Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart im Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Lange, Jan Philip: Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart
in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg,
Diplomarbeit, 2003
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite II
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Kalkulierter Gewinn vs. kalkulierbarem Erfolg ... 1
2. Der deutsche Spielfilm: Eine Erfolgsgeschichte?
2.1. Die Entwicklung des deutschen Films seit 1895
2.1.1. Phase 1: Von den Anfängen bis 1945... 5
2.1.2. Phase 2: Deutscher Nachkriegsfilm und ,,Papas Kino" ... 14
2.1.3. Phase 3: Der neue deutsche Film... 18
2.1.4. Phase 4: Die 80er Jahre bis zur Gegenwart ... 21
2.2. Der deutsche Spielfilmproduzent heute... 25
3. Mit deutschen Filmproduktionen zu wirtschaftlichem Erfolg?
3.1. Definition des wirtschaftlichen Erfolgs ... 34
3.2. Erfolgsfaktoren deutscher Spielfilme ... 36
3.2.1. Genre und Inhalt ... 36
3.2.2.
Produktionsbudget ... 38
3.2.3. Besetzung/Auswahl des Teams ... 39
3.2.4. Look des Films/Gestaltung ... 42
3.2.5.
Pressearbeit/Marketing ... 43
3.2.6. Auswahl des Verleihs/Kopienanzahl ... 45
4. Der kommerzielle deutsche Kinoerfolg:
Einfluss und Strategien seiner Produzenten
4.1. Der deutsche Erfolgsproduzent der Gegenwart
und seine Methoden ... 47
4.1.1. Erläuterung zur Auswahl der Filme und Produzenten
4.1.1.1.
M
ÄNNERPENSION
von BojeBuck Produktion ... 47
4.1.1.2.
A
NATOMIE
von Claussen + Wöbke Film-
produktion und Deutsche Columbia
Pictures Filmproduktion ... 50
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite III
4.1.1.3.
D
AS
E
XPERIMENT
von typhoon networks ag,
Fanes Film, Senator Film Produktion und
SevenPictures... 53
4.1.2. Erfolgsfaktor 1: Genre und Inhalt
4.1.2.1.
M
ÄNNERPENSION
... 55
4.2.2.2.
A
NATOMIE
... 57
4.1.2.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 60
4.1.2.4. Fazit zu Genre und Inhalt... 63
4.1.2.5.
Exkurs:
SATA Satellite Aided Trend Analysis... 65
4.1.3. Erfolgsfaktor 2: Produktionsbudget
4.1.3.1.
M
ÄNNERPENSION
... 69
4.1.3.2.
A
NATOMIE
... 70
4.1.3.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 71
4.1.3.4. Fazit zu Produktionsbudget ... 72
4.1.4. Erfolgsfaktor 3: Besetzung/Auswahl des Teams
4.1.4.1.
M
ÄNNERPENSION
... 73
4.1.4.2.
A
NATOMIE
... 75
4.1.4.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 77
4.1.4.4. Fazit zur Besetzung und Auswahl des Teams ... 79
4.1.5. Erfolgsfaktor 4: Look des Films/Gestaltung
4.1.5.1.
M
ÄNNERPENSION
... 80
4.1.5.2.
A
NATOMIE
... 82
4.1.5.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 84
4.1.5.4. Fazit zu Look des Films/Gestaltung ... 85
4.1.6. Erfolgsfaktor 5: Pressearbeit/Marketing
4.1.6.1.
M
ÄNNERPENSION
... 86
4.1.6.2.
A
NATOMIE
... 87
4.1.6.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 88
4.1.6.4. Fazit zu Pressearbeit/Marketing... 89
4.1.7. Erfolgsfaktor 6:Auswahl des Verleihs/Kopienanzahl
4.1.7.1.
M
ÄNNERPENSION
... 90
4.1.7.2.
A
NATOMIE
... 90
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite IV
4.1.7.3.
D
AS
E
XPERIMENT
... 91
4.1.7.4. Fazit zu Auswahl des Verleihs/Kopienanzahl ... 92
4.2. Zukunftspläne der Produzenten
4.2.1. BojeBuck Produktion GmbH... 95
4.2.2. Claussen + Wöbke Filmproduktion GmbH
und Deutsche Columbia Pictures Filmproduktion... 95
4.2.3. typhoon networks ag... 95
5. Schlussbetrachtung und Ausblick... 96
Literaturverzeichnis/Quellennachweis ... V
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 1
1. Kalkulierter Gewinn vs. kalkulierbarem Erfolg
,,Welche Filme gemacht werden, spiegelt die Mentalität der Produzenten;
welche Filme erfolgreich sind, spiegelt den Geschmack des Publikums."
