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Mehr InfosDiplomarbeit, 2005, 95 Seiten
Diplomarbeit
Technische Universität Chemnitz (Philosophische Fakultät, Fachgebiet Sozialpädagogik)
2,3
0. Vorwort
1. Einleitung
2. Ludotheken
2.1 Begriffsklärung Ludothek
2.2 Gegenwärtige Erscheinungsformen von Ludotheken und Institutionen zur Förderung des Kulturgutes Spiel in Deutschland
2.2.1 Ludotheken in Deutschland
2.2.2 Institutionen zur Förderung des Kulturgutes Spiel in Deutschland
2.3 Forschungsstand über Ludotheken
2.4 Internationaler Exkurs
3. Zutreffende gegenwärtige gesellschaftspolitische Anforderungen der Kinder- und Jugendarbeit
3.1 Rechtliche Grundlagen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – KJHG
3.2 Bildungsverständnis der Kinder- und Jugendarbeit
4. Kulturhistorische Einordnung des Spiels - Allgemeine Spielpädagogik
4.1 Kulturhistorische Einordnung des Spiels
4.2 Abriss zur Geschichte und zu Theorien des Spiels und des Brettspiels
4.3 Allgemeine Spielpädagogik
4.4 Spielpädagogische Überlegungen speziell zum Brettspiel
4.5 Gegenwärtiges Brettspielangebot in Deutschland und Möglichkeiten seiner Nutzung
4.5.1 Merkmale eines „guten“ Brettspiels
4.5.2 Kooperative Brettspiele
4.5.3 Konsumenteneignung eines Brettspiels
4.5.4 Entwicklung des Spielemarktes in Deutschland seit 1980
5. Arbeitsgebiete von Ludotheken am konkreten Beispiel von vier Einrichtungen in Deutschland
5.1 Städtisches Spielezentrum Herne (Nordrhein/Westfalen)
5.2 Erste Thüringer Ludothek (Sömmerda)
5.3 Sächsisches Spielezentrum Leipzig (Sachsen)
5.4 Spieliothek mobil Barmstedt (Schleswig-Holstein)
6. Ausblick – pädagogische und sozialpädagogische Möglichkeiten von Ludotheken
6.1 Brettspiele in der Jugendarbeit – das Spiel als Medium für sozialpädagogisches Arbeiten
6.2 Brettspiele in der Altenarbeit
6.3 Weitere Betätigungsfelder für Ludotheken
6.4 Berufsbild Ludothekar
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Internet-Quellenverzeichnis
Die Welt der Spiele hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert, sie hat sich ausgedehnt und wird von Jahr zu Jahr umfangreicher, bunter und vielseitiger. Das Interesse an Brettspielen ist ungebrochen. Woher kommt dieses große Interesse? Warum sind Brettspiele heute in allen Altersklassen so beliebt? Warum wird auch unter Erwachsenen zunehmend gespielt, wird Brettspielen zum Hobby erklärt?
Ich selbst begann 1993 mit einem ehrenamtlichen Team von Sozialarbeitern, Schülern und Studenten den Aufbau der Leipziger Ludotheken. Seitdem leite ich, ebenfalls ehrenamtlich, das Sächsische Spielezentrum Leipzig, wie es sich inzwischen nennt. In dieser Verantwortung stelle ich immer wieder mit Bedauern fest, dass Fachliteratur, speziell zum Thema Brettspiel, spärlich ist und zur Thematik Ludotheken nahezu keinerlei Fachbeiträge existieren.
Als „Ostdeutsche“ beschränkte sich mein spielerisches Wissen zum Zeitpunkt der Gründung der Ludothek auf Dame, Mühle, Halma, Mensch ärgere dich nicht und Schach. Schlichte Lauf-Würfel-Spiele und diverse Puzzles – mehr hatte ich bis zu dieser Zeit nicht kennen gelernt. Die Welt der Brettspiele war mir fremd. Inzwischen nenne ich mich selbst einen „Spieler“.
Die enorme Vielfalt an Spielen, die nach 1989 auf uns „prallte“ und uns begeisterte, war Ursache für die Idee zur Schaffung einer Ludothek. Wie bedeutsam Spielen, gerade für Kinder und Jugendliche, ist, war uns als Pädagogen schließlich bewusst. Als Sozialarbeiter wollte unser Team mit dem Aufbau einer Ludothek das pädagogische und sozialpädagogische Angebot des Offenen Treffs, in dem wir hauptberuflich arbeiten, bereichern und darüber hinaus im Sozialraum für sozial schwache Familien die Möglichkeit schaffen, preiswert spielen zu können.
Die Schwierigkeiten begannen mit der Suche nach kompetenter Hilfe. Literatur über Ludotheken war kaum zu finden. Die Arbeit des seit 1979 existierenden Dachverbandes „Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Spieliotheken e.V.“ (BDS) war größtenteils lokal auf das Bundesland Schleswig-Holstein begrenzt, Auswirkungen auf nationaler Ebene waren kaum spürbar und Hilfe bei der Neugründung unserer Ludothek blieb aus. Die Existenz anderer Ludotheken in Deutschland war uns zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. So mussten wir aus eigener Kraft eine Ludothek aufbauen: Konzeptionen erarbeiten, Geldquellen erschließen, eine Benutzerordnung ausarbeiten und, was das Schwierigste war, den bestehenden und zunächst schier unüberschaubar wirkenden Brettspielmarkt für unser Projekt erschließen. Grundlagenwissen fehlte, kein Handbuch, keine Arbeitsgrundlage waren greifbar. Unser Wissen über Brettspiele und den Brettspielmarkt war mehr als mangelhaft. Es waren zwei schwere Jahre, in denen wir uns fast ausschließlich selbst halfen, bis auf die „Spieler“, die, zu unserem Erstaunen, schnell den Weg zu uns fanden, um Spiele auszuleihen. Sie standen uns in der Anfangsphase mit viel Rat, Sach- und „Spielerwissen“ zur Seite. Dadurch waren sie indirekt maßgeblich am Aufbau der Leipziger Ludothek beteiligt.
