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Mehr InfosDoktorarbeit / Dissertation, 1999, 173 Seiten
Doktorarbeit / Dissertation
1,0
1 Vorwort
I Einleitung
2 Wie ist es zu dieser Arbeit gekommen?
3 Zielsetzung der Arbeit
4 Gliederung dieses Buches
II Grundlagen
5 Die gesellschaftliche Notwendigkeit Biographischen Lernens*
6 Wozu ist die Schule da?
7 Das Konzept der Biographischen Selbstreflexion
8 Heidrun Hoppes „Begründung einer biographiezentrierten Didaktik der Gesellschaftswissenschaften“
9 Edwin Stillers Dialogische Fachdidaktik Pädagogik
10 Phoenix. Der etwas andere Weg zur Pädagogik - ein Weg auch Biographischen Lernens
11 Ein Konzept Biographischen Lernens - Integration Biographischer Selbstreflexion in themengebundenen Unterricht
III Unterrichtspraxis
12 Unsere Schule - ein „Haus des Lernens“? - Impressionen
13 Unterrichtswirklichkeit und die existentielle Situation Jugendlicher
14 Altersangemessenheit und gestufter Anspruch Biographischen Lernens
15 Welche personalen-, Unterrichts- und außerunterrichtlichen Voraussetzungen für Biographisches Lernen bringen die Schülerinnen und Schüler mit?
16 Rollen von biographisch lernenden Schülerinnen und Schülern
17 Rollen von Lehrerinnen und Lehrern, die Biographisches Lernen begleiten
18 Die Beziehung(en) zwischen den im Unterricht am Biographischen Lernen Beteiligten
19 Warum legen insbesondere pädagogische Sachinhalte Biographisches Lernen nahe?
20 „Schulerfahrungen 1900 - Schulerfahrungen 2000“ - Themenauswahl und -begründung für eine biographisch orientierte Unterrichtsreihe
21 Lehrplanbezüge des Themas
22 Verwirklichung weitreichender Schülerinnenorientierung und Schülerorientierung durch Biographisches Lernen
23 Materialauswahl
24 Didaktische Reduktion
25 Sensibilisierung für Biographisches Lernen
26 Lernziele beim Biographischen Lernen
27 Struktur biographischer Unterrichtsreihen
28 Freiarbeit als Realisierungsform Biographischen Lernens
29 Biographisches Schreiben - Voraussetzungen, Formen, Richtungen
30 Spezifische Probleme Biographischen Schreibens
31 Lernanforderungen und mögliche Lernschwierigkeiten
32 Leistungsbewertung
33 Bedeutung biographisch orientierten Unterrichts für die Lernenden
IV Aktionsforschung
34 Biographisches Lernen am Lehrerseminar Kreuzlingen
35 Biographische Didaktik und Aktionsforschung
V Ergebnisse
36 Reihenorientierung für Unterricht mit Komponenten Biographischen Lernens
37 Ergebnisse/Weiterarbeit
38 Gedanken zur Rezeption dieser Arbeit
VI Impulse
A Schulzeit - Freizeit
B Schulhefte
C Zeugnisse
D Ich und die Mitschüler/innen
E Schulfächer
F Der erste Lehrer
G Meine Lehrerinnen und Lehrer
H Abitur
I „Schul-Bilder“
J 6 Gedanken
K Schul-Fotos
L Lebenslinie
M Mind Map „Mein Leben“, „Meine Schulzeit“
N Tagebücher
O Lerninhalte
P Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz
Q Schul-“Karriere“
R „Schulzeit - Problemzeit ?“
S Schul-Szenen
T Schul-Tagebuch
U Persönlich bedeutsame Lernerfahrungen
V Äußere Schulwirklichkeit - inneres Schulerleben Vorlage für die Impulse L und Q
VII Text-/Filmvorschläge
VIII Literaturverzeichnis
* = Orthographischer Hinweis
Ich verwende die Begriffe „Biographisches Lernen“, „Biographische Selbstreflexion“, andere mit „biographisch“ gebildete Komposita und „Lernendes Subjekt“ in einem spezifischen -im folgenden zu entfaltenden- Sinn und schreibe sie daher groß.
Die vorliegende Arbeit wurde ermöglicht durch das mir von den verschiedensten Seiten gewidmete Vertrauen und Engagement.
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei
- meinem Fachleiter und freundschaftlichen Berater Eckehardt Knöpfel, der meinen Ausbildungsweg in Theorie und Praxis kompetent und professionell begleitete
- meinem Doktorvater Uwe Wyschkon für die dreijährige partnerschaftliche Zusammenarbeit, in der er mich fachlich und emotional förderte
- meinem Doktorvater Herbert Gudjons, der mich entscheidend zur Realisierung dieses Projekts ermutigte
- der Direktion des Thurgauischen Lehrerseminars Kreuzlingen. Die Worte des Prorektors Urs Doerig: „Wir sind für alles offen!“ waren nicht nur Worte; insbesondere mein Kollege Richard Weiss hat sich für unseren biographischen Unterricht, seine Planung, Durchführung und Evaluation viel Zeit genommen
- meiner Frau Stella für ihre unermüdliche Anteilnahme am Entstehungsprozeß dieser Arbeit
- Ursula Wöllhaf für unsere zahlreichen biographischen Gespräche; durch ihr Interesse erhielten viele Übungen zur Biographischen Selbstreflexion für mich ein Gesicht und Leben
- Herrn Bernhard van Geldern und Frau Luise Backmund für ihre großzügige Unterstützung
An dieser Stelle erinnere ich mich an meinen Lehrer Jakob Muth, bei dem ich von 1988 bis 1990 studierte. Jakob Muth war der faszinierendste Mensch, der mir je begegnet ist. Ich empfand eine starke Zuneigung zu ihm. Muths Persönlichkeit, Charisma, Güte und Toleranz, die Tiefe seiner Gedanken sowie die Art, seine Berufung zu leben, haben mich für immer geprägt. Er hat mir gezeigt, daß Pädagogik mehr als eine Wissenschaft ist. Seine Botschaft könnte lauten: Schule als glückliches Leben. Sie besitzt Gültigkeit für meine Existenz.
Ich hasse Bücher!
Sie lehren nur, von dem zu reden, was man nicht weiß.
Rousseau
An einem Septembervormittag im Jahr 1981 vernahm ich in meiner allerersten Philosophiestunde zwei Sätze von Ludwig Wittgenstein: „Was ist dein Ziel in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen.“ Ohne irgendetwas von der Wissenschaft oder dem Unterrichtsfach Philosophie zu kennen, ohne je den Namen Wittgenstein gehört zu haben geschweige denn mit seinen komplexen Gedankengebäuden auch nur annähernd in Berührung gekommen zu sein, wurde ich von den beiden Sätzen völlig gefangen genommen.
Die nachhaltige Bedeutung dieses Unterrichtsinhalts für mich war in meiner existentiellen Situation begründet: allein das Wort „Ausweg“ weckte das fachliche Interesse des vor wenigen Tagen in die gymnasiale Oberstufe eingetretenen 16jährigen Schülers ...
Auf der anderen Seite waren Schulerfahrungen für mich immer auch Diskrepanzerfahrungen, v.a. wenn ich die Korrelation eines Lerninhalts mit meiner eigenen Lebenswirklichkeit nicht erkennen konnte. Rousseau läßt Emile in einem solchen Fall fragen: „Wozu nützt das?“ (Rousseau 1983, 172 ff.)
Während meines Studiums kristallisierte sich das Interesse an jener pädagogischen Tradition heraus, die ich mit einer Linie: Jean-Jacques Rousseau « Reformpädagogik « Jakob Muth skizzieren möchte, wobei ich Rousseau durchaus auch als Verfasser der Confessions verstehe, mich innerhalb der reformpädagogischen Bewegungen besonders Ansätze beschäftigen, die unter der Bezeichnung „Ecole pour la vie par la vie“ (Ovide Decroly) konfigurieren könnten, und ich schließlich Jakob Muths Philosophie der „Schule als Leben“ gleichsam im Sinne von „Schule als Lebensgeschichte“ interpretiere.
Im Verlaufe vieler Jahre als Schüler, Student, Schulpraktikant, Studienreferendar, Lehrer und Doktorand bildete sich in mir die feste Überzeugung aus, daß wirkliches Wissen v.a. aus existentiell verwurzelter Anschauung und persönlich bedeutsamen Erfahrungen erwächst, weniger durch institutionell und halbherzig eingetrichterten Stoff aufgezwungen werden kann. Die Begriffe „Bildung“ und „Leben“ müssen eng aufeinander bezogen werden. So trägt meine Zweite Staatsarbeit den Titel: Schüler-Leben in Hermann Hesses UNTERM RAD (Rogal 1995).
In der Schuldichtung der letzten Jahrhundertwende stehen Fragen im Mittelpunkt, die ebenso in der didaktischen Diskussion dieser Jahrhundertwende zentral sein müssen: Was heißt eigentlich „Persönlichkeits-Bildung“, und wie läßt sich dieser Begriff auf das beziehen, was in einer konkreten Unterrichtsstunde passiert? Worauf kommt es an, wenn ein/e Schüler/in die Schule verläßt?
Seit 1992 begleitet mich das Buch Auf meinen Spuren von Herbert Gudjons, Marianne Pieper und Birgit Wagener. Ich teile die hinter dem dort entfalteten Konzept Biographischer Selbstreflexion stehende Auffassung von Pädagogik: „Das Ernstnehmen der Selbstreflexion zielt [...] grundlegend auf ein Verständnis von Erziehungswissenschaft als einer Handlungswissenschaft“ (Gudjons u.a. 1992, 53).
Auf meinen Spuren schien mir -von meiner ersten Begegnung mit dem Werk an- bedeutend mehr zu bieten als „Vorschläge und Übungen für pädagogische Arbeit und Selbsterfahrung“ (Untertitel), traf mich in der Zeit meiner Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen an einem neuralgischen Punkt: „Zum Beispiel hat jede/r Lehrerstudent/in Erfahrungen mit Schule, hat Ideale und Träume, wie Schule sein könnte. Diesen Bestand kritisch zu analysieren, auf Entstehungsbedingungen und Hintergründe zu befragen, kann die Motivation schaffen, sich dann mit einschlägigen wissenschaftlichen Theorien und Inhalten zu beschäftigen, statt sich immer schon Antworten einzuverleiben auf Fragen, die nie gestellt wurden.“ (Gudjons u.a. 1992, 53)
Was war neben der Anhäufung fachwissenschaftlicher Erkenntnisse für den Eintritt ins Referendariat, für die Begegnung mit Schülerinnen und Schülern wichtig? „Die Beschäftigung mit der biographischen Methode setzt voraus eine Beschäftigung des Forschers mit sich selbst“ (Baacke 1985, 11). Theodor Schulze konkretisiert: „indem man versteht, wie man selber gelernt hat, versteht man auch, warum und wie andere lernen“ (Schulze 1995, 406). Inwieweit wird die folgende Analogie ihre Tragfähigkeit beweisen? Indem ich verstehe, daß meine Lebensgeschichte der authentischste und plausibelste Bezugspunkt meiner Bildung ist, verstehe ich auch, daß für meine Schülerinnen und Schüler die Auseinandersetzung mit ihren Lebensgeschichten außerordentlich bildungswirksam sein kann.