1
Das Zitat von William Goldman, seines Zeichens kein Produzent, aber Oscar-
gekrönter Drehbuchautor
2
, beschreibt die Situation der Filmproduktion nicht nur in
Amerika, sondern auf der ganzen Welt also auch in Deutschland. Und es deutet auf
die Kernfrage hin, zu deren Beantwortung diese Arbeit Ansätze und Vorüberlegungen
finden will
3
: Wie können deutsche Spielfilmproduzenten ihre Filme erfolgreich machen,
und zwar vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht?
Die Antwort wäre Goldman zufolge gar nicht allzu schwer zu beantworten:
Man muss einfach den Geschmack des Publikums treffen. Doch genau das ist das ent-
scheidende Problem, weil Produzenten den Geschmack ihrer potentiellen Zuschauer
offenbar allzu oft entweder nicht richtig einschätzen oder im Vorfeld analysieren kön-
nen
4
oder aber durch welche Umstände auch immer diesen Geschmack gar nicht
unbedingt treffen wollen.
Letzteren Fall wird diese Arbeit allerdings außer Acht lassen und sich statt des-
sen an diejenigen wenden, die durchaus Interesse daran haben, ein möglichst großes
Publikum für ihre Filme zu finden, um entsprechend große Gewinne zu erwirtschaften.
Eine Gebrauchsanleitung für die Herstellung von Kinohits ist diese Arbeit leider nicht
5
,
aber sie versucht an Beispielen zu analysieren, ob Gemeinsamkeiten bei den deutschen
Erfolgsfilmen
6
seit 1990 festzustellen sind, ob diese geplant waren oder planbar gewe-
1
William Goldman in Squire, Jason E., 1995, S. 92
2
William Goldman schrieb u. a. die Drehbücher zu B
UTCH
C
ASSIDY AND THE
S
UNDANCE
K
ID
(Oscar) und
M
ISERY
3
Die Arbeit ist insofern eine Prolegomena (griech. ,,Vorüberlegung") zu einer vertiefenden, wissenschaft-
lichen Diskussion.
4
Stichwort ,,Verwertungsrisiko", vgl. Bächlin, 1975, S. 96 ff. oder Iljine/Keil, 1997, S. 123
5
zu der Erkenntnis, dass dies nahezu unmöglich ist, kommt auch Bastian Clevé in ,,Investoren im Visier",
1998, S. 21: ,,Andererseits gibt es Filme, die alles zum Erfolg Notwendige haben: (...). Und dennoch will
sie keiner sehen. (...), Nobody knows anything'"
6
Erfolg ist in dieser Arbeit wenn nicht anders vermerkt stets in kommerzieller Hinsicht gemeint, auch
wenn es eine Vielzahl von Filmbeispielen gibt, die wirtschaftlich weniger bedeutend waren, dafür aber
erfolgreich unter künstlerischen oder innovativen Aspekten.
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 2
sen wären, in welchem Umfeld und zu welcher Zeit sie im Kino gestartet sind und na-
türlich von wem und wie sie produziert wurden. Ziel ist es, herauszufinden, ob es trotz
der strukturellen Probleme, die der deutsche Film zumindest seit der Tonfilmzeit
7
und
allerspätestens seit dem Auswandern großer Talente während des zweiten Weltkriegs
8
hat, planbare Faktoren und ,,Regeln" gibt, die die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg
und damit Rentabilität für die Produzenten zumindest erhöhen können
9
. Nicht uner-
wähnt werden auch die Umstände bleiben, unter denen Produzenten heute in Deutsch-
land arbeiten. Die Überschrift dieses Kapitels ,,Kalkulierter Gewinn
10
vs. kalkulierba-
rem Erfolg" zeigt bereits die, wenn man so will, ,,sozialistischen" oder zumindest plan-
wirtschaftlichen Strukturen der hiesigen Filmproduktion auf. Denn anders als in anderen
Branchen, in denen der Gewinn (oder Verlust) eine direkte Konsequenz des wirtschaft-
lichen Erfolgs (bzw. Misserfolgs) eines Produkts ist, werden bei einem deutschen Spiel-
film Gewinn (bei Spielfilmproduktionen als ,,Producer's Fee" bezeichnet) und die sog.