Um allen künftig entstehenden Ludotheken in Deutschland den Start zu erleichtern, soll diese Diplomarbeit Wissen über Brettspiele, ihre kulturgeschichtliche und pädagogische Bedeutung, ihre Entwicklungsgeschichte und ihren heutigen gesellschaftlichen Stellenwert vermitteln. Sie soll aber vor allem an konkreten Beispielen zeigen und bewusst machen, welche Möglichkeiten Ludotheken in pädagogischer und sozialpädagogischer Hinsicht in sich bergen.
Unser gesellschaftliches Leben ist im Wandel begriffen. Eltern, Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen und Therapeuten – alle, die in irgendeiner Form mit der Bildung und Erziehung von Menschen befasst sind, werden mit Spielen aller Art konfrontiert. Fritz (1993) nennt es ein „ (...) ’Urphänomen’, das es im pädagogischen Bereich einfach gibt und das sich nicht ausklammern lässt (...). So gesehen ist jeder Pädagoge zugleich auch Spielpädagoge – bewusst oder unbewusst, gut oder schlecht“ (S.93).
In dieser Arbeit schreibe ich über die Kategorie Spiele, zu denen u.a. Schach, Go, Mühle, Dame, Halma, Backgammon, Skat, Rommé, Bridge, Memory, Mikado, Domino, Mensch ärgere dich nicht, Monopoly, Die Siedler von Catan, Scrabble usw. gehören, also Brett- und Kartenspiele. Einen eindeutigen Oberbegriff für diese Spiele gibt es bisher nicht. Begriffe wie Brett- oder Gesellschaftsspiel, Tisch-, Karton- oder Wettbewerbsspiel reichen nicht aus, diese Spiele umfassend zu beschreiben. Der Begriff Regelspiel eignet sich wohl noch am ehesten als Oberbegriff.
Die Ludotheken in Deutschland – wir sprechen hier von ca. 100 Einrichtungen, die im gesamten Bundesgebiet unterschiedlich eingerichtet sind – sind historisch gesehen noch junge Einrichtungen. Es gibt sie erst seit ca. 35 Jahren. Jährlich entstehen neue Ludotheken. Auch wenn ihre Existenz noch nicht jedem Bundesbürger bewusst ist und so mancher ihre Arbeit nicht einzuschätzen vermag, sind sie eine Erscheinung unserer Zeit und für das Gemeinwesen und die Kulturlandschaft eine Errungenschaft. Gerade in Zeiten knapper Kassen und gesellschaftlicher Umbrüche ermöglichen sie auch jenen Bürgern den Zugang zum Kulturgut Spiel, denen es aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit zwar nicht an Zeit, wohl aber an Geld mangelt, sich das zunehmend beliebter werdende Medium Spiel zu leisten.
Obwohl das Arbeitsgebiet der Ludotheken umrissen ist, sind sie noch immer auf der Suche nach einem umfassenden pädagogischen Konzept. Der Dachverband der deutschen Ludotheken – der Verband Deutscher Spieliotheken/ Ludotheken (vdsl) – bemüht sich, nach Jahren der Stagnation der Arbeit des Verbandes, seit dem Vorstandswechsel 2003 um eine kontinuierliche Arbeit mit allen Ludotheken in Deutschland und die Ausarbeitung einer inhaltlichen Leitlinie. Bisher ist es noch nicht gelungen, alle Ludotheken im Dachverband zu organisieren und in jedem Bundesland einen Landesverband zu gründen.
Die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts andauernde „Brettspielewelle“, auch das „Deutsche Spielewunder“ genannt, (siehe Pkt.4.2) in Deutschland zu ignorieren und für die pädagogische und sozialpädagogische Arbeit nicht zu nutzen, wäre unzeitgemäß und ignorant zugleich. Die vergangenen drei Jahrzehnte haben eine Entwicklung in Gang gesetzt, deren positive Auswirkungen sich Pädagogen und Sozialarbeiter in der täglichen Arbeit zu Nutze machen sollten.
Anliegen der Arbeit ist es deshalb, folgende Schwerpunkte zu untersuchen:
Welchen kulturellen, pädagogischen, spiel- und sozialpädagogischen Anspruch erfüllen Ludotheken unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen – wie ist der gegenwärtige Entwicklungsstand der Ludotheken in Deutschland?
Wie ist der gegenwärtige Forschungsstand über Ludotheken?
Welche Spiele sollten in Ludotheken vorrangig zum Einsatz kommen und welche Voraussetzungen bietet der Spielemarkt für die Arbeit von Ludotheken?
An mehreren konkreten Beispielen werde ich versuchen, die unterschiedlichen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Arbeitsweisen von Ludotheken aufzuzeigen.
Den Begriff „Ludothek“ findet man in keinem herkömmlichen Lexikon, auch nicht im Fremdwörterbuch und nicht im Duden.
