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Mehr InfosExamensarbeit, 2008, 101 Seiten
Examensarbeit
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Geowissenschaften, Humangeographie)
2,0
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Fächerzusammenarbeit
2.1 Fachunterricht als Grundlage der Fächerzusammenarbeit
2.1.1 Kritik am Fachunterricht
2.1.2 Über den Fachunterricht hinaus
2.2 Formen der Fächerzusammenarbeit
2.2.1 Fächerübergreifender Unterricht
2.2.2 Fächerverbindender Unterricht
2.2.3 Überfachlicher Unterricht
2.3 Effekte der Fächerzusammenarbeit
2.4 Kritisches Betrachten der Fächerzusammenarbeit
2.5 Die Verbindung zur Projektmethode
3 Projektmethode
3.1 Geschichtlicher Überblick
3.2 Zur Aktualität der Projektmethode
3.3 Merkmale der Projektmethode
3.3.1 Situationsbezug
3.3.2 Orientierung an den Interessen der Beteiligten
3.3.3 Gesellschaftliche Praxisrelevanz
3.3.4 Zielgerichtete Projektplanung
3.3.5 Selbstorganisation und Selbstverantwortung
3.3.6 Lernen mit allen Sinnen
3.3.7 Soziales Lernen
3.3.8 Produktorientierung
3.3.9 Interdisziplinarität
3.3.10 Evaluation der Wichtigkeit der Merkmale
3.4 Ablauf eines Projektes
3.5 Möglichkeiten der Projektmethode
3.6 Grenzen der Projektmethode
4 Kinderakademie Fulda – ein außerschulischer und didaktisch gestalteter Lernort
4.1 Geschichte, Bildungsideale und Struktur der Kinderakademie
4.2 Geographieunterricht an schulischen und außerschulischen Lernorten
4.2.1 Kinderakademie Fulda als außerschulischer Lernort
4.2.2 Besucherzahlen aus 2007
4.3 Gegenüberstellung: Didaktisch nicht gestalteter Lernort und didaktisch gestalteter Lernort
4.3.1 Die Kinderakademie als didaktisch gestalteter Lernort
4.3.2 Beispiele aus dem pädagogischen Alltag
4.4 Kritik am Lernort Kinderakademie
5 Projekt „Heiße Flecken – cooles Leben?“ in der Kinder-akademie Fulda
5.1 Überblick über den Projektinhalt: Die Vier Elemente
5.1.1 Geschichtliche Betrachtung der Vier-Elemente-Lehre
5.1.2 Die Bedeutung der Vier Elemente in der Gegenwart
5.1.3 Ausblick in den Geographieunterricht: Die Behandlung der Vier Elemente
5.2 Planung und Durchführung des Projektes
5.2.1 Didaktische Überlegungen
5.2.2 Spezifische Methoden
5.2.3 Der Wochenarbeitsplan
5.2.4 Was schöpfen die Kinder aus dem Projekt?
5.2.5 Mögliche Schwierigkeiten
6 Resümee
7 Literatur
8 Tabellen & Abbildungen
9 Anhang
„Erzähle mir und ich vergesse. Zeige mir und ich erinnere. Lass mich tun und ich verstehe.“ (Konfuzius, 551 - 479 v. Chr.)
Meine Erfahrungen an der Kinderakademie Fulda haben mich zu der Frage geführt, welche Unterrichtsmethoden sich besonders gut für die Vermittlung von Lerninhalten eignen. Es geht hierbei speziell um die Lerngegenstände der Geographie in Verbindung mit den Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Ferner habe ich beobachtet, dass besondere Lerneffekte erzielt werden, wenn Lerninhalte in einen fächerübergreifenden Kontext gestellt werden. Viele Kompetenzen, darunter themen- und problembezogenes Denken, können in einer Fächerzusammenarbeit gestärkt werden.
Die traditionellen Unterrichtsformen im Regelschulsystem scheinen bei der Fächerzusammenarbeit Defizite aufzuweisen. Daher können alternative Unterrichtsformen als Ergänzung oder Erweiterung dienen. Vielfältige Möglichkeiten für fächerübergreifendes Lernen stellt der außerschulische Lernort „Kinderakademie Fulda“ her. Vom 23. Juni – 1. August 2008 wird dort der „Sommer der Geowissenschaften“ veranstaltet. In dieser Zeit werden insgesamt 12 Projekte zu unterschiedlichen Themen angeboten. Eine dieser Projektwochen findet unter dem Motto „Heiße Flecken – cooles Leben?“ statt und verbindet ausgewählte Themen der physischen Geographie und der Humangeographie mit einigen Aspekten der Naturwissenschaften. Dieses handlungsorientierte Projekt dient als Anlass für die Betrachtungen der nachfolgenden Konzepte.
Die Schule ist neben dem Elternhaus einer der wichtigsten Lernorte der Heranwachsenden. In der Institution Schule werden durch die Bildungsstandards kognitive, instrumentelle und sozial-affektive Feinlernziele gesetzt, die die SchülerInnen erreichen sollen. Dabei dienen die einzelnen Schulfächer, die teilweise in einer sehr langen Tradition stehen, als die Grundlage für ausdifferenziertes Darstellen von Wissensgebieten.
In den letzten Jahrzehnten kamen jedoch viele neue Formen des Unterrichtens auf, wie „Offener Unterricht“, „Erfahrungsbezogener Unterricht“ und „Epochenunterricht“, in denen den Kindern neue Perspektiven des Lernens geboten werden. Die vermehrte Kritik einiger PädagogInnen am fachgebundenen sowie lehrerzentrierten Unterricht fordert somit eine Auseinandersetzung mit einer der neuen Formen des Lehrens und Lernens: der Fächerzusammenarbeit.
In ihr sollen den SchülerInnen die überfachlichen Zusammenhänge, die zwischen den einzelnen Fächern bestehen, deutlich gemacht werden. Daraus ergibt sich als eine Fähigkeit das multiperspektivische Betrachten von Lerngegenständen. Es gibt unterschiedliche Formen der Fächerzusammenarbeit, die je nach Rahmenbedingungen eingesetzt werden können.
Die Fächerzusammenarbeit hat viele Vorteile gegenüber dem Fachunterricht. Es treten auf der motivationalen Ebene sowie auf der Ebene der Kompetenzen spürbare Veränderungen auf. Ein Blick in die hessischen Lehrpläne für die Haupt- und Realschulen zeigt, wie wichtig die Fähigkeit des vernetzenden Denkens ist.