Handlungsunkosten gleich mit kalkuliert und sind insofern nahezu unabhängig
11
von
der Marktfähigkeit des Produkts Film. Ermöglicht wird dies auch durch die staatliche
Subventionierung von Filmproduktionen in Form der bundesweiten oder regionalen,
wirtschaftlichen oder kulturellen Filmförderung
12
. Diese Förderung ist zweifelsohne
notwendig
13
, jedoch verlangt auch sie mehr und mehr, den kommerziellen Erfolg eines
7
1926 brachte Warner Bros. den ersten tönenden Spielfilm heraus. Da sich die Tonfilmproduktion in
Deutschland zu langsam entwickelte, drangen die amerikanischen Filme verstärkt auf den deutschen
Markt. Zudem konnten deutsche Tonfilmproduktionen nur noch erschwert ins Ausland verkauft werden,
da die Dialoge außerhalb des deutschsprachigen Raums nicht verstanden wurden und die Synchronisation
zusätzliche Kosten verursachte (vgl. Bächlin, 1975, S. 55 und 63 ff.). Das Problem deutscher Sprache in
deutschen Filmen ist auch heute noch einer der wesentlichen Gründe, die eine internationale Auswertung
heimischer Produktionen erschweren (vgl. Clevé, 1996, S. 90)
8
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 33
9
Was die Bezeichnung ,,erfolgreich" angeht, so wird dieser Begriff im Kontext dieser Arbeit im Kapitel
3.1. genauer definiert.
10
Wichtig: bei Spielfilmproduktionen darf i. d. R. kein Gewinn, sondern lediglich ein Produzentenhono-
rar kalkuliert werden, das aber dem kalkulierbaren Gewinn bei einer Fernsehproduktion entspricht.
11
Ausnahmen: Wenn der Film die geplanten Fertigungskosten übersteigt, werden Überschreitungen mit-
unter aus dem Gewinn oder den Handlungsunkosten abgedeckt und mindern so den Gewinn des Produ-
zenten. Andererseits können zusätzliche Erlöse aus der Verwertung des Films fließen, aus denen aller-
dings zumeist die von der Filmförderung gewährten Darlehen zurückzuzahlen sind und insofern nur in
seltenen Fällen zu zusätzlichen Einnahmen des Produzenten werden.
12
Fast kein deutscher Spielfilm (reine Fernsehauftragsproduktionen ausgenommen) entsteht heute ohne
Fördermittel der FFA, des BKM oder einer anderen Förderinstitution. Das Volumen aller deutschen Film-
förderungen zusammen (alle Förderarten) betrug im Jahr 2002 rund 212 Millionen Euro (vgl. ,,FFA-Info"
Nr. 1/03).
13
vgl. Artikel ,,Film ist kein Wirtschaftsgut" in ,,Blickpunkt:Film", Ausgabe 14/03, S. 28
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 3
Films in den Focus zu rücken
14
. Ein entscheidender Nachteil des deutschen Fördersys-
tems allerdings ist, dass man als Produzent wenn man hauptsächlich auf dieses setzt
von ihm abhängig ist, denn ohne Fördergelder entsteht dann kein Film. Gerade in der
gegenwärtigen Medienkrise
15
, in der z. B. auch Fernsehproduzenten, die nicht mehr
genügend Aufträge von den Sendern erhalten, auf den ,,Fördermarkt" drängen und da-
mit die Anzahl der Anträge steigt
16
, die Chance jedes einzelnen Produzenten auf Bewil-
ligung seiner beantragten Mittel jedoch sinkt und damit die Chance auf die Realisier-
barkeit seines Filmvorhabens.
Besser wäre es da, als Produzent unabhängiger von den Entscheidungen der
staatlichen Filmförderung zu sein. Voraussetzug dafür wäre, andere Investoren zu fin-
den bzw. neue Geldquellen für Filmproduktionen beispielsweise Fonds
17
zu er-
schließen. Das allerdings dürfte nur dann funktionieren, wenn die Chancen auf einen
wirtschaftlichen Erfolg des Projekts wesentlich höher sind, als es heute bei den meisten
deutschen Filmen der Fall ist
18
. Der deutsche Spielfilm müsste dazu sicher noch mehr
als in der Vergangenheit eher als Produkt, als wirtschaftliches Gut oder eben als ,,Wa-
re mit einem Gebrauchswert" (Bächlin, 1975, S. 9) denn als reine Kunst gesehen wer-
den.