„Spieliothek“ wird im Duden dem Begriff „Spielothek“ untergeordnet und definiert als „Einrichtung zum Verleih von Spielen; auch für Spielhalle“ (Duden, S.697).
Im Ludojournal 2003/02 (www.ludo.ch) des Schweizer Ludothekenverbandes wird der Versuch einer Begriffsklärung unternommen. Die Frage, wie eine Ludothek definiert wird, war immer wieder Gegenstand von Diskussionen bei internationalen Zusammenkünften.
Ludus heißt auf lateinisch „das Spiel", der griechische Wortstamm -„thek“ steht für Bibliothek. Die Verwandtschaft mit dem Begriff Bibliothek ist nicht zufällig, denn eine Ludothek ist eine Einrichtung mit einer geordneten, benutzbaren Sammlung von Brettspielen.
In Deutschland sind Ludotheken als Ausleihstätten für Spiele und Spielsachen für Jedermann entstanden. Inzwischen hat sich das Arbeitsfeld vieler Ludotheken erweitert. Das Spielen vor Ort, Spieleveranstaltungen verschiedenster Art, Brett- und Kartenspiel-Turniere, Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen etc. gehören zum Tätigkeitsbild der meisten Ludotheken in Deutschland.
Der Internationale Verein der Ludotheken ITLA (International Toy Library Association), gegründet 1987 in Toronto ( www.ludo.ch: Ludo Journal 2005/2), definiert Ludothek wie folgt:
„1. Eine Ludothek ist ein Service, der seinen Mitgliedern die Möglichkeit gibt, miteinander zu spielen und/oder Spiele und Spielsachen auszuleihen. Eine Ludothek kann von Einzelpersonen, wohltätigen Organisationen, lokalen, regionalen oder nationalen Behörden oder von anderen Gruppierungen betrieben werden. Kinder, Eltern, Großeltern, Kinderbetreuungsstätten, Schulen, Lehrerinnen, Spitäler und alle Personen, die sich für das Spiel interessieren, können Mitglieder der Ludotheken sein.
2. Ludotheken sollten nach Möglichkeit neben der Ausleihe von Spielen ein Ort in der Gemeinde sein, der Informationen und Unterstützung für die Mitglieder bietet.
3. Ludotheken sind politisch und konfessionell unabhängige Institutionen, zu denen alle Zugang haben, gleich welcher Nationalität, Sprache oder Rasse sie angehören, ob sie gesund oder behindert sind“ (www.ludo.ch: Ludo Journal 2003/2, S.1).
Die Mitglieder der europäischen Vereinigung haben auf Grundlage dieser Definition auf ihrer jährlichen Zusammenkunft 2003 in Graz die Definition einer Ludothek für die europäischen Einrichtungen in drei Punkten zusammengefasst: „Ludotheken sind ’Quellen der Spielkultur’. Sie stellen Raum zum Spielen zur Verfügung und bieten einerseits sinnvolles Spielmaterial und/oder empfehlenswerte Spiele als anregende Mittel sowie selbstverständlich auch ausgebildete SpieleberaterInnen bzw. SpielpädagogInnen als kommunikative und kreative Bezugspersonen an“ (ebd. S.1).
In Deutschland sind die Träger der Ludotheken in der Regel anerkannte Träger der Jugendhilfe, gemeinnützig arbeitende Vereine, Kirchen, Gemeinden oder Wohlfahrtsverbände. In Nordrhein-Westfalen werden mehrere Ludotheken von den Jugendämtern unterhalten. In Einzelfällen haben sich Ludotheken aus Brettspielvereinen heraus gegründet, wie z.B. der „Spielberg Sylt“.
Ludotheken sehen ihre vorrangige Aufgabe in der Förderung der Spielkultur für Kinder, Erwachsene, Familien und Gruppen aller Art.
Erklärtes Ziel der Ludotheken in Deutschland ist es, Menschen aller Altersstufen und sozialen Schichten die Möglichkeit zu bieten, Spielen als eine Tätigkeit von zentraler Bedeutung zu erfahren und als etwas lustvolles und bereicherndes zu erleben. Vor allem Familien und Kindern sollen die Möglichkeit geboten werden, durch Spielen die geistige, seelische und motorische Entwicklung zu stärken, Gemeinschaft zu erleben, Spielkultur zu entwickeln und unterschiedliche Lebenslagen auszugleichen. Ludotheken sind zugleich Kontaktstellen für Kinder und Erwachsene und haben als solche auch eine soziale Funktion für benachteiligte Menschen (www.deutsche-ludotheken.de: Satzung).
In den alten Bundesländern, besonders in Norddeutschland, wurden diese Einrichtungen ab 1971 mit der Bezeichnung „Spieliothek" gegründet, nicht zu verwechseln mit den „Spielotheken“ (Geldautomaten-Saal), denn diese kommerziellen Einrichtungen haben mit der Arbeit der Ludotheken nichts gemein. Deshalb erzeugt die Bezeichnung „Spieliothek“ oft Missverständnis. Ich werde in dieser Arbeit deshalb vorrangig den international gebräuchlichen und aus meiner Sicht auch zeitgemäßeren und zutreffenderen Begriff Ludothek verwenden.
Die erste Spieliothek in Deutschland wurde 1971 in Quickborn (Schleswig-Holstein) gegründet. Ihre Namensvetter, die Ludotheken, entstanden später, entwickelten sich aber weitaus rasanter.