Als eine mögliche Form der Fächerzusammenarbeit, durch die Kinder vor besondere Herausforderungen gestellt werden, kann die Projektmethode betrachtet werden. Hier beteiligen sich SchülerInnen an der Durchführung von konkreten Projekten. Im schulischen Rahmen finden Projektwochen nur ein- bis zweimal jährlich statt, da sie nicht nur organisatorisch einen hohen Anspruch an die Lehrkräfte haben. Daneben bieten außerschulische Bildungsträger Projektwochen während und außerhalb der Schulzeiten an.
In schulischen sowie außerschulischen Projekten können, anders als durch schulischen Fachunterricht, im Idealfall Kompetenzen, wie selbstverantwortliches Lernen, Planungs- und Organisationskompetenz sowie erfahrungs- und interessenbezogenes Lernen entwickelt werden. In diesem Rahmen wird handlungs- und produktorientiertes Arbeiten gefördert. Während der Projektphase wird besonders auf eine Binnendifferenzierung der Kinder geachtet, was sich förderlich auf die Motivation der einzelnen SchülerInnen auswirkt.
Der Projektunterricht als Chance für interdisziplinäres Arbeiten, angereichert mit Aufgaben unterschiedlicher Fachwissenschaften, bietet sicherlich eine Fülle an Möglichkeiten. Demgegenüber wird oft der Einwand erhoben, „dass die Realität des Projektunterrichts in aller Regel weit hinter der Idee zurückbleibt“ (Schümer 1996: 145).
Der Projektgedanke kam bereits vor über 400 Jahren auf, wurde seitdem stets modifiziert und hat gegenwärtig nicht an Aktualität verloren. Von besonders großem Interesse sind schulische Großprojekte, die in der Öffentlichkeit Anklang finden (Beispiele hierzu siehe im Anhang).
Außerschulische Lernorte sind für Projektunterricht von entscheidender Bedeutung. Es gibt außerschulische Bildungsträger, die sich ausschließlich um die Gestaltung von Projekten für Kinder kümmern. Sie sind nicht an das schulische Curricula gebunden und haben somit einen differenzierten Handlungsspielraum für interdisziplinäre Projekte. Im außerschulischen Bereich besteht die Möglichkeit, Medien aus wissenschaftlichen Fachgebieten, die den Schulen nicht zugänglich sind oder deren Einsatz zu viel Zeit in Anspruch nehmen, einzubringen.
Neben didaktisch nicht aufbereiteten Lernorten gibt es didaktisch gestaltete Lernorte. In beiden Fällen spielt die originale Begegnung eine große Rolle, denn sie ermöglicht den SchülerInnen Primärerfahrungen mit allen Sinnen zu machen. Jedoch können nur an den didaktisch gestalteten Lernorten bestimmte didaktisch relevante Vorhaben durchgeführt werden.
Ein außerschulischer, didaktisch gestalteter Lernort, an dem in den Schulferien unterschiedliche Projekte angeboten werden, ist die „Kinderakademie Fulda“. Im Sommer 2008 wird dort der „Sommer der Geowissenschaften“ stattfinden. Unter Berücksichtigung der in der Arbeit besprochenen Konzepte wird der Wochenplan vorgestellt. Den thematischen Schwerpunkt des Projektes stellen die „Vier Elemente“ dar, deren Behandlung in der heutigen Zeit wichtig ist. Als eines der ersten Naturanschauungsmodelle, das heute in anderer Form in der Bio- und Geoökologie zu finden ist, eignet sich die Darstellung der Vier Elemente aus meiner Sicht hervorragend dazu, Kindern anschaulich die Naturzusammenhänge zu verdeutlichen. Während des Projektes werden sich die TeilnehmerInnen mit den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft auseinandersetzen, um ein Grundverständnis für die Abläufe in der Natur zu erlangen.
Die vorliegende Arbeit verfolgt mehrere Ziele. Zu allererst werden die unterschiedlichen Formen der Fächerzusammenarbeit dargestellt, die als eine Bereicherungen der Schulpraxis anzusehen sind. Als eine besondere Form der Fächerzusammenarbeit wird die Umsetzbarkeit der Projektmethode vorgestellt, wobei das Verfahren der Projektmethode präsentiert wird und ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Ein weiteres Ziel ist es, darzulegen, wie sich die Durchführung des Projektunterrichts an einem außerschulischen, didaktisch aufbereiteten Lernort gestalten lässt. Mit der Darstellung eines konkreten Projektes möchte ich überprüfen, ob sich die Projektmethode in der Praxis bewährt und welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten sich daraus ergeben. Als zentrales Anliegen des konkreten Projektes wird die Aktualität des Themas „Vier Elemente“ herausgestellt.
Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die einzelnen Kapitel der Arbeit und ihre Zusammenhänge (siehe Abb. 1). Die einzelnen Kapitel nehmen zwar aufeinander Bezug und die ersten Kapitel enthalten wichtige Grundlagen zum Verständnis der Arbeit, jedoch bildet jedes Kapitel eine inhaltliche Einheit, die soweit wie möglich auch unabhängig von den anderen Kapiteln lesbar sein soll. Es ist unvermeidlich, dass nicht in dieser Einleitung erläuterte Begriffe mehrfach, an unterschiedlichen Stellen der Arbeit und in unterschiedlicher Ausführlichkeit erklärt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Aufbau der Arbeit
Als Grundlage der Fächerzusammenarbeit wird im Kapitel 2 zunächst der Fachunterricht betrachtet, worauf im Anschluss über die Fachgrenzen hinausgegangen wird. Einige Formen der Fächerzusammenarbeit, genauer: der fächerübergreifende Unterricht, der fächerverbindende Unterricht und der überfachliche Unterricht, werden in diesem Kapitel vorgestellt. Erst dann können die positiven Effekte und Schwierigkeiten der Fächerzusammenarbeit erläutert werden. Abschließend wird eine Verbindung zur Projektmethode geschaffen.
Im Kapitel 3 wird die Projektmethode als ein Unterrichtswerkzeug vorgestellt. Beginnend mit einer geschichtlichen und gegenwärtigen Standortbestimmung werden alsdann die Merkmale dieser Methode aufgezeigt sowie ihre Wichtigkeit evaluiert. Als das ihr übergeordnete Unterrichtsprinzip wird die Handlungsorientierung ebenfalls Beachtung finden. Ein weiterer, wichtiger Teil in diesem Kapitel widmet sich der Darstellung des Grundmusters der Projektmethode. Nach genauer Betrachtung der unterschiedlichen Facetten können die Möglichkeiten und Grenzen der Projektmethode aufgezeigt werden.
Kapitel 4 gibt einerseits einen Überblick über verschiedene Lernorte sowie deren didaktische Ausgestaltung und andererseits einen Einblick in den außerschulischen Lernort „Kinderakademie Fulda“. Einleitend wird der Werdegang der Kinderakademie dargestellt und aktuelle Zahlen sowie Beispiele aus ihrem pädagogischen Alltag dargeboten. Abschließend wird der außerschulische Lernort kritisch betrachtet.