Hilbert Meyer formuliert in seinen Überlegungen zu Unterrichtsbildern (welche ja ein gemeinsames lebensgeschichtliches Element von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darstellen) einen Kernanspruch der (Fach-) Didaktik und damit auch der vorliegenden Arbeit: „Die kaum zu überschätzende Bedeutung der Unterrichtsbilder für die faktische Steuerung von Unterrichtsabläufen stellt eine Herausforderung für die didaktische Theoriebildung dar. Es müßte, verdammt noch mal, doch möglich sein, den feiertäglichen Charakter der didaktischen Modelle (vgl. Meyer 1980, S. 179) dadurch zu überwinden, daß diese Unterrichtsbilder zum Ausgangspunkt der Theoriebildung gemacht werden“ (Meyer 1993, 33).
gnwJi sauton (Erkenne dich selbst!): welche Bedeutung kann die delphische Tempelaufschrift (vgl. Diogenes Laertios 1998 bzw. Weber 1988) für die Schule des beginnenden 21. Jahrhunderts entfalten?
Eine exaktere forschungsleitende Fragestellung formuliert Ursula Pfender in ihrer Dissertation Was soll’s? Wir lernen Leben!: „Gibt es pädagogische oder didaktische Konzepte, die mir konkrete Orientierungshilfen für die schrittweise Hinführung jugendlicher Schüler zu offenem und lebensbezogenem Lernen geben?“ (Pfender 1993)
Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit besteht darin, substantielle Elemente des von Herbert Gudjons, Marianne Pieper und Birgit Wagener entwickelten Konzepts der Biographischen Selbstreflexion sowie anderer aktueller Beiträge in die Didaktik und den Unterricht des Faches Pädagogik zu integrieren.
Die Stichwörter „Biographische Selbstreflexion“ und „Biographisches Lernen“ fehlen in pädagogischen Lexika; auch das Wörterbuch Neue Schule (vgl. Haarmann 1998) nimmt sie nicht unter „Die wichtigsten Begriffe zur Reformdiskussion“ (Untertitel) auf. Die Bedeutung Biographischer Selbstreflexion für den Unterricht und die Schule generell ist m.E. bislang noch nicht ausreichend erkannt worden, ihr Potential bleibt didaktisch weitgehend wirkungslos.
Wie fruchtbar allein das von Gudjons, Pieper und Wagener vorgelegte Konzept für fachliche Lernprozesse junger Menschen werden kann, möchte ich am Beispiel des Pädagogikunterrichts zeigen, wobei dies sicherlich für zahlreiche andere Fächer entsprechend möglich wäre.
In Auf meinen Spuren (vgl. Gudjons u.a. 1992) wird eine schulische Biographiearbeit nur angedeutet (vgl. S. 12, 55/56), die grundsätzliche Eignung von Konzept und Übungen in wenigen Sätzen erwähnt. Viel nachhaltiger zeigen uns die Autorinnen und der Autor, daß die „Verflechtung von Selbstreflexion und inhaltlich weiterführenden wissenschaftlichen Arbeiten didaktisch noch weitgehend unentwickelt ist“ (Gudjons u.a. 1992, 53); ersetzen wir in dieser Formulierung „wissenschaftlichen“ durch „wissenschaftspropädeutischen“, nähern wir uns dem hier zu verfolgenden Anspruch.
Heidrun Hoppe bekräftigt 1996 dieses Ziel für den Bereich der Gesellschaftswissenschaften am Beispiel der politischen Bildung: „Wichtiger erscheint es daher, einige der Ansprüche und Erwartungen an die Arbeit mit Biographien im Unterricht für ein bestimmtes Schulfach erstmalig zu präzisieren.“ (Hoppe 1996, 292), wobei sie eher an Fremdbiographien denkt, von denen ich mich deutlich distanziere: wo immer ich den Begriff „Biographie“ oder „Lebensgeschichte“ verwende, ist in erster Linie die eigene Lebensgeschichte, die eigene Biographie gemeint: die des Lernenden Subjekts sowie die der dieses Subjekt begleitenden Lehrerin bzw. des Lehrers. Die/der Lesende sei dazu aufgerufen, sich ebenfalls als Biographieträger/in einzubringen, „biographische Leerstellen“ -sobald solche in den folgenden Seiten auftauchen- mit eigenen Erfahrungen zu besetzen.
Wie ist demnach der Titel dieses Buches zu verstehen?
„Schul-Spuren“ sollen konkrete Schulerfahrungen eines Lernenden Subjekts sein, welche dieses im Rahmen des Fachunterrichts einer Biographischen Selbstreflexion zugrundelegt. (Zur Verwendung des Begriffs „Spur“ bei Freud: vgl. Gudjons u.a. 1992, 70). Es versteht sich von selbst, daß „Möglichkeiten Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht“ nicht unbegrenzt sind, der Untertitel eine Erörterung von Schwierigkeiten dieser Art des Lernens impliziert. Die Anordnung von Titel und Untertitel deutet auf den Stellenwert des Konkreten, Unterrichtspraktischen über dem Allgemeinen, Theoretischen.
Beabsichtigt ist also, über Chancen und Probleme Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht nachzudenken und dabei eine durch die Komplexität der Unterrichtswirklichkeit bedingte Vielzahl von Facetten zu berücksichtigen.
Schließlich sollen meine Gedanken in der Didaktik des Unterrichtsfaches Pädagogik verortet werden. Die vorgestellten Ansätze einer „Biographischen Didaktik“ können Edwin Stillers Dialogische Fachdidaktik Pädagogik (vgl. Stiller 1997) in einem spezifischen Inhaltsfeld ergänzen und konkretisieren.
Inwieweit dabei von einer eigenen „fachdidaktischen Konzeption“ (zum Begriff: vgl. Hoppe 1996, 12) gesprochen werden kann, überlasse ich der Einschätzung der Lesenden. Ziel ist eine offene Anregung, die den jeweiligen Unterrichtsbedingungen angepaßt werden kann. In diesem Zusammenhang schrecke ich auch vor dem Begriff „Modell“ zurück, verstehe die folgenden Ausführungen eher als Entwurf, als Diskussionsgrundlage.
Lassen sich durch Möglichkeiten Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht
- wirkliche Schülerinnenorientierung/Schülerorientierung
- die konsequente Würdigung des Lernenden Subjekts im Unterricht
- eine Anbindung von Sachinhalten an die Lebensgeschichte der/des Einzelnen
- erfahrungsreiche Lernprozesse
- beglückende Erlebnisse im Unterricht, abseits der täglichen und alle Beteiligten zu oft frustrierenden Routine
- eine gesellschaftlichen Bedingungen wie individuellen Voraussetzungen entsprechende „Persönlichkeits-Bildung“ unserer Schülerinnen und Schüler realisieren?
Aufbau und Darstellungsart des Buches orientieren sich an Ablauf und Anforderungen konkreten schulischen Lernens, wollen ein Zeichen für die Notwendigkeit der Alltagsrelevanz wissenschaftlichen Arbeitens setzen und den Ansprüchen der realen Unterrichtspraxis gerecht werden, mögen diese aus der akademischen Sphäre heraus auch manchmal banal erscheinen. Ich will das inhaltlich Wesentliche schlank präsentieren, um einen Anstoß zu geben, der Kolleginnen und Kollegen auch tatsächlich erreicht, von ihnen durch einen vertretbaren Aufwand rezipiert und unmittelbar genutzt werden kann. Meine Bemühungen gehen von der Gewißheit aus, daß es der Didaktik weniger an komplexen theoretischen Systemen mangelt, als vielmehr an kreativen, praxisnahen und praktikablen Innovationen. Außerdem fehlt uns oft die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten.
Diese Arbeit beabsichtigt keine generalisierende Untersuchung. Trotz meiner Nähe zur (österreichischen) schulpädagogischen Aktionsforschung liegt dieser Darstellung kein Aktionsforschungsprojekt i.e.S. zugrunde, es wird kein „Research, Development and Dissemination“-Prozeß (vgl. Altrichter/Posch 1994, 259) angestrebt.
Hier soll nicht mit begrifflichen Feinheiten, Theorien, Modellen, Zahlen, Literaturbergen, Fußnoten etc. jongliert werden; meine Zielsetzung liegt explizit darin, der Unterrichtspraxis einen brauchbaren Impuls zu vermitteln, welcher in der konkreten 45-Minuten-Stunde genutzt werden kann.
Möglichkeiten Biographischen Lernens sind nicht begrenzt auf das Unterrichtsfach Pädagogik oder auf Bundesländer bzw. Kantone, in denen dieses Fach (allgemeinbildend) unterrichtet wird, nicht auf eine bestimmte Schulform, Jahrgangsstufe oder inhaltliche Thematik.
Biographisches Lernen ermöglicht eine außerordentlich individuelle Form der Auseinandersetzung des Subjekts mit fachlichen Inhalten.
Den Subjekt-Begriff faßt (neben Hoppe 1996, 17) Erhard Meueler folgendermaßen: „Wenn als Richtung all dieser Bemühungen um Orientierung und Selbsterweiterung ‘Bildung zum Subjekt’ angegeben wird, dann steht der Subjektbegriff als Chiffre für freiheitliches Fühlen, Denken, Wollen und Handeln, selbständige Entscheidungen. Er steht für Widerständigkeit, Selbstbewußtheit und weitgehend selbstbestimmte Verfügung über Lebensaktivitäten. Es ist ein kämpferischer Begriff der Selbstermächtigung, gerichtet gegen die ausschließliche Funktionalisierung des Menschen für die Belange des Marktes. Zugleich soll deutlich werden, daß Subjektivität Beziehungsfähigkeit voraussetzt.“ (Meueler 1993, 8)
Inwieweit kann Biographisches Lernen -als eine Form der Subjektorientierung im Unterricht- dazu beitragen, den Monismus der heutigen Lernsituation in unserer Schule abzufedern?
Lassen Gefahren und Grenzen des Ansatzes selbst es zu, diesen als ein praktikables Lernkonzept anzusehen?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Möglichkeiten und Schwierigkeiten Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht zu erörtern; wo konkrete Praxiserfahrungen vorliegen, soll davon berichtet werden - auch aus der Perspektive der Lernenden selbst.
In der Strukturierung meiner Darstellung spiegelt sich die Vorgehensweise der Aktionsforschung. Bereits ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis läßt die „Kategorien von Praktikern“ (Altrichter/Posch 1994, 271) erkennen; beabsichtigt ist, daß einige Gedanken auch „Bedeutung für Praktiker“ (ebd.) werden entfalten können.
Leserinnen und Leser erhalten Gelegenheit, die Idee Biographisches Lernen aus den verschiedensten Blickwinkeln und mit dem Ziel einer Realisierung in den vielfältigsten Kontexten zu durchdenken.
Die Konzepte „Biographische Selbstreflexion“/„Biographisches Lernen“ sind außerordentlich facettenreich und komplex, bergen vielleicht ebensoviele Gefahren wie Chancen. Auch ohne die spezifischen Unterrichtsbedingungen von Kolleginnen und Kollegen zu kennen, sollte es gelingen, sie für grundsätzliche Aspekte Biographischen Lernens zu sensibilisieren; aus diesem Ziel resultiert die Entscheidung für viele relativ kurze Kapitel: Wesentliches muß angesprochen, kann jedoch nie vollumfänglich abgehandelt werden.
Trotz der am Ablauf von Unterrichtsplanung, -realisierung und -reflexion orientierten Gliederung dieser Ausführungen ist zu vermuten und zu hoffen, daß die Lesenden den Inhalt „eigen-sinnig“ aufnehmen, ihn sich zunutze machen, um zu einem individuellen Konzept Biographischen Lernens zu gelangen, welches wahrscheinlich eine andere Struktur aufweist als das vorliegende.
Die Grundlagen Biographischen Lernens werden in Teil II nur gestreift, da ihre erschöpfende Darstellung hier weder möglich noch intendiert ist.
