Christin Eschner
Betriebswirtschaftliche Aspekte bei der Geschäftsprozessoptimierung mit Hilfe
moderner Informationstechnologie
ISBN-10: 3-8324-9775-7
ISBN-13: 978-3-8324-9775-0
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, Würzburg, Deutschland, Diplomarbeit,
2005
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany
Vorwort
Wir leben in einer Welt tiefgreifender Umwälzungen, die die Forderungen nach
immer Schnellerem, Besserem und Billigerem nach sich ziehen. Auf diese Weise
bietet die zunehmende Globalisierung der Märkte den Unternehmen zwar neue
Marktchancen, gleichzeitig steigen aber die Markttransparenz und die
Vergleichbarkeit von Produkten. Nationale Märkte sind nicht länger geschützt und
die Unternehmen stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Neue Produkte und
Dienstleistungen werden schnell kopiert und verschaffen nur kurzlebige Vorteile.
Die Kunden stellen immer höhere Anforderungen. Qualität und Preis sind als
isolierte Wettbewerbsargumente nicht länger ausreichend. Um sich gegen die
Konkurrenz behaupten zu können, müssen die Unternehmen auch bezüglich
Service, Liefergeschwindigkeit und Erfüllung spezifischer Kundenwünsche
überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Unternehmen erzielen dadurch
Wettbewerbsvorteile, indem sie ihre Geschäftsprozesse am Kunden ausrichten
und effizient gestalten. Dabei müssen die über Jahre gewachsenen
Unternehmensstrukturen und Prozesse in Frage gestellt und ständig optimiert
werden, um sich den permanent ändernden Marktbedürfnissen anzupassen.
Die Prozessorientierung erlebt dabei nicht nur in der Wirtschaftsinformatik einen
regelrechten Boom, sondern ist zu einer wichtigen Grundhaltung bei der
Organisation überhaupt geworden. Die Innovation entsteht durch die
Möglichkeiten softwaretechnischer Unterstützung bei der Gestaltung von
Prozessen.
Mit dieser Ausarbeitung soll effizient und verständlich gezeigt werden wie man in
wenigen Schritten zum gewünschten Projekterfolg und zur Qualitätsverbesserung
in einem Unternehmen gelangt und diese auch kontinuierlich umsetzt.
Besonderer Dank gilt hiermit meinem Vater, der sich auf diesem Gebiet sehr gut
auskennt und mich damit wesentlich unterstützt und motiviert hat. Gleichermaßen
möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Ulrich Porzelt bedanken, der die Betreuung
meiner Diplomarbeit übernahm und mir ebenfalls mit betriebswirtschaftlichen
Fachwissen und Engagement zur Seite stand.
Würzburg, 10. Juni 2005
Inhaltsverzeichnis
I.
Abkürzungsverzeichnis
Seite
2
II. ,,Betriebwirtschaftliche Aspekte bei der Geschäftsprozessoptimierung
mit Hilfe moderner Informationstechnologien"
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Seite 3
1.2
Vorgehensweise
und
Aufbau
Seite
4
2.
Grundlagen
2.1 Einführung in die Prozessanalyse
Seite 5
2.2
Definition
Geschäftsprozess
Seite
6
2.3 Prozessorganisation als ,,Werkzeug"
Seite 8
2.4 Gründe für Um- / Neugestaltung von Prozessen
Seite 15
2.5 Bedeutung der Informationstechnologie
- Workflow-Management
Seite 15
2.6 Ziele und Nutzen dieser Unternehmensstrategie
Seite 17
3.
Geschäftsprozessoptimierung
Seite
21
3.1
Praxisangewandte
Anlyse- und Optimierungsverfahren
Seite 24
3.2 Konzepte zur kontinuierlichen Veränderung
Seite 25
3.2.1
Benchmarking
Seite
26
3.2.2
Target
Costing
Seite
26
3.2.3
Prozesskostenrechnung Seite
27
3.2.4 Total Quality Management und
Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000:2000ff.
