Veröffentlichen auch Sie Ihre Arbeiten - es ist ganz einfach!
Mehr InfosDiplomarbeit, 2008, 79 Seiten
Diplomarbeit
2,0
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einführung in die Referenzniveauforschung
2.1 Bedeutung der Referenzqualität für den Unternehmenserfolg und Einführung der relevanten Begrifflichkeiten
2.2 Übergreifende Theorien zur Bildung von Konsumentenerwartungen
2.3 Referenzniveaus im Kaufentscheidungsprozess des Konsumenten
3 Modellentwicklung
3.1 Weiterentwicklung vom Referenzpunkt zur Toleranzzone
3.2 Statische Betrachtung anhand eines mehrdimensionalen Modells
3.2.1 Die Kano-Analyse
3.2.2 Ermittlung der Qualitätsdimensionen im Dienstleistungsbereich
3.2.3 Qualitätsdimensionen im Produktbereich
3.2.4 Zuordnung der Qualitätsdimensionen in das Kano-Modell
3.3 Dynamische Betrachtung von Referenzniveaus
3.3.1 Grundlegende Theorien zur Dynamik von Kundenerwartungen
3.3.2 Anwendung der Erkenntnisse auf das Referenzqualitätsmodell
4 Einflussfaktoren auf die Referenzqualität und Ansätze zur Steuerung
4.1 Einflussfaktoren auf die Referenzqualität
4.1 Determinanten der Steuerung
4.1.1 Persönlichkeitsstruktur des Konsumenten
4.1.2 Produktspezifische Merkmale
4.1.3 Auswirkung der Determinanten auf die Einflussfaktoren
4.2 Marketingmaßnahmen zur Referenzqualitätssteuerung
4.2.1 Steuerung der Erfahrung
4.2.2 Steuerung der Empfehlungen
4.2.3 Steuerung durch Informationen
4.3 Prozessphasen des Erwartungsmanagements
5 Abschließende Erkenntnisse und weiterer Forschungsbedarf
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Erfolgskette des Marketings
Abbildung 2: C/D - Paradigma
Abbildung 3: Toleranzzone und Indifferenzzone
Abbildung 4: Mehr-Faktoren-Modell von Kano
Abbildung 5: Kano-Modell mit Toleranzzone
Abbildung 6: Penalty-Reward-Analyse
Abbildung 7: Assimilationseffekt
Abbildung 8: Kontrasteffekt
Abbildung 9: Dynamisches Kano-Modell
Abbildung 10: Kano-Modell mit dynamischen Effekten
Abbildung 11: Basismodell der Referenzqualitätssteuerung
Die wahrgenommene Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung gewinnt aus Konsumentensicht mehr und mehr an Bedeutung. Statt nach Schnäppchen und Rabatten zu jagen, scheinen sich Konsumenten wieder vermehrt auf die qualitativen Kriterien von Produkten und Dienstleistungen zu konzentrieren. Auch die Unternehmenspraxis hat auf diesen Trend reagiert. Immer mehr Unternehmen setzen verstärkt auf eine Kommunikation der Qualität ihrer Produkte und Leistungen, anstatt nur mit günstigen Angeboten und Rabatten zu locken.
Aktuellstes Beispiel aus der Praxis zu diesem „Wandel der Werte“ ist die neue Werbekampagne der Elektromarktkette Saturn. Während fünf Jahre lang sehr erfolgreich mit der Philosophie: „Geiz ist geil“ auf das Preisbewusstsein der Konsumenten abgezielt wurde, wirbt der Konzern seit Herbst 2007 mit dem Slogan: „Wir lieben Technik, und hassen teuer“. Das Unternehmen setzt somit nicht länger primär auf Billigpreise, sondern auf ein Qualitätsbedürfnis der Konsumenten, so der Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding Roland Weise.[1] Statt nur das Preisbewusstsein der Kunden anzusprechen, wird mit dem neuen Slogan wieder verstärkt auf das Qualitätsbewusstsein gesetzt. Die Unterhaltungselektronikbranche ist nicht die einzige Branche, die diesen Wandel vollzieht. Auch bei Food-Discountern wie Aldi, Lidl oder Plus erhielten in der vergangenen Zeit mehr und mehr ökologische Produkte und auch Markenprodukte Einzug in das Sortiment. Diese neue Sortimentsgestaltung löst damit die reine „Billig“-Mentalität ab. Vor allem Aldi-Süd hebt durch Broschüren und Kundeninformationen auf der Firmenhomepage ihren neuen Fokus auf die Produktqualität hervor.[2]
Der in der Praxis vollzogene Wandel von der Preisschlacht zu einem neuen Qualitätsbewusstsein wird an den verschiedenen Praxisbeispielen deutlich. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen dieses Empfinden. Während in früheren Studien oft der Preis als wichtigster Einflussfaktor für die Kaufentscheidung von Konsumenten galt,[3] steht in einer aktuellen Studie der Puls Marktforschung GmbH die Qualität an vorderer Stelle.[4] Was die genaue Untersuchung der von den Konsumenten erwarteten Qualität angeht, hinkt die Forschung jedoch noch einen Schritt zurück. Im Bezug auf das Preisbewusstsein der Konsumenten gibt es eine Vielzahl an Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema der optimalen Preissetzung unter Berücksichtigung von Referenzpreisen beschäftigen.[5] In der Marketingtheorie ist bekannt, dass Konsumenten im Bezug auf Preise einen Referenzpunkt haben, den sie zur Beurteilung eines Preises und zur Kaufentscheidung heranziehen.[6] Einen Transfer dieser Erkenntnisse auf den Begriff der Qualität gibt es bis heute jedoch kaum. Lediglich im Bereich des Dienstleistungsmarketings gibt es erste Ansätze, die Steuerung von Referenzqualität zur Steigerung von Kundenzufriedenheit einzusetzen.[7] Im Bereich des Produktmarketing fehlen solche Untersuchungen nahezu vollständig.[8]
In der vorliegenden Diplomarbeit soll der Begriff der Referenzqualität vor allem im Bezug auf den Produktbereich näher erläutert werden. Das Konstrukt der Referenzqualität lehnt an das Modell der Referenzpreise an. Dieses Modell geht davon aus, dass Konsumenten bei ihrer Preisbeurteilung auf interne Referenzpreise zurückgreifen, die teils bewusst, teils unbewusst durch Erfahrungen oder Informationen von außen vorliegen. Übertragen auf die Qualität bedeutet das, dass Konsumenten bei der Beurteilung der Qualität eines bestimmten Produktes oder einer bestimmten Leistung auf ihr internes Qualitätswissen zurückgreifen. Im Rahmen dieser Diplomarbeit wird der aktuelle Forschungsstand zum Thema Referenzqualität erarbeitet und in diesem Zusammenhang auf die bestehenden Forschungslücken aufmerksam gemacht. Schwerpunkt dieser Arbeit stellen die Entwicklung eines dynamischen Erwartungsmodells und erste Ansatzmöglichkeiten einer Steuerung von Referenzqualität dar.