Das Schwergewicht dieses Buches liegt auf der Erörterung von Möglichkeiten Biographischen Lernens in der Unterrichtspraxis (Teil III). Um weitestgehend Konkretes zu präsentieren, beziehe ich mich auf eine exakt zu benennende, jedoch durchaus exemplarische Unterrichtsreihe.
Der Aktionsforschung (Teil IV) verdanke ich Impulse unterschiedlichster Art. Der geringe Umfang dieses Teils zeigt jedoch, daß hier kein Aktionsforschungsprojekt dokumentiert wird.
Wie Sinn und Bedeutung Biographischen Lernens keineswegs an sogenannten „Ergebnissen“ gemessen werden können, möchte ich mich auch im Bereich der Konzeptebene nicht auf die Ergebnisse (Teil V) kaprizieren. Ein zentrales Element dieses Teils liegt vielmehr in den Überlegungen zur möglichen Weiterarbeit.
Um meinem Anliegen, ein konkretes Konzept für die Unterrichtspraxis vorzulegen, gerecht werden zu können, bietet Teil VI 22 Impulse zur Biographischen Selbstreflexion von Schulerfahrungen. Damit soll nicht im entferntesten versucht werden, in Konkurrenz zu Auf meinen Spuren zu treten. Wichtig ist es mir, Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, wie derartige Impulse aussehen können (!), um ihnen so Wege in die eigene Praxis zu erleichtern.
Letzteres gilt gleichermaßen für die kleine Auswahl von Materialien (Teil VII) sowie für die Text-/Filmvorschläge (Teil VIII); ich bin überzeugt davon, daß es Unterrichtenden nicht an weiteren Materialien mangeln wird.
Im folgenden sollen die entscheidenden Prämissen Biographischen Lernens angedeutet werden. Dabei bewege ich mich von gesellschaftlichen Voraussetzungen und ihren Konsequenzen für die Institution Schule über themenrelevante Einzelkonzepte bis in den Schulbuchbereich.
der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht
Sartre
Unsere Gesellschaft wird zur Zeit als „Risikogesellschaft“ beschrieben, in der „Enttraditionalisierung“, „Destandardisierung“, „Diversifikation“, „Pluralisierung“, „Individualisierung“ etc. zunehmen. Der zentrale Individualisierungsgedanke (vgl. v.a. die Veröffentlichungen von Ulrich Beck) läßt sich auf die Kurzformel „Veränderung der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft“ bringen, was keinesfalls zu verwechseln ist mit „Emanzipation des Individuums“.
Vielmehr ist Eigenes Leben (Buchtitel Beck/Ziegler 1997) am Übergang zum nächsten Jahrtausend vor allem durch folgende Merkmale gekennzeichnet: es bleibt eng an die Gesellschaft gebunden, es ist Chance und Verpflichtung zugleich, es weist dem Einzelnen die Rolle des hauptverantwortlichen Gestalters zu, was die Möglichkeit der Überforderung impliziert, schließlich ist es jedenfalls abhängig von Reflexion (für einen ersten Überblick: vgl. Beck 1996).
Wie könnte das platonische Höhlengleichnis auf eine solche Gesellschaft übertragen werden? Reizüberflutungen desensibilisieren gegen eine konzentrierte Reflexion der eigenen existentiellen Situation ...
Ich möchte an dieser Stelle keine soziologischen Befunde referieren, sondern für die vorliegende Arbeit von der Prämisse einer „Risikogesellschaft“ ausgehen. Aus pädagogischer und fachdidaktischer Sicht ist es sinnvoll und interessant, beim Naheliegenden zu beginnen und mit jungen Menschen in einen Dialog darüber einzutreten, wie sie unsere Gesellschaft empfinden:
- Inwieweit fühlen sich Jugendliche von der „Risikogesellschaft“ bedroht?
- Nehmen sie ein „Abbröckeln von Gewißheiten“ überhaupt noch wahr, oder ist es für sie bereits selbstverständlich, keine „Gewißheiten“ im traditionellen Sinne zu besitzen?
- Leiden sie unter einer „Sinnkrise“ und „Orientierungslosigkeit“?
- Wie erleben sie die sog. „Entkonturierung der Jugendphase“?
- Gehen sie davon aus, daß ihnen theoretisch eine grenzenlose Palette von Existenzformen zur Wahl steht, oder bleiben aufgrund von z.B. Ausbildungsplatzmangel, verengtem Hochschulzugang, limitiertem „Bildungsguthaben“ und Sozialabbau im Einzelfall die konkreten Möglichkeiten überschaubar - wenn nicht sogar begrenzt?
- Wie beurteilen sie Becks These: „Die Normal biographie wird zur Wahl biographie, zur „ Bastel biographie“ (Hitzler), zur Risiko biographie, zur Bruch- oder Zusammenbruchs biographie.“ (Beck 1996, 42)?
- Taumeln sie in wegweisende Lebensabschnitte hinein, oder wägen sie aufgrund des Wissens um persönliche Ressourcen ihre Entscheidungen bewußt ab?
Sicherlich sind die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters unter diesen Bedingungen nicht leicht zu bewältigen: hoher Orientierungs- und Klärungsbedarf besteht in sämtlichen Lebensbereichen wie Bildung, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft, Sexualität, Familie, Wohnort und -form, Freizeitgestaltung, Religion, Philosophie u.v.m. (vgl. analog die Bandbreite der in Auf meinen Spuren angebotenen Übungen: Alphabetisches Verzeichnis: Gudjons u.a. 1992, 372 ff.).
Die „Risikogesellschaft“ eröffnet ihren Mitgliedern zahlreiche Optionen, verlangt Biographische Selbstreflexion von ihnen und damit den Aufbau dieser reflexiven Haltung (z.B. durch Impulse zu Biographischem Lernen) seitens der Schule.
Zur soziologischen „Begründung einer biographiezentrierten Didaktik der Gesellschaftswissenschaften“ (Untertitel): vgl. Hoppe 1996.
Der „Wendung zum Subjekt“ als Programmatik einer Fachdidaktik Pädagogik widmet sich Eckehardt Knöpfels Beitrag Anmerkungen zur Zielstruktur des Faches Pädagogik / Erziehungswissenschaft in der Postmoderne (vgl. Knöpfel 1997, 11 ff.).
Abschließend sei daran erinnert: zu allen Zeiten haben sich Menschen über das alltägliche Maß hinaus mit ihrer Biographie beschäftigt, „Biographische Selbstreflexion“ i.w.S. betrieben (vgl. die Confessiones des Aurelius Augustinus um 397/398 oder die Confessions von Jean-Jacques Rousseau 1764-1770).
Auch die für die vorliegende Thematik wichtige Idee des existentiellen Entwurfs besitzt z.B. für Sartres „existentielle Psychoanalyse“ (vgl. Sartre 1973) eine wesentliche Bedeutung.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte setzt als Phänomen nicht erst in der „reflexiven Moderne“ ein, ist dort allerdings entscheidender als je zuvor.
„Die theoretische Grundlegung eines guten Pädagogikunterrichtes muß den Paradigmenwechsel, der sich in den Bereichen der Lerntheorie, der Sozialisationsforschung, der Entwicklungspsychologie und zunehmend auch der Erziehungswissenschaft vollzogen hat und immer noch vollzieht, berücksichtigen. Dieser Paradigmenwechsel läßt sich mit dem Begriff Subjektorientierung auf den Punkt bringen.“ (Stiller 1997, 31)
Der bezeichnete Paradigmenwechsel sollte nicht nur Konsequenzen für das Fach Pädagogik, sondern für alle schulischen und unterrichtlichen Lernprozesse nach sich ziehen.
Es scheint verantwortungslos und anmaßend, jungen Menschen während langer Schuljahre nicht zumindest punktuell die notwendigen Freiräume zuzugestehen, sich ihrer Subjektivität zu vergewissern, sich in Ruhe auf sich selbst zu konzentrieren (vgl. die Bedeutung des griechischen Wortes „scolh“: Muße, Erzeugnisse der Muße, Schule, Langsamkeit).
Die schulpädagogische, bildungstheoretische, allgemeindidaktische bzw. lerntheoretische Begründung Biographischen Lernens wird natürlich dadurch bestimmt, welcher Begriff von „Bildung“, von „Lernen“ etc. zugrundegelegt werden soll. Vor allem erachte ich -unter Berücksichtigung von Becks Thesen- ein Merkmal für unverzichtbar, dem von der neueren pädagogischen Anthropologie Aufmerksamkeit gewidmet wird: „Pädagogische Anthropologie hat den Menschen als Kind, als sich entwickelndes, sich selbst bildendes Wesen zum Gegenstand“ (Göppel 1994, 259, zit. n. Stiller 1997, 31).
Eine „Risikogesellschaft“ fordert den sich lebenslang selbst bildenden Menschen; ohne die traditionellen Aspekte des Gegenstandes aus dem Blick zu verlieren, genügen adäquate Bildungsbegriffe diesem Anspruch:
„Bildung meint
- die Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung,
- die Subjektentwicklung im Medium der Objektivationen bisheriger menschlicher Kultur; das bedeutet: Bildung ist immer als ein Selbst- und als ein Weltverhältnis auszulegen, das nicht nur rezeptive, sondern verändernd-produktive Teilnahme an der Kultur meint,
- die Gewinnung von Individualität und Gemeinschaftlichkeit,
- eine allgemeingültige, d.h. für alle Menschen gleich gültige Bildung,
- Vielseitigkeit, vor allem die moralische, kognitive, ästhetische und praktische Dimension.“ (Gudjons 1993, 186)
Wir werden Möglichkeiten Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht mit einem derartigen Bildungsbegriff abzugleichen haben.
Am Rande möchte ich auf die Nähe des oben Ausgeführten zu den Beschreibungen von „Bildung“ bei Rousseau und Hesse hinweisen.
Ebenso wie der Bildungsbegriff den Paradigmenwechsel „Subjektorientierung“ anerkennen muß, gilt dies für den Lernbegriff (vgl. z.B. die Bedeutung persönlicher Erfahrungen für Lernprozesse, wie sie die Humanistische Psychologie definiert; für einen Überblick: Quitmann 1996. Stiller verweist auf den subjektorientierten UNESCO-Lernbegriff „Learning to be“: Stiller 1999).
Auf das hier zu erörternde Thema bezogen heißt „Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung“ unter anderem: die Schule darf das Erlernen eines reflektierenden Umgangs mit lebensgeschichtlich relevanten Momenten nicht dem Zufall überlassen; vielmehr sollte sie, will sie ihrer Verantwortung für die ganzheitliche Bildung der ihr anvertrauten jungen Menschen, die sie zudem in eine „Risikogesellschaft“ entlassen wird, gerecht werden, in diesem Kompetenzbereich fachlich, didaktisch und methodisch fundierte Hilfestellungen anbieten, ohne in therapeutische Maßnahmen abzugleiten.
Unterricht muß Freiräume schaffen
- für die Ermöglichung einer individuellen Erarbeitung subjektiv bedeutsamen Erfahrungs-, Orientierungs- und Existenzwissens
- für ein realistisches Durchdenken persönlicher Zukunftsentwürfe
- damit schulische und außerschulische Erfahrungs- und Lernprozesse die tragfähige Grundlage bilden für eine bewußte, selbständige und eigenverantwortbare Lebensgestaltung
Durch Biographisches Lernen können eigene Erfahrungen bildungswirksam werden.
