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Mehr InfosDiplomarbeit, 2002, 103 Seiten
Diplomarbeit
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Das politische System der Türkei unter Berücksichtigung der Rolle des Militärs, lautet das Thema der vorliegenden Diplomarbeit. Es ist nicht nur rein persönliches Interesse etwas über das politische System des Herkunftslandes meiner Eltern zu erfahren; auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise in der Türkei weckt das politische Interesse in mir und veranlasst mich dazu, die Entstehungsgeschichte der türkischen Republik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle des Militärs genauer zu untersuchen. Das militärische Primat unterliegt normalerweise dem politischen in einer Demokratie, aber in der Türkei ist dies umgekehrt wie sich in den folgenden Kapiteln herausstellen wird. Phasenweise entscheidet das Militär direkt über die politische Ordnung im Land und stellt auch die Weichen in der Wirtschaftspolitik. Indirekten Einfluss übt es durch den MGK (Nationaler Sicherheitsrat), der sich aus Vertretern der ranghöchsten Militärs und Zivilpolitiker unter Vorsitz des Staatspräsidenten zusammensetzt, aus. Der Einfluss des MGK wird im Verlauf der Arbeit noch intensiver behandelt. Die Türkei ist nur deshalb eine demokratische Republik, weil Staatsgründer Atatürk, selbst Offizier, dies so gewollt hat. Vor allem hat er dabei den Islam, den er als Ursache für die Rückständigkeit des Osmanischen Reiches ausmacht, aus dem politischen und öffentlichen Leben verbannt, um die Menschen der Türkei dazu zu veranlassen, progressiv und westlich – orientiert zu denken und zu leben. Dabei geht er ganz pragmatisch vor, aber seine Nachfolger müssen herbe Rückschläge bei der Verfolgung dieses Ziels einstecken, was in den folgenden Kapiteln noch genauer dargestellt wird. Die militärischen Interventionen zu Beginn jeder Dekade seit 1960 bis 1980, lassen beinahe eine Gesetzmässigkeit vermuten. Ziel ist es, die Hintergründe der militärischen Machtergreifungen genauer zu erforschen. Die Etablierung des Militärs als „Ersatzbürgertum“ ergibt sich aus der spezifischen Klassenkonstellation während des Osmanischen Reiches. Ein nationales Bürgertum, welches nach westlichem Vorbild „Träger“ der Demokratisierung hätte sein können, gibt es zur Gründungszeit der Republik einfach nicht. Diese Aufgabe übernehmen die Offiziere des zerfallenden Reiches, die zunächst nur Interesse an dem militärischen Fortschritt der Europäer haben, aber auch inspiriert sind von westlich – liberalen Demokratievorstellungen und die Werte und Ideale der Französischen Revolution in die Türkei übertragen. Dies ist einer der Gründe, weshalb sich das Militär als feste Grösse im politischen System versteht und regelmässig in der türkischen Politik interveniert, wenn die Prinzipien des Kemalismus verraten werden. In der Arbeit kristallisiert sich auch heraus, dass inkompetente und machtbesessene Politiker Schuld daran haben, das es im Land keine politische Stabilität gibt. Leider ist es nicht möglich gewesen, den Zeitraum von 1990 – 2001 genauer zu betrachten aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit und der Umstände, dass die militärischen Interventionen und die Berufung auf den Kemalismus als Staatsdoktrin im Vordergrund der Betrachtungen stehen. Die Literaturlage zu diesem Thema finde ich äusserst zufriedenstellend; aber eine Erweiterung des Bestandes über die Türkei in der Politikbibliothek, würde ich mir sehr wünschen.
Ohne Kenntnis der Besonderheiten der militärischen, despotischen, zentralistischen, klerikalen Struktur der osmanischen Gesellschaft, ist die zukünftige Entwicklung der jungtürkischen und Kemalistischen Revolution theoretisch nicht zu erschliessen. Die Militärbürokratie und die Geistlichkeit (Ulema) bilden die osmanische Oberschicht. Eine gewisse Form der Mittelschicht stellen die Händler und meist ausländisch – christlichen Gewerbetreibenden dar. Die Bauern bilden die Unterschicht im osmanischen Staatsgefüge. Zur osmanischen Oberschicht zählt, ab dem 18. Jahrhundert, noch die neu entstehende Klasse der Grossgrundbesitzer (Agas).
Das gesamte Staatsgebiet mit Grund und Boden gehört dem alleinigen absoluten Herrscher des Osmanenreiches, dem Sultan.