Das Angebot der Ludotheken unterscheidet sich von Ort zu Ort. Meist werden Brett- und Kartenspiele für Kinder, Jugendliche und Familien angeboten. Einzelne Einrichtungen haben darüber hinaus noch weitere Angebote von Aktionsspielen für draußen, Großspielen, Spielzeug, von Spielen für Blinde- und Sehbehinderte oder von Spielen für Senioren.
Ludotheken sollen in der heutigen, für Laien nahezu unüberschaubaren, Spielwarenwelt helfen, Kindern und Erwachsenen möglichst sinnvolle Spielmittel anzubieten. Ziel ist es, den Nutzern der Ludotheken die Möglichkeit zu bieten, mit guten Brettspielen (siehe Pkt. 4.5.1) und Spielsachen zu spielen. Gleichzeitig wirken Ludotheken der sozialen Ausgrenzung ( z.B. von Alleinerziehenden, von durch Arbeitslosigkeit belasteten Familien, Ausländern, Aus- und Übersiedlern) entgegen, indem sie auch diesen Gruppen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu annehmbaren finanziellen Beiträgen ermöglichen.
Ludotheken verfolgen des Weiteren präventive Ziele. Im gemeinsamen Spiel werden soziale Verhaltensweisen geübt. „Mittels einer Studie wurde belegt, dass Kinder, welche keine Spielmöglichkeit (z.B. aus sozialen Gründen) haben, über ein erhöhtes Risiko in Kriminalität zu geraten, verfügen“ (www.ludo.ch: Ludo Journal 2002/2, S.5).
Wer „ (...) im Spiel sinnvolle Tätigkeit erfährt, lernt seine Interessen zu festigen und wird weniger anfällig für Gewalt und Sucht. (...) Lernen im Spiel ist Lernen durch praktische Erfahrung und ist die alltägliche ‚Arbeit’ unserer Kinder, Spielen trägt entscheidend zur geistigen, körperlichen, sozialen und kreativen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei“ (www.ludothek-ravensburg.de). Weiterhin lernen die Kinder von klein an Verantwortung für Dinge zu übernehmen, die ihnen nicht selbst gehören.
Ludotheken sind zugleich Begegnungsstätten. In der Regel kann man vor Ort spielen und vielseitige Veranstaltungsangebote nutzen. So erfahren Kinder, Jugendliche und Erwachsene Gemeinsam- und Geselligkeit. Im gemeinsamen Spielen lernt man sich rasch neu oder auch anders kennen, baut soziale Kontakte auf (www.ludothek-ravensburg.de).
Die Ludothek Prenzlauer Berg in Berlin verfügt beispielsweise über ein umfangreiches Angebot von pädagogisch und therapeutisch wertvollen Spielmitteln für Kinder bis zu sechs Jahren, mit und ohne Schwächen in der Entwicklung.
Die Leipziger Ludotheken besitzen ein hervorragendes und umfangreiches Sortiment anspruchsvoller Kinder-, Familien- und Erwachsenenspiele. Die meisten Nutzer kommen oft und regelmäßig und spielen viel. Das erhöht den Anspruch, ständig aktuelle Spiele anzuschaffen, fachgerecht und kompetent zu beraten, Fachliteratur zu lesen und über Kenntnisse des Brettspielmarktes zu verfügen. Ergänzt wird der Brettspielverleih durch verschiedene Veranstaltungen. So ist in Leipzig das Haus während der monatlichen Leipziger Brettspielnacht bis unter das Dach voll.
Das Städtische Spielezentrum Herne ist eine der auch international bekanntesten Ludotheken Deutschlands und wegweisend für andere Einrichtungen. Hier erfreut sich der Sonntags-Spiele-Brunch großer Beliebtheit. Einmal im Jahr findet der vom Spielezentrum Herne in Zusammenarbeit mit der Stadt Herne organisierte „Herner Spielwahnsinn“ mit mehr als 5.000 nationalen und internationalen Besuchern statt. Das Spielzentrum Herne ist Hauptausrichter der meisten nationalen und internationalen Brettspielturniere, an denen jährlich mehr als 20 Nationen teilnehmen.
Auf Sylt wird ein „verspieltes Rathaus“ aufgezogen, in Marl „beherrscht“ die dortige Spieliothek des Jugendamtes eine Einkaufsmeile und in Ravensburg ist das Spielcafé für Groß und Klein wichtiger Wochentermin.
Einige Einrichtungen sind darüber hinaus auch Vorrundenveranstalter für deutschlandweite und internationale Brettspiel-Turniere. Aktuelle Beispiele sind die seit 20 Jahren stattfindenden „Deutschen Mannschaftsmeisterschaften im Brettspiel“, die inzwischen 8. Internationalen Meisterschaften „Die Siedler von Catan“, das Ranglistenturnier zum Brettspiel „Carcassonne“ und die 1.Deutsche Meisterschaft zum „Spiel des Jahres 2004“: „Zug um Zug“.
Doch damit endet das Angebot noch lange nicht. Es gibt auch Flohmärkte, Brettspielschulungen für Pädagogen, Sozialarbeiter und Erzieher, Elternseminare, Ideenwettbewerbe, Preisausschreiben, Wohn- und Straßenspielfeste mit Aktions- und Großspielen und vieles mehr.