Seite 28
3.2.5
Kaizen
Seite
29
3.3 Konzept zur radikalen Veränderung:
Business Process Re-Engineering
Seite 31
3.4
Gegenüberstellung
GPO
und
BPR
Seite
32
4.
Projekterfolg
in
6
Phasen
Seite
33
5.
Einsatz
von
Standardsoftware
Seite
39
5.1
Softwareanforderungen
Seite
40
5.2
Customizing
Seite
40
5.3 Überblick über das System SAP R/3
Seite 41
5.4 Prozessorganisation mittels ARIS-Toolset
Seite 43
5.5
Praxiskonzept
zur
Anwendung
Seite
46
5.5.1
Prozessmodellierung
mit
MS
Visio
Seite
46
5.5.2
Prozessdarstellung
mit
ViFlow
Seite
49
5.5.3
Optimierung
nach
MS
Project
Seite
52
5.5.4. Gegenüberstellung von ViFlow und Sycat
Seite 52
6. Ausblick
Seite 56
6.1 Outsourcing externer Lösungsansatz
Seite 56
6.2 Flexible Arbeitszeitorganisation
interner Verbesserungsansatz
Seite 58
7.
Fazit Seite
63
IV.
Anlagenverzeichnis Seite
66
V.
Abbildungsverzeichnis
Seite
72
VI.
Literaturverzeichnis Seite
73
VII.
Eidesstattliche
Erklärung
Seite
76
2
I. Abkürzungsverzeichnis
ARIS Architektur integrierter Informationssysteme
BPR Business Process Re-Engineering
bzw. beziehungsweise
ca. circa
CIM Computer Integrated Manufacturing
(= computerintegrierte Produktion)
DIN EN Deutsches Institut für Normen
d.h. das heißt
EDV Elektronische Datenverarbeitung
EPK Ereignisgesteuerte Prozesskette
etc. et cetera
ggf. gegebenenfalls
GPO Geschäftsprozessoptimierung
IDS Integrierte Datenverarbeitungssysteme
ISO International Standard Organisation
IT Informationstechnologie
R/3 Realtime System für Client-Server-Netzwerke der
SAP AG
Sycat Systematische CIM-House-Analyse-Tools
TQM Total Quality Management
u.s.w. und so weiter
u.v.m. und vieles mehr
vs. versus
z.B. zum Beispiel
3
II. ,,Betriebswirtschaftliche Aspekte bei der
Geschäftsprozessoptimierung mit Hilfe moderner
Informationstechnologie"
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Es ist bereits bekannt, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungsprozesse effizient
gestalten müssen. Dementsprechend ist auch das Prozessmanagement nicht erst
seit kurzem ein Thema der Unternehmensführung. Denn durch die immense
Bedeutung der Verarbeitung von Informationen wird ein allgemeiner ökonomischer
Prozess, manuelle Arbeitsabläufe zu verautomatisieren, dargestellt und zur
effizienten Gestaltung von Ergebnissen beigetragen. Daraus folgt also die
Tatsache, sich mit den Fragen der wirtschaftlichen Gestaltung der
innerbetrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation auseinanderzusetzen und die
neuen ,,Tools" und Hilfsmittel der Geschäftsprozessoptimierung (GPO), der
Informationstechnologien (IT) und des Qualitätsmanagements zu nutzen.
Zu diesem Thema sollen die folgenden Ausführungen eine Richtlinie zum Handeln
geben. Neben der Themeneinordnung, der Begriffsdefinitionen und der Hinweise
zum praktischen Prozessmanagement werden auch Tipps zum Handling
gegeben.
Dieses Themengebiet ist deshalb so gewählt, weil zwar viele Unternehmen schon
zuversichtlich an der effizienten Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse
gearbeitet haben, aber dennoch bereits in der Analysenphase gescheitert sind und
die ursächlichen Zusammenhänge zwischen Prozessmanagement und der
teilweisen notwendigen Einführung von transparenten Ablauforganisationen
vernachlässigt haben.