„Grund und Boden wurden vom Staat gegen Leistung von Kriegsdiensten den Rittern (Sipahi) auf lebenslänglichen Besitz überlassen. Die Masse der Bevölkerung bestand aus Pachtbauern (Reaya), welche die Ländereien unter der Obhut dieser Ritter bewirtschafteten.“ (Serozan 1986: 6)
Nach dem Tod des Ritters gehen dessen Ländereien bzw. dessen Grund und Boden wieder in den Sultansbesitz über. Die Ritter - als Lehenträger - besitzen kein Eigentums- und Erbrecht an den Ländereien. Sie verfügen lediglich über die Erträge der Ländereien. Es existiert eine nicht – türkische bzw. nicht – muslimische Bourgeoisie im Osmanischen Reich, die aus Griechen, Juden und Armeniern besteht. Sie sind tätig im Aussen- und Binnen-
Handel und das wirtschaftliche Rückgrat des Reiches. Bedingt durch ihre wirtschaftliche und ökonomische Stärke, sind sie die Kapitaleigner im Land; die wohlhabenderen Türken schlagen die Beamten- und Militärlaufbahn ein. Der muslimische Rest der Bevölkerung ist überwiegend agrarisch geprägt und versorgt sich selbst; ein geringer Teil besteht aus Handwerkern und Kleinhändlern. Aber das Kapital an sich, befindet sich in der Hand nicht – muslimischer und nicht – türkischer Minderheiten im Land. Die Untertanen des Osmanischen Reiches sind ein Volk, „dass sich überwiegend mit Viehzucht, Ackerbau und Kriegsführung beschäftigt“ (Tibi 1998: 223). Während das türkisch – muslimische Volk stark agrarisch geprägt ist und vorwiegend auf dem Land lebt, werden die urbanen Zentren und die Küstengebiete des Reiches, in denen Handel und Gewerbe betrieben werden, vorwiegend von christlichen und jüdischen Minderheiten bewohnt. Firmen und Unternehmen sind rar im grossen Reich und die wenigen, die existieren, gehören Europäern und nicht – muslimischen Minderheiten. Glasneck stellt zur sozio – ökonomischen Struktur des Reiches resümierend fest, dass „diese schwachen Keime einer industriellen Produktion nur kümmerlich dahin vegetieren, weil ihnen nicht nur der nationale Rahmen fehlt, sondern auch der innere Markt. Was sollte der türkische Bauer, der den Hauptanteil der Bevölkerung ausmachte, auf dem Markt kaufen, wenn ihn der Staat und die Grossgrundbesitzer nach der alten Devise `Gib oder Stirb` ausplünderten?“ (Glasneck 1971: 13)
Konkret ist damit die Sonderabgabe an den Staat, genannt Aschar, gemeint und die Ausbeutung der Bauern sowohl durch die Grossgrundbesitzer als auch durch korrupte Beamte, die der Militärbürokratie entstammen. Aufgrund einer derartig rückständigen sozialökonomischen Struktur, mangelt es dem Sultan und der herrschenden Feudalklasse an den materiellen Mitteln, um in ökonomischer und politischer Hinsicht dem zunehmenden Zerfall des Reiches Einhalt zu gebieten. Während im Westen, ergo Europa, bürgerliche Revolutionen gegen Monarchie, Adel und Klerus durchgeführt werden, verharrt die osmanische Gesellschaft in ihrem fatalistischen Schicksalsglauben an den Islam und die besondere sozio – ökonomische Struktur des Reiches verhindert die Entwicklung eines nationalen Bürgertums.
Serozan charakterisiert den osmanischen Staat als „paternalistisch, gütig, vorsorgend (...), aber gleichzeitig patriarchalisch despotisch“ (Serozan 1986: 6). Die Mehrzahl der Bevölkerung im Osmanischen Reich sind Bauern, die dem Schicksalsglauben des Islam verfangen sind. Sie glauben an die unbedingte Göttlichkeit, Vollkommenheit und Unfehlbarkeit des Korans und des islamischen Rechts, der Scharia. Der Sultan an der Spitze eines starken, autoritären Staates und die Autorität der Staatsgewalt – ausgeübt durch die Militärbürokratie und die Geistlichkeit -, sind dem Individuum bzw. der Gesellschaft übergeordnet.
Die Tanzimat, was übersetzt „Wohltätige Anordnungen“ (Hoffmann 1985: 10) heisst, enthalten Elemente einer bürgerlichen Neuordnung. Beschlossen werden die „europäischen“ Reformen, um den zunehmenden Zerfall des Reiches aufzuhalten und sich die überlegene Wissenschaft und Kenntnis der Europäer anzueignen. Die „Europäisierung der Türkei“ (Tibi 1998: 19) beginnt im Rahmen der Tanzimat – Reformen des 19. Jahrhunderts. Die Tanzimat – Epoche ist deshalb so wichtig für die Entwicklung der späteren Türkei, weil trotz ihrer Reformbestrebungen nur auf militärischem Gebiet, eine „neue, westlich orientierte Elite, zu denen die Jungosmanen gehören“ (Tibi 1998: 233), aus ihr hervor geht. Die Jungosmanen, der Begriff „Jungtürken“ ist in diesem Zusammenhang geläufiger, sind die Gründer der späteren Republik Türkei und Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gehört dieser Elite an.