Um ein solch umfangreiches Angebot aufrecht zu erhalten und eine gute fachliche Beratung geben zu können, leisten die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr viel gute Arbeit. Überwiegend weibliche Mitarbeiter sind in den Einrichtungen tätig. Zur Fortbildung werden eigene Schulungen organisiert oder Fachveranstaltungen (Messen und Verlagsschulungen) besucht. Reichliche Informationen liefern auch Fachzeitschriften, wie z.B. die „Spielbox“ und die „Spielmittel“ und die regelmäßigen Rundbriefe und Newsletter des Verbandes Deutscher Spieliotheken/Ludotheken e.V. (vdsl). Der Dachverband ist Schnittstelle für Kontakte der Mitglieder untereinander, Sammelstelle für Informationen aus der Brettspielwelt und Beobachter der politischen Entscheidungen. Darüber hinaus trägt er zur Stärkung des breiten ehrenamtlichen Engagements vor Ort bei.
Von den geschätzten 100 Einrichtungen in Deutschland sind momentan 55 im Verband Deutscher Spieliotheken/Ludotheken e.V. (vdsl) (Stand Dezember 2005) organisiert.
Die im Verband aktiven Mitarbeiter versorgen die Mitarbeiter der Einrichtungen viermal im Jahr mit einer Mitgliedszeitschrift, dem monatlichen elektronischen Newsletter und einem jährlich stattfindenden Symposium. Es werden gemeinsame Aktionen mit Verlagen und anderen Kooperationspartnern organisiert, welche die Arbeit der Ludotheken bereichern. Über den Dachverband werden Kontakte zu den Spiele- Verlagen hergestellt und gepflegt.
2006 wollen die Deutschen Ludotheken erstmals mit einer großen gemeinsamen Aktion am „World Play Day“, dem „Welttag des Spiels“, der von der UNO 2000 jeweils für den 28. Mai eines Jahres proklamiert wurde und inzwischen auch durch die UNESCO Unterstützung erfährt, teilnehmen (www.itla-toylibraries.org/wpd.htm). Der „Welttag des Spiels“ wurde von der ITLA, der „International Toy Libraries Association" (Internationaler Ludothekenverband), vor einigen Jahren ins Leben gerufen und 2005 auch von den ETL, den „European Toy Libraries", ins jährliche Arbeitsprogramm übernommen. In Europa führten 2005 zwölf nationale Ludotheken-Verbände rund um den Welttag Veranstaltungen durch, darunter auch der in Deutschland.
Nach der Teilnahme am 7. Internationalen Kongress der Ludotheken 1996 in Zürich resümierte die Ludothek Ravensburg: „Der Bundesrepublik Deutschland geht im Ausland der Ruf voraus, eine große Brettspielkultur zu besitzen. Realistisch gesehen, sind wir jedoch in der Tat in der professionellen Vertretung und Verbreitung dieser Kultur ein Entwicklungsland“ (www.ludothek-ravensburg.de).
In Deutschland entstand, wie bereits erwähnt, die erste Spieliothek 1971 in Quickborn. 1978 gründete sich, ebenfalls in Quickborn, der Verband Deutscher Spieliotheken (VSL) als Deutsche Dachorganisation mit ca. 20 Einrichtungen, die fast ausschließlich aus dem Bundesland Schleswig-Holstein kamen. Dort gab es auch die erste und für mehr als zwei Jahrzehnte einzige Landesarbeitsgemeinschaft, was zur Folge hatte, dass sich die Arbeit beider Organisationen, die faktisch von denselben Leuten betrieben wurden, stark vermischte. Für die Förderung neuer Ludotheken in Deutschland war dieser Umstand nicht dienlich, woraus sich auch die Stagnation der Entwicklung auf Bundesebene und im internationalen Vergleich schlussfolgern lässt. Seit 2003 versucht der neue Vorstand unter Tara-Tobias Moritzen mit großer Kraftanstrengung alte verfestigte Strukturen aufzuweichen. Inzwischen haben sich weitere Landesverbände gegründet, die sich dafür einsetzen, dass der Dachverband bestehende Ludotheken tatkräftig unterstützt und zugleich die Gründung neuer Ludotheken anregt. Auch international will der Dachverband versuchen, sich einzubringen.
Neben der Ludothekenbewegung gibt es in Deutschland Institutionen, die sich die Förderung des Spiels in Familie und Gesellschaft zum Ziel machen. Die Arbeit einiger bedeutender Einrichtungen möchte ich hier ebenfalls umreißen.
Das 1986 vom Hamburger Filmregisseur und Spiele - Sammler Peter Lemcke gegründete Deutsche Spielemuseum siedelte 1995 nach Chemnitz um. Als einen Grund für den Umzug nennt Lemcke die historische Bedeutung Thüringens und Sachsens, insbesondere der Erzgebirgsregion, für die Spiel- und Spielzeugkultur in Deutschland. Das Deutsche Spielemuseum ist weltweit einzigartig und verfügt über eine Sammlung von über 30.000 Exponaten von Spielen der letzten 500 Jahre. Das Museum archivierte seit 1989 auch rund 5.000 DDR-Spiele, von denen 110 in der Ausstellung zu sehen sind. Darüber hinaus bewahrt die zugehörige Bibliothek mehr als 1.000 alte und neue Bücher der Spielliteratur, Kataloge, Dokumente, spielnahe Objekte, Grafiken, Plakate u.a. auf.