Aus diesem Grund werden im zweiten Kapitel, nach einer Einführung der relevanten Begrifflichkeiten, zunächst einführend einige Theorien zum Entscheidungsverhalten von Konsumenten erarbeitet. Zu den behandelten Theorien gehört das statische C/D-Paradigma, die Prospect-Theorie und die Adaptionsniveautheorie. Ferner wird der Begriff des Referenzniveaus erläutert. In diesem Rahmen wird, als Ausgangslage für die Erläuterung der Referenzqualität, auf die Theorie der Referenzpreise eingegangen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit dem Aufzeigen der Forschungslücke in der Referenzqualitätsforschung.
Im drittenKapitel wird aufbauend auf das Mehr-Faktorenmodell der Kundenzufriedenheit von Kano, ein dynamisches Modell der Referenzqualität hergeleitet. Hierzu wird zunächst das Konzept der Toleranzzone und Indifferenzzone erläutert und in einem nächsten Schritt in das statische Modell der Kundenzufriedenheit eingearbeitet. Um die praktische Relevanz der Referenzqualitätsforschung nicht aus den Augen zu verlieren, werden in diesem Zusammenhang die Qualitätsdimensionen bei der Produkt- und Dienstleistungsbeurteilung ermittelt und eine Möglichkeiten dargestellt, diese Dimensionen den drei Faktoren aus dem Kano-Modell zuzuordnen. Aufbauend auf die statische Betrachtung werden im Weiteren inter- und intrapersonelle Theorien zur Dynamik von Kundenerwartungen untersucht. In diesem Rahmen wird unter anderem auf die Dissonanztheorie, die Assimilationstheorie und das Konstrukt der Anspruchsinflation eingegangen. Im letzten Schritt dieses Kapitels wird aus Zusammenspiel von statischem Modell und den Lerntheorien ein dynamisches Modell entwickelt. Am Ende von Kapitel 3 wird ein erstes dynamisches Modell der Qualitätserwartungen von Konsumenten stehen.
Im vierten Kapitel wird anknüpfend an die bisher gewonnenen Erkenntnisse ein Ansatz gesucht, diese Dynamik der Kundenerwartungen an die Qualität gezielt zu steuern. Dazu wird zuerst untersucht, ob eine Steuerung des normativen und des prädiktiven Referenzniveaus gleichermaßen möglich ist oder ob Besonderheiten bestehen. Darauf folgend werden aus den inter- und intrapersonellen Lerntheorien vier Ansatzhebel herausgearbeitet, die Einfluss auf die Referenzqualität haben. Diese Einflussgrößen sind die Erfahrungen, der Status quo, die sozialen Einflüsse und die Informationen über vorhandene Alternativen. Welcher dieser Hebel den stärksten Einfluss hat, hängt maßgeblich von verschiedenen moderierenden Variablen ab. Aus diesem Grund werden verschiedene Konsumentencharakteristika und Produkteigenschaften auf ihre moderierende Wirkung untersucht. Nach dieser Herleitung eines Basismodells, bestehend aus Einflussgrößen und moderierenden Variablen, folgt eine Ausarbeitung konkreter Marketingmaßnahmen zur Steuerung von Referenzqualität.
Als Abschluss des vierten Kapitels werden die einzelnen Phasen eines Steuerungsprozesses dargestellt. Im fünften Kapitel findet abschließend eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse statt. Diese Zusammenfassung stellt gleichzeitig den Ausgangspunkt für weiteren Forschungsbedarf dar.
Eines der wichtigsten Zwischenziele auf dem Weg zum ökonomischen Erfolg eines Unternehmens ist das Erreichen von Kundenzufriedenheit.[9] Inwiefern diese Feststellung mit dem Thema dieser Arbeit zusammenhängt und warum das Gebiet der Referenzqualitätsforschung daher von großer Bedeutung ist, lässt sich anhand einer Wirkungskette verdeutlichen (vgl. Abbildung 1).[10]
Abbildung 1: Erfolgskette des Marketings
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Richter, M. (2005), S.8.
Auf die Zufriedenheit der Kunden haben zwei Größen erheblichen Einfluss: zum einen die Erwartungen die der Konsument an ein Produkt oder ein Unternehmen hat,[11] und zum anderen die von ihm wahrgenommene Produktqualität bzw. Unternehmensleistung.[12] Auf zwei Faktoren reduziert entsteht Kundenzufriedenheit folglich aus einem Vergleich von wahrgenommener Qualität und Kundenerwartungen.[13] Kundenzufriedenheit ist somit das „Ergebnis eines psychischen Soll-Ist-Vergleichs von Konsumentenerlebnissen“[14] und zugleich „ein Mittel zur Steigerung des Gewinns“[15] eines Unternehmens. Ist der Kunde zufrieden ergeben sich daraus eine Reihe von Effekten, die sich positiv auf den ökonomischen Erfolg des Unternehmens auswirken können. So wurde nachgewiesen, dass zufriedene Kunden bei Produkten des täglichen Bedarfs eine deutlich höhere Wiederkaufrate aufweisen, als unzufriedene Kunden.[16] Neben der Kundenbindung, hat die Kundenzufriedenheit eine weitere wichtige Bedeutung für das Unternehmen: Nach einer Studie von Griffin et al.[17] berichten zufriedene Kunden im Schnitt drei andere Personen von ihren Erfahrungen. Unzufriedene Kunden hingegen, geben ihre schlechten Erfahrungen mit dem Produkt oder dem Unternehmen an bis zu zehn Personen weiter. Bei zufriedenen Kunden erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Artikel aus der Produktpalette des Unternehmens gekauft werden. Dem gegenüber sinkt bei unzufriedenen Kunden die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufes, die Gefahr der Abwanderung und des Markenwechsels steigt.