Im Kapitel 5 wird eine Anwendung einer fächerübergreifenden Projektwoche aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht die Darstellung des Projektes „Heiße Flecken – cooles Leben?“. Bevor jedoch der Wochenplan vorgestellt wird, werden didaktische und methodische Überlegungen angestellt. Abschließend stehen einige Erläuterungen zu den Zielen und eine Betrachtung der Schwierigkeiten des Projektes.
Fächerzusammenarbeit oder fächerübergreifender Unterricht[1] sind aspektreiche Begriffe, die in der Schulpädagogik angesiedelt sind und nach Kirchberg (1998: 3) alle Formen des interdisziplinären Lernens umschließen. Das Unterrichtsprinzip der Fächerzusammenarbeit veranlasst die SchülerInnen, sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit einem Unterrichtsthema auseinanderzusetzen. Die spezifische Verbindung von zwei oder mehr Fächern ergibt sich einerseits aus dem gewählten Thema, andererseits aus den institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen an einer Schule.
Allgemein gefasst soll Fächerzusammenarbeit „die Gliederungen und Ordnungen schulischen Lernens“ neu erproben und „für aktuelle Reformvorhaben erschließen“ (Duncker & Popp 1997: 7). Es sollen durch die Anwendung des interdisziplinären Arbeitens neue Wege des Lernens entdeckt werden, die für Bildungsprozesse wichtig seien.
Historisch betrachtet gab es bereits im 19. Jahrhundert die Idee der Fächerzusammenarbeit, die jedoch nur mäßige Beachtung fand. Bemühungen, die Grenzen der Unterrichtsfächer zu öffnen, fanden auch in der Zeit der Reformpädagogik um 1920 und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Allerdings hatte sich der Fachunterricht als wichtigstes schulisches Instrument durchgesetzt, sodass Erneuerungen in der Struktur vieler Regelschulen nicht erfolgten.
In den vergangenen Jahren ist die Fächerzusammenarbeit jedoch zu einem wesentlichen Ansatzpunkt der Neuorientierung pädagogischer und didaktischer Ansprüche geworden (Duncker & Popp 1998: 8). Die hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Fächerzusammenarbeit ermöglicht schulartunabhängig das Öffnen von Fachgrenzen, wodurch ein breiter Spielraum des Lernens entstehen kann (ebd.: 9).
Nach dieser allgemeinen Einführung in den Themenkomplex der Fächerzusammenarbeit, soll zunächst die Wichtigkeit des Fachunterrichts, als Ausgangspunkt für interdisziplinären Unterricht, betont werden. Im Anschluss werden die verschiedenen Formen der Fächerzusammenarbeit sowie ihre Vor- und Nachteile für den Unterricht erläutert. Abschließend wird eine Verbindung zur Projektmethode geschaffen.
Nach wie vor bietet der Fachunterricht mit seinen fachlichen Methoden und Inhalten einen Rahmen schulischen Geschehens (Bahr 2004: 5). So stehen Schulfächer teilweise in einer sehr langen Tradition und bilden die Basis für ausdifferenzierte Handlungsmöglichkeiten. Das Schulfach Geographie fand beispielsweise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einzug in die Schulen und verdankt dies dem aufkommenden Kolonialismus in dieser Zeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Formen der Fächerzusammenarbeit (Quelle: verändert nach Kirchberg 1998: 4)
Die einzelnen Schulfächer haben heute eine starke Stellung, weil diese in inhaltlicher, methodischer, organisatorischer und sozialer Hinsicht in großem Maße die Lernerfahrungen der SchülerInnen prägen, die durch die Bündelung von Zielen, Voraussetzungen und Realisierungsmöglichkeiten pädagogischer Arbeit möglich werden. Der Fachunterricht vermittelt viele spezifischen Theorien, Methoden und Perspektiven, die vermehrt an das Alltagswissen der Kinder anknüpfen, in didaktisch reduzierter Form. So ermöglichen Schulfächer, Weltprobleme zu Lernproblemen umzustrukturieren und die Lerngegenstände sachlich und zeitlich zu systematisieren (Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen 1999: 7).
„Schüler und Lehrer sind es im Regelschulsystem der Bundesrepublik gewohnt, die Welt durch enge Fenster zu betrachten. Bis zu sechs unterschiedliche Perspektiven reihen sie oft tagtäglich aneinander – als besäße niemand den Schlüssel für das Tor, um hinauszutreten in eine Wirklichkeit, über die meist nur spekuliert und theoretisiert wird.“ (Hasse 1989: 4)
Mit anderen Worten, wurde hier eine klare Kritik am derzeitigen Regelschulsystem, bestehend aus dem Konzept des Fachunterrichts, vorgenommen. Die einzelnen Fächer ließen nur fachspezifische Themen zu, die zudem nur theoretisch behandelt würden. Daneben wird ganz klar eine Art Hilflosigkeit ausgedrückt, in der sich das Regelschulsystem der Bundesrepublik befinde. Der regelhafte Unterricht beziehungsweise „der gewohnheitsmäßige Vollzug alltäglicher Verrichtungen“ ersticke jedes kreative Potential zur Findung neuer, fruchtbarer Lehr- und Lernmethoden. Der „Schlüssel für das Tor“, durch das hinauszutreten sei, könne durch den üblichen Fachunterricht nicht erlangt werden (ebd.).
Bedingt durch die enorm große Fülle an Fachwissen, welches über Informations- und Kommunikationsmedien abrufbar ist, und durch die Verzahnung einst getrennter Wissensbereiche, ist es für den Fachunterricht in der Schule unabdingbar, übergreifende Zusammenhänge zu verdeutlichen (Hennings 1993: 131). Jedoch erhebt der Unterricht in keiner Weise den Anspruch auf Vollständigkeit und hat selbst zeitlich gesehen nicht die Möglichkeit all diesen Forderungen gerecht zu werden.
Einige Fachdidaktiker (Hennings 1993: 130; Daum 1998: 81) fordern neue Richtlinien in der Geographieausbildung an Schulen und Hochschulen. Schon in der Lehrerausbildung solle vermehrt eine „ganzheitliche Allgemeinbildung“ stattfinden, worauf das „Fachlehrerprinzip“ aufgelöst werden müsse. Dieses Prinzip stellen Schramke und Schmidt-Wulffen (1995: 44) „als Blockade für den notwendigen curricularen Wandel“ dar, „der sich an gesellschaftlichen Entwicklungen und an den Bedürfnissen der Arbeitswelt orientieren müsste.“
Ebenfalls sei der von der Wissenschaftssystematik abgeleitete Fächerkanon lebensfern, weil er schonungslos Phänomene und Sachverhalte zerteile. Um Kinder und Jugendliche bei der Erschließung ihrer ungefächerten Lebenswelt zu unterstützen, müsse der auf Fächer ausgerichtete Stundenplan überdacht werden. In einem erhöhten Maße müsse in den Fächern auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder abgezielt werden und nicht auf die jeweiligen Bezugswissenschaften, was allerdings durch das Fachlehrersystem verstärkt würde (Kirchberg 1998: 2).