Um aufzuzeigen, wie ein solches Produkt, nämlich der erfolgreiche deutsche
Spielfilm, entstehen könnte und was Produzenten bislang dafür getan (oder nicht getan)
haben, ist diese Arbeit wie folgt aufgebaut: Zunächst wird ein kurzer Abriss über die
Geschichte der Filmproduktion in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis
14
vgl. Punkt 1.2.4. der ,,Allgemeinen Grundsätze in den Vergaberichtlinien des Filmboards Berlin-
Brandenburg": ,,Gefördert wird die Herstellung von Kinofilmen. Das Filmvorhaben muss wirtschaftlich
vgl. Artikel ,,Medienkrise Mehr Schein als Sein" in ,,Geldidee", Ausgabe vom 11.10.2002, S. 1
16
Dem Filmboard Berlin-Brandeburg lagen im Jahr 2003 bereits zur ersten (von jährlich mindestens drei)
Vergabeentscheidung im Januar Anträge mit einer Gesamthöhe von 15 Mio. Euro vor. So viel allerdings
beträgt das Fördervolumen des Filmboards für ein ganzes Jahr. (Quelle: Rede des Intendanten des Film-
boards Berlin-Brandenburg, Prof. Dr. Klaus Keil, am 21.12.2002 in Berlin)
17
Dass eine Zusammenarbeit mit Fonds auch in Deutschland und für deutsche Produktionen grundsätz-
lich nicht unmöglich ist, zeigt das Beispiel German Film Productions (u. a. Co-Produzent des TV-Movies
D
AS
W
UNDER VON
L
ENGEDE
), ein Fonds, der in deutsche Produktionen investiert wenn auch vornehm-
lich in weniger risikoreiche Fernseh- statt Kino-/Spielfilmproduktionen (Quelle: Internet,
http://www.dermedienfonds.de/news.php, Zugriff am 08.11.2003).
18
Im Jahr 1993 hatten 76,3 % der deutschen oder deutsch-ausländischen Co-Produktionen weniger als
20.000 Kinozuschauer und damit Einnahmen an der Kinokasse von nur etwa 100.000,00 Euro (vgl. Cle-
vé, 1996, S. 89)
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 4
heute einen Überblick darüber geben, welche Arten von Filmen entstanden, wie erfolg-
reich sie waren und wodurch die gegenwärtige Produktionslandschaft geprägt worden
ist. Die Situation der deutschen Produzenten heute wird etwas ausführlicher beschrie-
ben, denn um ihre Filme geht es hier. Anschließend folgt eine Definition des Begriffs
,,erfolgreicher Kinofilm", der in dieser Arbeit oft verwendet werden wird und der ohne
eine genaue Definition zu umfassend und vieldeutig wäre. Überlegungen zu Möglich-
keiten und Faktoren der Erfolgsplanung deutscher Spielfilme werden gefolgt vom gro-
ßen Kapitel 4, in dem insbesondere anhand von Interviews, vorbestehender Literatur
und anderen Veröffentlichungen dargestellt wird, wie deutsche Produzenten bislang
erfolgreiche Spielfilme hergestellt haben und wie sie dies in Zukunft tun wollen, können
und sollten. An drei Beispielen für einen Kinohit (M
ÄNNERPENSION
,
A
NATOMIE
und D
AS
E
XPERIMENT
) werden die unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und Aspekte der
Produktion vorgestellt und verglichen. Chefs zweier Filmförderungen, Produzenten, ein
Marketingfachmann für Kinofilme und andere Experten schätzen zudem die Chancen
auf den deutschen Erfolgsfilm ein. Außerdem wird ein neues Instrument zur Erfor-
schung der Akzeptanz von Filmen durch die geplante Zielgruppe (SATA) vorgestellt. In
der Schlussbetrachtung finden sich die Erkenntnisse aus den gesammelten Informatio-
nen und die Einschätzung der Frage, ob es für deutsche Produzenten planbare Erfolgs-
faktoren für ihre Filme und damit Erfolgsstrategien für die Zukunft gibt.
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 5
2. Der deutsche Spielfilm: Eine Erfolgsgeschichte?
2.1. Die Entwicklung des deutschen Films seit 1895
,,Die Stärke des deutschen Films ist seine Vielfalt"
19
2.1.1. Phase 1: Von den Anfängen bis 1945
,,Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" würde dieses alte Sprichwort uneinge-
schränkt gelten, wäre es nicht nachvollziehbar, warum Deutschland nicht das Filmland
schlechthin ist. Denn die Geschichte der bewegten Bilder begann hier, im Berliner Win-
tergarten-Variete im Jahr 1895. Die Gebrüder Skladanowsky zeigten dort am 1. No-
vember
20
auf einer Leinwand eine lose Folge von beweglichen Bildern
21
. Erst knapp
zwei Monate später, dafür allerdings von größerer öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgt
und damit den offiziellen Beginn der Filmgeschichte markierend, präsentierten die Brü-
der Lumière im Grand Café Paris mit dem von ihnen entwickelten ,,Cinématographe"
eine Reihe kurzer Filme
22
.