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten zur
Optimierung von Prozessen mit Hilfe moderner IT-Lösungen.
Zielsetzung ist es, diese Prozesse effektiver (wirksamer) und effizienter
(wirtschaftlicher) zu gestalten. Dabei stehen die Ziele zur Verkürzung der
Durchlaufzeit, Erhöhung der Prozessqualität und Reduzierung von Kosten im
Vordergrund.
4
1.2 Vorgehensweise und Aufbau
In Teil 2 werden zunächst einige Grundlagen erläutert. Besonderes Augenmerk
wird hierbei auf die zunehmende Geschäftsprozessorientierung der
Unternehmensorganisation gerichtet. Es folgen Ausführungen und Definitionen zu
weiteren wichtigen Begriffen des Themas Prozessoptimierung. Abschluss des
Kapitels bildet die Erörterung des Ansatzes nach Dr. Michael Gaitanides,
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr in
Hamburg.
Teil 3 befasst sich mit einigen Konzepten zur Prozessoptimierung, die in der
Literatur diskutiert und in der Praxis angewandt werden. Oft wird der Begriff
Prozessoptimierung mit dem Begriff Business Process Re-Engineering
gleichgesetzt. In dieser Arbeit ist dies nicht der Fall, da Prozessoptimierung nicht
nur die von Hammer / Champy entwickelte radikale Methode des Business
Process Re-Engineering, sondern auch ein kontinuierlicher Veränderungsprozess
sein kann. Daher werden im Rahmen dieser Arbeit die Konzepte zur
Prozessoptimierung in Konzepte zur kontinuierlichen Veränderung und dem
Konzept zur radikalen Veränderung unterteilt. Am Ende des 3. Teils werden diese
beiden Konzepte gegenübergestellt.
Im 4. Teil werden die einzelnen Phasen einer Prozessoptimierung mit Hilfe
moderner IT-Lösungen definiert und näher erläutert. Es werden einige Hinweise
zur Umsetzung und Erfolgskontrolle gegeben, damit das Projekt erfolgreich
abgeschlossen werden kann. Dieser und nächster Abschnitt sollen somit als
,,Leitfaden" für ein Optimierungsprojekt dienen.
Das Kapitel 5 stellt verschiedene Softwareprogramme vor und legt deren
Möglichkeiten zur effizienten Prozessgestaltung dar.
Abschließend wird im 6. Kapitel ein Ausblick auf die weiteren unternehmerischen
Führungsaufgaben und deren Verbesserungsansätze gegeben. Externe sowie
interne Lösungsvorschläge werden geschildert und in Möglichkeiten und Gefahren
analysiert.
5
2. Grundlagen
2.1 Einführung in die Prozessanalyse
Betriebliche Organisationen und ihre Abläufe können auf Dauer wesentlich
kompliziert werden und daher viel Kosten und Zeit beanspruchen. Das
Management eines Unternehmens ist folglich verpflichtet, die Initiative zu ergreifen
und Optimierungsmaßnahmen durchzuführen. Meist lenken die ersten Gedanken
auf einen Personalabbau, welcher allerdings keines der genannten Probleme
wirklich löst. Es ist daher notwendig, konsequent Prozesse und ihre
Schwachstellen zu analysieren, um eine erhöhte Effizienz zu erreichen. Das
Erkennen dieser Problematik setzt natürlich die Kenntnis über die gesamten
Unternehmensabläufe voraus.
Diese Prozessorientierung ist lange Zeit zugunsten der Funktionsorientierung
vernachlässigt worden, d.h. dass bisher die Stellenbildung nach betrieblichen
Funktionen erfolgte, ohne Berücksichtigung der funktionsübergreifenden
Prozesse. Erst wurden Aufgaben definiert, Abteilungen geschaffen und am Ende
Abläufe strukturiert.
Dies führte zu einer Intransparenz und Ineffizienz betrieblicher Prozesse, einem
erhöhten kostenverursachenden Koordinationsbedarf und einer mangelnden
Kundenorientierung. Es war und ist also notwendig, den Fokus auf die
Ablauforganisation und damit auf die effiziente Ausführung von Einzelfunktionen
zu legen.
