglieder und trägt somit auch zur sozialen Kontrolle bei. Durch die Teilnahme am Sport schützt er die Jugendlichen vor Marginalität, bietet ihnen einen kulturell vertrauten Erfahrungsraum und entlastet sie vom Anpassungsdruck. Inwieweit die Vereine zur Integration ihrer Mitglieder in die Aufnahmegesellschaft beitragen, hängt maßgeblich von der Vereinsführung ab und inwieweit diese außerethnische Kontakte zulässt. Eine Isolation führt dabei eher zur Minderheitenbildung und Desintegration.
Der Kontakt durch interethnische Sportbegegnungen kann dabei nur dann der Integration förderlich sein, wenn die Begegnungen Möglichkeiten für Lern- und Annäherungsprozesse bieten[24] (Vgl. Pilz 2005, 3).
Nach HALM stehen die ethnischen Eigenorganisationen hier vor einem Dilemma, denn für ihren Erhalt und den Ausbau ihres Einflusses benötigen sie das ethnospezifisch-kulturelle Kapital der Minderheit. Nur auf Grundlage der ethnokulturellen Identität können die Mitglieder gehalten und mobilisiert werden. Integration wirkt sich jedoch auf konservierte ethnokulturelle Identitäten tendenziell eher auflösend aus und kollidiert somit mit dem vitalen Eigeninteresse der ethnischen Organisationen (Vgl. Halm 2003, 6).
Des Weiteren deutet einiges daraufhin, dass kulturelle Abgrenzung vor allem durch wettbewerbsorientierter Sportkonkurrenzen aufgebrochen wird und der Leistungsport hier die Integration auf einer eher strukturell-assimilativer Ebene fördert.
Resümierend lässt sich festhalten, dass die Integrationsfähigkeit der eigenethnischen Vereine, wie bei deutschen Vereinen auch, abhängig von der Vereinsführung und deren Ressourcen ist: „Eigenethnische Vereine haben die gleiche Existenzberechtigung wie gemischtethnische, sie sind […] weder ein Beleg für die Integrationsunwilligkeit der Migrantinnen und Migranten noch ein Beleg für die Integrationsunfähigkeit der deutschen Sportvereine, sondern in einer pluralistischen, in einer Einwanderungsgesellschaft eine Selbstverständlichkeit und sie leisten ihren Beitrag zur Integration genauso gut und genauso schlecht wie gemischethnische Vereine, je nach dem […] ob sie dem Anspruch und den Anforderungen interkulturellen Lernens gerecht werden oder nicht“ (Pilz 2005, 5).
Inwieweit sich die Eigenorganisation auf interethnische Konflikte im Sport auswirkt, wird im Kapitel 4 ausführlich diskutiert.
Die Zahl der regelmäßig in formellen Gruppen sporttreibenden Mädchen mit Migrationshintergrund ist kaum bezifferbar. KLEINDIENST-CACHAY führt eine Jugendsportstudie des Landes Nordrhein-Westfalens von 1992 an, wonach 35,5% der Mädchen des 3-5 Schuljahres angaben organisiert Sport zu treiben[25]. Davon 45% Deutsche aber nur 13,9 Migrantinnen. Nach Spezifizierung in ethnische Gruppen ergab sich, dass 15,9% Aussiedlerinnen, 22,6% Sonstige Ausländerinnen und lediglich 3,1% türkische Mädchen Mitglied in einem Sportverein waren (Vgl. Kleindienst-Cachay 2005a, 2-3). BRÖSKAMP gibt an, dass der Anteil türkischer Mädchen und Frauen in den Sportvereinen Westberlins im Jahr 1990 bei 6,7% lag (Vgl. Bröskamp 1994, 173). Eine Untersuchung des deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2000 kommt nach der Befragung von fünf bis elf jährigen Kindern Nicht-deutscher Herkunft zu dem Ergebnis, dass nur jedes siebte Mädchen sportlich aktiv ist. Neben 52 % der Jungen im Alter von zehn bis elf Jahren, treiben immerhin 21% der Mädchen organisiert Sport (Vgl. DJI 2000, S. 27).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Sport, trotz des leicht verbesserten Ergebnisses der neueren Untersuchung, in der Freizeitgestaltung der Mädchen mit Migrationshintergrund kaum eine Rolle zu spielen scheint. Dabei gibt es je nach ethnischer Zugehörigkeit starke Differenzen im Sportengagement. Vor allem bei türkischen Mädchen ist eine deutliche Sportabstinenz zu konstatieren (Vgl. Kleindienst-Cachay 2005a, 2-3). Aus diesem Grunde soll im Folgenden der Schwerpunkt vor allem auf die Integration muslimischer Frauen im und durch den Sport gelegt werden.