Bis es zur wirklichen Arbeitsteilung im Bereich der Filmproduktion und da-
mit zur Herauskristallisierung auch des eigentlichen Produzentenberufes kam, vergin-
gen einige Jahre. Zunächst waren Filmemacher Handwerker, wenn man so will ,,Auto-
renfilmer", die von der Entwicklung und der Konstruktion der technischen Vorausset-
zungen für die Aufnahme und Wiedergabe ihrer Werke über das Drehbuch und die Pro-
duktionsleitung bis hin zur Regie und zum Marketing alles in Personalunion alleine
ausführten
23
. Diese ausgeprägten vertikalen Strukturen natürlich wesentlich professio-
nalisiert und arbeitsteilig organisiert finden sich heute nur noch bei großen Medien-
19
aus der ,,Hamburger Erklärung" in Prinzler/Rentschler, 2001, S. 13
20
Bereits im Februar 1895 führte Ottomar Anschütz in Berlin seinen ,,Schnellseher" vor, der jedoch noch
mit Glasdias statt mit Filmfolien funktioniert (vgl. Prinzler, 1995, S. 1)
21
vgl. Kracauer, 1958, S. 10
22
vgl. Prinzler, 1995, S. 1 und 2
23
Insofern könnte man die Brüder Lumière in Frankreich und Skladanowsky in Deutschland als die ersten
Filmproduzenten bezeichnen, wenngleich der kommerzielle Aspekt dieses neuen Unterhaltungsmediums
wahrscheinlich noch nicht der primäre Antrieb für ihre Arbeit war (vgl. Bardèche in Gregor/Patalas,
1973, S. 13)
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 6
konzernen, die dadurch bessere Möglichkeiten haben, die Gewinne aus allen Produkti-
ons- und Auswertungsstadien abzuschöpfen.
Als erster wirklicher Produzent des deutschen Films ist Oskar Messter (*1866,
1943) zu bezeichnen, selbst wenn auch er anfangs noch Produzent, Regisseur, Verlei-
her, Kinobesitzer und Musikproduzent in einem war
24
. Aber mehr als seine Vorgänger
oder die meisten seiner Konkurrenten zeichnet sich Messter, der schon 1896 sein erstes
Kunstlichtatelier in der Berliner Friedrichstraße betreibt, durch typische Eigenschaften
und Fähigkeiten eines guten Produzenten aus
25
: Er holt berühmte Theaterschauspieler
vor die Kamera und hat das richtige Gespür für Geschichten, die ein großes Publikum
interessieren. Außerdem experimentiert er schon früh mit Innovationen wie zum Bei-
spiel der optischen Überblendung
26
oder den ,,Tonbildern"
27
, die später großenteils zum
Standard in Filmen werden. Durch die Mitwirkung der Theaterstars in Messters Fil-
men
28
gelingt es dem neuen Medium nach und nach auch, seinen Beigeschmack von
billiger Jahrmarktsattraktion
29
los zu werden. Dieses allerdings trotz der nicht unbedingt
künstlerisch ambitionierten oder inhaltlich bedeutsamen Stellung von Messters Filmen.
Er produzierte im Gegensatz zu seinen französischen Kollegen aus der Kunst wie
George Méliès oder Emile Cohl eher die populären Genres leichter Unterhaltung wie
Melodramen, Komödien oder Detektivfilme
30
. Mit diesen Produktionen und in Kombi-
nation mit der Herstellung und dem Verkauf von Filmprojektoren fuhr Messter durch-
aus gut: Sein Umsatz im Jahr 1908 belief sich auf knapp 470.000 Mark und hatte sich
damit binnen drei Jahren verdreifacht
31
. Offenbar entsprachen seine Filme den Erwar-
24
Vor seiner Tätigkeit als Filmhersteller hatte Messter bereits Filmprojektoren gebaut und verkauft. An-
fangs dienten die von ihm produzierten Filme vor allem dazu, den Käufern seiner Projektoren die ent-
sprechende ,,Software", also Filme zur Vorführung, zur Verfügung zu stellen.
25
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 14
26
vgl. Kracauer, 1958, S. 10
27
1903 stellte Messter in Berlin sein ,,Biophon" vor, das Filmprojektor und Grammophon synchronisier-
te. Diese Erfindung setzte sich langfristig jedoch nicht durch.
28
z. B. D
AS
L
IEBESGLÜCK EINER
B
LINDEN
oder M
EISSNER
P
ORZELLAN
, beidemit Henny Porten
29
,,Das Gesicht des Films in jener Frühzeit glich der Erscheinung eines Gassenjungen: es trug die Züge
eines verwilderten und verwahrlosten Geschöpfes, das sich gleichsam nur in der Unterwelt umhertrieb."