Die Ablauforganisation ist eine betriebliche Organisation, die Arbeitsvorgänge in
ihrer Rang- und Reihenfolge im Voraus in zeitlicher und räumlicher Weise regelt
und steuert. Diese Arbeitsabläufe sind durch innerbetriebliche Arbeitsrichtlinien
bestimmt.
Die Prozessorientierung fordert deshalb die Zurückführung der Prozesse auf
wertschöpfende
1
Aktivitäten und die Orientierung der Mitarbeiter und des
Managements an Kundenwünschen.
1
Wertschöpfung: ,,Aktivitäten zur Erfüllung der Anforderungen und Bedürfnisse der
Kunden, bei denen Materialien oder Informationen verändert oder verarbeitet werden, d.h.
ein Wert hinzugefügt wird. Der Betrag der Wertschöpfung errechnet sich aus dem Wert,
den das Unternehmen für seine Kunden schafft, abzüglich der Vorleistungen, die in den
eigenen Prozess eingehen." Definition aus
:
www.olev.de/w.htm
6
Funktionale Gliederung
Prozessorientierte Gliederung
§
Kunde als Störgröße
§
Auf Kunden ausgerichtete Ziele
§
Starre Organisationsstruktur
§
Flexible Organisationsstruktur
§
Strukturgestaltung steht im
Vordergrund
§
Verhaltensgestaltung steht im
Vordergrund
§
Flexible Steuerung der Abläufe
z.B. durch Workflow-Management
[Abbildung 1: Gegenüberstellung von Funktionssicht und Prozesssicht]
2
Die Ablösung einer Funktionsorganisation durch eine Prozessorganisation stellt
eine weitreichende Herausforderung dar. Dauerhaft können jedoch die Prozesse
nur in einer prozessorientierten Aufbauorganisation die gewünschte
Leistungsfähigkeit entwickeln.
Heute werden infolgedessen zunächst Prozesse gestaltet und später die Stellen
und Abteilungen. Dies bringt die Vorteile der Transparenz in betrieblichen
Abläufen, einen geringeren Koordinationsbedarf, Vermeidung von Schnittstellen
und Ausrichtung der Prozesse an Kundenbedürfnissen und damit höhere
Kundenorientierung. Aus diesem Grund gilt auch der abgewandelte Leitsatz:
,,Structure follows Process follows strategy follows customer desire!"
3
2.2 Definition Geschäftsprozess
Doch wie definiert sich eigentlich ein Prozess? Meist werden wertschöpfende
Prozesse nur als materielle Flüsse verstanden. Leider ist diese Auffassung nicht
hinreichend. Prozesse eines Unternehmens beziehen sich auch auf administrative
Tätigkeiten, die Dienstleistungen. Damit gelten sie ebenfalls als wertschöpfende
Aktivitäten und tragen zur Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens bei.
Unter einem Geschäftsprozess versteht man einen Input (Informationen,
Materialien oder Dienstleistungen), der sukzessiv zu einem gewinnbringenden
Output (Daten, Dienstleistungen, Produkte etc.) verwandelt wird.
Ein Geschäftsprozess ist also eine Kette zwangsläufig aufeinander aufbauender
Bearbeitungsschritte, die zur Erfüllung einer betrieblichen Aufgabe nötig sind. Die
Tätigkeiten werden von Aufgabenträgern in organisatorischen Einheiten unter
2
Quelle: www.fsai.fh-trier.de/~wickc/03_GPM_einfuehrung.pdf
3
Quelle: www.fsai.fh-trier.de/~wickc/03_GPM_einfuehrung.pdf
7
Verwendung der benötigten Produktionsfaktoren (menschliche Arbeitsleistung,
Betriebsmittel, Informationen etc.) geleistet. Die wachsende Bedeutung des
Faktors Information führt dazu, dass computergestützte Informationssysteme die
Ablauffähigkeit der Geschäftsprozesse gewährleisten können.