Ziel ist es die militärische Rückständigkeit der eigenen osmanischen Armee durch die Öffnung nach Europa hin zu verbessern und zwar durch Aneignung der entsprechenden Technologie. Durch die Industrialisierung bedingt, verfügen die europäischen Armeen über mehr Durchschlagskraft, während die osmanische Armee vormodern und rückständig ist.
Sultan Mahmut II. (1808 –1839) ist der Initiator der Tanzimat – Reformen. Unter seiner Ägide beginnt der Technologie- und Wissenstransfer über Militärtechnik und europäische, vor allem preussische, Militärberater leisten tatkräftige Hilfe bei der Umwandlung des osmanischen Heeres in eine „europäische Armee“. Der Bekannteste unter den ersten Militärberatern der Osmanen, ist Helmuth von Moltke, der spätere Generalfeldmarschall und Chef des preussischen Generalstabs. Ein besonderes Anliegen ist Mahmut II. die Einrichtung von technischen Schulen, an denen nicht nur Offiziere sondern auch Beamte eines neuen Typs ausgebildet werden sollen, um die konservativen Beamten vergangener Zeiten ablösen zu können. Das Grundschulsystem soll säkular sein und auf den Besuch der technischen Schulen vorbereiten. Als äusseres Zeichen des Modernisierungswillens, erlässt der Sultan eine Kleiderverordnung, die das Tragen der traditionellen Pluderhosen und des Turban verbietet. Statt dessen müssen die Beamten nun einen rockähnlichen, schwarzen Mantel, eng anliegende schwarze Hosen und den roten Fes tragen.
Durch die Tanzimat – Reformen bedingt, öffnet das Osmanische Reich seine Tore ganz weit für das Auslandskapital. Hoffmann sieht die Vorteile durch die eingeleiteten Massnahmen darin, dass „bürgerlich – kapitalistische Erfahrungen in Produktion und Technik, im Rechtswesen, in der Verwaltung sowie in Bildung und Erziehung übernommen werden“ (Hoffmann 1985: 11). Allerdings gerät das Reich dadurch in halbkoloniale Abhängigkeit und es „entwickelte sich zu einem Rohstoffanhängsel des kapitalistischen Weltmarktes, der es mit Fertigwaren überschwemmte und damit eine eigene nationale Industrialisierung blockierte“ (Hoffmann 1985: 11).
Nach dem Tod seines Vaters Mahmut II. im Jahr 1839, setzt sein Nachfolger und Sohn Sultan Abdülmecit I. (1839 – 1861), das Werk seines Vaters entschieden und auf breiterer Grundlage fort. In einem Erlass legt er 1839 die Grundprinzipien nieder, die den Reformen seines Vaters und seinen eigenen künftigen Schritten zugrunde liegen. Menschen – bzw. Bürgerrechte werden proklamiert, die wie folgt lauten:
„Sicherheit des Lebens und der Ehre aller Osmanen ( darunter waren sowohl Muslime wie Nichtmuslime zu verstehen) sowie ihres Besitzes; Ende der Steuerpacht und ihrer Missbräuche; reguläre Rekrutierung in die Armee; gerechte und öffentliche Gerichtsbarkeit für alle Angeklagten; Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz.“
(Steinbach 1996:42)
Die Finanzverwaltung des Reichs gerät zunehmends unter die Kontrolle des Auslands. Hinzu kommt die Verlagerung der Fernhandelswege vom Osten zum Atlantik durch die Entdeckung neuer Seewege. Das Reich büsst dadurch wichtige Einnahmequellen ein. Der Westen lässt sich nicht entgehen, das rückständige Land als billige Rohstoffquelle und teuren Absatzmarkt auszubeuten. Am Ende der Herrschaftszeit des Sultans Abdülaziz (1876), beträgt die jährliche Rate der Auslandsschulden des Osmanischen Reichs, drei Viertel der Gesamtausgaben des Staates. Es kommt zum Staatsbankrott im selben Jahr, weil die zermürbenden Kriege im Reich und die dadurch bedingten hohen Militärausgaben, den finanziellen Rahmen des Reiches sprengen. Kredite aus Europa werden von der Militärbürokratie für das Militärbudget verwendet:
„Staatssekretär Zühtü Efendi erhält von Europa einen Kredit in Höhe von drei Millionen TL. Aber die Offiziere, die für die Waffenbeschaffung aus Europa zuständig sind, geben dieses Geld in einem Schlag für Verteidigungsausgaben aus.“ (Roth / Taylan 1981: 7)
Ein europäisches Konsortium der Gläubigerstaaten, beginnt genau zu diesem Zeitpunkt die Schulden zu kontrollieren. Die türkische Wirtschaft und ihre Finanzen werden gepfändet. So entsteht der Begriff: „Kranker Mann am Bosporus.“
Bezüglich des Ausverkaufs des Reiches an das westliche Ausland, stellt Glasneck folgendes fest:
„Die westlichen Grossmächte expandieren ökonomisch im Reich mit der Folge, dass die billigen europäischen Konsumgüter, die jetzt in grossen Mengen in das Land hineinströmten das einheimische Handwerk vollends ruinieren. Zudem entsteht eine neue Schicht, die sich aus den Vertretern ausländischer Monopole herausbildet, die Kompradorenbourgeoisie.“ (Glasneck 1971: 15)
Neben diesem Gläubigerkonsortium, gibt es private europäische Konzessionäre aller Art, die Häfen, Eisenbahnen und Elektrizitätswerke bauen sowie Berg-, Wasserwerke oder die Gasversorgung der Städte betreiben. Aus ihren Operationen ziehen sie beträchtliche Gewinne und gegen Ende des 19. Jahrhunderts beteiligt sich auch Deutschland daran. Berühmt wird das Engagement Berlins beim Bau der anatolischen Bahnen und der Bagdad –Bahn.