(Kracauer, 1958, S. 11)
30
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 14
31
vgl. ,,KINtop Schriften 2", 1994, S. 155)
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 7
tungen des breiteren Publikums; zudem hatte Messter die Gabe, Entwicklungen und
Veränderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren
32
.
Ein Zeitgenosse Messters und ebenfalls Pionier und Entwickler des deutschen
Films war Paul Davidson, der 1906 die erste Kinokette in Deutschland gründete (PA-
GU, Projektions Aktien-Gesellschaft Union). Auch er besaß die wichtige Produzenten-
fähigkeit, Partner und sogar Skeptiker des Films für seine Sache zu begeistern. So tat er
sich 1911 in einem Verband mit dem Theaterregisseur Max Reinhardt zusammen, um
die Kooperation zwischen Filmproduzenten und Theaterschaffenden zu fördern. Das
Ergebnis: Theaterschauspieler konnten sich durch Filmrollen Geld dazu verdienen und
zudem vor einem allein im Theater unerreichbar großen Publikum spielen. Das Film-
gewerbe profitierte insofern, als dass nun auch immer mehr bürgerlich-konservative
Zuschauer sowie Intellektuelle das Kino als Kunst und Kultur akzeptierten
33
. Jedoch:
Dieser anfängliche Erfolg der vermeintlich höheren Akzeptanz des Films hielt nicht
lange an, denn zu viele Theaterregisseure und Schauspieler begangen den Fehler, nicht
die neuen Ausdrucksmittel des Films zu nutzen, sondern mehr und mehr lediglich Thea-
terstücke abzufilmen
34
. Das konnte ein Massenpublikum auf Dauer nicht begeistern.
Was begeistert, sind Innovationen sowohl in technischer
35
als auch inhaltlicher
Hinsicht bzw. neue ,,Seh-Attraktionen": ,,Das Publikum wurde langsam abgehärtet,
verlangte immer krassere Effekte, und die Filmfabrikaten bekundeten natürlich bereit-
williges Entgegenkommen."
36
. Publikumsfilme sind gefragt, die den Zuschauern neue
Welten eröffnen: Seien es Verfolgungsjagden per Auto, Zug, Flugzeug oder Schiff wie
in den Detektivfilmen
37
oder aber Western mit Indianerstämmen, Planwagen und einem
zum Christentum bekehrten Winnetou
38
. Dieses Erzählkino entwickelt sich in Deutsch-
land zwischen 1909 und 1914. Der Umbruch von kurzen zu immer längeren Filmen mit
32
So trennte er 1911, als sich abzeichnete, dass die Tendenz von Kurzfilmen weg und zu Langspielfilmen
hing ging, die kinotechnische von der Filmproduktion ab und gründete 1913 die Messter Film GmbH, die
später in der UFA aufging (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 24)
33
vgl. Kracauer, 1958, S. 12 und Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 21
34
vgl. Kracauer, 1958, S. 12 ff.
35
z. B. die ,,entfesselte" (d. h. bewegte) Kamera, die der Kameramann Karl Freund 1924 in F. W. Mur-
naus D
ER LETZTE
M
ANN
einsetzt.
36
aus: T. H. Mayer: Lebende Photographien (in ,,Österreichische Rundschau" vom 01.04.1912)
37
vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 32
38
vgl. Kracauer, 1958, S. 14
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 8
bis zu einer Stunde Spieldauer, die damit quasi ,,abendfüllend" werden, bringt auch eine
Neustrukturierung des Produktions- und Verleihwesens mit sich. Während in den An-
fangsjahren des Films ob auf dem Rummel oder in festen Lichtspielhäusern stets
mehrere Kurzfilme in einer bunten Mischung hintereinander gezeigt wurden, begann
nun das Zeitalter des ,,Monopolfilms"
39
. Dieser Film avancierte von einer ,,anonymen
Ware"
40
zu einem einzeln vermarktbaren Produkt. Allerdings hatten schon in den 10er
Jahren des 20. Jahrhunderts die europäischen Nachbarn Deutschlands sowie die Ameri-
kaner das glücklichere Händchen bei den ,,Kassenschlagern" unter den Filmen. Der
deutsche Film hatte bis 1914 in der Phase des ersten weltweiten Wirtschaftsbooms
in heimischen Kinos einen Marktanteil von nur 12 %
41
. Trotzdem war dies für die Bran-
che eine lukrative Zeit; denn in den rund 2.900 Kinos sahen einen durchschnittlich er-
folgreichen Film etwa 6,5 Millionen Zuschauer (bei einer Kopienzahl von nur 60
Stück)
42
.