Jeder Prozess setzt sich im Regelfall aus verschiedenen Unterprozessen
zusammen, welche wiederum aus vielen seriell und parallel ablaufenden
Aktivitäten bestehen. Die Unternehmung wird somit als System vernetzter
Geschäftsprozesse angesehen.
Bereits in dem Wertkettenmodell nach Porter wurde eine Unterscheidung
zwischen primären und sekundären Aktivitäten innerhalb eines Prozesses
vorgenommen. Die primären Tätigkeiten dienen der unmittelbaren Erstellung und
Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für den Kunden und leisten
daher direkte Beiträge zur Wertschöpfung. Unterstützung erfahren sie hingegen
durch die jeweiligen sekundären Aktivitäten, auch Supportprozesse genannt. Je
nach Art und Leistungsangebot eines Geschäfts, kann ein vergleichbarer
Geschäftsprozess in einem Unternehmen Primärprozess und in einem anderen
Unternehmen Sekundärprozess sein. Die Trennung zwischen primären und
sekundären Geschäftsprozessen erfolgt demnach fließend.
Prozesse sollten also nur die Aktivitäten enthalten, für die die Kunden auch etwas
bezahlen würden. Aus diesem Grund sind vor allem kundennahe
Kerngeschäftsprozesse wie beispielsweise die Kundenbetreuung,
Vertragsverhandlung, Auftragsbearbeitung, Zahlungsabwicklung und
Reklamationshandhabung von besonderer Bedeutung.
,,Unter einem Prozess im Sinne der Prozesskostenrechnung ist ein Bündel von
leistungswirtschaftlichen Tätigkeiten zu verstehen, das zu einem Arbeitsergebnis
führt."
4
,,Ein Prozess ist die Zusammenfassung logisch zusammenhängender
Arbeitsschritte, die einen bestimmten Input in einen bestimmten Output
transferieren."
5
4
Quelle: Michel, Torspecken Jandt, ,,Neuere Formen der Kostenrechnung",
Carl Hanser Verlag, München 1999, Seite 25
5
Quelle: Remer, D., ,,Einführen der Prozesskostenrechnung",
Schäfer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1998, Seite 66
8
Input Prozess Output
Informationen, Daten,
Materialien oder Dienstleistungen,
Dienstleistungen etc. Produkte etc.
[Abbildung 2: Grundstruktur eines betrieblichen Prozesses]
6
2.3 Prozessorganisation als ,,Werkzeug"
Das Prozessmanagement ist ohne umfangreiche instrumentelle Unterstützung
praktisch nicht durchführbar. Zu den wichtigsten Hilfsmitteln oder ,,Tools" zählen
die Prozessmodellierung und deren Werkzeuge. Unter Modellierung ist ,,die
Tätigkeit des vereinfachten Abbildens eines Ausschnitts der Wirklichkeit in ein
Modell" zu verstehen. ,,Als Qualitätsmaßstäbe können hierbei Richtigkeit,
Relevanz, Wirtschaftlichkeit, Klarheit, Vergleichbarkeit und ein systematischer
Aufbau angesetzt werden."
7
Es soll eine vereinfachte Darstellung der unternehmensinternen Prozesse erreicht
werden. Schwerpunkt dabei liegt vor allem in der Schaffung von Transparenz
bezüglich der Daten und Informationen. Die Transparenz ermöglicht eine Analyse,
die als Grundlage für Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen
herangezogen werden kann. Sie stellt folglich die Basis für Strategieentwicklungen
des Top-Managements dar und ist Voraussetzung für die
Softwaresystementwicklung. Die Prozessorganisation dient somit der Ermittlung
und Entscheidung von optimalen Alternativen der Prozessverbesserung.
Allgemein kann also eine Prozessoptimierung durch eine Vereinfachung und
Standardisierung der Prozesselemente und ihrer Beziehungen zueinander erreicht
werden. Durch eine Automatisierung von Vorgängen, durch neue Technologien
und Computersysteme, wird zusätzlich die Effizienz des Prozesses gesteigert.