Für ein Unternehmen bestehen folglich zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit zwei Möglichkeiten, an denen angesetzt werden kann: Die erste Möglichkeit besteht in einer Veränderung der tatsächlichen Produktqualität, um so die Konsumentenwünsche zu erfüllen (Qualitätsmanagement). Die zweite Alternative besteht darin, die Erwartungen der Konsumenten so zu steuern, dass keine zu große Lücke zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen Produkteigenschaften wahrgenommen wird. In diesem Fall ist das Ziel der Anbieter folglich die Veränderung der Qualitätswahrnehmung und nicht die Umgestaltung der tatsächlichen Leistungsmerkmale, diese bleiben unverändert bestehen.[18] Diese zweite Alternative in Form eines gezielten Erwartungsmanagements zur Steigerung der Kundenzufriedenheit, ist von den meisten Unternehmen bislang jedoch vernachlässigt worden.[19] An diesem Punkt setzt diese Arbeit an. Es wird untersucht:
- mit welchen individuellen Referenzpunkten die Konsumenten die wahrgenommene Qualität vergleichen,
- wie Konsumenten die Referenzpunkte bilden, durch welche Prozesse sie verändert und angepasst werden,
- ob und mit welchen Mitteln die Referenzniveaus schließlich von Unternehmensseite aus steuerbar sind.
Ein in der Konsumentenforschung und Referenzqualitätsforschung sehr häufig auftauchender Begriff ist der der Kundenerwartungen. Diese Erwartungen sind als psychologischer Zustand des Konsumenten zu verstehen, welcher sich auf seine zukünftigen Verhaltenskonsequenzen bezieht.[20] Dies ist nur eine von vielen Definitionen, die man unter dem Begriff Erwartung finden kann. Genauso vielzählig wie die Anzahl an Definitionsansätzen ist die Anzahl an Interpretationen, die in der Literatur vorzufinden sind. Sie reichen vom Idealniveau, erwünschten Niveau, angemessenen Niveau bis hin zu vorhergesehenem und wahrscheinlichem Niveau.[21] Die verschiedenen Interpretationsansätze lassen sich in normative und in prädiktive Ansätze unterteilen. Normative Erwartungen stellen die Ansprüche dar, die der Konsument einem Produkt oder einer Leistung auferlegt und die er für seine Bedürfnisse erwartet. So stellt das Idealniveau oder das Mindestniveau eine normative Erwartung dar. In Abgrenzung dazu definieren prädiktive Ansätze die Erwartung als vorhergesehene, wahrscheinlich oder norm al gehaltene Qualität.[22] Hat der Konsument Kenntnis von dem am Markt üblichen Standard einer Leistung und geht davon aus, dass das von ihm erworbene Produkt eine ähnliche Leistung aufweist, so nennt man diese Erwartung prädiktive Erwartung. In Einklang mit empirischen Arbeiten wird das normative Niveau für diese Arbeit als signifikant höher gegenüber dem prädiktiven Niveau angenommen.[23]
Als Abgrenzung zu dem oben genannten Begriff der Erwartung werden Einstellungen definiert als “relativ stabile, organisierte und erlernte innere Bereitschaften (Prädispositionen) eines Käufers, auf bestimmte Stimuli (=Einstellungsobjekte) konsistent positiv oder negativ zu reagieren.“[24] Somit ist beiden Konstrukten gemein, dass sie erlernt werden und durch kognitive Prozesse grundsätzlich veränderbar sind. Der große Unterschied der beiden Konstrukte liegt in ihrer zeitlichen Stabilität. Während Erwartungen kurzfristigen Schwankungen unterliegen,[25] sind Einstellungen relativ dauerhafte und langfristige Konstrukte und durch kognitive Prozesse nur bedingt veränderbar.[26]
Kundenzufriedenheit ist elementar um unternehmerisch erfolgreich zu sein. Wie es von einer Qualitätswahrnehmung durch den Konsumenten zu einem negativen oder positiven Zufriedenheitsurteil, und somit zu Kundenzufriedenheit kommt, wird in der Konsumentenforschung oft durch das so genannte Confirmation/ Disconfirmation-Paradigma (im Weiteren kurz: C/D-Paradigma) beschrieben.[27] Das C/D-Paradigma wurde bereits in den 1970er Jahren zur Erforschung und Beschreibung von Kundenerwartungen herangezogen und gilt als eines der am meisten verwendeten Modelle zur Erklärung der Entstehung von Zufriedenheit.[28] In der Literatur findet man das C/D-Paradigma auch unter den Begriffen „Expectation-Disconfirmation Model“[29] oder „Nicht-Bestätigungs-paradigma“.[30] Anwendung findet das Modell nicht nur im Marketing, sondern auch in verschiedensten Veröffentlichungen zur Arbeits- und Mitarbeiterzufriedenheit.[31]
Abbildung 2: C/D - Paradigma
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Richter, M. (2005), S.75.
Zentrale Annahme des C/D-Paradigmas, ist der Soll/ Ist-Vergleich zur Bildung eines Zufriedenheitsurteils (vgl. Abbildung 2). Im Rahmen dieses Paradigmas wird der Prozess von der Produktwahrnehmung bis zum Zufriedenheitsurteil in vier Phasen unterteilt.[32]
1) Die erste Phase ist die Phase der Erwartungsbildung des Konsumenten. In dieser bildet der Verbraucher seine Erwartungen an ein Produkt oder eine Leistung. Diese Erwartungen definieren die Soll-Leistung als sein individuelles Anspruchsniveau. Diese Soll-Leistungen oder Erwartungen können als die ideale, erwünschte, verdiente oder auch als die angemessene Leistung aus Konsumentensicht interpretiert werden.[33] Die Entwicklung der Soll-Vorstellungen geschieht dabei zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst. Erwartungen werden durch vier Faktoren beeinflusst: durch die Bedürfnisse eines Konsumenten, durch Erfahrungen die bisher mit der Produktkategorie oder der Marke gemacht wurden, durch Erfahrungen von Dritten oder durch direkte Beeinflussung durch das Unternehmen mittels Werbung.[34]
2) Die zweite Phase des Paradigma ist die Phase der wahrgenommenen Qualität (perceived quality). In dieser nimmt der Konsument die Qualität und Beschaffenheit des Produktes oder der Leistung wahr. Dieser zum Teil subjektive, zum Teil objektive Eindruck stellt für den Konsumenten die IST-Leistung des Produktes dar.