Die Tanzimat – Epoche mit ihren eher halbherzigen Reformen, scheitert an ihrer Umsetzung, weil „vor allem Vertreter der feudalen und islamischen Schichten, durch die eingeleiteten Massnahmen der Tanzimat um ihre uneingeschränkten Privilegien fürchteten“ (Hoffmann 1985: 11). Es erfolgt eine erzwungene Öffnung nach Europa hin, um einen notwendigen Militärtechnologietransfer zu vollziehen. Politische Transformationen werden im wesentlichen beschränkt auf die Erneuerung des administrativen Apparates und auf „eine Anleihe politischer Formen des westlichen Republikanismus“ (Caglar 1984: 26). Eine Verfassungsreform, die auf eine konstitutionelle Monarchie abzielt, bleibt im Grunde eine Farce, „weil die Staatsmaschinerie aus den Reformen gestärkt hervorgeht und eine strukturelle Transformation weder theoretisch ausgearbeitet noch praktisch anvisiert wird“ (Caglar 1984: 26). Weiher konstatiert zur Tanzimat – Epoche:
„Gleichzeitig wurde der Ausbau des zivilen Erziehungswesens für die Bürokratie forciert; Militärwesen und ziviles Erziehungswesen waren dann auch die beiden Bereiche, in denen die Tanzimat – Reformer die grössten und nachhaltigsten Erfolge erzielten.“ (Weiher 1978: 94)
Als Folge dieser Reformen, gerät das Osmanische Reich, aufgrund der erzwungenen Öffnung nach Europa hin, immer mehr unter die politische Kontrolle imperialistischer Mächte. Die Tanzimat – Reformen versagen nicht nur darin, die Zerfallserscheinungen aufzuhalten, sondern beschleunigen diese und führen zur Auflösung des Osmanischen Reiches herbei.
„It was thus that `modernization`(…) seeped into the Ottoman Empire through the very institution which lay at the core of the whole system – namely, the armed forces.” (Birand 1987:4)
Wie Birand hier schon verdeutlicht, bringt die Tanzimat – Epoche eine neue Elite im Land hervor, die dem Militär entstammt, nämlich die Jungtürken.
Bedingt durch die Reformen, entwickelt sich das Offizierskorps zu einer sozio- professionellen Gruppe, die aufgrund ihrer Ausbildung und Organisation, ihrer sozialen wie geographischen Herkunft, zu grossen Teilen der osmanischen Gesellschafts- und Herrschaftsordnung nicht verhaftet ist. Die Wissenschaft und die politischen Anschauungen Europas, vor allem der französischen Jakobiner, sind die Identifikationsmerkmale der Jungtürken. 1870 formieren sich die Jungtürken zu einer bürgerlich – nationalen Bewegung. Sie fordern zunächst die Begrenzung des ausländischen Engagements in der Ökonomie und Gesellschaft, die staatliche Förderung des Industriekomplexes und die konstitutionelle Monarchie. Serozan formuliert die Ziele der Jungtürkenbewegung wie folgt:
„Die klassischen Freiheitsrechte, die konstitutionell – parlamentarische Regierung, der Nationalismus und der wirtschaftliche Liberalismus bildeten die Grundpfeiler dieser spezifischen national – bürgerlichen positivistischen
Ideologie.“ (Serozan 1986: 14)
Zunächst scheinen die Jungtürken mit ihren Zielen und Forderungen beim Sultan Abdülhamit II. Gehör zu finden als dieser 1876 eine Verfassung proklamiert, die dem Reich endgültig eine freiheitlich – bürgerliche Gesellschaftsordnung geben sollte. Allerdings widerruft er schon 1878 die Verfassung, um seine autoritäre und diktatorische Machtfülle nicht in Gefahr zu bringen, zumal sich ja auch eine bürgerliche Opposition formiert hatte.