Greifen wir abschließend den durch Golemans Buch Emotionale Intelligenz (Goleman 1997) angebotenen Denkanstoß auf. Es leuchtet ein, daß wir nur mit denjenigen Emotionen sinnvoll umgehen können, die wir uns bewußt gemacht haben. Was Goleman für die Bedeutung der Selbstwahrnehmung von Gefühlen äußert, kann auf lebensgeschichtliche Erfahrungen übertragen werden. Die fruchtbare Balance zwischen Verstand und Gefühl (IQ « EQ) entspricht derjenigen zwischen Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz (SAK « SEK « SOK). Akzeptieren wir ein Phänomen namens „Emotionale Intelligenz“, könnte Golemans Darstellung um die biographische Ebene bereichert werden: das Wissen um die eigene Lebensgeschichte, welche ihrerseits Bezugsrahmen der emotionalen Entwicklung und Sozialisation ist, kann die „emotionale Intelligenz“ befördern.
Wozu ist die Schule da? Im 21. Jahrhundert darf sie sich nicht mehr auf eine Vermittlung der fachlichen Welt beschränken, sondern muß den Lernenden verstärkt eine Begegnung mit sich selbst (als Biographietragenden) ermöglichen.
Das von Herbert Gudjons, Marianne Pieper und Birgit Wagener entwickelte Konzept der Biographischen Selbstreflexion ist für die vorliegende Arbeit von entscheidender Bedeutung und soll daher zunächst über eine Zusammenstellung von Zitaten grob skizziert werden:
Gudjons, Pieper, Wagener
Das Konzept der Biographischen Selbstreflexion
Grundgedanken*
- A) Der berühmte Satz des Philosophen Dilthey: «Was der Mensch ist, sagt ihm nur seine Geschichte», gilt auch für die Frage nach der eigenen Person und ihrer Geschichte. (9)
- B) Wir verstehen die Biographie als eine in einem lebenslangen Prozeß erworbene Aufschichtung von Erfahrungen, die bewußt oder unbewußt geronnen in unser Handeln eingehen. (16)
- C) Unter «biographischer Selbstreflexion» verstehen wir eine (Wieder-) Aneignung der eigenen Biographie, den Versuch, die Erfahrungen, die unsere Identität geprägt haben und in unser heutiges Handeln eingehen, transparent zu machen. [...] Die so gewonnenen Erinnerungen werden einer Reflexion unterzogen, die über die unhinterfragten Strukturen alltäglichen Denkens hinausgeht und theoriegeleitet ist. (24)
- D) [...] ich kann meine heutigen Erfahrungen nur auf dem Hintergrund früherer Erfahrungen machen. Diese strukturieren meine Wahrnehmung, leiten meine Aufmerksamkeit, bilden den Interpretationsrahmen, innerhalb dessen ich neue Erfahrungen bewerte. (21)
- E) Die Notwendigkeit zur reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte kann sich phasenspezifisch verdichten, wenn z.B. konflikthafte Erlebnisse, Wendepunkte in der Lebensgeschichte (zum Beispiel Geburt eines Kindes, Schwierigkeiten im Beruf, in Beziehungen, mit sich selbst) ein Neu-Überdenken der eigenen Biographie und der bisherigen Erfahrungen erforderlich machen. Wenn beim Übergang von einem Lebensabschnitt zu einem neuen (Ausbildung/Beruf oder Berufstätigkeit/Rentenalter usw.) eine Neuorientierung wichtig wird, ist biographische Selbstreflexion ebenso angezeigt wie in Situationen, in denen wir «nicht mehr klarkommen», in denen ein hoher Leidensdruck vorhanden ist und nach Ursachen/Erklärungen für das bisherige Verhalten und nach Entwürfen für zukünftiges Verhalten gesucht werden muß. (12)
- F) [...] biographische Selbstreflexion zielt ja nicht primär auf die Rekonstruktion dessen, «was faktisch war», sondern gerade auf die Formen und Weisen der subjektiven Aneignung und Verarbeitung dieser Wirklichkeit. (32)
- G) Wie diese einzelnen Fakten zusammenhängen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, warum sie überhaupt in dieser einen Lebensgeschichte vorkommen, welche Bedeutung sie haben, wie sie sich zu einer Folge von Erwartungen und Erfahrungen aufordnen, die in eine bestimmte Richtung weisen, die einen roten Faden erkennen lassen, - all dies kristallisiert sich erst heraus, wenn wir uns des eigenen Lebenszusammenhanges zu vergewissern suchen: Woher komme ich? Was bin ich? Wohin gehe ich? (34)
- H) Grundsätzlich läßt sich sagen, daß Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte [...] für jeden Menschen sinnvoll ist. Sie stellt einen Weg zur Selbsterkenntnis, zum Verstehen der eigenen Gewordenheit dar. (Warum bin ich heute so wie ich bin, warum fühle/verhalte ich mich so und nicht anders?) Für den «normalbelasteten Menschen» (Schwäbisch/Siems) bedeutet die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie das Verstehen gegenwärtiger Handlungen vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte, das Erinnern und Neu-Interpretieren vergangener Erfahrungen, das Erkennen ihres Gesamtzusammenhangs, das Verdeutlichen sich wiederholender Verhaltens- und Beziehungsmuster. Biographische Selbstreflexion stellt hier eine Möglichkeit zur Identitätsfindung dar. Durch das Verstehen kann ein Annehmen/ein Versöhnen mit der eigenen Geschichte oder mit bestimmten Anteilen der Persönlichkeit gelingen. Darin liegt das Potential zur Weiterentwicklung, zum persönlichen Wachstum, zur Entfaltung der Persönlichkeit. Das Akzeptieren und das Begreifen der eigenen lebensgeschichtlichen Gewordenheit läßt eine empathische (einfühlsam-verstehende) Haltung zu sich selbst entstehen und setzt Kräfte frei, um für sich neue Fähigkeiten zu entdecken und konkrete Möglichkeiten und Handlungsperspektiven zu entwickeln. (11)
- I) Biographie ist keine ahistorische/ungesellschaftliche «Privatsache», vielmehr werden Erfahrungen in konkreten geschichtlichen und gesellschaftlichen Bezügen erworben. In der Lebensgeschichte des einzelnen Menschen spiegeln sich die historischen / gesellschaftlichen / kulturellen und familialen Bedingungen, vor deren Hintergrund sich die biographischen Erfahrungen aufgeschichtet haben. (16)
- J) Über das Erkennen der individuellen Geschichte hinaus ermöglicht die biographische Selbstreflexion ein Begreifen gesellschaftlicher Bedingungen entlang der eigenen Erfahrung in eindringlicherer Form als dies über gesellschaftstheoretische Einsichten vermittelbar wäre. (11)
- K) Darum wird mit dem Begriff «Reflexion» in unserem Konzept ganz bewußt die Integration von Denken / Theorie, Erfahrung und Gefühl signalisiert. Dies vermittelt dem/der Einzelnen über das Nach-Denken und die sprachliche Rekonstruktion sowohl eine begriffliche Verarbeitung von Erleben und Erfahrung als auch eine theoriegeleitete Analyse der Hintergründe von Phänomenen auf der Erscheinungsebene. (46/47)
- L) Erkenntnis wird nicht über abstrakte Theorie vermittelt, sondern über eigene Erfahrungen (25)
- M) Ein ausgezeichneter Zugang zur biographischen Selbstreflexion ist das Schreiben eines Tagebuches. (63)
- N) Über das Schreiben hinaus reicht die Palette der Produktion biographischer Daten von der Arbeit mit Fotos und Poesiealben über die Sprüchesammlung bis hin zur Phantasiereise und zur Körperarbeit. Weil jede/r Teilnehmer/in sich im Lauf der Arbeit seine/ihre eigenen Differenzierungen, Vorlieben und Abneigungen, eine eigene Weise des Zugangs zur Lebensgeschichte schafft, ist nichts so langweilig, wie ein einfallsloser Methodenmonismus. [...] Allerdings sollte dies ein anfänglich durchaus «naives» Rekonstruieren biographischer Details nicht verhindern. (40, 43)
- O) Immer wenn das Erzogen-Werden anderer befragt / untersucht / erforscht und auch gelehrt wird, spielt unausweichlich das eigene «Erzogen-Sein» mit [...]. Für die Praxis des pädagogischen Handelns ist Selbstreflexion schlechthin unverzichtbar. (51, 54)
* = aus:
Herbert Gudjons, Marianne Pieper, Birgit Wagener - Auf meinen Spuren. Das Entdecken der eigenen Lebensgeschichte. Vorschläge und Übungen für pädagogische Arbeit und Selbsterfahrung. 2.1992 (z.Zt.: 4.1996)
Eckige Klammern bezeichnen Auslassungen durch den Verfasser, Unterstreichungen wurden nicht übernommen, runde Klammern enthalten die Seitenzahlen in der genannten Ausgabe.
Die Zusammenstellung der Zitate, ihre Anordnung und Buchstabierung erfolgte eigens für den Inhalt der vorliegenden Darstellung und kann die Lektüre von Auf meinen Spuren nicht ersetzen!
Hinter dem Konzept der Biographischen Selbstreflexion steht die Absicht, „den Ansatz der sozialwissenschaftlichen Biographieforschung auf das eigene Leben anzuwenden und für die eigene Identitätsentwicklung fruchtbar zu machen“ (Gudjons u.a. 1992, 25).
Theoriegrundlage hierfür bilden neben einzelnen Richtungen sozialwissenschaftlicher Biographieforschung sowie der Psychoanalyse bzw. psychoanalytischer Therapieverfahren Aspekte der Sozialisationstheorie, kognitiver Lerntheorien, der kritischen Gesellschaftstheorie, der Humanistischen Psychologie und der Alltagsgeschichte (vgl. Gudjons u.a. 1992, 17, 43, 46, 49).
Gudjons, Pieper und Wagener definieren „biographische Selbstreflexion“ ganz klar (vgl. Zitat C und B). Neben diesem Begriff finden sich in der Literatur zahlreiche weitere Bezeichnungen wie: biographisches Arbeiten, lebensgeschichtliches bzw. biographisches Lernen, Aufarbeitung der Lebensgeschichte, selbsterfahrungsorientiertes Lernen, autobiographische Reflexion u.a. (vgl. z.B. Gudjons u.a. 1992, 25, 31, 46).
Ich verwende den Begriff „Biographische Selbstreflexion“ im oben definierten Sinne, da er sich -im Vergleich zur Bezeichnung „autobiographische Reflexion“- von der Auseinandersetzung mit fremden Biographien sprachlich deutlicher abgrenzt und da ich mich eng auf das oben angedeutete Konzept beziehe.
Während der Begriff des „lebensgeschichtlichen“ bzw. „biographischen Lernens “ bereits auf schulische/unterrichtliche/didaktische Möglichkeiten verweist und die Bezeichnung „selbsterfahrungsorientiertes Lernen“ m.E. die subjektive Komponente überbetont, suggerieren Formulierungen wie „Aufarbeitung (!) der (!) Lebensgeschichte“ eine Abschließbarkeit des genannten Prozesses, die jedoch nicht gegeben ist.
Daher möchte ich die unter C zitierte Definition folgendermaßen modifizieren:
Unter «biographischer Selbstreflexion» verstehe ich in Anlehnung an Gudjons, Pieper und Wagener eine (Wieder-) Aneignung von Aspekten der eigenen Biographie, den Versuch, bedeutsame Erfahrungen, die unsere Identität geprägt haben und in unser heutiges Handeln eingehen, transparent zu machen.