3) In der dritten Stufe werden die Erwartungen (SOLL) mit den Wahrnehmungen (IST) verglichen, um so eine Bestätigung bzw. eine Nicht-Bestätigung für die Erwartungen zu erlangen. Ist die Ist-Leistung gleich der Soll-Leistung, so führt dies zu Bestätigung (Confirmation) der Erwartung. Ist hingegen die Ist-Leistung ungleich der Soll-Leistung findet dementsprechend eine Nicht-Bestätigung (Disconfirmation) statt. Übertrifft die wahrgenommene Leistung die Erwartung, handelt es sich um positive Nicht-Bestätigung. Ist hingegen die wahrgenommene Leistung geringer als die Erwartung, liegt eine negative Nicht-Bestätigung vor.[35]
4) In der vierten und letzten Phase des Paradigma, findet abschließend eine emotionale Bewertung des Vergleichsergebnisses statt. Unter den Forschern herrscht Einigkeit, dass es bei negativer Nicht-Bestätigung (Erwartungen werden nicht erfüllt) zu Unzufriedenheit kommt und bei positiver Nicht-Bestätigung (Erwartungen werden übertroffen) zu Zufriedenheit. Welche Reaktion der Konsument bei Erfüllung seiner Erwartungen zeigt, wurde bis heute nicht einheitlich geklärt. Während einige Forscher von einer Zufriedenheitsreaktion ausgehen,[36] halten andere Wissenschaftler eine neutrale Reaktion für plausibler.[37] Wieder andere, gehen von einer negativen Reaktion bei Erfüllung der Erwartungen aus. Dies wird von den Wissenschaftlern damit begründet, dass Konsumenten mit schlechten Erwartungen an ein Produkt, bei Erfüllung dieser Erwartungen, nicht mit Zufriedenheit sondern mit Unzufriedenheit reagieren würden.[38]
Eine Theorie, die die Entstehung und die Funktion der zum Vergleich herangezogenen Referenzpunkte in einer Urteilsbildung erklärt, ist die Adaptionsniveautheorie. Im Rahmen dieser Theorie wird davon ausgegangen, dass der Konsument zur Beurteilung von Produktmerkmalen, dies können zum Beispiel der Preis oder die Qualität sein, ein Adaptionsniveau als Referenzpunkt heranzieht.[39] Dieses Adaptionsniveau beinhaltet alle relevanten Erfahrungen, die der Konsument in der Vergangenheit mit einem bestimmten Produkt gemacht hat. Aus dem Durchschnitt dieser Vergangenheitswerte bildet der Konsument das Niveau, an dem er ein neues Produkt „misst“. Jede neue Erfahrung wird dabei wiederum adaptiert, um so für die nächste Entscheidungssituation ein angepasstes Adaptionsniveau darzustellen.[40] Das durch diesen Prozess gebildete und fortwährend angepasste Adaptionsniveau entspricht der Definition eines internen Referenzniveaus.[41]
Ein Modell aus der deskriptiven Entscheidungstheorie, das die Existenz von Referenzpunkten zur Urteilsbildung ebenfalls aufgreift, ist die Prospect-Theorie.[42] Zentrales Element dieses Modells ist die Nutzenfunktion, die durch einen Vergleichspunkt verläuft, den der Konsument zum Beurteilen eines Leistungsmerkmals heranzieht. Der Konsument stellt die tatsächliche Leistung diesem Referenzpunkt gegenüber und ermittelt so für das jeweilige Leistungsmerkmal einen relativen Verlust oder einen relativen Gewinn. Es wird also nicht der absolute Wert des Leistungsmerkmals herangezogen (wie zum Beispiel der absolute Preis oder die absolute PS-Zahl bei einem Fahrzeug), sondern der Relative. Relative Verluste gewichtet der Konsument dabei stärker als relative Gewinne, was dazu führt, dass eine absolut gesehen gleiche Abweichungen nach oben oder unten, zu unterschiedlich starker Zufriedenheit oder Unzufriedenheit führen. Trotz absolut gleicher Differenz, reagiert der Konsument auf eine Abweichung nach unten mit größerer Unzufriedenheit, als er es im Verhältnis dazu auf die eine Abweichung nach oben mit Zufriedenheit tun würde.[43] Beispiel: Muss ein Kunde beim Arzt bei erwarteten 30 Minuten Wartezeit nur 25 Minuten warten, so wird er diese 5 Minuten geringer gewichten, als er es tun würde, wenn er 5 Minuten länger (also 35 Minuten) warten müsste.[44] Eine weitere wichtige Eigenschaft der Nutzenfunktion ist ihre konkave Form im negativen Gewinnbereich und die konvexe Form im positiven Bereich. Das bedeutet in der Praxis, dass eine abnehmende Sensitivität des Konsumenten gegenüber steigenden Gewinnen bzw. Verlusten existiert.[45] Dies bedeutet, dass Konsumenten eine Abweichung um 100 € von dem Referenzpunkt umso höher wahrnimmt, je geringer der Referenzbetrag ist. Liegt das Referenzniveau bei 200 € wird eine Abweichung um 100 € deutlich stärker als Verlust oder Gewinn wahrgenommen, als wenn der Referenzpunkt bei 1.200 € liegt.[46]
Unter dem Begriff des Referenzniveaus sind Bezugs- und Vergleichspunkte zu verstehen, die von Konsumenten zur Beurteilung von Leistungen oder Produkten herangezogen werden.[47] Referenzpunkte werden nicht nur, wie in diesem Zusammenhang, in der Forschung zu Produkt- und Preisbewertung durch Konsumenten untersucht, sondern sie werden auch zur Ermittlung von Einkommenszufriedenheit[48] oder Arbeitszufriedenheit[49] herangezogen.