Das Deutsche Spielemuseum ermöglicht darüber hinaus auch das tägliche Spielen vor Ort und den Verleih von Brettspielen an Privatpersonen, ähnlich einer Ludothek. Schätzungsweise 15.000 Besucher kommen jährlich in das Museum, nicht zuletzt, um die Spielneuheiten, Elektronikspiele und Unikate auszuprobieren. Das Museum richtet Turniere und zahlreiche Spieleveranstaltungen aus und fördert damit, über den Museumsbetrieb hinaus, die Verbreitung des Kulturgutes Spiel. Im Juni 2005 erhielt Peter Lemcke für sein Lebenswerk auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen den „Inno-Spatz“. Damit wird neben seinen musealen Leistungen vor allem auch sein Engagement für das Spiel und die Entwicklung der Spielelandschaft Deutschlands geehrt (Spielbox 5/2005,S.38ff.).
Das Felsenweginstitut Dresden der Karl-Kübel-Stiftung gliedert seine inhaltliche Arbeit in die Bereiche „Familienpädagogische Projektarbeit“ (Beratung verschiedener Institutionen und kommunalen Einrichtungen), den „Kurs- und Weiterbildungsbereich“ (Kurse für Familien und Multiplikatoren) und den Bereich „FamilyGames“, den spielpädagogischen Bereich des Instituts. FamilyGames wird bundesweit spielpädagogisch wirksam, indem Familien-Spielveranstaltungen unter Einbeziehung von spielfreudigen Familien durchgeführt und spielpädagogisch betreut werden. „FamilyGames erhielt für seine Arbeit 2003 den 1.Preis des Sächsischen Kultusministeriums beim Wettbewerb „Innovation und Weiterbildung im Freistaat Sachsen“.
Die Fachgruppe Spiel, bestehend aus Vertretern nahezu aller Spiel-Verlage Deutschlands, hat es sich zur selbstgewählten Aufgabe gemacht, „(...) die gesellschaftliche und sozialpsychologische Relevanz von Spielen in Familien und Freundeskreisen aufzuzeigen“ (Gruber).
Über das Internetportal www.gamemob.de wird versucht, das Thema Spiel stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Dabei geht es nicht darum, einzelne Spiele zu bewerben, sondern um eine breite Herangehensweise an das Thema Spiel. Die von der Fachgruppe eingesetzte Redaktion arbeitet eigenständig und ist der Fachgruppe oder den einzelnen Verlagen nicht weisungsgebunden. Der Redaktion geht es um inhaltliche Anknüpfungspunkte zu Spielen. Gibt es z.B. eine Geschichte um ein Spiel, die für die Zielgruppe interessant erscheint, wird sie erzählt.
Das 1978 gegründete Deutsche Spiele-Archiv Marburg versteht sich als wissenschaftliches Dokumentations- und Forschungszentrum. Es bezeichnet sich selbst, als, in der Welt, einzigartig. Das Archiv verfügt über eine der größten, weitgehend in privatem Besitz befindlichen, Sammlungen von ca. 30.000 zeitgenössischen Brett- und Kartenspielen, 16.800 davon sind verschieden. Bei ca. 6.000 Spielen handelt es sich um Werbespiele. Bisher konnte das Archiv ca. 200 Spiele aus der DDR-Zeit erwerben. Komplexe Spiele aus DDR-Zeiten, die sich aus einem Szenario entwickeln, gibt es nicht. Weiterhin archiviert das Deutsche Spiele-Archiv Elektronik- und Computerspiele sowie sonstige spielhistorisch relevante Archivalien (Spielfiguren, Würfel, Spielgeld usw.). Zum Archiv gehören eine Fachbibliothek mit einem umfangreichen Buch- und Zeitschriftenbestand, eine Katalog- und Prospektsammlung zur Spieleproduktion der Nachkriegszeit und zahlreiche Sacharchive (Realarchiv, Autoren- und Verlagsarchiv, Rezensionsarchiv).
Das Archiv hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Spielentwicklung im deutschsprachigen Raum nach 1945 zu dokumentieren, Forschung und Lehre im Bereich Spiel, sowie das Spiel in Familie und Gesellschaft zu fördern und die Medien bei der Berichterstattung über Spiele und das Spielen zu unterstützen.
In zehnjähriger Arbeit entstand eine der umfangreichsten Spiele-Datenbank. Da es, im Gegensatz zum Medium Buch, im Bereich Spiel keinen zentralen Nachweis über auf dem Markt befindliche Produkte gibt, ist diese Datenbank besonders bedeutsam für Wissenschaft, Forschung, Erziehung und Schule, Bibliotheken, Ludotheken sowie für die Spiele-Verlage.
Das Archiv ist als Arbeitsarchiv angelegt. Sein gesamtes Material steht nicht nur der Öffentlichkeit zur Verfügung, sondern vor allem für wissenschaftliche und journalistische Beschäftigung mit dem Spiel und Spielen bereit, um eine kritische und analytische Auseinandersetzung mit dem Medium Spiel anzuregen und zu fördern.
Das Deutsche Spiele-Archiv arbeitet eng mit der Phillipps-Universität Marburg, insbesondere mit dem Institut für Europäische Ethnologie/Studiengang Museumspädagogik, dem Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien und dem Institut für Vergleichende Kulturforschung, Religionswissenschaft und Völkerkunde zusammen. Lehrveranstaltungen, teilweise gekoppelt mit Projekten und Ausstellungen, fanden z.B. zu den Themen „Spiele als Ausdruck und Medium der Kultur“, „Natur und Umwelt im Spiel“, „Spiel im Zeitalter der Technischen Revolution“ und „Krieg im Spiel – Spiel im Krieg“ statt.
Auch Spiele-Abende im Rahmen Internationaler Ferienkurse der Universität wurden durch das Archiv organisiert.