Ebenso kann eine Umstrukturierung einzelner Teile eines Betriebs, z.B. eine
6
Quelle: Wilhelm, R. ,,Prozessorganisation", Oldenburg Verlag, München 2003, Seite 1
7
Definition aus: http:/de.wikipedia.org/wiki/Modellierung
9
Änderung der Reihenfolge der prozessinternen Abläufe, die Wirtschaftlichkeit
steigern. Die Prozessorganisation selbst kann folglich als Methode verstanden
werden, die hilft, explizit oder implizit in einem Unternehmen ablaufende Prozesse
zu verstehen, die im Prozess benötigten Ressourcen zu erkennen und das
System aus Prozess und Ressourcen neu zu modellieren. Mit Hilfe des
Gesamtunternehmens, Beratern und Softwareanbietern können die
nachstehenden Ziele erreicht werden
8
:
§
Organisationsdokumentation
§
Prozessorientierte Reorganisation
§
Kontinuierliches Prozessmanagement
§
Zertifizierung
§
Benchmarking
§
Wissensmanagement
§
Auswahl von Standardsoftware
§
Customizing von Standardsoftware
§
Softwareentwicklung
§
Workflow-Management
§
Simulation
Bevor man ein Unternehmen modelliert, sollte man sich aber zunächst drei Fragen
stellen:
§
Was soll modelliert werden (Prozesse)?
§
Womit soll modelliert werden (Daten und Betriebsmittel)?
§
Wer soll modelliert werden (Organisationseinheiten)?
In einem Modell werden sämtliche materielle und informationelle Aktivitäten des
Unternehmens beschrieben. Der Prozess selbst besteht aus einer Reihe von
Funktionen und Ereignissen, die in einer festen Reihenfolge ablaufen. Daneben
sollen die Strukturen der Organisationseinheiten und deren Beziehungen
untereinander wiedergegeben werden. Daten und Betriebsmittel bilden die
Informationsdienstleistungen und Umfelddaten ab und komplettieren auf diese
Weise das Unternehmensmodell.
8
Quelle: www-edit.ku-eichstaett.de/Fakultaeten/WWF/Lehrstuehle/WI/Lehre/
sim_gp/HF_sections/content/Prozessanalyse_%20Theorie%2004_%20online.pdf,
Seite 67
10
Die Phasen der gesamten Prozessorganisation sind im Folgenden
zusammengefasst
9
:
1. Entwicklung der Prozessvision
§
Wo steht mein Unternehmen heute?
§
Was können wir besser machen?
§
Welche Unternehmensstrategie verfolgen wir?
2. Identifizierung der Kernprozesse
Kernprozesse werden aus Kernkompetenzen abgeleitet, d.h. sie
§
stellen eine Verknüpfung von organisatorischen Fähigkeiten und
Technologien dar,
§
basieren auf kollektiven unternehmensspezifischen Knowhow und
§
bewirken einen wahrnehmbaren geldwerten Zusatznutzen beim
Kunden.
3. Bestandsaufnahme der existierenden Prozesse
Mit Hilfe eines Organisationstools können hier Prozesse aufgenommen,
bewertet, analysiert und simuliert werden.
4. Abwicklungsanalyse und Identifizierung von Anforderungskriterien
§
ein unternehmensspezifisches Soll-Konzept wird entwickelt.
5. Die Schwachstellenanalyse leitet den Handlungsbedarf durch den
Soll-Ist-Vergleich ab. Schließlich werden die Prioritäten der erkannten
Schwachstellen bestimmt und definiert.
Beispielsweise wird der Prozess ,,Angebot erstellen" durch eine Kundenanfrage
ausgelöst. Der Kunde möchte also erfahren, ob das Unternehmen bestimmte
Produkte anfertigt und wie viel sie kosten werden. Um der Angebotserstellung
nachzukommen, ist es nun nötig, verschiedene Prozessschritte so lange zu
durchlaufen bis das Angebot letztlich fertig gestellt ist. Der Kunde kann
anschließend eine Entscheidung treffen, ob er dem Unternehmen den Auftrag gibt
oder nicht.