Wird das Konstrukt des Referenzniveaus in den Prozess der Zufriedenheitsbildung eingeordnet, so ist das Referenzniveau als die erwartete Soll-Leistung zu verstehen, die den Vergleichspunkt für die IST-Leistung darstellt. Der Begriff des Referenzniveaus ist somit nicht trennscharf von dem Begriff der Erwartungen abzugrenzen und wird im Folgenden in Anlehnung an die Literatur synonym verwendet.[50]
Ein Referenzniveau kann je nach Definition aus einem einzigen Bezugspunkt bestehen, oder eine Spanne aus mehreren Punkten bilden, innerhalb welcher ein Produkt oder eine Merkmalsausprägung als positiv oder negativ bewertet wird. Es gibt, wie schon erläutert, eine Vielzahl unterschiedlich definierter Referenzniveaus, die ein Konsument zu seiner Urteilsbildung heranziehen kann (zum Beispiel das Minimalniveau, das Mindestniveau oder das Idealniveau).[51] Welche dieser Punkte vom Konsumenten jeweils verwendet werden, unterscheidet sich sowohl interindividuell als auch intraindividuell.[52] Interindividuell unterscheidet sich die Menge und Art der Referenzpunkte je nach Persönlichkeitsmerkmalen und soziodemographischen Merkmalen. Ein älterer, risikoscheuer Mensch wird zum Beispiel einen höher liegenden Referenzpunkt in die Entscheidung mit einbeziehen, als ein junger und risikobereiter Mensch. Intraindividuell können die Referenzpunkte je nach Situation oder Produktkategorie variieren.[53] So werden die Erwartungen an einen Wein den man als Geschenk kauft andere sein, als die Erwartungen, die man an einen Wein setzt, den man lediglich zum Kochen verwendet. Auch die Anzahl der herangezogenen Vergleichspunkte kann intra- und interpersonell unterschiedlich ausfallen.[54] So ist es möglich dass einige Personen nur eine Mindesterwartung an ein Produkt ansetzen, während andere eine Mindest- und eine Idealvorstellung haben. In Anlehnung an empirische Forschungsarbeiten wird für die folgenden Ausführungen von zwei Referenzpunkten ausgegangen, die Konsumenten für ihre Produktbeurteilung heranziehen: Den prädiktiven Referenzpunkt, der den vom Konsumenten erwarteten Marktdurchschnitt darstellt („So wird es sein“), und den normativen Referenzpunkt als das vom Konsumenten erwünschte Niveau („So soll es sein“).[55] Der prädiktive Punkt gleicht in seiner Veränderlichkeit der Definition von „Erwartungen“, während das normative Niveau von seiner Veränderlichkeit her eher den „Einstellungen“ gleicht.
Neben einer Unterscheidung zwischen prädiktiven und normativen Referenzniveaus ist weiterhin die Unterteilung in interne und externe Referenzniveaus vorzunehmen.[56] Das interne Referenzniveau stellt die durch Erfahrungen gebildeten Erwartungen des Konsumenten dar (vgl. Ausführung zur Adaptionsniveautheorie). Im Gegensatz dazu, umfasst das externe Referenzniveau alle Fakten, die dem Konsumenten von außen durch Dritte beispielsweise das Unternehmen im Zusammenhang mit dem zu bewertenden Produkt vorgelegt werden. Im Rahmen der Preisgestaltung werden oft unverbindliche Preisempfehlungen auf dem Etikett angegeben, so dass der Kunde den Verkaufspreis im Vergleich als günstig wahrnimmt.[57] Diese Vorgehensweise stellt ein Beispiel für die Verwendung von externen Referenzpreisen in der Marketingpraxis dar. Ein Beispiel für externe Referenzqualität ist Werbung, die die Qualität eines bestimmten Produktes gegenüber Konkurrenzprodukten hervorhebt.[58]
Referenzpreise
Ein in der Vergangenheit vielfältig und tiefgehend erforschtes Gebiet des Konsumentenverhaltens, in dem Referenzniveaus eine Rolle spielen, ist das der Preisforschung.[59] Im Rahmen der Preisforschung wird davon ausgegangen, dass Konsumenten einen Referenzpunkt heranziehen, um die Günstigkeit eines Produktpreises zu beurteilen. Dieser Referenzpreis dient dem Konsumenten dazu, einen wahrgenommenen Preis eines Produktes oder einer Leistung vergleichend als teuer oder preiswert einzuordnen. Dieser Referenzpreis wird häufig auch als Ankerpreis bezeichnet. Dieser kann dabei sowohl einen bestimmten Preis (beispielsweise einen Preis von 3,99 €) als auch eine Preisspanne (von 3,50 € bis 4,50 €) darstellen. Der Ankerpreis ist ein interner Referenzpreis und wird nach weit verbreiteter Meinung maßgeblich durch den zuletzt in dieser Produktkategorie erworbenen Artikelpreis geprägt.[60] Überträgt man die bereits vorgestellte Prospect-Theorie auf das Referenzpreiskonstrukt, so ist der Effekt der Prospect-Theorie auch im Bezug auf Preise empirisch nachgewiesen: Kunden nehmen Preissteigerungen deutlicher wahr, als Preissenkungen.[61] Diese Reaktion ist also bei preispolitischen Entscheidungen zu beachten. Da interne Referenzpreise einen bedeutenden Einfluss auf das Günstigkeitsurteil durch den Konsumenten haben, stellen sie aus Unternehmenssicht ein zu beeinflussendes Kriterium dar. Diese Beeinflussung wird durch externe Referenzpreise vorgenommen, welche die Unternehmen dem Konsumenten im Vorfeld oder während des Kaufs präsentieren, um so das Preisurteil positiv zu beeinflussen.[62]
Referenzqualität
Um das Konstrukt der nachfragerseitigen Referenzqualität einzuführen, bedarf es zunächst einer Abgrenzung des Qualitätsbegriffs aus Kundensicht gegenüber dem Qualitätsverständnis aus Unternehmenssicht. Denn Qualität ist, anders als man vielleicht auf den ersten Blick meinen könnte, keineswegs ein sehr konkreter, sondern vielmehr ein komplexer Begriff, welcher aus unterschiedlichen Sichtweisen definiert werden kann.[63] In der Literatur wird unterschieden zwischen dem transzendentem Ansatz, dem Produkt-basiertem Ansatz, dem herstellerorientiertem, dem kundenorientiertem und wertorientiertem Begriffsverständnis.[64] Allen Sichtweisen gemein ist, dass Qualität als „die bewertete Beschaffenheit einer Leistung“[65] zu sehen ist. Für die Ausführungen zur Referenzqualität ist allerdings nur der kundenorientierte Qualitätsbegriff von Bedeutung, weshalb auf eine Definition der anderen Sichtweisen an dieser Stelle verzichtet wird. Die Qualität aus Kundensicht wird auch als „externer Qualitätsbegriff“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine subjektive Wertung des Produktes bezüglich seines Nutzens für den Verwender.[66] Da die wahrgenommene Qualität nachgewiesener Weise einen großen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit[67] und damit auf den ökonomischen Erfolg hat,[68] ist eine Auseinandersetzung mit dem Qualitätsverständnis aus Kundensicht für ein Unternehmen besonders wichtig.