Gegenläufig zur alleinigen Durchführung von Fachunterricht stehen Forderungen nach ganzheitlichem, problemorientiertem und reflexivem Lernen sowie Binnendifferenzierung der SchülerInnen. In besonderem Maße könne dies bei einer Fächerzusammenarbeit stattfinden, wobei es allerdings auf die Gestaltung dieser ankommt (Huber 1998: 24).
Fachunterricht und Fächerzusammenarbeit schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sollten sich, nach Duncker und Popp (1998: 8), im besten Falle wechselseitig ergänzen. Die Fächerzusammenarbeit sei kein Ersatz für Wissenserwerb, vielmehr stelle sie eine äußerst wertvolle Ergänzung und Erweiterung dar, von jenen Bildungsintentionen, die im Fachunterricht angesteuert werden (Vielhaber 2005: 4).
Das Schulfach Geographie hat eine Brückenfunktion zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaft und beansprucht in sich bereits eine Art Überfach zu sein, die sich nicht nur beider Wissenschaftsbereichen bedient, sondern auch neue Theorien hervorbringt. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass aus dem naturwissenschaftlichen Bereich Themen aus der Geologie, der Klimatologie und der Bodenkunde in den Geographieunterricht einfließen. Auf der sozialwissenschaftlichen Seite werden auch Themen wie Städtebau und Demographie integriert und schließlich aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich volkswirtschaftliche oder verkehrswirtschaftliche Themen beleuchtet (Kirchberg: 1998: 3).
Der Geographieunterricht hält somit nicht an den Fachgrenzen inne, sondern ermöglicht den SchülerInnen, durch die Überlappungen zu anderen Wissensgebieten, die Sicht auf diese angrenzenden Bereiche. Dies wird beispielsweise deutlich, wenn Themen wie „Entwicklungsländer“, „Umwelterziehung“, „Europäische Integration“ oder „Globale Ethik“ durchgenommen werden.
Letztendlich kann dem Fachunterricht ein hoher Stellenwert zugeschrieben werden. Es gebe bereits an vielen Stellen Öffnungen dieses Unterrichts, woraus neue Formen des Lehrens und Lernens möglich werden. Im besten Falle stehen die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt des Fachunterrichts, an deren Interessen, Erfahrungen, Handlungsmöglichkeiten und Zukunft sich der Unterricht ausrichten solle (ebd.).
Mit Fächerzusammenarbeit ist ein Unterrichtsprinzip gemeint, bei dem die SchülerInnen nicht ausschließlich in Einzelfächern lernen, sondern in einem überfachlichen Fächerverbund, der sich aus der Thematik selbst ergibt (Kirchberg 1998: 5). Dabei entstehen aufgrund der Wahl des Unterrichtsthemas die möglichen Verbindungen zu anderen Fächern. Es gelten generell keine Richtlinien, nach denen sich die unterschiedlichen Fächer verbinden müssen.
Bei genauerer Betrachtung existieren unterschiedliche Formen der Fächerzusammenarbeit. Nicht nur nach inhaltlicher Orientierung, sondern auch nach sozialen und organisatorischen Gesichtspunkten werden sie klassifiziert. Es gibt eine Fülle an Taxonomien unterschiedlicher AutorInnen. So unterscheidet Huber (1998: 31) sechs Arten: fachüberschreitend, fächerverbindend oder –verknüpfend, fächerkoordinierend, Fachgruppen zusammenführend, fächerergänzend und fächerübergreifend.
Bei der Wahl einer Form der Fächerzusammenarbeit ist generell auf die organisatorischen Möglichkeiten zu achten sowie auf die zu erreichenden Lernziele. Die Formen „fachüberschreitend“ oder „fächerverbindend“ seien zur Herstellung der Beziehungen und Vertiefung der Zusammenhänge zwischen fachlich verschiedenen Aspekten eines Themas besonders geeignet. „Fächerkoordinierend“ solle gearbeitet werden, wenn das „Lernen an Problemen“ im Mittelpunkt steht, wofür es unabdingbar sei, ein Problem oder eine Fragestellung aus unterschiedlichen Fachperspektiven zu beleuchten (ebd.). Zur Analyse des Problems werden SchülerInnen von einigen FachlehrerInnen, die die Unterrichtseinheit gemeinsam geplant haben, koordiniert unterrichtet, woraus eine multiperspektivische Sicht auf den Gegenstand resultiere.
Im Folgenden werden in Anlehnung an Kirchberg (1998: 4), die meines Erachtens drei wichtigsten Formen der Fächerzusammenarbeit unterschieden: fächerübergreifender Unterricht, fächerverbindender Unterricht und überfachlicher Unterricht.
Fächerübergreifender Unterricht meint die Öffnung der Fachgrenzen zu mehreren anderen Fächern. Da „fächerübergreifend“ die Erweiterung von „fachübergreifend“ ist und beide Formen dem gleichen Ansatz folgen, wird im Folgenden nur von „fächerübergreifendem Unterricht“ gesprochen.
Der Handlungsraum für fächerübergreifenden Unterricht ist der Fachunterricht mit seinen spezifischen Strukturen. Eine Öffnung des Einzelfaches wird dann notwendig, „wenn in Bezug auf ein Thema auch Erkenntnisse anderer Fächer“ sinnvoll sind, „um überfachliche Zusammenhänge zu erschließen“ (Bahr 2004: 5).
Wird im Geographieunterricht beispielsweise fächerübergreifend das Thema „Klimawandel“ durchgenommen, so bietet sich ein SchülerInnenreferat über die physikalischen Größen der Luft an, wodurch ein grober Überblick über diese gegeben wird. Eine weitere Möglichkeit unter dem besagten Thema fächerübergreifend zu arbeiten, wäre die Behandlung gesellschaftlich-politischer Fragen, die sich durch die Folgen der globalen Erwärmung ergeben. Diese beiden Beispiele spiegeln die besondere Nähe zu den Fächern Physik und Politik wider, die sich mit der Geographie, die sich selbst als ein Brückenfach zur Natur- und Gesellschaftswissenschaft versteht, besonders gut kombinieren lassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Formen der Fächerzusammenarbeit (Quelle: verändert nach Kirchberg 1998: 4)
Werden die Grenzen von Fachunterricht auf die dargestellte Weise geöffnet, so erschließen sich Kindern bislang nicht erschlossene Zusammenhänge. Durch die Integration der Erkenntnisse anderer Disziplinen können die „Formen der Handlungsfähigkeit in komplexen alltäglichen und politisch-gesellschaftlichen Strukturen“ erweitert werden (Duncker & Popp 1998: 10).