Ähnliche Relativierungen würde ich in Zitat H vornehmen. Unter Berücksichtigung der außerordentlichen Komplexität jeder Lebensgeschichte und vor allem im Hinblick auf unterrichtliche Möglichkeiten Biographischer Selbstreflexion scheint Gieseckes „Jedenfalls ist Bescheidenheit angesagt.“ passend. Ich kann meine Lebensgeschichte immer nur punktuell beleuchten, mich langsam wieder in sie einhausen. Für den Unterricht muß auf die Notwendigkeit didaktischer Reduktion hingewiesen werden! Die in G gestellten Fragen „Woher komme ich? Was bin ich? Wohin gehe ich?“ sind in der Tat zentrale existentielle Fragen, denen sich eine angemessene Persönlichkeits-Bildung keinesfalls entziehen darf; trotzdem kann Unterricht lediglich für die Bedeutung dieser Fragen sensibilisieren, die Tragweite möglicher Antworten veranschaulichen und erste Impulse zur Vertiefung in die eigene Lebensgeschichte, zu einer individuellen Erprobung der Biographischen Selbstreflexion geben, wobei der in der Definition verankerte Versuchscharakter (vgl. C) zu betonen ist! (Zum Begriff „biographische Selbstreflexion“ vgl. auch Gudjons u.a. 1992, 25).
Bereits der Titel des wegweisenden Werkes von Gudjons, Pieper und Wagener enthält aufschlußreiche Segmente bezüglich unterrichtlicher Möglichkeiten und Eigenarten des dargelegten Konzepts: das Possessivpronomen des Titels betont das äußerst individualisierende Profil potentiellen Unterrichts auf der Basis eines vom Konzept der Biographischen Selbstreflexion abgeleiteten fachdidaktischen Entwurfs; der folgende Plural trägt der Komplexität jeder Lebensgeschichte Rechnung. Der erste Untertitel verweist auf Formen entdeckenden Lernens. Im zweiten Untertitel wird der Begriff „Vorschläge“ gewählt: er mahnt die Verpflichtung der Lehrenden an, über Vorschläge, Impulse und Beispiele hinaus keinerlei Forderungen zu stellen; schließlich werden Anwendungsbereiche genannt, zu denen Schule und Unterricht i.e.S. nicht gehören.
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, -im Vorfeld möglicher fachdidaktischer Ableitungen- erforderliche Abgrenzungen vom o.g. Konzept klar zu ziehen. In der Planung von Unterrichtsreihen mit Komponenten Biographischer Selbstreflexion sollten -im Gegensatz zum psychoanalytisch beeinflußten Konzept von Gudjons, Pieper und Wagener- frühkindliche und v.a. konflikthafte Erfahrungen (vgl. Gudjons u.a. 1992, 16, 19, 20) keine übergeordnete Bedeutung erlangen; das Aufkommen von belastenden Erinnerungen kann damit wenn nicht verhindert so doch abgefedert werden (vgl. Stiller). Auf meinen Spuren distanziert sich bewußt von therapeutischen Intentionen (Gudjons u.a. 1992, 20); diese Abgrenzung muß für den schulischen Bereich noch deutlicher erfolgen, auch wenn in der letzten Zeit therapieverwandte Übungen durchaus in den Unterricht Eingang finden (vgl. z.B. Phoenix II, 7). In dem in H formulierten möglichen Ergebnis Biographischer Selbstreflexion („Durch das Verstehen kann ... gelingen.“) muß ganz dringend das „kann“ im Vordergrund stehen, wobei ich einen derartigen Anspruch als explizites unterrichtliches Lernziel nicht akzeptiere. Das gilt gleichermaßen für eventuelle Auswirkungen Biographischer Selbstreflexion auf die politische Haltung (vgl. Gudjons u.a. 1992, 11). Grundsätzlich ist für den schulischen Bereich sehr gewissenhaft darauf zu achten: Unterricht muß sich dort vom Konzept der Biographischen Selbstreflexion abgrenzen, wo dieses zu tief nach innen (z.B. in Richtung Therapie) bzw. zu weit nach außen (z.B. i.H.a. die politische Einstellung) dringt.
In Übereinstimmung mit Gudjons, Pieper und Wagener ist auch in der Schule als Hauptziel biographischer Arbeit das Verstehen von Aspekten der eigenen Lebensgeschichte zu nennen (Gudjons u.a. 1992, 34). Sehr untypisch allerdings für den Unterricht sind Gegenstand und Art dieses Verständnisses (vgl. Zitat F): es handelt sich um ein betont subjektives Verständnis individuell bedeutsamer Begebenheiten, für Außenstehende u.U. nicht zugänglich bzw. belanglos, in keinem Lehrplan exakt zu fassen, nicht benotbar etc.; Biographischer Selbstreflexion sind impressionistische Züge inhärent.
„Konkrete Möglichkeiten und Handlungsperspektiven zu entwickeln“ (Zitat H) kann und darf von Schülerinnen und Schülern aufgrund zeitlich begrenzter biographischer Lernprozesse nicht gefordert werden. Dennoch sollten mittelfristig derartige Ziele (auf der unterrichtlichen Arbeit basierend) erreichbar sein, z.B. bezüglich fundierterer Schul- bzw. (Aus-) Bildungslaufbahnentscheidungen.
Trotz dieser Abgrenzungen scheinen die unterrichtlichen Chancen Biographischer Selbstreflexion bemerkenswert:
- Nur durch eine umfassende Selbsterkenntnis werden Selbstbestimmung, Sinnfindung und Selbstverwirklichung möglich. (Biographische Selbstreflexion kann Selbstkompetenz aufbauen)
- Eine die eigene Lebensgeschichte ernst nehmende Haltung erleichtert die Empathie in andere Menschen. (Biographische Selbstreflexion kann Sozialkompetenz aufbauen)
- Die „Kontextverwobenheit“ (Gudjons u.a. 1992, 25) jeder Lebensgeschichte birgt eine Fülle potentieller Lernanlässe in den verschiedenartigsten Sachbereichen, die sich durch die eigenen Erfahrungen sinnvoll und persönlich evident vernetzen lassen. (Biographische Selbstreflexion kann Sachkompetenz aufbauen)
Die Möglichkeit, über Biographische Selbstreflexion Sachkompetenz aufzubauen, ist für den Unterricht von besonderer Bedeutung und kann entsprechende fachdidaktische Konzepte voll legitimieren. Für eine theoriegeleitete Auseinandersetzung mit lebensgeschichtlichen Momenten (Zitat C) bietet der Fachunterricht ausgezeichnete Bedingungen; „theoriegeleitet“ bedeutet hier: durch den -lehrplanbestimmten- unterrichtlichen Lerninhalt geleitet.
Inwieweit sich die in Zitat J „für pädagogische Arbeit und Selbsterfahrung“ (aus dem Untertitel von Auf meinen Spuren) formulierten Erkenntnismöglichkeiten auf den schulischen Unterricht, auf konkrete Lerninhalte und -ziele etc. übertragen lassen, soll die vorliegende Arbeit exemplarisch zeigen. Zunächst ist Zitat J als Hypothese zu lesen, deren Tragfähigkeit am Einzelfall zu prüfen ist.
Indem Biographische Selbstreflexion einen Beitrag zur Ausbildung von Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz leistet, ist es durchaus berechtigt, vom „Biographischen Lernen“ zu sprechen.
„Biographisches Lernen“ definiere ich als durch den Bezug eines Sachinhalts auf Aspekte der eigenen Lebensgeschichte sich ergebende Reflexions- und Erkenntnisprozesse. (Vgl. hierzu das Dreieck Biographischen Lernens)
Dabei greife ich nicht auf G.W. Allports Begriff „biographical learning“ zurück.
Nicht-biographisch-orientierter Unterricht hingegen kann leicht in Gefahr geraten, das Lernende Subjekt zu mißachten!
Den Begriff „biographisches Lehren“ benutze ich nicht, er erscheint mir paradox.
Die Erkenntnisform „Entwerfendes Verstehen“ (Baacke 1985; Gudjons u.a.1992, 35) mahnt Möglichkeiten des Lernens an, die vom Subjekt und der Gesellschaft dringend eingefordert werden und die im Zusammenhang mit einer Aktualisierung des Bildungsbegriffs unverzüglich erprobt werden müssen. Beim Entwerfenden Verstehen handelt es sich nicht um eine rein kognitiv-sachorientierte, sondern um eine ganzheitlich-existentielle Erschließung von Lerninhalten. Biographisches Lernen ermöglicht unter anderem eine solche Art des Verstehens.
Die lernpsychologische Bedeutung Biographischer Selbstreflexion und Biographischen Lernens wird prägnant in Zitat L formuliert, wobei der Begriff „Erfahrungen“ in Zitat D weiter problematisiert ist. Wenn wir in D „Erfahrungen“ jeweils durch „Lernerfahrungen“ ersetzen und uns verdeutlichen, daß Lernerfahrungen notwendig in einem lebensgeschichtlichen Kontext stehen, wird der Sinn biographischen Arbeitens im Unterricht offensichtlich.
Lebensgeschichtliche (Lern-) Erfahrungen können -übertragen wir einen Gedanken aus Arnold Gehlens Anthropologie- als Institutionen angesehen werden, die für Wahrnehmung und Verhalten des Menschen z.T. eine wichtige Entlastungsfunktion besitzen (vgl. Gehlen 1997).
Gehen wir mit Adorno von einem menschlichen Bedürfnis nach Definitionen aus, spielen auch hierfür lebensgeschichtliche (Lern-) Erfahrungen eine zentrale Rolle (vgl. Adorno 1997).
Grundsätzlich läßt sich analog dem ersten metakommunikativen Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (vgl. Watzlawick u.a. 1996, 53) ein „biographisches Axiom“ denken:
Ich kann ausschließlich auf der Grundlage meiner Lebensgeschichte wahrnehmen, mich verhalten und lernen.
Lernen ist selbst Teil der Biographie, ist biographisch determiniert und gestaltet die Biographie mit.
Zitat I verweist bereits auf eine Gruppe von Unterrichtsfächern, denen durch die Biographische Selbstreflexion faszinierende Möglichkeiten eröffnet werden können: die Gesellschaftswissenschaften.
Da „sprachliche Rekonstruktion“ und „begriffliche Verarbeitung“ (Zitat K) von Erinnerungen zu den wesentlichen Methoden Biographischer Selbstreflexion gehören, läßt sich eine Affinität zu sprachlich-literarischen Fächern konstatieren.
Zitat N deutet auf die spezifische Eignung musisch-künstlerischer Unterrichtsfächer für biographisches Arbeiten.
Eine besondere Nähe, ja ein Angewiesensein auf Biographische Selbstreflexion besteht schließlich von seiten der Pädagogik (Zitat O): den Möglichkeiten Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht widmet sich die vorliegende Arbeit.
Didaktik der Gesellschaftswissenschaften“
1996 erschien Heidrun Hoppes Arbeit Subjektorientierte politische Bildung. Damit wurde die ausführliche theoretische „Begründung einer biographiezentrierten Didaktik der Gesellschaftswissenschaften“ (Untertitel) geleistet, der ich zahlreiche Anregungen verdanke und auf die ich mich im folgenden mehrfach beziehen werde.