Obwohl die Qualität eines Produktes für die Konsumenten bei der Kaufentscheidung nachgewiesener Weise eine größere Rolle spielt als der Preis,[69] gibt es zu dem Konstrukt der Referenzqualität bislang auffallend wenige Untersuchungen und Forschungsergebnisse. Auch Übertragungen aus anderen Bereichen der Referenzniveauforschung wie dem Referenzpreis[70] oder der Servicequalität[71] finden sich nur vereinzelt. Die meisten Betrachtungen von Referenzqualität im Produktbereich beschränken sich auf eine Darstellung der Einflussgrößen auf das jeweilige Referenzniveau. Genauere Betrachtungen möglicher moderierender Variablen oder zielgerichteter Maßnahmen zur Senkung oder Steigerung der Referenzqualität finden sich kaum.[72] Eine Begründung dafür könnte in der Mehrdimensionalität des Qualitätsbegriffs liegen. Im Gegensatz zum eindimensionalen Preis, handelt es sich bei der Qualität um ein Konstrukt, welches sich aus verschiedenen Merkmalen zusammensetzt. Dazu kommt erschwerend hinzu, dass diese einzelnen Merkmale im Gegensatz zum Preis einen unscharfen, „fuzzy“ Charakter haben können.[73] Dies macht es schwerer sie explizit zu benennen und quantitativ zu erfassen, was eine Operationalisierung der Referenzqualität erschwert.[74] Trotz dieser Schwierigkeiten, die durch die Komplexität des Qualitätsbegriffs entstehen können, sollte der Referenzqualität als Steuerungsinstrument in Zukunft mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Da sich Konsumenten gerade bei dem Merkmal der „Qualität“ stark auf interne Referenzstandards verlassen,[75] erscheint gerade hier eine Steuerung der Erwartungen als sinnvoll.
Die Grundlage für das zu entwickelnde Modell stellt das Konzept der Toleranzzone dar. Dieses Konzept stellt eine Erweiterung des C/D-Paradigma dar, da im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen, in denen bei einer Erwartung von einem Referenz punkt gesprochen wurde, in verschiedenen neueren Ansätzen vielmehr von einer Referenz zone ausgegangen wird.[76] In der Literatur existieren zu diesem Ansatz verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Namen. Die am häufigsten verwendeten, sind das Indifferenzzonenkonzept[77] und das Toleranzzonenkonzept.[78] Wie die Bezeichnungen nahe legen, wird in diesen Modellen der Ansatz verfolgt, dass es sich bei Erwartungen nicht um Idealpunkte, sondern vielmehr um einen mehr oder weniger breiten Toleranzbereich handelt, innerhalb dessen die Konsumenten eine Bestätigung ihrer Erwartungen wahrnehmen, und außerhalb dessen eine Abweichung vom Erwarteten wahrgenommen wird. Die wahrgenommene Qualität wird nicht direkt mit einem Referenzpunkt verglichen, sondern in eine Zone der Toleranz eingeordnet. Innerhalb dieser Zone erfährt der Konsument eine Bestätigung seiner Erwartungen und reagiert daher mit Zufriedenheit. Außerhalb der Zonen hingegen findet eine Diskonfirmation der Erwartungen statt, welche bei einer Abweichung nach unten mit Unzufriedenheit und bei einer Abweichung nach oben mit Begeisterung bewertet wird. Unterscheiden tun sich die Konzepte in Ihrer Begründung für das Zustandekommen der Zone innerhalb welcher eine Bestätigung der Erwartungen stattfindet. Das Toleranzzonenkonzept geht von einem angemessenen und einem erwünschten Niveau aus, die der Kunde als Erwartung an die Qualität stellt. Zwischen den beiden Punkten befindet sich die Toleranzzone, innerhalb welcher dann eine Konfirmation stattfindet.[79] In Abgrenzung zu diesem Ansatz, wird bei dem Indifferenzzonenmodell[80] von einem idealen Referenzpunkt ausgegangen, anhand dessen verglichen wird. Um diesen Punkt herum befindet sich jedoch eine Zone, innerhalb derer eine Leistung noch immer akzeptiert und nicht abgelehnt wird (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Toleranzzone und Indifferenzzone
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: Klein, Dr. A./ Lohaus, D. (2007), S. 11.
Im Folgenden wird nur noch von dem Toleranzzonenkonzept gesprochen, da nur in der Begründung für die Existenz der Zonen ein Unterschied besteht, nicht aber in der Auswirkung auf das Konsumentenverhalten und seine Reaktion. Ferner wird in Anlehnung an Kapitel 2.2 von der Existenz zweier Erwartungen ausgegangen, dem prädiktiven angemessenen Niveau und dem normativen gewünschtem Niveau. Die Toleranzzone soll zwischen diesen beiden Niveaus liegen.[81] Es wird also insgesamt zwischen drei verschiedenen Zonen unterschieden, in welche der Konsument die wahrgenommene Qualität einordnet und so je nach erreichter Zone mit unterschiedlichem Verhalten reagiert. Die erste Zone ist die Zone der negativen Diskonfirmation, die zweite Zone die der positiven Diskonfirmation und die dritte Zone schließlich ist die eigentliche Toleranzzone, innerhalb derer eine neutrale Reaktion vom Kunden ausgeht. Das Produkt erfüllt zwar seine prädiktiven Erwartungen, nicht jedoch die normativen. Der Kunde ist also nicht enttäuscht. Um jedoch zufrieden zu sein, hätte das Produkt jedoch einen höheren Qualitätsstandard aufweisen müssen.[82] Bei den Zonenbegrenzungen muss es sich dabei nicht um fixe Punkte handeln. Vielmehr wird vermutet, dass die Zonen durch weiche und unscharfe (sogenannte fuzzy) Übergänge gekennzeichnet sind.[83]
Die Größe der Zonen variiert sowohl inter- als auch intrapersonell und ist somit sowohl personen- als auch situationsabhängig. Ebenso kann die Toleranzzonengröße bei der Beurteilung von wahrgenommener Qualität zwischen verschiedenen Qualitätsmerkmalen variieren.[84] Ein Gast eines Fast-Food Restaurants kann zur Beurteilung der Qualität beispielsweise Länge der Wartezeit und die Qualität des Service mit einbeziehen. Es ist wahrscheinlich, dass der Gast bezüglich der Wartezeit eine sehr kleine Toleranzzone aufweist, im Bezug auf den Service jedoch eine sehr breite Zone hat, innerhalb welcher er die Servicequalität als angemessen empfindet. Besucht der gleiche Gast ein Fünf-Sterne-Restaurant, würde die Breite der einzelnen Toleranzzonen vermutlich genau andersherum ausfallen.