Die Integration läuft dabei auf verschiedenen Ebenen ab. Nicht nur die bloße Teilnahme am organisierten Sport ist bedeutsam. Es sollten darüber hinaus Prozesse angestoßen werden, die es den Migrantinnen ermöglichen einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Hier können interethnische Sozialkontakte das wechselseitige Verständnis der Sportler füreinander verbessern und die Sprachkompetenzen der Frauen mit Migrationshintergrund stärken. Über das Engagement im Sport sollten sich ferner neue Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Enstigmatisierung und soziale Anerkennung, die über den Sport erfahren werden kann. Dabei darf die Rolle des Sports allerdings nicht überschätzt werden (Vgl. Kleindienst-Cachay 2005b, 40).
KLEINDIENST-CACHAY warnt davor, die Integration muslimischer Frauen im Sinne von Assimilation, also der Anpassung an westliche Werte, zu messen und die türkische Kultur als einheitlich zu typisieren.
Im Gegenteil sei die Gruppe der türkischen Migrantinnen sehr heterogen und müsse deshalb auch unterschiedlich beforscht werden. Wichtige Faktoren sei hierbei unter anderem der Grad ihrer Verpflichtung zu traditionell muslimischen Verhaltensweisen oder der Grad der Ablösung davon (Vgl. Kleindienst-Cachay 1998, 114 -115).
Im Gegensatz zur Assimilation sollte Integration im Sinne einer Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft und der eigenethnischen Community verstanden werden, so dass die Migrantinnen soziale Anerkennung von beiden Teilgesellschaften erlangen (Vgl. Kleindienst-Cachay 2005b, 40). Auf die Schwierigkeit ein solches Gleichgewicht zwischen der eigenen ethnischen Community und der Kultur der Mehrheitsgesellschaft zu erlangen, soll im Kapitel 3.4.3 eingegangen werden.
[...]
[1] Aus Gründen der Einfachheit und Übersichtlichkeit beziehen sich männliche Sprachformen, sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt, gleichermaßen auf weibliche wie männliche Personen.
[2] Deutschland wurde nicht als Einwanderungsland angesehen, da, anders als in Ländern wie Großbritannien und Frankreich, keine Zuwanderung aus den Kolonien stattfand. Ein deutsches Charakteristikum war dagegen die Zuwanderung der sog. Deutschstämmigen (Aussiedler). So kamen nach dem Zweiten Weltkrieg ca. 15 Mio. vertriebene in das westliche Deutschland (Vgl. Hadeed 2005, 95-96).
[4] Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren, das in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wurde, ist am 1. Januar 2005 das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten. Das Zuwanderungsgesetz steuert und begrenzt die Zuwanderung nach Deutschland. Erstmalig wurden auch Integrationsmaßnahmen, der auf Dauer rechtmäßig in Deutschland lebenden Zuwanderer gesetzlich verankert (vgl. www.zuwanderung.de/2_zuwanderungsgesetz.html)
[5] Dass die „Gastarbeiter“ einen wesentlichen Beitrag zum sog. Wirtschaftswunder und dem Aufbau der Sozialsysteme geleistet geleistet haben und vielen Deutschen den Aufstieg in bessere berufliche Positionen ermöglichten, wurde dabei häufig außer Acht gelassen (Vgl. Meier-Braun 2002, 35).Hans Joachim Hoffman-Nowotny beschreibt dieses Phänomen in seinem sozialstrukturellen Ansatz zur Integration als neofeudale Absetzung der Einheimischen in höhere Schichten. Der zugeschriebene Migrantenstatus verhindert den sozialen Aufstieg und somit auch die Integration, die Hoffmann-Nowotny als Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft definiert (Vgl. Tröster 2000, 52).
[6] Günstige Bedingungen für Integration zeigten sich bei hohem Bildungsniveau unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit. (Vgl. Heckmann 1998, 32)
[7] „Akkulturation meint durch Kulturkontakte hervorgerufene Veränderungen von Verhaltensweisen, Werten, Normen, Einstellungen, Präferenzen sowie Denk- und Wahrnehmungsweisen“ (Heckmann 1998, 36)
[8] Danach hat jeder Mensch das Bestreben einer sozialen Gruppe anzugehören, um eine positive Identität zu entwickeln. Demzufolge hat die Gruppenzugehörigkeit Einfluss auf die Ausbildung der sozialen Identität. Verändert sich das Verhältnis zwischen Umfeld und Individuum, hat dies auch Auswirkungen auf die soziale Identität. Diese ist somit einem ständigen Wandel ausgesetzt (Vgl. Polat 2000, 14 -15).
[9] Die Minderheitenpolitik hat entscheidenden Einfluss darauf, ob bikulturelle Entwicklungen administrativ gefördert werden (Vgl. Polat 2000, 20).