1878 geht aus der jungtürkischen Bewegung das „Komitee für Einheit und Fortschritt“ hervor. Diese Organisation umfasst vorwiegend westlich ausgebildete Offiziere, aber auch Zivilisten, vornehmlich aus der im europäischen Exil lebenden, aus Intellektuellen bestehenden, Opposition. Das Offizierskorps und Bürokraten, bilden den Kern dieser politischen Gruppierung der jungtürkischen Bewegung. Innerhalb des Komitees bestehen unterschiedliche Ansichten über die zukünftige Staatsform des Osmanischen Reichs:
„Unter sich in mehrere Unterorganisationen gespalten, forderten die einen die Wiedereinführung der Verfassung sowie die Versöhnung und Zusammenarbeit mit den nationalen Minderheiten durch Dezentralisierung und Föderalisierung des osmanischen Staates. Andere stellten demgegenüber einen starken türkischen Nationalismus als integrierendes Element in den Vordergrund.“
(Steinbach 1996: 48)
Die Führer des Komitees kommen aus zumeist bescheidenen sozialen Verhältnissen:
„Sie waren hauptsächlich Söhne kleiner Beamter und städtischer Kleinhändler. Talat, der Premierminister des Komitees, hatte in einem Telegrafenamt gearbeitet. Der militärische Flügel der Partei bestand aus Absolventen der staatlich finanzierten Internatsschule. Während dieser Periode und auch in der späteren republikanischen Ära, war eine militärische Karriere die wichtigste Leiter für den sozialen Aufstieg, besonders für die Söhne der städtischen Armen.“ (Caglar 1984: 27)
Der Machtübernahme geht eine Kraftprobe zwischen den Jungtürken und dem Sultan voraus. Dem Komitee für Einheit und Fortschritt, gelingt es die dritte (mazedonische) und die zweite (thrakische) Armee auf seine Seite zu ziehen. Diese setzt dem Sultan Abdülhamit II. ein Ultimatum, falls die Verfassung nicht wieder- hergestellt wird. Abdülhamit II. beugt sich dem Ultimatum und setzt die Verfassung wieder ein. Caglar bewertet die Machtübernahme als den Anfang einer „beständigen Revolution von oben“ (Caglar 1984: 27). Ein letztes mal versucht Abdülhamit II. den sich abzuzeichnenden Machtverlust zu verhindern, indem es ihm am 12. April 1909 gelingt, die Komitee – Mitglieder aus der Hauptstadt zu jagen. Allerdings schlägt sich die Armee eine Woche später endgültig auf die Seite des Komitees und rückt in Istanbul ein. Daraufhin wird der Sultan abgesetzt und verbannt. Der neue Sultan, Mehmet V. Resat (1909 – 1918), steht unter der Gewalt des Komitees für Einheit und Fortschritt. Die Machtübernahme der Jungtürken ist auch der Erfolg der positivistischen Soziallehre, der die überwiegende Mehrheit im Komitee anhängt:
„The original reform movement in the Ottomans Empire had been coloured by the internationalist Masonic aspirations of the intellectuals whose prime reference was their counterparts in Parisian progressive circles. When the Young Turks succeeded in 1908, the major celebration was not in the Elysee or Westminster but in the Le Marais of the `Positivist Club`.” (zit. nach: Keyder, Caglar. The Political Economy of Turkish Democracy, New Left Review, No. 115;May – June 1979, page 6; in: Birand 1987: 6 – 7)
“Der Positivismus ist eine philosophische Strömung, die Erkenntnis ausschliesslich aus Erfahrung und empirischem Wissen über Naturphänomene ableitet, Metaphysik und Theologie hingegen als zur Erkenntnisgewinnung unangemessen betrachtet.“ (Steinhaus, Anke: Grundpositionen der Erziehungswissenschaft. Jgst. 13 / 1.