Auch wenn die Toleranzzonengröße individuell sehr unterschiedlich ausfallen kann und von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, wird in der Literatur davon ausgegangen, dass ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang zwischen der Größe der Toleranzzone und des Produktinvolvement besteht.[85] Diese Hypothese wird durch Untersuchungen gestützt, die belegen, dass die Toleranzzone, bei dem aus konsumentensicht wichtigsten Qualitätsmerkmal, am kleinsten ist.[86]
Wie zu Beginn dieser Arbeit schon angedeutet wurde, handelt es sich bei dem Begriff der Qualität nicht um ein eindimensionales Konstrukt, sonder viel mehr um ein Gebilde, welches sich aus mehreren Teilmerkmalen zusammensetzt. Wie viele Dimensionen der Konsument zur Produktbeurteilung heranzieht, ist sowohl von der Produktart abhängig, als auch von den Persönlichkeitsmerkmalen des einzelnen Konsumenten. Empirische Studien gehen von fünf bis acht verwendeten Produktmerkmalen aus.[87] Parallel zu dieser Erkenntnis muss davon ausgegangen werden, dass für den Begriff der Qualität nicht nur eine globale Referenzzone besteht, sondern der Konsument für jedes Teilmerkmal jeweils individuelle Vergleichsmaßstäbe heranzieht. In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze, die die einzelnen Qualitätsmerkmale in unterschiedlich viele Kategorien einordnen, wobei das Unterscheidungskriterium die Höhe des Erwartungsmaßstabs an das jeweilige Merkmal ist. Ein im Rahmen der Zufriedenheitsforschung häufig verwendetes Modell ist das Kano-Modell.[88] Die verschiedenen Qualitätsmerkmale werden nach diesem Ansatz in Basisfaktoren, Leistungsfaktoren und Begeisterungsfaktoren unterteilt (vgl. Abbildung 4).[89]
Abbildung 4: Mehr-Faktoren-Modell von Kano
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: In Anlehnung an Zanger, C. (2002), S.118.
1) Basisfaktoren stellen die Faktoren dar, die der Konsument als selbstverständlich ansieht und voraussetzt, daher werden sie auch als MUSS-Kriterien bezeichnet.[90] Sind sie vorhanden, so nimmt der Kunde sie kaum wahr, sollten sie jedoch fehlen, so reagiert der Kunde mit Unzufriedenheit. Demnach kann mit diesen Faktoren kein Wettbewerbsvorteil erreicht werden, eine Übererfüllung ist unnötig.
2) Als zweite Kategorie von Anforderungen gelten die Leistungsanforderungen. Sie stellen die Soll-Anforderungen dar und gelten somit als explizit geforderte Merkmale durch den Konsumenten. Diese Leistungsanforderungen entsprechen den Soll-Kriterien aus den bisherigen Ausführungen. Der Kunde nimmt eine Nicht-Erfüllung negativ wahr, eine Erfüllung hingegen als positiv. Die Zufriedenheit des Konsumenten wird hier als proportional zum Erfüllungsgrad angenommen.
[...]
[1] Vgl. FAZ (2007).
[2] Vgl. Aldi-Süd (2008).
[3] Vgl. GfK (2004).
[4] Vgl. Puls Pressepublikation (2007).
[5] Vgl. Biswas, A./ Blair, E. (1991); Greenleaf, E. A. (1995).
[6] Vgl. Winer, R. S. (1986), S. 250 ff.; Kalyanaram, G./ Winer, R. S. (1995), S. 161 ff.; Diller, H. (2000), S. 327 f.
[7] Vgl. Woodruff, R. B./ Cadotte, E. R./ Jenkins, R. L. (1983), S. 299 ff.; Parasuraman, A./ Zeithaml, V. A./ Berry, L. L. (1985), S. 41 ff.; Berry, L. L./ Parasuraman, A. (1992), S. 80 ff.
[8] Vgl. Ong, Beng Soo (1994), S. 68 ff.
[9] Vgl. Simon, H./ Homburg, C. (1995), S. 15; Bartikowski, B. (2002), S. 2.
[10] Vgl. Richter, M. (2005), S. 8.
[11] Vgl. Halstead, D./ Dröge, C./ Cooper, M.B. (1993), S. 34; Wirtz, J./ Bateson, J. E. G. (1999), S. 83 f.
[12] Vgl. Richter, M. (2005), S. 4ff.
[13] Vgl. Martilla, J. A./ James, J. C. (1977), S. 77.
[14] Kaas, P. K./ Runow, H. (1984), S. 452; vgl. auch Bartikowski, B. (2002), S. 7.
[15] Simon, H./ Homburg, C. (1995), S. 26.
[16] Vgl. Simon, H./ Homburg, C. (1995), S. 20.
[17] Vgl. Griffin, A./ Gleason, G./ Preiss, R./ Shevenaugh, D. (1995), S. 87 ff.
[18] Vgl. Költgen, M. (1997), S. 124 f.
[19] Vgl. Bruhn, M. (2003), S. 39.
[20] Vgl. Bruhn, M./ Homburg, C. (2004), S. 432.
[21] Eine Übersicht über verschiedene Interpretationen ist zu finden in: Johnson, C./ Mathews, B. P. (1997), S. 290; Bruhn, M. (2003), S. 34.
[22] Vgl. Boulding, W. et al. (1993), S. 8.
[23] Vgl. Johnson, C./ Mathews, B. P. (1997), S. 297.
[24] Pepels, W. (2004), S. 141.
[25] Vgl. Bergmann, H. (2002), S. 10 ff.
[26] Vgl. Gröppel-Klein, A. (2001), S. 170.
[27] Vgl. Engel, J. F., Kollat, D. T., Blackwell, R. D. (1968); Barbeau, B. J./ Qualls, W. J. (1984), S. 143.
[28] Vgl. Oliver, R.L./ DeSarbo, W.S. (1988), S. 495 ff.; Johnston, R. (1995), S. 46; Matzler, K. (1997), S. 61; Bartikowski, B. (2002), S. 10 ff.; van Doorn, Jenny (2004), S. 16 ff.