[10] Eine Ausnahme bildet das Bundesland Berlin.
[11] Diese Werte ergeben sich aus einer Befragung von jeweils circa 1200 türkischen, italienischen und deutschen jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 30 Jahren anhand bilingualer Fragebögen (Vgl. Glatzer 2004, 23).
[12] „Mit ‚Paralellgesellschaften’ wird in der öffentlichen Debatte die Vorstellung von ethnisch homogenen Bevölkerungsgruppen verbunden, die sich räumlich, sozial und kulturell von der Mehrheitsgesellschaft abschotten. Der Begriff impliziert zugleich massive Kritik an der Lebensweise von Migrantinnen und Migranten und enthält die Forderung nach kultureller Assimilation. Ausgeblendet wird, dass Paralell- oder Subgesellschaften häufig das Produkt sozialer und kultureller Ausgrenzung sind, dass folglich die Mehrheitsgesellschaft einen nicht unbedeutenden Anteil an der Herausbildung autonomer Strukturen hat und, dass es einen Zusammenhang von Integration und Segregation gibt. Unberücksichtigt bleibt schliesslich, dass eine Abschottung, wie sie manchen Teilgruppen der türkisch-muslimischen Minderheit unterstellt wird, auch für Bevölkerungsgruppen innerhalb der Mehrheitsgesellschaft kennzeichnend ist.“(Belwe 2006, 3).
[13] IPOS – Institut für praxisorientierte Sozialforschung
[14] Das Programm hat sich aus dem 1989 gegründeten Aussiedlerprojekt „Sport für alle“ entwickelt.
[15] KOTHY ergänzt, dass die Existenz ethnischer Vereine im Sport nicht grundsätzlich neu war, da schon zu Beginn des Jahrhunderts die Polen ihren eigenen Verband in Deutschland hatten, der schließlich dem deutschen Faschismus zum Opfer fiel (Vgl. Kothy 1999, 92).
[16] Die Interessenskonflikte werden ausführlich in den Kapiteln 4 sowie 6.6.3 behandelt.
[17] Kampfsportarten fungieren dabei als Reservat der Männlichkeit, die gewissermaßen als Ersatzsymbolik die Fortsetzung eines symbolischen Kampfes darstellen, der von den jungen Migranten z.B. auf dem Bildungsmarkt verloren wurde (Vgl. Bröskamp 1994, 178).
[18] Siehe Kapitel 2.1
[19] Assimilation: Übernahme der dominanten Mehrheitskultur unter Ablegen der Herkunftskultur (Vgl. Bröskamp 1994, 48) Siehe auch Kapitel 5.3
[20] Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist allerdings, dass die ethnische Kolonie durchlässig und zur Mehrheitsgesellschaft hin offen ist. Esser ist kommt zu dem Schluss, dass ein erfolgreicher Aufstieg in der Aufnahmegesellschaft überhaupt erst durch ein Verlassen der ethnischen Kolonie möglich ist. (Vgl. LUFT 2006, 255-256).
[21] So berichten insbesondere die türkischen Medien in einem für Amateurligaverhältnisse unüblichen Maße über die eigenen Fußballvereine (Vgl. Schwarz 1998, 89-90).
[22] Aktuell (2006) untersucht z.B. Prof. Dr. Jürgen Baur von der Universität Potsdam für das Bundesinstitut für Sportwissenschaften die Rolle von Migrantensportvereinen innerhalb des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die breit angelegte Studie läuft über einen Zeitraum von 2 Jahren. Kooperationspartner ist das Programm „Integration durch Sport“. (http://www.integration-durchsport. de/index.php?id=6131&L=0&encryption Key=&tx_mininews_ pi2[showUid]=14543 &cHash =179f2e3573)
[23] Die Studie basiert auf der Durchführung von Experteninterviews zum Thema „ethnische Konflikte im Sport“ in den Städten Duisburg, Wuppertal und Münster (Vgl. Klein/Kothy/Cabadag 2000, 307-346).
[24] Nach der Kontakthypothese von Yehuda Amir, gibt es bestimmte Faktoren, die konfliktvermeidend und verständigungsfördernd auf interethnische Kontakte wirken. Dazu zählen, ein gleichwertiger Status sowie die Förderung des Sozialklimas bei regelmäßigen intensiven Kontakten.
Diese Begegnungen sollten, der Realisierung eines gemeinsamen Zieles dienen und von allen Beteiligten als Vorteil empfunden werden. Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, besteht politischer Handlungsbedarf: die Verbesserung des sozialen Status von Migranten, der Abbau von Diskriminierung sowie die Einbindung der ethnischen Minderheit in das politische Alltagsleben (Vgl. Şen/Sauer/Halm 2001,119-120)
[25] Stichprobe N = 1205
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