Da seit der ständigen Zunahme an festen Lichtspieltheatern
43
, die immer wie-
der von denselben Zuschauern besucht wurden, der Bedarf an neuen Filmen fortwäh-
rend stieg, waren die Produzenten bald nicht mehr in der Lage, ihre Produktionen von
der Idee über die Realisierung bis zur Vermarktung alleine zu betreuen. Dieses führte zu
einer immer detaillierteren Aufgabenteilung und zu einer neuen Struktur der Filmwirt-
schaft in die drei Hauptbereiche Produktion, Verleih und Kinobetrieb. Vorteile brachte
diese Entwicklung für alle Beteiligten: Aus Sicht der Produzenten ergab sich eine Stei-
gerung des Absatzes, weil über die Verleiher mehr Filme schneller an die Konsumen-
ten, also die Kinobetreiber, abgesetzt werden konnten. Zudem entstand ein neues Finan-
zierungsinstrument, das heute mit dem Begriff ,,Verleihgarantie" bezeichnet wird: Pro-
duzenten erhielten für besonders Erfolg versprechende Produktionen bereits im Vorfeld
der Realisierung Gelder von den Verleihern, die diese wiederum von den Kinobetrei-
bern einnahmen
44
.
39
,,Monopolfilm" meint die Verleihstruktur, die auf die Distribution eines einzelnen Films zielt
40
vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 29
41
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 16
42
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 16
43
diese lösten nach und nach das Wanderkinogewerbe, das sein Publikum auf Jahrmärkten und in Varie-
tes fand, ab
44
vgl. Bächlin, 1975, S. 26 ff.
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 9
Dass trotz der Entwicklung der deutschen Filmindustrie schon zu Beginn der
10er Jahre ausländische Filme den Markt überschwemmten, lag wie Siegfried Kra-
cauer es ausdrückt auch an einer ,,Mangelerscheinung"
45
des deutschen Films:
,,Dass solche Filmlustspiele, die dem Zufall und einem naiven Glücksverlan-
gen tragende Rollen zuwiesen, nicht in Deutschland entstehen konnten, erklärt
sich vielleicht aus der traditionellen deutschen Gedankenwelt, die die Vorstel-
lung des Glücks zu Gunsten der des Schicksals verächtlich macht. (...) Der
deutsche Humor ist ein Gefühlshumor (...)"
46
Vor allem amerikanische und in der Vorkriegszeit des Ersten Weltkriegs auch dänische
Filme faszinierten das deutsche Publikum, in dem sie auch mit ,,Kitsch" und einer ge-
wissen Vereinfachung sowie ,,clownischem Humor"
47
arbeiteten. Dadurch waren sie
auch universell verständlich eine Eigenschaft, die dem amerikanischen Film bis heute
zu seinem weltweiten Erfolg verhilft
48
.
Eine vorübergehende Entschärfung der Konkurrenzsituation mit ausländischen
Filmen wurde durch den Ersten Weltkrieg herbeigeführt: Deutschland war vom interna-
tionalen Vertriebsnetz abgeschnitten, was zu einem neuen Produktionsschub der heimi-
schen Filmwirtschaft führte
49
. In diesem Zuge entstanden nicht nur eine Unmenge an
filmischer ,,Massenware", sondern auch diverse Produktionen hoher Qualität
50
. Diese
Qualität ist nicht zuletzt auch den Produzenten der damaligen Zeit zu verdanken: Allen
voran Erich Pommer (*1889, 1966), der 1915 die Decla (Deutsche Eclair) gründete
und bis zur kurzzeitigen Auswanderung nach Amerika Mitte der 20er Jahre und der
vorübergehenden Emigration während des Zweiten Weltkriegs teilweise mehr als 30
Filme im Jahr produzierte
51
. Auch in Amerika und später wieder in Deutschland war er
45
vgl. Kracauer, 1958, S. 15 ff.
46
Kracauer, 1958, S. 15 und 16
47
vgl. Kracauer, 1958, S. 15
48
Anzumerken ist, dass z. B. während des Ersten Weltkriegs auch deutsche Produktionen vor Kitsch
trieften und teilweise sogar im Film behandelte historische Begebenheiten allen Sinnes entleerten (vgl.
Kracauer, 1958, S. 31 ff.)
49
Im Jahr 1914 gab es in Deutschland 25 deutsche und 47 ausländische Filmfirmen; 1918 waren es 130
deutsche und nur noch zehn ausländische Unternehmen.
50
zum Beispiel D
ER
A
NDERE
(1913) oder S
CHUHPALAST
P
INKUS
(1916)
51
vgl. Jacobsen, 1989, S. 165 ff.