Um den Lesenden das Nachvollziehen meiner Erörterung von Hoppes Positionen zu erleichtern, sollen zunächst einige ihrer zentralen Aussagen vorgestellt werden:
Hoppe - Subjektorientierte politische Bildung
Grundgedanken*
- A) [...] daß die Jugendzeit genügend Freiräume bietet, um ein eigenes Selbstkonzept zu entwickeln, ja, daß die Reflexion von Lebensentwürfen und -zielen möglicherweise die zentrale Aufgabe dieser Lebensphase ist (29)
- B) Die Institutionen [...] orientieren sich bspw. an [...] Normalbiographien, die Menschen durchleben und gestalten dagegen individuelle Biographien, die z.T. erheblich vom traditionellen „Normalfall“ abweichen. (73)
- C) Insofern geht es gerade in einer Gesellschaft mit starken Individualisierungstendenzen nicht darum, Schülerinnen und Schülern geschickt die „richtige“ Weltanschauung „beizubringen“ oder zu „vermitteln“, sondern es müssen Wege gefunden werden, die zu möglichst selbständiger Beurteilung und somit zu Selbsterkenntnis und Selbstreflexion herausfordern. (86)
- D) Die Anerkennung von Subjektivität in Bildungsprozessen impliziert, daß nicht die Schülerinnen und Schüler den Ansprüchen des Stoffes bzw. der Lehrerplanung, sondern der Stoff und der Unterrichtsverlauf im wesentlichen den Ansprüchen und Bedingungen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden müssen. Die Entwicklungsbedürfnisse und die Interessen der Jugendlichen sollen für einen Unterricht, der Subjektivität zuläßt, ausschlaggebend sein. (250)
- E) Da es sich hier um Fragen der Persönlichkeitsbildung handelt, kann es nicht in erster Linie um Wissensvermittlung gehen, sondern um Raum für Reflexionen, für Gedanken- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Gruppe der Gleichaltrigen, für gedankliche oder spielerische Experimente. (91)
- F) Will man Lern- und Erkenntnisprozesse anregen, die Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher haben und ihr „Ich“ stärken sollen, so muß die Unterrichtsorganisation zeitliche Spielräume enthalten, die es erlauben, den gegenwärtigen Standort, die eigenen Ziele usw. in relativer Ruhe zu überdenken und zu formulieren, um -z.B. in der Gruppenarbeit- ein „Innehalten“ und wirkliches Lernen (im Unterschied zur bloßen Anhäufung von Wissen) zu ermöglichen. [...] Die Arbeitsorganisation muß ferner ein Höchstmaß an Selbsttätigkeit erlauben, um die Fähigkeiten zur Eigeninitiative zu stärken. (97)
- G) Aufgrund des Überangebots an medienvermittelten Erlebnissen können solche „unter die Haut“ gehenden Lernerfahrungen m.E. heute eher durch Ruhe und Besinnung ausgelöst werden. (287)
- H) Das Vorführen bzw. die Wahrnehmung jener Dialektik zwischen Einzelfall und Allgemeinem, zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Subjektivität und Objektivität erleichtert es den Schülerinnen und Schülern, typische Problemlagen oder Handlungsinteressen und deren Bedeutung in der biographischen Lebenssituation Dritter -und damit (potentiell) ihrer eigenen- besser zu erkennen, als es ihnen allein durch die Analyse politischer Strukturen, Theorien und Konflikte möglich wäre. (18)
- I) Denn Einsicht in die Realität und Lernen daraus ist auf vielfältige Art möglich: durch Analyse von Zusammenhängen und das Studium von Details, durch Selbstreflexion und durch Auseinandersetzung mit anderen, durch Abstraktion und Konkretion, durch Intuition und Theorie, durch Erfolg und Mißerfolg. (308)
- J) Dafür können Unterrichtsmaterialien hilfreich und anregend sein, in denen sich soziale Verhältnisse und gesellschaftliche Veränderungen in einer individuellen Lebensgeschichte widerspiegeln. (98)
* = aus:
Heidrun Hoppe - Subjektorientierte politische Bildung. Begründung einer biographiezentrierten Didaktik der Gesellschaftswissenschaften. 1996
Eckige Klammern bezeichnen Auslassungen durch den Verfasser,
runde Klammern enthalten die Seitenzahlen in der genannten Ausgabe.
Die Zusammenstellung der Zitate, ihre Anordnung und Buchstabierung erfolgte eigens für den Inhalt der vorliegenden Darstellung und kann die Lektüre des Buches nicht ersetzen!
Hoppes Ausführungen zielen vor allem, jedoch nicht ausschließlich, auf die politische Bildung, wägen in diesem Bereich eingehend die Geschlechterdifferenz ab und bleiben durchgängig theoretisch.
Meine vorliegende Arbeit kann als unterrichtspraktische Reflexion von Hoppes aktueller und umfassender theoretischer Fundierung unseres Gegenstandes betrachtet werden, auch wenn ich mich in einem wesentlichen Punkt von ihr abgrenze.
Heidrun Hoppe verweist auf Dilthey, der der Lebensgeschichte eine Bedeutung als Bezugsebene für Lernprozesse zuspricht, sowie auf Theodor Schulze, der zwischen „curricularem“ (v.a. fachlich-schulischem) und „lebensgeschichtlichem“ (v.a. funktional-außerschulischem) Lernen differenziert (vgl. Hoppe 1996, 257): gerade diese Abgrenzung will Hoppe relativieren, worin ich ihr folge. Soll die Schule ein „Haus des Lernens“ (vgl. Bildungskommission NRW 1995, 77 ff.) sein, und wollen wir im Sinne Jakob Muths Schule als Leben (vgl. Susteck/Birr-Chaarana 1992) verstehen, müssen wir uns darum bemühen, die künstliche wie ungesunde Trennung von „curricularem“ und „lebensgeschichtlichem“ Lernen aufzuheben (vgl. dazu das Dreieck Biographischen Lernens). Der Begriff „curriculares Lernen“ erinnert stark an das, was Stiller als „schulische Reduzierung der Wirklichkeit auf ein DinA4-Format“ (Stiller 1997, 78) bezeichnet!
Hoppe bemüht sich um einen „biographisch-subjektorientierten Ansatz“ (Hoppe 1996, 296). In Zitat H stocken aufmerksame Lesende bereits beim letzten Wort vor, spätestens bei der zweifelhaften Übertragung innerhalb der Parenthese. Subjektorientierte politische Bildung heißt für Heidrun Hoppe vor allem, „daß paradigmatisch Erfahrungs- und Bewußtwerdungsprozesse anderer Subjekte (anhand biographischer Materialien wie Lebensgeschichten und -erinnerungen, Romane, Interviews, Reportagen und Fallstudien) die Grundlage dafür bilden, komplexe politische Zusammenhänge zu beschreiben und zu reflektieren“ (Hoppe 1996, 17/18). Ihr „(zunächst) auf die Erfahrungen Dritter bezogener Zugriff“ (Hoppe 1996, 296) läßt auf 341 Seiten offen, wann und wie die Lebensgeschichten der Lernenden selbst Berücksichtigung finden und gewürdigt werden sollen, durch welche konkreten fachdidaktischen und -methodischen Überlegungen und Konzeptionen o.g. Parenthese im Sinne einer wirklichen Subjektorientierung aufgelöst werden kann. Dies ist umso bedauerlicher, als sich in einer Lerngruppe von 25 Schülerinnen und Schülern 26 Biographieträger/innen finden. Warum sollten in einem Unterricht, der das Ziel verfolgt, schüler/innenbezogen, subjektorientiert und biographiezentriert zu sein, gerade Biographien Dritter thematisiert werden? Der -auch von Hoppe anerkannte- Paradigmenwechsel verlangt eine intensive Auseinandersetzung speziell mit der eigenen Lebensgeschichte.
In einer „Risikogesellschaft“ entspricht die Qualität der „biographischen Lebenssituation Dritter“ (s.o.) eben nicht mehr derjenigen der eigenen! Vor dem Hintergrund meiner eigenen Lebensgeschichte können mir Biographien Dritter ebenso fremd erscheinen wie beliebige andere Unterrichtsmaterialien. Hoppes Argumentation gegen die Reflexion von Aspekten der eigenen Lebensgeschichte überzeugt mich nicht: es sollen „problematische Coming-out-Erfahrungen“ (Hoppe 1996, 297) vermieden werden, zu denen es allerdings in der Biographischem Lernen angemessenen Unterrichtsform der Freiarbeit und unter Berücksichtigung von Stillers Überlegungen zur Risikominimierung (vgl. Stiller) erst gar nicht kommen muß.
Auch Gudjons, Pieper und Wagener distanzieren sich von einer „Begrenzung lebensgeschichtlicher Arbeit in der Schule auf literarische oder nichtliterarische Biographien“ (Gudjons u.a. 1992, 56).
Vor einer Verkürzung biographisch orientierten Unterrichts auf Fremdbiographien sowie vor einer Instrumentalisierung eigener lebensgeschichtlicher Erinnerungen zugunsten v.a. fachlicher Zwecke muß ich dringend warnen. Ohne den Sinn erfahrungsorientierter Unterrichtseinstiege grundsätzlich in Frage zu stellen, sollten wir beachten: Der wertvolle Besitz lebensgeschichtlicher wie biographischer (!) Erfahrungen darf niemals von Lehrerinnen und Lehrern zu Anwärm- und Motivationszwecken benutzt werden, um anschließend zur Tagesordnung überzugehen.
Auch das auf einem biographiezentrierten Einstieg basierende Pendeln zwischen lebensgeschichtlicher und fachlicher Reflexion wird erst dann sinnvoll, wenn den eigenen Erfahrungen genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Der Anspruch, dem sich die Fachdidaktiken zu stellen haben und für den die vorliegende Arbeit sensibilisieren möchte, sei abschließend skizziert:
Es sollte eine Aufgabe der Schule sein, ihre durchaus vorhandenen Mittel unter anderem für ein konsequent subjektorientiertes Biographisches Lernen von Schülerinnen und Schülern einzusetzen.
Hier kann sinnvolles „human investment“ erfolgen. In welcher späteren (Aus-) Bildungs- und Lebensphase werden die Ressourcen wieder so vielfältig vorhanden sein: ca. 30 Unterrichtsstunden in der Woche, 10 in Didaktik und Methodik ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, Räumlichkeiten, Möglichkeiten zur Gruppenarbeit, auf seiten der jungen Menschen Spontaneität, Kreativität, geistiges Training, der Wunsch nach Abwechslung und neuen Arten des Lernens etc.?
Die hier geäußerte Kritik an Hoppes Plädoyer zugunsten von Fremdbiographien ändert nichts an meiner Würdigung ihrer Leistung. Neben dem von Gudjons, Pieper und Wagener geschaffenen Konzept der Biographischen Selbstreflexion und den in jüngster Zeit in Flensburg entwickelten Ansätzen zur Biographiearbeit (vgl. Schulz 1996) errichtete Heidrun Hoppe eine dritte Säule, welche das bislang vorhandene Fundament für Biographisches Lernen in der Schule bereits näher in die Richtung der (Fach-) Didaktik rückte. Auf diesem Fundament können wir uns nun der Praxis des biographisch orientierten Pädagogikunterrichts widmen.
16 Jahre nachdem das Handbuch Pädagogikunterricht in der Sekundarstufe II von Hülshoff, Schmack und Heiland (Hülshoff u.a. 1981) erschien, präsentiert Edwin Stiller 1997 unter dem o.g. Titel „Neue didaktische und methodische Impulse für den Pädagogikunterricht“ (Untertitel). Er leistet mit seiner „moderat systemisch-konstruktivistischen Didaktik“ (Stiller 1997, 48) einen beachtenswerten Beitrag zur Konsolidierung unseres Faches und schafft eine aktuelle Orientierungs- und Diskussionsgrundlage.