Prozesse sind daher meist an viele betriebliche Organisationseinheiten gebunden
und spielen sich nicht nur in einer Abteilung ab. Für die Ausführung der
Prozessschritte ist ein gutes Zusammenarbeiten der Funktionsbereiche
notwendig. In dem Beispielprozess nimmt demzufolge die Vertriebsabteilung die
Kalkulation vor, die Entwicklungs- und Fertigungsabteilung beurteilen die
9
Quelle: www.serventi.ch/ipl/02_zusammenfassung_gpo.pdf
11
technische Realisierbarkeit und der Einkauf beschafft die erforderlichen
Materialien. Dadurch sind alle Schritte auf mehrere Unternehmensbereiche verteilt
und stellen die Prozesskette für die Bearbeitung einer Kundenanfrage dar.
Gut organisierte Abläufe bringen dabei auch den gewünschten Erfolg im
Unternehmen. Sie sind vor allem eine Voraussetzung für die Rentabilität des
Betriebes. Denn nur durch die klare Definition und zuverlässige Durchführung der
beschriebenen Prozesse ist es möglich, dass Kunden die guten und schnellen
Leistungen mit wiederholten und verstärkten Käufen belohnen. Dies wiederum
erhöht den Umsatz und damit auch den Gewinn eines Unternehmens.
Zusätzlich bewirken gut organisierte Abläufe ebenfalls eine Verbesserung der
Lieferantenbeziehungen und realisieren eine zuverlässige Zusammenarbeit
untereinander. Nebenbei wird dafür gesorgt, dass Führungskräfte sich ihren
eigentlichen Aufgaben widmen und über die künftige grundsätzliche Ausrichtung
des Unternehmens nachdenken können. Außerdem vergrößern die Mitarbeiter
ihre Handlungssicherheit und profitieren von besseren und langfristigen
Arbeitsbedingungen.
Aufgrund dieser Argumente hat die Prozessorganisation in letzter Zeit an
Bedeutung gewonnen. Dennoch sind viele Unternehmen von einer
systematischen Auseinandersetzung mit ihren Prozessen weit entfernt. Meist wird
geglaubt, dass Abläufe durch historisch gewachsene Erfahrungen und Zufälle
zustande kommen und deshalb kaum Aufmerksamkeit zur näheren Analyse
erregen. Es soll aber hiermit gezeigt werden, dass mittels der beschriebenen
Hilfsmittel und Werkzeuge eine verbesserte und strukturierte Ablauforganisation
geschaffen werden kann, die vor allem auch wichtige Vorzüge und Erfolge mit sich
bringt. Besonders wenn ein Unternehmen weiß, was es erreichen will, was seine
Kunden wollen und was die dazu erforderlichen Erfolgsfaktoren sind, denkt es
bereits über eine Optimierung der Prozesse nach. Und dieses Wissen dürfte
durchaus in jedem Betrieb von Interesse sein.
Durch den Einsatz von Referenzmodellen ist es möglich, Fallstudien und
Beispiele als Maßstäbe der eigenen Prozessgestaltung zu verwenden. Die
verschiedensten Modellierungsmethoden erstrecken sich von der
ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK), über den ereignisorientierten
Prozessgraph (EPG), dem Flow Chart, Struktogramm, Entity-Relationship-Modell
(ERM), Organigramm bis hin zur ARIS-Architektur. Im Letzteren sind
12
Organisations-, Daten-, Funktions- und Prozesssicht zu einem Gesamtmodell
zusammengefügt. Es werden mit Aktivitäts- und Ereignisknoten die einzelnen
Prozesse visualisiert, optimiert und dokumentiert. Die Simulation zeigt ein Modell,
in dem alle wesentlichen Elemente des Unternehmens mit den dazugehörigen
Abläufen, Verbindungen und Eigenschaften realitätsnah und übersichtlich
dargestellt werden. Es bietet keine unmittelbaren Lösungen, sondern schlüssig
und logisch aufgebaute Entscheidungsgrundlagen für Szenarien. Die daraus
resultierenden Vorteile sind in der Risikoreduzierung, der Erhöhung der
Planungsqualität und den damit verbundenen Zeit- und Kostenersparnissen zu
sehen. Dieses Toolset und andere bekannte Standardsoftwareprogramme werden
im 5. Kapitel detailliert und nutzergerecht beschrieben. Es werden entsprechende
Hinweise zur Handhabung sowie deren Vor- und Nachteile erklärt.