Einerseits sollen durch die Auseinandersetzung mit physikalischen und politischen Fragen kritikfähige Jugendliche heranwachsen, die zukünftig komplexe alltägliche und politisch-gesellschaftliche Strukturen erkennen. Andererseits ist das Anliegen des Geographieunterrichts, die gegenwärtige Lebenswelt der Kinder in Bestandteile zu zerlegen und zu analysieren, wodurch sich automatisch Verknüpfungen mit naturwissenschaftlichen Fächern wie Biologie, Physik und Chemie ergeben (Bahr 2004: 6). So können beispielsweise mathematische Fähigkeiten bei der Geodäsie und Vegetationsgeographie oder statistische Auswertungen bei der Klimatologie zum Einsatz kommen.
Bei dieser Form der Fächerzusammenarbeit wird ein Thema nicht nur im Fachunterricht behandelt, sondern aus der Perspektive unterschiedlicher Fächer. Um tiefer in die Komplexität eines Themas einzusteigen, beschäftigen sich Schüler in inhaltlich koordinierten Fächern mit einem Gegenstand. Themen, die sich zwischen den Schnittfeldern der einzelnen Fachdisziplinen befinden, können beispielsweise „Region“, „Europa“, „Wald“ oder „Lärm“ sein.
Das Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen (1999: 7) beschreibt die Vorgehensweise im fächerverbindenden Unterricht wie folgt:
„Durch die inhaltlichte Koordinierung von Fächern werden unterschiedliche fachliche Perspektiven und Methoden zur Klärung von übergreifenden Problemen und zur Entwicklung gemeinsamer Problemlösungsstrategien herangezogen.“
Hierzu ein Beispiel des Landesinstituts (ebd.: 9): Als gemeinsamer Gegenstand beziehungsweise gemeinsames Thema soll „Lärm“ in den Fächern Physik, Biologie, Geographie und Sozialwissenschaften parallel bearbeitet werden. Im Physikunterricht werden Messungen und Quantifizierungen von Lärm vorgenommen. Die Lärmfolgen und physiologischen Phänomene werden im Biologieunterricht bearbeitet. Im Fach Geographie werden städtebauliche Probleme des Lärms diskutiert und in der Gesellschaftslehre oder Geschichte die gesellschafts- und arbeitspolitischen Aspekte desselben.
Es wird deutlich, dass fächerverbindender Unterricht auf den Perspektivenwechsel und die Vielfältigkeit der Umweltbeziehungen abzielt. In besonderem Maße wird den SchülerInnen durch verschiedene methodische und inhaltliche Zugriffsweisen auf ein Thema oder eine Fragestellung die Möglichkeit geboten, sich differenziert mit dem gewählten Thema zu beschäftigen. Es finde vernetzendes Lernen statt, indem Methoden und Erkenntnisse aus den entsprechenden Fächern reflektiert werden (ebd.: 8).
Wichtige Gestaltungs- und Planungsprinzipien, wie Lebensbezug, Anschaulichkeit, methodische Selbsttätigkeit, mitbestimmte Fragestellungen, außerschulische Lernorte oder –partner, sollen bei fächerverbindendem Unterricht beachtet werden (Kirchberg 1998: 5).
Nach Kirchberg (1998: 4) lassen sich die spezifischen Merkmale, wie in der Tabelle dargestellt, zusammenfassen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Formen der Fächerzusammenarbeit (Quelle: verändert nach Kirchberg 1998: 4)
Zentral für die fächerverbindende Behandlung von geeigneten Themen ist Klautkes (2000: 66) Konzept der drei Phasen des Erfassens und Durchdenkens. In der ersten Phase, die als Ziel die Findung eines Problems hat, soll den SchülerInnen ein Gesamteindruck eines Themengebietes vermittelt werden. Es folgt in der zweiten Phase die fachinterne Vermittlung von Erkenntnissen kombiniert mit fachspezifischen Methoden. Schließlich werden in der dritten Phase Wechselbeziehungen zu anderen Disziplinen aufgedeckt, was den Verständnisprozess von komplexen Phänomenen unterstützen soll.
Bei dieser Art der Fächerzusammenführung wird der traditionelle Fachunterricht zugunsten einer fachunabhängigen Vorgehensweise aufgelöst. Die SchülerInnen beschäftigen sich idealer Weise in so genannten Überfächern oder im Epochalunterricht mit weit fassenden Themen, wie „Welt- und Umweltkunde“ oder „Gesellschaftslehre“. Im Unterschied zum fächerübergreifenden und fächerverbindenden Unterricht werden im überfachlichen Unterricht Inhalte, die oftmals keinen Schulfächern zugeordnet werden, aus unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet, sodass fachunabhängige Lernfelder entstehen können (Kirchberg 1998: 5).
Mit Kirchberg (ebd.: 4) können die Merkmale des Unterrichtsprinzips wie folgt dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 4: Formen der Fächerzusammenarbeit (Quelle: verändert nach Kirchberg 1998: 4)
Es wurden in einigen Bundesländern bereits „integrative Fächer“ eingeführt, in denen sich die SchülerInnen an „Schlüsselproblemen“ orientieren. Ähnlich wie in der Grundschule werden hierbei LehrerInnen vermehrt in einer Klasse eingesetzt, was zwar fachfremdes Unterrichten impliziert, aber den SchülerInnen ermöglicht an unterschiedlichen Aspekten eines Themas über mehrere Schulstunden zu arbeiten.
Einig sind sich viele AutorInnen darüber, dass die Fächerzusammenarbeit bestimmte Kompetenzen der Schüler stärkt. Besonders gefördert werden hierbei das ganzheitliche Lernen[2], das problemorientierte Lernen, das reflexive Lernen (Kritikfähigkeit) und die kommunikative Ebene (Huber 1998: 24). Ganzheitliches Lernen finde statt, „wenn die Inhalte verschieden verknüpft werden und andere Erfahrungen von ‚draußen’ leichter einbezogen werden können“. Mit problemorientiertem Lernen meint er generell die „Orientierung des Lernens an (sozial) relevanten praktischen Problemen (statt an der Fachsystematik)“ (ebd.: 26). Reflexives Lernen stehe in engem Zusammenhang mit der Wissenschaftspropädeutik[3], deren primäres Merkmal inhaltliche und soziale Offenheit ist. Die SchülerInnen sollen erlernen ihre Alltagserfahrungen differenziert zu betrachten und diese gegebenenfalls um die neuen Erkenntnisse zu erweitern. Daneben werden in besonderem Maße kritische Diskussionen zu politischen und philosophischen Fragestellungen geführt. Die kommunikative Kompetenz im Rahmen des interdisziplinären Unterrichts bedeutet, dass die Kinder ihre unterschiedlichen Perspektiven ausdrücken und ihre verbalen Fähigkeiten einbringen sollen.