Stillers zehn Zielsetzungen für die Entwicklung des Fachprofils sollen hier wiedergegeben werden:
„In diesem Sinne wäre es für den Pädagogikunterricht denkbar und wünschenswert,
- sich stärker dem individuellen Schüler, der individuellen Schülerin dialogisch zuzuwenden;
- dieser und diesem ein stärkeres Einbringen seiner/ihrer jeweils individuellen Fähigkeiten zu ermöglichen, aber auch seine/ihre individuellen Grenzen zu akzeptieren;
- stärker an individuellen biographischen Erfahrungen anzuknüpfen und individuelle Lernwege und individuelle Leitthemen zu ermöglichen;
- stärker die Kraft des individuellen Erlebens zu nutzen;
- die Schülerinnen und Schüler stärker an Planung, Gestaltung und Evaluation in Richtung auf ein selbstgesteuertes Lernen, so weit es die Bedingungen der Institutionen zulassen, zu beteiligen;
- neben den individuellen Differenzen die Gleichheit und die Anerkennung des Anderen systematisch zu fördern;
- die Differenz zwischen Lehrer- und Schülerrolle nicht zu verwischen, aber auch Erfahrungen von Gleichheit in einem pädagogischen Feld zu ermöglichen;
- die interaktionelle hier-und-jetzt-Ebene als erzieherisches Erfahrungsfeld evaluativ aufzugreifen und positiv, im Sinne einer Pädagogik der Achtung, zu fördern;
- soweit es eben geht, Schülerinnen und Schülern im Pädagogikunterricht eigene Konstruktionsleistungen ermöglichen;
- reale, komplexe erzieherische Probleme, auch des schulischen Erziehungsfeldes, zum Ausgangs- und Zentralisationspunkt von Lernprozessen zu machen.“ (Stiller 1997, 50)
Diese Zielvorstellungen können durchaus das Gerüst für einen subjektorientierten, wissenschafts- und handlungspropädeutisch anspruchsvollen und attraktiven Pädagogikunterricht des beginnenden 21. Jahrhunderts bilden. Auf den Raum für und die Würdigung von biographische(n) Lernprozesse(n) muß nicht eigens hingewiesen werden.
Stillers Verständnis Biographischen Lernens allerdings weicht von meinem in der vorliegenden Darstellung vertretenen ab. Dies wird bereits graphisch deutlich, betrachten wir sein Schaubild „Dialogische Didaktik des Pädagogikunterrichts“ (Stiller 1997, 76): das „Qualifikationsfeld Biographie“ und „Biographisches Lernen“ finden sich dem „Qualifikationsfeld Erziehungstheorie“ („Forschendes Lernen“) diagonal entgegengesetzt. Darin unterscheidet sich die Graphik erheblich von meinem Dreieck Biographischen Lernens, welches die Bereiche „Biographische Selbstreflexion“ und „fachliche Reflexion“ möglichst dicht miteinander vernetzen will.
Daß der angesprochene Gegensatz nicht etwa auf Schwierigkeiten der graphischen Darstellung beruht, sondern inhaltlich begründet ist, zeigt Stillers Begriffsverwendung: er differenziert zwischen eigentlichem Biographischen Lernen (in meiner Terminologie „Biographische Selbstreflexion“) und einem „integrierten Einsatz“ (Stiller 1997, 86), der „z.B. die Erklärungskraft theoretischer Ansätze für den eigenen Erfahrungshorizont erfaßbar werden“ (ebd.) läßt und „Eingebunden in einen definierten Lernkontext“ (Stiller 1997, 89) ist (in meiner Terminologie „Biographisches Lernen“).
Stillers Vorschlag, für das Biographische Lernen „eine «Extra-Stunde» mit festem Termin in der Woche“ (Stiller 1997, 86) einzurichten, kann ich aus Gründen, die ich im folgenden Kapitel darlegen werde, nicht unterstützen. Seine Verwendung des Wortes „Zeitverlust“ (ebd.) sowie die sechs Zeilen später erfolgende Einschränkung: „In dreistündigen Grundkursen könnte ein vierzehntägiger Rhythmus angebracht sein.“ (ebd.) stimmt mich bedenklich, verrät ein Hin-und-her-gerissen-Sein, in dem letztlich das „Qualifikationsfeld Biographie“ marginalisiert wird und sich alle zwei Wochen mit 45 Minuten zufriedengeben muß.
Schließt hingegen Biographisches Lernen per definitionem die fachliche Reflexion ein, befördert es die Realisierung des wissenschaftspropädeutischen Anspruches und muß nicht an die Unterrichtsperipherie verdrängt werden. Jedoch ist Biographisches Lernen keinesfalls als Universalmethode mißzuverstehen; dem tragen Stillers Überlegungen Rechnung.
Stiller beleuchtet Pädagogikunterricht unter anderem „Aus der Perspektive einer sich neu denkenden Schule“ (Stiller 1997, 25) und geht auf das von der Bildungskommission NRW 1995 verwendete Schul-Bild vom „Haus des Lernens“ (Bildungskommission NRW 1995, 86 ff.) ein. „Neben dem Erwerb fachlicher Kompetenz stehen Identitätsfindung und soziale Erfahrung im Vordergrund.“ (Stiller 1997, 25) Sollen die drei Komponenten wirklich die „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“ (Untertitel der Denkschrift der Bildungskommission) konstituieren, so müßte Biographisches Lernen das Fundament im „Haus des Lernens“ bilden, durch das und auf dem ein sinnvoller Aufbau von Sachkompetenz (über mehrere Etagen des Hauses) erfolgen kann, ergänzt durch das Einüben sozialer Fähigkeiten (obere Etagen und Dach). Dabei ist besonders den Wendeltreppen Beachtung zu widmen, welche die einzelnen Etagen miteinander verbinden und ein freies Sich-Bewegen im ganzen Haus ermöglichen. Das Bild darf nicht in der Bedeutung einer Stufenfolge der Kompetenzentwicklung aufgefaßt werden.
Ich bezeichne im folgenden „Schule“ dann als „Haus des Lernens“, wenn ich an einen Ort denke, wo nicht nur im traditionellen Sinne Wissen vermittelt wird, sondern wo sich in einer warmen und entspannten Atmosphäre menschliche Begegnungen ereignen, wo Gefühle zugelassen werden, Gespräche stattfinden und wo in Ruhe und Konzentration eine Besinnung auf wesentliche -außerhalb wie innerhalb des Subjekts liegende- Inhalte möglich ist bzw. gefördert wird.
Stillers Dialogische Fachdidaktik Pädagogik kann für dieses Fach als Bauplan dienen.
Im zweiten Band seiner Fachdidaktik widmet sich Edwin Stiller dem Thema „Biografisches Lernen im Pädagogikunterricht“ (Stiller 1999, 185 ff.). Einige Grundgedanken des Aufsatzes, der aktuelle Literaturangaben enthält, sollen hier zusammengestellt werden:
Stiller - Biografisches Lernen im Pädagogikunterricht
Grundgedanken*
- A) Biografisches Lernen besteht, wie in der universitären erziehungswissenschaftlichen Biografieforschung, aus zwei Strängen: der biografischen Selbstreflexion, in der sich das biografische Subjekt selbst mit der Einheit aus Biografie als Leben, Text und Bildungsprozeß auseinandersetzt, und der Auseinandersetzung mit Fremdbiografien, in denen Außenstehende sich mit biografischem Material von „fremdem“ gelebtem Leben auseinandersetzen.
- B) „Erziehung ist Teil von mir!“ [...] Dieser Teil ist sehr stark an der lebensgeschichtlichen Entstehung von Wahrnehmungs-, Deutungs-, Wertungs- und Handlungsmustern beteiligt, die sich bis in z.T. sehr weit zurückliegende Quellszenen zurückverfolgen lassen.
- C) Biografisches Lernen findet [...] permanent statt. Es aus dem Hintergrund ab und zu gezielt in den Vordergrund zu holen, dient der Stärkung der Selbststeuerungsfähigkeit, dient dazu, Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster bewusst zu machen und damit bewusste Wahlentscheidungen zu ermöglichen und die Intensität der Lernakte zu steigern.
- D) Nicht „oberflächliches Schwadronieren“ sondern intensive Durchdringung ist gefordert, radikales Infragestellen, intensive Suche nach Ressourcen, tiefgehende Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, ernsthafte Suche nach konstruktiven Perspektiven für die Zukunft.
- E) Die Pädagogiklehrerin, der Pädagogiklehrer unterrichten und erziehen wie alle Lehrerinnen und Lehrer, aber in einem Fach, welches durch einen didaktischen Sonderfall gekennzeichnet ist: Sie erziehen selbst und thematisieren zugleich Erziehung; sie organisieren Lehr-Lern-Prozesse und thematisieren gleichzeitig die Ergebnisse der Lernforschung.
- F) Im Pädagogikunterricht bietet das gesamte Curriculum ideale inhaltliche Zugriffsmöglichkeiten. So lassen sich, entlang der Sek.II-Richtlinien, z.B. grob folgende Untersuchungsrichtungen aufzeigen: Die Erziehungsbiografie Die Lernbiografie Die Entwicklungsbiografie Die Biografie der Gefährdungen und Normverstöße Die Bildungsbiografie Die Persönlichkeitsentwicklungsbiografie
- G) Biografisches Lernen ist Bestandteil einer modernen Konzeption von Allgemeinbildung, da es einen Beitrag zur Subjektstärkung und zur Identitätsbildung leistet [...].
- H) Biografisches Lernen kann [...] einen Beitrag zur Bildung und Stärkung von Kohärenz leisten.
- I) Risiken können dadurch begrenzt werden, daß im Mittelpunkt mutmachende, positive Aspekte der Biografie gezielt aufgesucht werden, um an Ressourcen und Problemlösekompetenzen anknüpfen zu können.
- J) Biografische Arbeit ist als dialogische Begleitung der Eigenarbeit zu sehen.
* = aus:
Stiller, E.: Biografisches Lernen im Pädagogikunterricht. In: Stiller, E. (Hrsg.): Dialogische Fachdidaktik Pädagogik. Band 2. Impulse aus der Praxis für die Praxis. 1999. 185 ff.
Eckige Klammern bezeichnen Auslassungen durch den Verfasser,
runde Klammern enthalten die Seitenzahlen im genannten Aufsatz.
Die Zusammenstellung der Zitate, ihre Anordnung und Buchstabierung erfolgte eigens für den Inhalt der vorliegenden Darstellung und kann die Lektüre des Aufsatzes nicht ersetzen!
auch Biographischen Lernens
1996 erschien Band I, 1997 Band II von Phoenix (vgl. Literaturverzeichnis). Damit liegt nun ein ausgezeichnetes und aktuelles Arbeitsbuch für den Pädagogikunterricht vor, das zudem vom Mitautor Edwin Stiller um o.g. Dialogische Fachdidaktik Pädagogik ergänzt wurde.
Für die Etablierung Biographischen Lernens im Pädagogikunterricht bedeuten Arbeitsbücher und Fachdidaktik eine große Bereicherung. Nachdem das Angebot pädagogischer Schulbücher lange Jahre nicht erweitert wurde, finden die Kolleginnen und Kollegen neuerdings in den beiden Phoenix -Bänden eine Vielzahl interessanter Materialien, Ideen und Impulse (auch für die biographische Arbeit).
Bereits im Pädagogikverständnis der Phoenix -Autorin und -Autoren wird der biographische Charakter dieses Unterrichtsfaches deutlich betont:
„1. Pädagogikunterricht (PU) hat etwas mit Ihnen und Ihrem Leben zu tun!
2. Im PU denken Sie über zentrale Fragen Ihres Lebens nach!
3. Im PU erwerben Sie Kenntnisse aus den Bereichen Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie, die für Sie und Ihre persönliche Situation konkret nützlich sind!
4. Im PU lernen Sie, besser mit anderen Menschen klarzukommen und andere Menschen (und sich selbst) besser zu verstehen!
[...]