[29] Vgl. Homburg, C./ Rudolph, B. (1998), S. 37.
[30] Vgl. Wirtz, J./ Bateson, J. E. G. (1999), S. 83 ff.; Bartikowski, B. (2002), S. 9 f.
[31] Vgl. Schwetje, T. (1999), S. 38.
[32] Vgl. Bergmann, H. (2002), S. 6 f.
[33] Vgl. Sirgy, M. J. (1984), S. 30; Schütze, R. (1992), S. 157 ff.
[34] Vgl. Schnarnbacher, Dr. K./ Kiefer, G. (1998), S. 8; Schmidt, W., Marzian, S. (2000), S. 30.
[35] Vgl. Halstead, D./ Dröge, C./ Cooper, M.B. (1993), S. 34; Homburg, C./ Stock-Homburg, R. (2006), S. 26 ff.
[36] Vgl. Hunt, H. K. (1991), S. 109; Johnston, R. (1995), S. 46.
[37] Vgl. Kaiser, M. O. (2002), S. 48; Stauss, B./ Seidel, W. (2002), S. 56.
[38] Vgl. Santos, J./ Boote, J. (2003), S. 147.
[39] Vgl. Helson, H. (1964), S. 232 ff.
[40] Vgl. Franke, J./ Kühlmann, T. M. (1990), S. 98.
[41] Vgl. Ong, B. S. (1994), S. 87.
[42] Vgl. Kahneman, D./Tversky, A. (1979), S. 263 ff.; Kahneman, D./ Tversky, A. (1983), S. 341 ff.
[43] Vgl. Fricke, Dr. D. (1972), S. 19 ff.; Ordonez, L. D. et al. (2000), S. 340.
[44] Vgl. Richter, M. (2005), S. 82.
[45] Vgl. Bartikowski, B. (2001), S. 14.
[46] Vgl. Diller, H. (2000), S. 129.
[47] Vgl. Gierl, H./ Stumpp, S. (2000), S. 273.
[48] Vgl. Ordonez, L. D. et al. (2000), S. 329 ff.
[49] Vgl. z.B. Wiswede, G. (1980), S. 160 ff.; Fischer, L. (1989), S. 84 ff.
[50] Vgl. Klein, Dr. A./ Lohaus, A. (2007), S. 6.
[51] Vgl. Devlin, J. F./ Gwynne, A. L./ Ennew, C. T. (2002), S. 119 ff.
[52] Vgl. Richter, M. (2005), S. 49 ff..
[53] Vgl. Richter, M. (2005), S. 49 ff.
[54] Vgl. Bartikowski, B. (2002), S. 11.
[55] Vgl. Boulding, W. et al. (1993), S. 9.
[56] Vgl. Ong, B. S. (1994), S. 87.
[57] Vgl. Monroe, K. B./ Chapman, J. D. (1987), S. 193.
[58] Vgl. Ong (1994), S. 86.
[59] Vgl. z.B. Ordonez, L. D. (1998), S. 258 ff.; Diller, H. (2000), S. 141; Eschweiler, M. (2006), S.19 ff.
[60] Vgl. Winer, R. S. (1989), S. 31; Mayhew/ Winer, R. S. (1992), S. 63; Kalyanaram, G./ Winer, R. S. (1995), S. 165 f.; Gierl, H./ Stumpp, S. (2000), S. 278.
[61] Vgl. Kalyanaram, G./ Winer, R.S. (1995), S. 165 ff.; Müller, H. (2005), S. 69.
[62] Vgl. Müller, H. (2005), S. 67.
[63] Vgl. Költgen, M. (1996), S. 1 f.
[64] Vgl. Garvin, D. A. (1984), S. 25 ff.
[65] Scharnbacher, Dr. K./ Kiefer, G. (1998), S. 26.
[66] Vgl. Linde, R. (1977), S. 19; Scharnbacher, Dr. K./ Kiefer, G. (1998), S. 27.
[67] Vgl. Scharnbacher, Dr. K./ Kiefer, G. (1998), S. 13.
[68] Vgl. Buzzel, R. D. /Gale, B. T. (1987), S. 91 ff.
[69] Vgl. Költgen, M. (1996), S. 41; Puls Pressepublikation (2007).
[70] Vgl. Ong, B. S. (1994), S. 86 ff.
[71] Vgl. Woodruff, R. B./ Cadotte, E. R./ Jenkins, R. L. (1983), S. 299 ff.; Parasuraman, A./ Zeithaml, V. A./ Berry, L. L. (1988), S. 12 ff.; Zeithaml, V. A. et al. (1992).
[72] Vgl. Gierl, H./ Stumpp, S. (2000), S. 273.
[73] Vgl. Költgen, M. (1996), S. 2.
[74] Vgl. Ong, B. S. (1994), S. 86.
[75] Vgl. Kirmani, A./ Baumgartner, H. (2000), S. 308.
[76] Vgl. Wirtz, J./ Bateson, J. E. G. (1999), S. 84 f.; Devlin, J. F./ Gwynne, A. L./ Ennew, C. T. (2002), S. 119 ff.
[77] Vgl. Woodruff, R./ Cadotte, E. R./ Jenkins, R. L. (1983), S. 299ff. ; Johnston, R. (1995), S. 46 ff.
[78] Vgl. Bartikowski, B. (2002), S. 18 f.
[79] Vgl. Berry, L. L. /Parasuraman, A. (1992), S. 40.
[80] Vgl. Bartikowski, B. (2002), S. 18.
[81] Vgl. Berry, L. L./ Parasuraman, A. (1992), S. 75 f.
[82] Vgl. Johnston, R. (1995), S. 47.
[83] Vgl. Johnston, R. (1995), S. 47.
[84] Vgl. Johnston, R. (1995), S. 49.
[85] Vgl. Johnston, R. (1995), S. 49.
[86] Vgl. Berry, L. L./ Parasuraman, A. (1992), S. 76.
[87] Vgl. Bleicker, U. (1983), S. 16.
[88] Vgl. Bruhn, M./ Meffert, H. (2002), S. 15 f.; Trommsdorff, V. (2004), S. 139 f.
[89] Vgl. hier und im folgenden Abschnitt: Zanger, C. (2002), S. 117.
[90] Vgl. Bruhn, M. (2003), S. 40.
Kommentare