Ebenso hebt Gudjons (2001: 25) die Wichtigkeit „ganzheitlichen Wahrnehmens“ hervor, da uns Menschen im alltäglichen Leben Phänomene situationsbezogen und im Problemzusammenhang begegnen. Dies schließt an die von Huber (1998: 24) definierten Kompetenzen an, die durch interdisziplinäres Lernen gefördert werden.
Die Durchführung eines interdisziplinären Unterrichts oder einer interdisziplinären Projektwoche kann auf der motivationalen Ebene spürbare Effekte hervorrufen. Waren an einem fächerverbindenden, überfachlichen Unterricht oder einer Projektwoche mehrere Fächer und somit auch unterschiedliche FachkollegInnen beteiligt, so regen die neu gewonnenen Erkenntnisse und Arbeitsweisen SchülerInnen an, sich auch nach der Phase der Fächerzusammenarbeit mit den einzelnen Aspekten im Fachunterricht vertiefend weiter zu beschäftigen (Bastian & Gudjons 1993: 37).
Eine entscheidende Kritik an der Fächerzusammenarbeit bezieht sich auf die Bedeutung des Fachunterrichts. So verfüge Richter (1995: 45) zufolge nur das Fachprinzip über methodologische Konzepte, die menschliche Wirklichkeit zu erschließen. Es schließt sich jedoch nicht aus, auch in der Fächerzusammenarbeit spezifische Methoden anzuwenden. Denn die einzelnen Fächer sollen nicht in Konkurrenz zueinander treten, sondern sich gegenseitig ergänzen (Duncker & Popp 1998: 8).
Ein weiteres Problem, das sich aus der Fächerzusammenarbeit ergibt, betrifft die Zuordnung von Erlerntem in bestehende Systeme. Die SchülerInnen lernen zwar problem- und handlungsorientiert, haben aber keinen fachlichen Bezugspunkt. Möglicherweise könne interdisziplinäres Lernen zu einer Überforderung der Kinder führen, was letztendlich in Desinteresse, Motivationsverlust und Stagnation des Wissenszuwachses ende (Richter 1995: 169).
Wichtig beim Wechsel vom Fachunterricht zur Fächerzusammenarbeit ist in jedem Fall der zeitliche Aspekt. Kinder benötigen Zeit, um sich an neue Arbeitsweisen zu gewöhnen. Schließlich stellt Richter (ebd.) in Frage, ob es „angesichts der Tatsache, dass die heutige Schülergeneration (...) nach maßgeblicher Orientierung verlangt, nicht notwendig“ ist, „sich der pädagogischen Horizonte der Kontinuität, der Orientierung und der Identifikation zuzuwenden, um Kraft und Sicherheit zu finden für das hereinstürzende Neue, das Fremde und das Ungewisse in dieser Zeit der Umbrüche.“ In Teilen steckt in dieser Äußerung sicherlich ein wahrer Kern, dennoch wage ich zu bezweifeln, ob es zukunftsweisend ist, das Schulsystem in den bestehenden Bahnen weiter laufen zu lassen.
So innovativ die Möglichkeiten des interdisziplinären Lernens sind, mit so vielen Schwierigkeiten ist dessen Umsetzung in den Sekundarstufen I und II behaftet. Die am traditionellen Fächerkanon orientierten Organisationstrukturen der Schulen erschweren einerseits das Aufbrechen des Fachunterrichts. Andererseits lehnen einige ausgebildete FachlehrerInnen Ausblicke in fremde Fächer ab, da sie sich in fremden Disziplinen nicht sicher fühlen und befürchten, in unprofessionelles Unterrichten abzugleiten (Duncker & Popp 1998: 9).
Generell stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Fächerzusammenarbeit, denn interdisziplinäres Lernen und Lehren setzt ein hohes Maß an Qualifikation und Engagement seitens der LehrerInnen voraus, um den SchülerInnen multiperspektivisches Betrachten eines Themas zu ermöglichen. Schon der hohe Organisationsaufwand bei fächerverbindendem Unterricht schreckt viele LehrerInnen ab. Hier müssen Absprachen mit KollegInnen getroffen werden, Stundenplan- und Raumabstimmungen werden nötig sowie die tiefere Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Fachthemen.
Aus diesen Gründen finden in vielen Schulen meist nur wenig fächerzusammenarbeitende Einheiten statt. Um SchülerInnen dennoch das interdisziplinäre Lernen zu ermöglichen, schreiben Lehrpläne einiger Bundesländer, wie beispielsweise Baden-Württem-berg, Rheinland-Pfalz und Hamburg die Durchführung von Einheiten mit fächerverbindenden Themen vor (Bahr 2004: 7). Diese Verpflichtungen führen dazu, dass fächerverbindender Unterricht bisher als Sonderform des Unterrichts erscheint. Aus den hessischen Lehrplänen des Faches Erdkunde der Realschule geht hervor, dass beispielsweise in der Jahrgangsstufe 9 zum Thema „Unser Lebensraum verändert sich (Stadt und Umland)“ Querverweise zu den Fächern Geschichte, Biologie, Sozialkunde, Arbeitslehre und Deutsch gemacht werden, was auf eine mögliche Fächerzusammenarbeit hinweist. Sowohl aus meiner Sicht als auch durch den Lehrplan unterstützt, kann fächerübergreifender Unterricht in den gewöhnlichen Schulunterricht integriert werden. Fordern einige LehrerInnen, SchülerInnen oder das Schulcurricula neben der Stundentafel ein fächerübergreifendes Vorhaben, welches „eine Verknüpfung verschiedener Fachaspekte bei der Erarbeitung eines komplexen Phänomens“ (ebd.) ermöglicht, so bieten sich Projekttage oder -wochen an.
Gerade der überfachliche Unterricht birgt die Gefahr in sich, dass der Unterricht zugunsten eines unscharfen Lernfeldes abgelöst wird. Wenn ausschließlich überfachlicher Unterricht stattfinden würde, dann - so mein Schluss - könnten die derzeit curricular festgelegten Bildungsziele nicht eingehalten werden.