Zum Fundus des Archivs gehören auch Seminar-, Diplom-, Magister- und Promotionsarbeiten zur Thematik Spiel, die das Deutsche Spiele-Archiv bei der Ausarbeitung unterstützte. Arbeiten, die sich mit den Ludotheken in Deutschland befassen, liegen dem Archiv bisher nicht vor.
Auch bei der Klärung von Streitfragen, z.B. bei Indizierungsprozessen über Streitigkeiten bei Spiele-Erfindungen, Streitigkeiten um Titel-Rechte u.ä. wird das Archiv gutachtlich in Anspruch genommen.
Darüber hinaus erbringt das Archiv Dienstleistungen für ein breites Publikum. Auskünfte über Spiele und Spielberatung, Spielregel-Service, Spieleabende und Sonderveranstaltungen für Universitäten und andere Institutionen gehören zum Aufgabenbereich des Archivs. Für Spieleautoren gibt es ein umfangreiches Service-Angebot. Schulen werden beim Einsatz von Spielen im Schulalltag beraten und bei Vorträgen, Workshops und Projekten unterstützt.
„In Erkenntnis der Bedeutung des Spiels für unsere Gesellschaft ist es das erklärte Ziel des Deutschen Spiele-Archivs, allen Schichten der Gesellschaft Zugang zu diesem Kulturgut zu eröffnen und gleichzeitig jegliche Tendenz der Ausgrenzung durch Privilegisierung entgegenzuarbeiten, unabhängig davon, ob sie nun in der Gestalt überlegener Bildung oder überlegener Finanzkraft einherkommt“ (Deutsches Spiele-Archiv, S.10). So gehört selbstverständlich auch die Dienstleistung für soziale Einrichtungen zum Anliegen des Archivs. Auch die Kinder- und Jugendarbeit unterstützt das Archiv seit seinem Bestehen, indem es Eltern und Erziehern neue Spiele vorstellt, Aus- und Fortbildungen für Mitarbeiter der Offenen Kinder- und Jugendarbeit anbietet und Veranstaltungen durchführt.
Der Seniorenarbeit widmet das Archiv ebenfalls große Aufmerksamkeit. So unterstützt es z.B. Ausbildungskurse zum „Altenhelfer“, in denen Grundkenntnisse der Spielpädagogik und der Animation und Aktivierung älterer Menschen vermittelt werden.
Das Deutsche Spiele-Archiv erbringt nicht zuletzt Dienstleistungen für Bibliotheken und Ludotheken. Die Idee der Verbreitung des Kulturgutes Spiel in Familie und Gesellschaft über Bibliotheken und Ludotheken wird vom Archiv unterstützt und mitgetragen. Es ist Beratungs- und Informationsstelle, unterstützt die Fortbildung für Bibliothekare und Ludothekare und führt Spielebesprechungen zu neuesten Spiele-Angeboten durch.
So ist das Deutsche Spiele-Archiv „(...) zentraler Ort einer engagierten, wissenschaftlich-kritisch begleiteten Auseinandersetzung um das Kulturgut Spiel, um die Spiele-Entwicklung im deutschen Sprachraum (...)“geworden. Es ist „(...) ein Ort, von dem wichtige und anregende Impulse für die Spielentwicklung ausgehen, ein Ort der Reflexion und Analyse und zugleich ein Ort der unmittelbaren spielerischen wie spielpädagogischen Praxis“ (Deutsches Spiele Archiv, S.14).
1997 wurde dem stellvertretenden Leiter des Archivs, Dr. Bernward Thole, der Bundesverdienstorden verliehen.
Bekannte Einrichtungen mit dem Fachbereich Spielpädagogik sind auch die Spieleakademie Remscheid, die Arbeitsstelle für Spielforschung und Freizeitberatung der Fachhochschule Dortmund, die sich mit dem Kulturphänomen Spiel in seinem gesamten Spektrum beschäftigt, und die Bundesanstalt für Kindergartenpädagogik in Hartenberg, die sich mit der historischen Entwicklung verschiedenster Spielformen befasst.
An dieser Stelle möchte ich auch auf international renommierte Einrichtungen zur Spieleforschung hinweisen: das Österreichische Institut für Spielpädagogik LUDOVICO, die Wiener Spiele Akademie und die Hochschule „Mozarteum“ in Salzburg.
Obwohl sich einige nationale und internationale Institutionen mit Spieleforschung und -entwicklung befassen, ist Material über Ludotheken spärlich.
Bei meinen Recherchen stieß ich u.a. auf Fachbeiträge des Institutes für Spielforschung und Spielpädagogik an der Hochschule „Mozarteum“ in Salzburg. Die Internationalen Fachbeiträge dieses Instituts, veröffentlicht in „Homo Ludens“ Band I bis X im Zeitraum von 1991 bis 2003, setzen sich in einigen Beiträgen u.a. auch mit der Problematik des Stellenwertes des Brettspiels in unserer Zeit auseinander. Leider findet man auch hier nichts über Ludotheken.
Fritz schrieb in seinem Buch „Spielzeugwelten“(1989) über „Spielotheken“ (S.161), wobei er die damals existierenden „Spieliotheken“(Ludotheken) meint (siehe Pkt.2.1). Auch die Aussage, Ludotheken gäbe es in Deutschland seit den 60er Jahren, ist nach meinen Recherchen nicht korrekt (siehe Pkt. 2.2.1).