6. Im Fach Pädagogik setzen Sie sich mit erzieherischen Feldern auseinander, in denen Sie schon viele Erfahrungen gesammelt haben und noch sammeln: Familie, Schule, evtl. Jugendgruppe usw.! [...]“ (Phoenix I, 202)
Im Vorwort sprechen Heinz Dorlöchter, Gudrun Maciejewski und Edwin Stiller die Schülerinnen und Schüler direkt an, um sie über das Konzept des Unterrichtswerks zu informieren:
„Wir möchten Sie, wie bereits in „Phoenix“ Band 1, auch in diesem Buch mit Informationen, Modellen, Theorien und Gedanken konfrontieren. Und zwar so, dass Sie immer wieder die Gelegenheit wahrnehmen können sich vor dem Hintergrund Ihrer Biografie mit den Erfahrungen und Erkenntnissen anderer Menschen, wie z.B. Fachwissenschaftlern und Romanautoren, auseinander zu setzen. [...] Wir hoffen Ihnen so einen Zugang zu pädagogischen Erkenntnissen und Fragestellungen zu ermöglichen, der Ihnen auch Hilfen zur Wissensverarbeitung und Persönlichkeitsbildung gibt und Sie bei einer aktiven Auseinandersetzung mit Realität unterstützt, in der Sie sich als handelndes Subjekt mit Möglichkeiten erfahren können.“ (Phoenix II, 4/7)
Phoenix ist an einer „subjekterschließenden Gestaltung des Unterrichts“ (ebd. 6) interessiert, will die Lernenden zur „Begegnung mit sich selbst“ (ebd. 4) einladen. Die Schülerinnen und Schüler erfahren: „Dabei sind Sie zur aktiven Mitarbeit aufgefordert, damit Sie sich auch aus Ihrer subjektiven Situation heraus ein Bild von den Dimensionen von Erziehung machen können“ (Phoenix I, 6) und „Subjektorientiertes Lernen ist ein ganzheitlicher, erfahrungsorientierter Vorgang, der die gesamte Biografie anspricht.“ (ebd. 7)
Der biographische Charakter des Unterrichts darf nicht mit einer Konzentration auf Vergangenheit und Gegenwart des Lernenden Subjekts gleichgesetzt werden; die persönliche Zukunft spielt eine ebenso zentrale Rolle: Phoenix will, so setzt das Vorwort die Kursteilnehmer/innen in Kenntnis, „für den Prozeß der Gestaltung Ihrer eigenen Lebensplanung interessante Anregungen“ (Phoenix I, 6) vermitteln, will dazu qualifizieren, „Entscheidungen treffen und ‘ganzheitlich’ überprüfen“, „Erziehungs- und Lebensentwürfe antizipieren“ (ebd. 11) zu können.
Band I (Kurshalbjahr 11/I) bietet von insgesamt 211 Arbeitsaufträgen 7 -mit einem eigenen Symbol gekennzeichnete- biographisch orientierte Aufgaben (das entspricht ca. 3%) sowie 17 -ebenfalls als solche markierte- handlungsorientierte Aufgaben (ca. 8%). Addiert man 7 weitere (nicht eigens gekennzeichnete) biographische Aufgaben, halten sich biographische und handlungsorientierte Arbeitsaufträge die Waage.
Band II (Kurshalbjahre 11/II bis 13/II) enthält von 822 Aufgaben 39 biographische (ca. 4,7%) sowie 28 handlungsorientierte (ca. 3,4%).
Die 46 (bzw. 53) biographisch orientierten Arbeitsaufträge finden sich im Wechsel mit handlungsorientierten und nicht besonders gekennzeichneten Aufgaben über 946 Seiten des Unterrichtswerks verteilt.
Hervorzuheben ist die Einrichtung des „Journals“, dessen Verwendung von Phoenix immer wieder angeregt wird: „Den Schülern und Schülerinnen sollte angeboten werden, ein persönliches ‘EW-Tagebuch’ in Form eines Journals zu führen, welches neben dem normalen Heft angelegt werden kann und für persönliche, nicht der Einsicht von Mitschülern/Mitschülerinnen oder Lehrern/Lehrerinnen zugänglichen Notizen etc. geeignet ist.“ (Phoenix I, 10) Ein solches „Journal“ kann eine gute Hilfestellung zum bewußteren Lernen bieten, kann eine sinnvolle und kontinuierliche Metareflexion über die persönliche Bedeutung pädagogischer Lernprozesse fördern und selbst zu einem wertvollen biographischen Dokument werden.
Weiterhin bemerkenswert ist die zu Beginn des ersten Bandes eingerichtete Seite „Wir über uns ...“, auf der sich Dorlöchter, Maciejewski und Stiller den Benutzer/inne/n ihrer Bände kurz vorstellen: auch dies eine biographische Seite, die ich unter anderem als dezenten Hinweis auf eine dringend überfällige Veränderung der Lehrer/in-Schüler/in(nen)-Beziehung(en) lese.
Trotzdem „Biographisches Lernen“ zu den charakteristischen Merkmalen des Phoenix -Konzeptes und der Biographie-Begriff im Vorwort des zweiten Bandes zu den auffallenden Leitvokabeln gehört, tauchen die Stichworte „Biographie“, „Lebensgeschichte“ bzw. entsprechende Komposita weder im Register des ersten noch des zweiten Bandes auf.
Meine Bedenken gegenüber einem durch Phoenix motivierten „Biographischen Lernen“ beziehen sich insbesondere darauf, daß diese den Schülerinnen und Schülern nicht bekannte Art des Lernens hier zu sehr en passant geschieht. Es ist auch unter Gymnasiast(inn)en nicht üblich, das Vorwort eines Schulbuches zu lesen; die -v.a. teure Bücher betreffende- Kopierkultur schaltet jene Möglichkeit fast vollkommen aus. Dadurch entgehen den mit Phoenix Lernenden Informationen von eminenter Relevanz. Im konkreten Fall wird es so aussehen, daß die Schülerinnen und Schüler biographisch orientierte Arbeitsaufträge wie alle anderen (Haus-) Aufgaben auf die ihnen übliche zügige Weise erledigen, ohne daß ihnen Hintergründe, Sinn und Besonderheiten Biographischer Selbstreflexion klar wären.
Biographische Arbeitsaufträge dürfen m.E. nicht über fast tausend Seiten verstreut werden, sondern Biographische Selbstreflexion und Biographisches Lernen könnte -um im Wabenmodell von Phoenix zu bleiben- einen Abschnitt jeder Wabe bilden. Dieser kann nach thematischen Bedingungen variierend am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer Wabe plaziert werden; seine Bearbeitung sollte nicht verpflichtend sein, sondern der Abschnitt kann vielmehr neugierig machen und für Biographisches sensibilisieren. Jedenfalls muß ein Weg gefunden werden, der Eigenart des lebensgeschichtlichen Ansatzes Ausdruck zu verleihen, v.a. auf die dafür unabdingbare Konzentration hinzuweisen. Im Einführungsteil, dessen notwendige Berücksichtigung jeder biographische Abschnitt anmahnen müßte, könnten die Schülerinnen und Schüler mit den (lern-) theoretischen Hintergründen des biographischen Konzepts vertraut gemacht werden. Das wäre nicht nur eine zusätzliche Pflichtübung am Rande, sondern selbst Lerninhalt des Pädagogikunterrichts (vgl. z.B. die NRW-Richtlinien Erziehungswissenschaft, die für die Jahrgangsstufe 11/II des Gymnasiums als Kursthema „Das Phänomen Lernen unter pädagogischem Aspekt“ verbindlich vorsehen; Kultusministerium NRW 1981, 41 ff.).
Bisher findet sich beispielsweise die Übung „Lebensplanung“ von Gudjons, Pieper und Wagener (Gudjons u.a. 1992, 251/252) losgelöst aus ihrem Theoriekonzept der Biographischen Selbstreflexion in Phoenix (Phoenix II, 274/275) und ist damit der Gefahr ausgeliefert, daß die Schülerinnen und Schüler die Ganzheitlichkeit Biographischen Lernens weder erleben noch vermissen können.
Meine Kritik an Phoenix darf keinesfalls mißverstanden werden, sondern ist der Ausdruck eines Bemühens um die konstruktive Weiterentwicklung von Möglichkeiten Biographischen Lernens.
Heinz Dorlöchter, Gudrun Maciejewski und Edwin Stiller bleibt der Verdienst, durch ihr hervorragendes Unterrichtswerk die biographische Arbeit nachhaltig in den Pädagogikunterricht eingeführt zu haben.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die Durchsicht der mit einem eigenen Symbol gekennzeichneten biographisch orientierten Arbeitsaufträge in Phoenix I und II zahlreiche Aufschlüsse über die Gestaltung solcher Impulse gibt.
Impulse für die biographische Arbeit lassen sich an unter anderem folgenden Kriterien prüfen; sie sollten
- offen genug, dürfen jedoch andererseits nicht zu allgemein formuliert sein
- Hilfestellungen anbieten
- eindeutig formuliert sein und den Lernenden konkrete Vorschläge über mögliche Arbeitsschritte unterbreiten
- keinesfalls zu voreiligen Verallgemeinerungen/Abstraktionen verleiten
- klar differenzieren zwischen den Ebenen des persönlich/lebensgeschichtlich Bedeutsamen und des theoretisch/fach(wissenschaft)lichen Inhalts
- biographische Rekonstruktionsleistungen nicht einfach voraussetzen, sondern diese als eigenständige, anspruchsvolle, besonders zeitintensive und der Konzentration bedürfende Aufgaben anerkennen
- nicht „steckenbleiben“, sondern stets zu einem (ersten) „biographischen Ergebnis“ führen
- neben Anregungen für die formale Gestaltung darauf hinweisen, daß eine eigene, inhaltsangemessene und schöpferische Ausführung jeglicher Orientierung an Mustern vorzuziehen ist
- die Komplexität lebensgeschichtlicher Wirklichkeit nicht zu extrem vereinfachen wollen; das steht keinesfalls einer sinnvollen didaktischen Reduktion entgegen
- niemals nur zu etwas anderem motivieren/überleiten, sofern das Eigene im Anschluß daran nicht erneut aufgegriffen wird
- nicht bei einer oberflächlichen Auseinandersetzung stehenbleiben, sondern die Suche nach „lebensgeschichtlichen Belegen“ pädagogischer Theorie bzw. umgekehrt forcieren
- die Lernenden nicht zu einer Veröffentlichung lebensgeschichtlicher Details drängen
- „Brüche“ zwischen den Ebenen der Biographischen Selbstreflexion und der fachlichen Reflexion vermeiden
- (zumindest punktuell) ein Gleichgewicht in der Verwendung selbst gestalteter biographischer Materialien zum Thema (z.B. einer biographischen Mappe) und fremden Materialien dazu (z.B. Sachtexten) anstreben, um Voraussetzungen für einen wirklichen Vergleich zu schaffen
- zu einem gründlichen Überdenken/Überarbeiten erster Ergebnisse auffordern
- auf der Basis einer intensiven und gut dokumentierten Auseinandersetzung mit thematisch relevanten lebensgeschichtlichen Aspekten zu ihrer möglichst engen Vernetzung mit dem fachlichen Inhalt anleiten, dessen Verständnis für diesen Bezug bereits bis zu einem gewissen Grad sichergestellt werden muß
- eine Ergebnisdokumentation lancieren, welche garantiert, daß „biographische Erkenntnisse“ im weiteren Verlauf des Unterrichts (auch über Halbjahre hinweg) herangezogen und genutzt werden können
- auch zu einer Metareflexion über Erfahrungen mit dieser besonderen Art des Lernens anregen
- vor allem interessante Schreibanlässe vorstellen und Appetit aufs Schreiben machen
- neben der Form des Biographischen Schreibens auch andere, weniger begriffsorientierte, textzentrierte Ausdrucks-/Darstellungsmöglichkeiten vorschlagen
- den Lernenden freistellen, inwieweit und in welcher Form sie sich über Ergebnisse Biographischer Selbstreflexion austauschen wollen
- dazu ermutigen, sich eigene Ziele für das Biographische Lernen zu setzen und bewußt den eigenen Lernprozeß zu verfolgen
[...]
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