Abschließend lässt sich unter Berücksichtigung der genannten Punkte sagen, dass Fächerzusammenarbeit durchgeführt werden kann, wenn sich die LehrerInnen dazu befähigt fühlen und neuen Lernformen gegenüber offen sind. Die Lehrkräfte, die sich an gemeinsamen Einheiten beteiligen, müssen auf die korrekte Darstellung der Themen bedacht sein. Nur so wird durch multiperspektivisches Betrachten von Themen vernetztes Denken möglich. Außerdem ist die Anwendung abhängig von den zu erreichenden Zielen. Es macht wenig Sinn, zwanghaft fächerübergreifend zu lehren, wenn die SchülerInnen beispielsweise rein topographische Fähigkeiten erlernen sollen. Ebenso sollte bei der Auswahl von Lehr- und Lernformen auf die hinzuarbeitenden Ziele geachtet werden. So ist es für die Kinder und Jugendlichen nicht zweckmäßig, künstlich geschaffene Verbindungen schwer zu vereinbarender Themenkomplexe zu erfassen. Dies ist meines Erachtens der Fall, wenn beispielsweise beim Thema „Klimawandel“ im Fach Geographie die Fächerverbindung zur Religion, zur Musik oder zum Sport gesucht wird.
Die beschriebenen Formen der Fächerzusammenarbeit können einerseits in den regulären Stundenplan integriert werden, andererseits kann interdisziplinäres Lernen Lehrplan bedingt, Schulcurricula bedingt oder durch die Initiative einiger LehrerInnen oder SchülerInnen in Projektwochen oder -tagen umgesetzt werden. Durch die bisherige Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Fächerzusammenarbeit, ist bereits deutlich geworden, dass sich Themen wie beispielsweise „Lärm“ oder „Klimawandel“ nicht zwingend an Fächergrenzen halten. So kann ein Projekt, je nach Planung, in den Formen fächerübergreifend, fächerverbindend oder überfachlich stattfinden.
Ziel einer Projektwoche ist es, dass sich Kinder einige Tage oder sogar eine oder mehrere Wochen intensiv mit einem gewählten Thema auseinander setzen. Hierbei sollen sie laut Gudjons (2001: 25) „ein Problem, eine Aufgabe in ihrem komplexen Lebenszusammenhang begreifen und sich im Schnittpunkt verschiedener Fachdisziplinen“ bewegen. Ohne wesentliche Bedeutung ist die gewählte Form der Betrachtungsweise von Themen. So kann ein Projektthema aus einer dominanten Perspektive heraus bearbeitet werden, was gleichzusetzen mit fächerübergreifendem Unterricht wäre, als auch ganz ohne jegliche Hierarchie der Fachaspekte, was dem fächerverbindenden Unterricht gleich kommt.
Von großer Bedeutung ist dabei die Bearbeitung der Aufgabe beziehungsweise die Lösung des Problems. Dazu können die SchülerInnen Informationen aus diversen Fachdisziplinen einholen. Auf diese Weise erschließen sich den Kindern in einer interdisziplinären Projektwoche nicht nur Phänomene des Alltags, sondern auch je nach Themengebiet soziokulturelle, politisch-gesellschaftliche oder wirtschaftliche Fragen (ebd.).
In der folgenden Abbildung werden verschiedene Ansatzpunkte für Fachöffnungen des Geographieunterrichts verdeutlicht. Ein oder mehrere Teilgebiete können in Projekttagen oder -wochen bearbeitet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ansatzpunkte für Fachöffnungen des Geographieunterrichts (Quelle: Kirchberg 1998: 6)
Anhand eines Beispiels soll verdeutlicht werden, wie sich Fachöffnungen verwirklichen lassen.
Es wird in den Klassen 7 – 8 einer Gesamtschule eine zweiwöchige Projektphase angeboten. Die SchülerInnen haben sich dazu entschlossen, das Projekt „Fremde Länder, fremde Kulturen, bekannte Gesichter“ aus der Sicht der Geographie, der Musik, der Religion, der Fremdsprachen und der Politik zu behandeln. Nach einer gemeinsamen Vorbesprechung und der Formulierung eines Projektziels bilden sich zunächst ExpertIn-nengruppen, die ein gewähltes Thema bearbeiten. Eigenständig werden mit Hilfe verschiedener Medien Informationen über das gewählte Land oder über die gewählten Länder gesammelt, wie:
- die topographische Gestaltung
- bevölkerungsgeographische Aspekte
- landestypische Musik als Teil der Kultur
- unterschiedliche Werte und Normen der Weltreligionen
- fremde Sprachen als Kulturräume
Die SchülerInnen legen Problemstellungen und Aufgaben fest. Es wird geforscht, gebastelt, gespielt und diskutiert bis die gewünschten Ziele erreicht sind.
Nach jedem einzelnen Projekttag wird ein gemeinsames Treffen vereinbart, bei dem die Möglichkeiten und Grenzen der vergebenen Aufgaben sowie die gruppeninternen Probleme besprochen werden. Möglicherweise wird die Zielsetzung des Projektes geändert, woraufhin sich die Gruppen neu zusammensetzen können.
Am Ende der Projektwochen steht beispielsweise eine multilinguale Theatervorführung, bei der viele Aspekte des Erlernten, des Erarbeiteten und des Erfahrenen einem Publikum künstlerisch dargeboten werden.
Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht der Begriff Projektmethode. Vereinfacht formuliert sind Unterrichtsmethoden Formen und Verfahren, in denen gelernt wird, oder anders ausgedrückt, sind sie „der Weg, den Lehrende und Lernende gehen, wenn sie sich bilden wollen“ (Frey 2002: 15).
Ein Projekt, das eine Lerngruppe aushandelt, plant, anpackt, durchhält oder auch abbricht, ist das konkrete Lernunternehmen. Wird der schulische Unterricht nach den Projektmerkmalen gestaltet, so heißt er Projektunterricht. In der vorliegenden Arbeit wird der Einfachheit halber von Projektunterricht als Idealform gesprochen, obwohl diese Form des Unterrichts wohl in seltenen Fällen praktiziert wird. Oftmals stützt sich die Vorgehensweise eines Projektes auf ein bis zwei Merkmale[4] der Projektmethode, was dem projektorientieren Unterricht oder projektartigen Lernen gleich kommt. Weitere Begrifflichkeiten wie Projektlernen und Projektarbeit zielen zum Einen auf das soziale Lernen ab und zum Anderen auf das handelnde Tun während eines Projektes (ebd.).
In den letzten Jahren findet im öffentlichen und privaten Leben ein Strukturwandel statt, dessen Folgen derzeit noch nicht ersichtlich sind. Mit Gewissheit können wir heute sagen, dass die Kinder von heute morgen vor Chancen und Problemen stehen werden, die dann behandelt werden müssen. Die Schule als wichtiger Lernort der SchülerInnen wird dazu aufgerufen, durch entsprechende „Unterrichtsmethoden einerseits individuelle Begabungen zu fördern und andererseits statische Fähigkeiten, wie Disziplin und Fleiß, um dynamische, wie Kommunikationsfähigkeit und Eigenverantwortung, erweitern zu helfen“ (Fridrich 1995: 9).