Online im Internet: URL: http://www.mknorra.de/ANKE/referate/ew_pos/node3.html. Stand: 09.12.01) Im 19.Jahrhundert taucht der Begriff des „Positivismus“ zuerst in den Werken des französischen Mathematikers und Philosophen Auguste Comte auf. Er wählt die Bezeichnung „Positivismus“, weil sie auf die Realität und die konstruktive Tendenz verweist, die er als theoretische Basis seiner Doktrin annimmt. Nach Comte müssen sich Erkenntnis und Wissenschaft auf das Positive beschränken, d.h. sie müssen aus dem Beschreiben und Ordnen erfahrungsgegebener Tatsachen hervorgehen. Jeder Versuch, die Verhältnisse in Natur und Gesellschaft durch verborgene Ursachen zu erklären – z.B. durch den Willen Gottes oder ein metaphysisches Wesen -, ist als fruchtlos aufzugeben. Die positiven Wissenschaften ermöglichen Voraussagen und damit eine Kontrolle der natürlichen und sozialen Erscheinungen; dank ihren Erkenntnissen kann ein wohlgeordnetes, rationales Gesellschaftsleben entstehen, u.a. auf der Basis technologisch – industrieller Produktion. Laut Deichsel, entwirft Comte das Programm einer Soziologie, „die über das Zusammenleben der Menschen nicht nur reden (spekulieren), sondern Tatsachenforschung anstellen soll (Positivismus). Menschliches Leben soll in all seinen Formen `naturwissenschaftlich` erkannt werden. (...), Sozial – Ingenieure werden als Kenner der sozialen Mechanismen die geregelte Gesellschaft entwickeln und die Missstände der Gegenwart endgültig beseitigen.“
(Deichsel, Alexander: Soziologie – Eine Einführung. Gütersloh 1982. Online im Internet: URL : http://www.sociologicus.de/_copyright.htm. Stand: 19.01.00)
Die drei Führer und Leiter des Komitees sind Enver, Talat und Cemal. Das die Führer nur beim Vornamen genannt werden, hat den Grund darin, dass die Türken bis 1935 gar keinen Nachnamen hatten. Erst im besagten Jahr tritt ein Gesetz in Kraft, das jeden Türken dazu verpflichtet einen Nachnamen anzunehmen. Der Nachname kann selbst ausgedacht oder einer Liste entnommen werden, die der Staat herausgibt. Unter ihrer Führung wird nicht nur versucht die politischen Grundlagen für eine Revolution von oben zu schaffen, sondern auch direkter in das ökonomische Leben einzugreifen. Diese Ziele verfolgt das Komitee „gewappnet mit einer positivistischen Ideologie, die leicht zu etatistischem `social engineering`führte“ (Caglar 1984:27). Das Komitee unterstützt in den Folgejahren „eine Bourgeoisie jüdischer und moslemischer Herkunft“ (Caglar 1984: 27), weil „es kein Vertrauen in die junge Bourgeoisie der Griechen und Armenier hatte, da diese die Bildung von Nationalstaaten und somit die Zerstörung des Reiches verfolgten“ (Caglar 1984: 28). Allerdings verfügt die zu unterstützende Fraktion der potentiellen Bourgeoisie über keinerlei unabhängige Basis ökonomischer Macht. Der Hintergrund für diesen ökonomischen Zustand ist darin zu sehen, dass die Untertanen des Reiches überwiegend agrarisch geprägt sind. Die eigentliche muslimische Bourgeoisie sind - ausser der Militärintelligenz - noch muslimische Lehrer, Ärzte, Philosophen und Schriftsteller. Christliche Minderheiten wie die der Armenier und Griechen, sind die wirtschaftlichen Akteure im Land und somit die ökonomische Kraft im Reich wie schon zuvor erwähnt wurde. Aufgrund der ausländischen Kontrolle über einen grossen Teil der ökonomischen Ressourcen, gelingt es dem Komitee nicht, selbst die Kontrolle über die ökonomischen Ressourcen zu erlangen, um ein Erstarken des nationalen Bürgertums zu bewirken. Adanir konstatiert bezüglich der muslimischen Bourgeoisie:
„Ein gewichtiger Grund für das Scheitern der Jungtürken ist jedoch darin zu sehen, dass ein muslimisches Bürgertum, das als Träger des neuen konstitutionellen Systems hätte dienen können, noch nicht vorhanden war. So stützten sich die Reformer vorwiegend auf die grundbesitzende Schicht und auf die Militärs. Von den muslimischen Massen, deren Interessen sie zu artikulieren glaubten, waren sie dabei kulturell entfremdet. Selber Anhänger positivistischer Lehren und diverser sozialdarwinistischer Vorstellungen, neigten die Jungtürken dazu, die Rückständigkeit des Reiches auf die Religiosität des Volkes zurückzuführen.“ (Adanir 1995: 13)
Auf politischer Ebene wird die Verfassung zwar wieder in Kraft gesetzt und das Parlament tagt wieder, aber „die politischen Freiheiten der Verfassung standen nur auf dem Papier“ (Glasneck 1971: 31). Den jungtürkischen Führern geht es weniger um innere Reformen, sondern eher darum den Zerfall des Reiches zu verhindern. Nutzniesser der jungtürkischen Herrschaft ist die schwach ausgeprägte muslimische Bourgeoisie und die bestehende Klasse der Grossgrundbesitzer. Die Situation der agrarisch geprägten Bevölkerung verbessert sich nicht, weil sie immer noch Abgaben leisten müssen an den Staat und an die Grossgrundbesitzer. Das Land, das sie bearbeiten und wovon sie sich ernähren, gehört den Grossgrundbesitzern im Reich wie schon zuvor unter der direkten Sultansherrschaft.
Der Zusammenbruch der osmanischen Herrschaft in den Jahren 1912 – 1914, begräbt das jungtürkische Staatsideal, den Osmanismus, endgültig. An dessen Stelle tritt der Panturkismus. Die neue militärische Machtelite, verkörpert durch das Komitee, sieht sich nicht mehr als Koordinator aller in der Gesellschaft vertretenen Gruppen wie es im Osmanischen Reich bislang der Fall war, sondern als Schöpfer und Wegbereiter eines türkischen Reiches unter ihrer Führung.