Er wertet Ludotheken, indem er schreibt: „Um diese Spielotheken herum entwickelt sich eine Spielkultur, in der neue Spiele kennengelernt und Spielturniere organisiert werden, sich bestimmte Spielweisen herausbilden (...)“ (S.162). An anderer Stelle schlägt er den Einsatz mobiler „Mini – Spieliotheken“ (S.163) bei der studentischen Ausbildung in verschiedenen Praxisfeldern vor. Fritz nennt als Beispiele dafür Freizeiteinrichtungen, Kindergärten, die Altenarbeit, Jugendclubs und Schulsozialarbeit, die Arbeit mit Ausländerkindern und Gefängnisinsassen.
Die Arbeit der Ludotheken war bisher kaum Gegenstand von Forschungen in Deutschland. Trotz umfangreicher Recherchen ist es mir nicht gelungen, eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit zu dieser Thematik zu finden. Einige wenige Hochschulen, wie z.B. die HTWK Leipzig (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur) sind bestrebt, z.B. in die Ausbildung von Bibliothekaren, einen kurzen Exkurs über Ludothekenarbeit einzubringen. Dafür nutzt die Hochschule u.a. das Sächsische Spielezentrum Leipzig. Gelegentlich führen Studenten verschiedener Hochschulen und Universitäten im Sächsischen Spielezentrum ein Praktikum durch. Erfreut war ich auch über einen Hilferuf Kölner Studenten, die für eine Seminararbeit eine fiktive Ludothek gründen wollen. Von der Ausbildung von Ludothekaren ist Deutschland noch weit entfernt.
Ludotheken findet man heute in mehr als 50 Ländern der Erde.
Die erste Ludothek der Welt entstand 1934 in Los Angeles. Ihre Gründerin soll eine ausgewanderte Europäerin gewesen sein, die für ihr behindertes Kind keine geeigneten Spielsachen und Betätigungsmöglichkeiten fand. Noch heute sind Ludotheken in vielen Ländern, z.B. in Skandinavien, Russland, in den baltischen Staaten, Griechenland, USA, Japan, Australien, z.T. auch Korea, Südafrika und England, Einrichtungen nur für Behinderte. Sie werden von spezialisiertem Personal betreut und z.T. auch vom Staat unterstützt.
Von den USA aus fasste die Idee zur Gründung von Ludotheken auch in Europa Fuß. Ludotheken für behinderte Kinder wurden seit 1963 in Skandinavien (1964 Schweden), in Frankreich und Großbritannien (1967), der Schweiz (1972) und in Dänemark (1977) eröffnet. 1960 soll die UNESCO einen Plan zur Schaffung von Ludotheken vorgelegt haben (www.ludo-duebendorf.ch). Diesen Beschluss konnte ich allerdings selbst über die UNESCO nicht ausfindig machen. Ludotheken gibt es nunmehr in fast allen europäischen Ländern, auch wenn ihre Verbreitung und Arbeitsweise unterschiedlich ist.
In Mittel- und Südeuropa, wie z.B. in Deutschland, in der Schweiz, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal, finden wir Ludotheken, die für Jedermann zugänglich sind. In Italien nennen sie sich oftmals Kinderhorte ‚ludoteca’. Portugals Ludotheken erlauben nur das Spielen vor Ort, Ausleihen ist nicht möglich. Die in Spanien in den „Centros-Ludicos“ arbeitenden Kindergärtner, Psychologen und Sozialarbeiter sind Angestellte des Staates und arbeiten eng mit Elternhaus und Schule zusammen. Die Ludotheken verstehen sich als Häuser mit Räumen für die verschiedensten Aktivitäten: Theaterspiele, Brettspiele, Video- und Musikecke bis hin zu modernen PC-Räumen (www.ludo.ch: Ludo Journal 2002/2).
Ungarn, Spanien, Litauen, Italien, Großbritannien und Griechenland haben Altersbegrenzungen für die Nutzung der Ludotheken.
In den meisten Ländern werden die örtlichen Ludotheken über Projekte von den Gemeinden und die Dachverbände vom Staat unterstützt, so z.B. in Frankreich und in England. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum Großbritannien (ca. 2.000 Ludotheken) und Frankreich (ca. 1.150 Ludotheken) mit einem dichten Netz von Ludotheken aufwarten können. In vielen Ludotheken werden auch Spielsachen angeboten, wie z.B. in der Schweiz.
Inzwischen existieren Ludotheken auf allen Kontinenten in rund 50 Ländern der Welt ( www.itla-toylibraries.org/wwtl.html). Der 1987 in Kanada gegründete Internationale Verein der Ludotheken, die International Toy Library Association (ITLA), versucht weltweit die Arbeit der Ludotheken zu begleiten.
Jährlich findet ein Arbeits-Treffen der „European Toy Libraries“ aus ganz Europa in einer europäischen Stadt statt. Die BRD ist nicht Mitglied dieser Organisation – es fehlt dem Dachverband (vdsl) an finanziellen Mitteln, um die Mitgliedsbeiträge und Reisekosten aufzubringen. Lediglich 1996 war die BRD als Gast durch die Ludothek Ravensburg bei einem solchen Treffen in Graz vertreten.
(KJHG)
Das Angebot der Ludotheken/Spieliotheken in Deutschland richtet sich vorrangig an Kinder, Jugendliche und Familien. Ziel ihrer Tätigkeit ist es somit, gemäß des §1 KJHG die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und Familien mit diesem niederschwelligen Angebot zu verbessern und den Eltern bei Ihrem Erziehungsauftrag behilflich zu sein.
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