Eine schon mehrere Jahrhunderte alte Methode ist im Gespräch, SchülerInnen die dynamischen Fähigkeiten wie inhaltliche, soziale und organisatorische Kompetenzen sowie technische Fertigkeiten adäquat zu vermitteln: die Projektmethode.
Beginnend mit einem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Projektmethode und deren Aktualität sollen im Anschluss ihre Merkmale, ihr Ablauf beziehungsweise ihr Grundmuster sowie ihre Möglichkeiten und Grenzen gezeigt werden.
Die Wurzeln der Projektmethode liegen nach neuesten Untersuchungen in Italien des 16. Jahrhunderts und in Frankreich des 18. Jahrhunderts. Dort sollten Architekturstudenten selbstständig, kooperativ und originell so genannte „projets“ zu verschiedenen Bauvorhaben einreichen, was ein Bestandteil ihrer Ausbildung war. Anfang des 19. Jahrhunderts gelangte diese Methode über die Bauakademien und technischen Hochschulen über Deutschland bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo sie von ca. 1865-1866 Einzug in die amerikanische Pädagogik fand (Gudjons 2000: 73). Im Laufe des nächsten Jahrhunderts entwickelten sich zwei Varianten der Projektmethode: die sozialkonservativ-technologische und die sozialreformerisch-politische. John Dewey (1859 – 1952) konzipierte unter politischen, philosophischen, lernpsychologischen und pädagogischen Gesichtspunkten den „Projektunterricht“ (Gudjons 2001: 74). In Anlehnung an Dewey formulierten Bastian und Gudjons (1991: 25) die wesentlichen Aspekte des Dewey’schen Projektkonzeptes wie folgt:
„Denkende Erfahrungen im Sinne planvoller Auseinandersetzung der Schüler mit ihrer sozialen Umgebung, verbunden mit der Perspektive einer sozialen Höherentwicklung im Sinne von Demokratisierung, und dies wiederum verknüpft mit dem Anspruch der Menschen – und damit auch Schüler – an Selbstorganisation und Selbstverantwortung.“
Mit anderen Worten sind erstens die Beachtung der gesellschaftlichen Praxisrelevanz, zweitens das Abzielen auf demokratisches Handeln in Schule und Gesellschaft und drittens das entwickelnde Tun, kurz: „learning by doing“, gemeint.
Das Konzept des projektorientieren Lehrens und Lernens wurde in den politisch und pädagogisch bewegten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. In der Schulpädagogik wurde besonders der Anspruch nach Gesellschafts-, Praxis- und Problembezug sowie Interdisziplinarität groß geschrieben. Der Ruf nach Verringerung der Kluft zwischen Schule und Leben sowie Überwindung der Trennung zwischen Theorie und Praxis wurde seit dieser Zeit immer lauter.
Der Projektunterricht erlebte eine Renaissance in den 70er Jahren. Auf der einen Seite wurden Projekte wie „Bau von Sonnenkollektoren und Biogasanlagen“, „Geschichtliche Erforschung des Dorfes oder des Stadtteils“ frei von schulischen Regularien durchgeführt. Besonders dort, wo sich die TeilnehmerInnen von Projekten mit aktuellen politischen Bewegungen, wie beispielsweise Friedensbewegungen, Anti-Atomkraft-Bewegung, Frauenbewegung oder Ökologiebewegung, zusammen fanden, wurden die Effekte des Projektlernens sichtbar. Auf der anderen Seite fanden „Hobby- oder Bastelprojekte“ statt, die ohne erkennbaren Lernzuwachs entgegen der eigentlichen Projektidee durchgeführt wurden (Bastian & Gudjons 1993: 22).
In den 80er Jahren fanden mehr Projekte statt als in den Jahrzehnten davor. Seit dieser Zeit versuchen LehrerInnen jedoch das Projektlernen auch auf den Fachunterricht zu übertragen, was sich in einer „Verkürzung der ursprünglichen Intention“ (Gudjons 2001: 77) bemerkbar machte. Sicherlich steht diese Veränderung in engem Zusammenhang mit den Grenzen der Projektmethode, auf die in Kapitel 3.5 näher eingegangen wird.
Das der Projektunterricht an Aktualität nicht verloren hat, wird deutlich bei näherer Betrachtung der hessischen Lehrpläne, ganz besonders den Abschlussprofilen der Jahrgangsstufen 9/10.
Im Bildungsgang Hauptschule werden viele Arbeitsmethoden vorgeschlagen, die im Rahmen einer Projektphase umgesetzt werden können und hier auszugsweise aufgeführt werden:
- Befragen von ExpertInnen (Wirtschaft, Hilfsorganisationen, kirchliche Organisationen, industrielle Produktionsstätten)
- Exkursionen (Flughafen, Hauptbahnhof, Wasserkraftwerk, Heimatmuseum, Bauernhof, Sternenwarte)
- Versuche (Erzeugen und Messen von Energie: Sonnenkollektoren, Wasserfall, Luftstrahl aus Fön, Solarzellen in Uhren und Taschenrechnern)
- Verkehrszählung erstellen und auswerten
- Fallbeispiele bearbeiten (Tourismus in Büsum, Leben auf einer Hallig)
- Modelle bauen und benutzen können (Tellurium)
Als Teil der Hauptabschlussprüfung führen die SchülerInnen ein circa 4-wöchiges Projekt, zu einem selbst gewählten Thema, durch. Am Ende der Vorbereitungs- und Durchführungszeit, präsentieren die SchülerInnen-Gruppen 15-30 Minuten lang die Projektergebnisse. Damit die Kinder entsprechend der Anforderungen diese Aufgabe bewältigen können, ist es wichtig, in allen Jahrgangsstufen Projekttage oder –wochen durchzuführen.
[...]
[1] Ich verwende den Begriff Fächerzusammenarbeit als einen Oberbegriff, der die anderen Begriffe, fächerübergreifend, fächerverbindend und überfachlich, umfasst.
[2] Ganzheitlichkeit bedeutet nach Otto (1997: 241), dass sowohl personale Aspekte, die Sinne und kognitiven Voraussetzungen der SchülerInnen als auch die Auswahl der Inhalte und die der Unterrichtsmethoden aufeinander abgestimmt werden.
[3] Propädeutik (griech. pró paideúein) = Vorbildung, Vorunterricht. In diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit Einführung in die Wissenschaft.
[4] Die Merkmale der Projektmethode: siehe Kapitel 3.2
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