„Tatsächlich fehlte den Jungtürken, die durch eine unblutige Revolution zur Macht gelangt waren, jedes wirklich liberale Gefühl. Die Freiheit der anderen war ihnen weit weniger wichtig als ihre eigene. Unter einer dünnen demokratischen Fassade verbargen sie unduldsamen Dogmatismus (...), der den türkischen Nationalismus anfachte, bis er im Kemalismus zum offenen Brand wurde(...). Sie sahen daher ihre Aufgabe nicht in der Liquidierung des Osmanenreiches; vielmehr wollten sie es zusammenflicken und erneuern, und die Türken sollten die Führung über die unterworfenen Völkerschaften behalten.“ (Gabrieli 1961: 52 – 53)
Infolgedessen wenden sich vor allem arabische Offiziere und Intellektuelle, die für eine Beibehaltung des Osmanischen Reiches mit Autonomiezugeständnissen eintreten, von den Jungtürken ab und es kommt zu verstärkten Sezessionsbestrebungen arabischer Staaten, die vor allem auswärts von Grossbritannien gefördert werden, mit der Aussicht auf einen eigenen arabischen Nationalstaat.
Die Sultan – Regierung und das Deutsche Reich unterhalten gute politische, ökonomische und militärische Kontakte zueinander, was letztlich zum Kriegseintritt des Osmanischen Reiches an der Seite des Deutschen Reiches führt. Innenpolitisch kämpft das Osmanische Reich gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Völker und in den äusseren Reichsgebieten führt es einen aussichtslosen Mehrfrontenkrieg gegen Grossbritannien und Russland. Am 30.10.1918 kapituliert die osmanische Staatsführung und es kommt zum Waffenstillstand von Mudros. Die Siegermächte – Russland, England, Frankreich, Italien und Griechenland - gestehen den Türken im Vertrag von Sevres, der am 10.09.1920 von einer Delegation des Sultans unterschrieben wird, nicht mehr zu als einen Rumpfstaat mit der Hauptstadt Istanbul.
Laut dem Vertrag von Sevres (30.10.1918), wird Osttthrazien und die Region Izmir, Griechenland zugesprochen. Die Meerengen werden internationalisiert und Istanbul steht unter alliierter Besatzung. Ein unabhängiger armenischer Staat soll in Ostanatolien entstehen und die kurdische Region nördlich von Mossul, im heutigen Irak, soll einen autonomen Status erhalten. Frankreich errichtet Mandate in Syrien und im Libanon sowie eine Einflusszone in Südanatolien. Grossbritannien wird entsprechendes in Palästina, Transjordanien und Mesopotamien (Irak), das die ölreiche Provinz Mossul umfasst, eingeräumt. Der südwestliche Teil von Kleinasien, soll italienisches Einflussgebiet werden. Somit erweist sich die Sultansdelegation als williger Vollstrecker der alliierten Besatzungsmächte und auch das entmachtete Parlament resigniert und akzeptiert, ohne Widerstand, die Zerstückelung des Reiches nach den strategischen Interessen der Kolonialmächte.
Das Komitee hingegen sensibilisiert in den Provinzen die öffentliche Meinung dafür, dass Teile des Landes der Gefahr ausgesetzt sind, von der Rumpf – Türkei, aus der das zusammengebrochene Imperium nur noch besteht, abgetrennt zu werden. Die vor dem Krieg angestrebte „pantürkische Reich – Vision“ begräbt der 1. Weltkrieg endgültig, weil sich die Völker auf dem Balkan als auch die Araber – mit tatkräftiger Unterstützung der Kolonialmächte - aus dem Osmanischen Reich lösen und unabhängig werden. Auch die anderen verbliebenen Minderheiten im Restreich arbeiten, mit auswärtiger Unterstützung, auf ihre Unabhängigkeit hin. Die eurasischen und kaukasischen Gebiete mit mehrheitlich turksprachigen Völkern verliert das Osmanische Reich an Russland, welches diese zu seinem Einflussgebiet erklärt. In dieser Phase versucht das Komitee, aber noch intensiver ein bestimmter Offizier namens Mustafa Kemal, das Restreich zu retten, indem er zum nationalen Befreiungskampf für die „türkische Nation“ aufruft.
Die Entdeckung der türkischen Nation ist also nicht zuletzt auch von Europa aus in die osmanische Gesellschaft hineingetragen worden.“ (Steinbach 1996: 69)
Ziya Gökalp (1875 – 1924), geistiger Vater des türkischen Nationalismus, beginnt erst 1896 Interesse für die frühe türkische Geschichte zu entwickeln, nachdem er Werke von Leon Cahun (1841 – 1900) über die Geschichte der Türken liest. Cahun, von Beruf Lehrer, Schriftsteller und Orientalist, ist mit seinen Büchern zu türkischen Themen auch in der Türkei sehr bekannt. Bis zur Revolution der Jungtürken 1908, wird an osmanischen Bildungseinrichtungen nichts über türkische Historie, sondern osmanisch – islamische Geschichte gelehrt und zwar auf arabisch und hochosmanisch. Erst nach der kemalistischen Revolution setzt sich die Türkisierung an den Bildungseinrichtungen vollkommen durch.