Zum besseren Verständnis werden im Folgenden die Elemente der
ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK) verdeutlicht. Diese Darstellungsmethode
wurde im Rahmen des ARIS-Konzepts entwickelt und seine weltbekannte
Anwendung ist vor allem darauf zurückzuführen, weil auch Marktführer wie die
SAP AG sie nutzen, um Prozesse zu gestalten.
In der EPK werden die einzelnen Aufgaben zur Bewältigung eines
Arbeitsvorganges in ihrem zeitlich- und fachlich-logischem Ablauf dargestellt.
Unter Verwendung der erzeugten Objekte (z.B. Funktionen,
Organisationseinheiten) zeigt sie außerdem im Gegensatz zu anderen Modellen
Tätigkeiten in ihrer dynamischen Abfolge. Damit ist sie der zentrale
Modellierungstyp der Prozessorganisation.
Ereignisse dienen der Erzeugung von
Ereignis Prozessobjekten z.B. ,,Angebot ist erstellt", die
sich innerhalb der Abläufe ergeben. Sie sind
stets auf einen Zeitpunkt bezogen.
Funktionen sind den einzelnen
Funktion Prozessschritten in einem Zeitraum
zuzuordnen.
13
Die Prozesskette beginnt immer mit einem Ereignis. Dies folgt stets einer Funktion
und eine Funktion stets einem Ereignis. Entsprechende Verknüpfungen sind
logische Operatoren. Ebenso wie im Flussdiagramm sind auch hier die Abläufe
von oben nach unten anzuordnen, so dass die Darstellung oben mit dem
Startereignis anfängt und unten mit dem Schlussereignis endet. Die Kontrollflüsse
untereinander werden durch Pfeile gekennzeichnet.
UND-Operator ODER-Operator EXKLUSIV-ODER-Operator
(alle Elemente müssen (eins, mehrere oder (genau ein Element
vorhanden sein) alle Elemente) ist zulässig)
Mit der Organisationseinheit wird eindeutig
Organisationseinheit die zuzuordnende Abteilung oder Stelle für
die Ausführung einer Funktion illustriert. Die
Verbindung zu den Funktionen wird nur durch
eine Linie abgebildet.
Hiermit werden die nötigen Informationen für
Informationsobjekt die Funktionen dargestellt. Setzt die
Ausführung einer Funktion ein
Informationsobjekt voraus, zeigt die
Pfeilspitze zur Funktion, und umgekehrt.
Das Anwendungssystem unterstützt die
Funktion bei der Ausführung der
Anwendungssystem Prozessschritte. Es kann sich hier um
Software oder eine Datenbank handeln.
Ebenso wie bei den Organisationseinheiten
dient zur Abbildung eine Linie.
Im Unterschied zum Flussdiagramm liegt der Vorteil der ereignisgesteuerten
Prozesskette (EPK) vor allem in der Genauigkeit. Die Prozessschritte sind so
detailliert, dass es für den Betrachter einfacher ist, zu erkennen durch welches
Ende der Leseprobe aus 82 Seiten
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Details
- Arbeit zitieren
- , 2005, Betriebswirtschaftliche Aspekte bei der Geschäftsprozessoptimierung mit Hilfe moderner Informationstechnologie, Hamburg, Bedey Media GmbH, https://www.diplom.de/document/224847
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