Es formiert sich ein nationaler Widerstand aufgrund der Tatsache, dass das Osmanische Reich auf ein Kerngebiet zusammengeschrumpft ist und jegliche politische und militärische Macht aus den Händen der Führung des Reiches entgleitet ist. Hinzu kommt die Landung der griechischen Armee in Westanatolien und die Wiederetablierung in Kilikien, das unter französischer Besatzung steht. Diese „Atmosphäre des Notstandes“ (Caglar 1984: 29) mobilisiert die muslimischen Türken gegen die Besatzungsmächte sowie gegen die verbleibenden christlichen Minderheiten im Rest Anatoliens. Somit führt der eben erst zu Ende gegangene Weltkrieg weiter und zwar in Form eines Unabhängigkeitskampfes von 1919 – 1923. An die Spitze dieses Kampfes stellt sich der General Mustafa Kemal. Er selbst gehört dem reformistischen Flügel der militär – bürokratischen Führung an. Auf Befehl des Sultans soll er zunächst die nationalistischen Unruhen in Zentralanatolien beenden, über die die alliierten Besatzungsmächte beunruhigt sind. Zu dem Zeitpunkt als er mit dem Befehl beauftragt wird, besetzen griechische Truppen Izmir und in Trabzon, am Schwarzmeer, rufen Griechen die „Pontische Republik“ aus.
Am 19.05.1919, der heute noch als nationaler Feiertag begangen wird, landet Mustafa Kemal in der Schwarzmeerstadt Samsun. Er verweigert sich allerdings dem Befehl des Sultans und beginnt von hier den militärischen Widerstand zu organisieren. Neben den militärischen Anstrengungen wird der nationalen Bewegung zusätzlich eine Art verfassungsmässige und programmatische Grundlage gegeben. Am 23.07.1919 treffen sich in Erzurum die Abgeordneten aller Sancaks (Verwaltungseinheiten) Anatoliens. Sie beschliessen eine „Zehn – Punkte – Resolution“, die folgendes beinhaltet:
Verbleib der sechs östlichen Provinzen im Reich; territoriale Integrität und nationale Souveränität aller Landesteile innerhalb der Waffenstillstandslinien sowie anderer Territorien, in denen die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung bilden; Beauftragung nationaler Kräfte die nationale Unabhängigkeit zu erhalten sowie Sultanat und Kalifat zu schützen (vgl. Steinbach 2000: 23).
Ein Repräsentativkomitee – mit Mustafa Kemal als Präsident – wird gewählt. Auf dem folgenden Kongress von Sivas (04. – 11.09.1919) werden die Beschlüsse bestätigt und der Kongress konstituiert sich als „Gesellschaft zur Verteidigung der nationalen Rechte von ganz Anatolien und Thrazien (Anadolu ve Rumeli müdafaa-i hukuk-u milliye cemiyeti)“ (Steinbach 2000: 24). Es vollzieht sich allerdings kein Bruch mit der verfassungsmässigen Ordnung des Reiches, weil die Position des Sultans gewahrt bleiben sollte und lediglich die Einsetzung einer patriotisch – nationalistischen Regierung in Istanbul gefordert wird. Der Sultan lässt im Dezember 1919 Wahlen zu, aus der die Nationalisten und patriotische Gesinnungsfreunde Mustafa Kemals als Sieger hervorgehen. Sie organisieren sich unter dem Namen „Fellah – Fraktion“. Am 16.03.1920 löst sich jedoch das Parlament wieder auf, weil britische Truppen führende Mitglieder der Fellah – Fraktion gefangen nehmen. Das Repräsentativkomitee verlegt inzwischen seinen Hauptsitz nach Ankara und dort konstituiert sich, am 23.04.1920, die Grosse Nationalversammlung (Büyük Millet Meclisi) unter der Präsidentschaft Mustafa Kemals. Nach der Nachricht vom Abschluss des Vertrages von Sevres – mit seinen erniedrigenden Bedingungen -, lehnt Mustafa Kemal die Istanbuler Sultans – Regierung und auch den Vertrag ab. Die Grosse Nationalversammlung wird zum Ausdruck des nationalen Willens und des türkischen Widerstandes gegen die imperialistischen Okkupanten. Zum Kriegsverlauf ist anzumerken, dass lediglich die Griechen vehementen Widerstand leisten während des Befreiungskampfes. Die Engländer, Franzosen und Italiener zeigen nicht die Absicht, dauerhaft Territorien besetzt zu halten. Nach lang anhaltenden Kämpfen schlagen die türkischen Armeen die griechischen Truppen zurück und befreien Izmir und schliesslich Istanbul, das unter alliierter Besatzung steht.
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