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 10
über Jahrzehnte eine der bedeutendsten Produzenten-Persönlichkeiten mit einer Filmo-
grafie von weit über 200 Titeln
52
. Pommer erkannte, dass die Qualität eines Films durch
Aufgabenteilung und Professionalisierung der einzelnen Arbeitsbereiche entsteht. So
schrieb er im Januar 1931 in ,,Der Querschnitt"
53
:
,,Die Filmherstellung fußte immer auf Kollektivismus, auf bunter Vielheit von
Komponenten, die aus entgegengesetzten Richtungen zusammenströmten."
Nach dem durch den Krieg bedingten Wegfall eines der zuvor größten Konkurrenten
des deutschen Films, Frankreich, sahen sich heimische Produzenten nur noch der Vor-
machtstellung der dänischen ,,Nordischen Film-Kompagnie" ausgesetzt, die allerdings
durch die konzernartige, vertikale Struktur (Filmproduktion, Verleih und Kinobetrieb)
erheblich war.
Einen ersten Konzern ähnlichen Ausmaßes gab es in Deutschland erst ab 1917,
dem Gründungsjahr der UFA (Universum Film AG) mit einem Startkapital von 25 Mil-
lionen Mark
54
. Dieses Unternehmen wurde möglich, da die Gelder für die Gründung
nicht von Produzenten selbst, sondern zu einem Drittel vom Staat
55
und vor allem von
Banken aufgebracht wurden. Letztere hatten sich bis dato aus dem aus ihrer Sicht im-
mer noch etwas undurchschaubaren und unseriösen Gewerbe der Filmproduktion zu-
rückgehalten; erst als parallel zum Ersten Weltkrieg der große kommerzielle Erfolg
des Films in Amerika Einzug hielt
56
, interessierten sich auch in Deutschland Banken für
Investitionen in dieser Branche. Mit der UFA wurde in Deutschland, wenn auch in einer
Zeit, die bedingt durch die geringe Konkurrenz auf Grund des Krieges als ,,Wolken-
kuckucksnest" für die heimische Produktionslandschaft bezeichnet werden könnte, der
Grundstein für die erfolgreiche Filmproduktion in Deutschland auch nach dem Krieg
gelegt. Allerdings mit einer Einschränkung, die auch heute noch das Problem vieler
kleinerer Produzenten ist: Die Vormachtstellung der wenigen Konzerne bzw. großen
52
zum Beispiel D
ER LETZTE
M
ANN
(1924), M
ETROPOLIS
(1925/26), D
ER BLAUE
E
NGEL
(1929/30)
53
vgl. Jacobsen, 1989, S. 6
54
vgl. Iljine/Keil 1997, S. 18
55
der die Bedeutung des Films als wirkungsvolles Propagandainstrument erkannt hatte
56
vgl. Bächlin, 1975, S. 35
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 11
Firmen
57
etablierte sich und wurde zur existentiellen Bedrohung für einzelne Produzen-
ten. Zeitgleich mit ihrer Gründung schluckte die UFA beispielsweise den Messter-
Konzern und Teile der PAGU sowie später die May-Film und andere. Diese Konzentra-
tionsbewegung fand allerdings auch im fernen Amerika
58
statt, wo 1927 nur noch sieben
Konzerne den nationalen und internationalen Filmmarkt bestimmten
59
.
Vielleicht war es für die Produzenten der Nachkriegszeit einfacher als heute,
den Nerv des Publikums zu treffen. Der Erste Weltkrieg lieferte in jedem Fall genügend
Motive, die zum einen in Form der expressionistischen Filmkunst
60
, die sich mit einer
dunklen, dämonischen Welt befasste, aufgegriffen und bearbeitet wurden, zum anderen
die Voraussetzung für Filme bildeten, die der durch Hunger und Arbeitslosigkeit gepei-
nigten Bevölkerung Hoffnung und die Aussicht auf Besserung, zumindest aber eine
Fluchtmöglichkeit aus der harten und unwirtlichen Realität gaben
61
. Auch die Aufklä-
rungsfilme
62
von Richard Oswald (sowie eine, nach der Abschaffung der staatlichen
Zensur möglich gewordene, Reihe von Sexualfilmen mit teilweise weniger aufkläreri-
schem Charakter
63
) bestimmten die Zeit der Weimarer Republik; besonderer Beliebtheit
erfreuten sich ebenso Detektiv- und Abenteuerfilme, die den ,,Hunger nach konzentrier-
ter Lebenserfahrung"
64
ihres Publikums stillten.
Die gute Ausgangslage zumindest der großen Produktionsunternehmen in
Deutschland konnte sich nach dem Ersten Weltkrieg zunächst auch dadurch weiter ent-
wickeln, dass die fortschreitende Inflation eine im Vergleich zum Ausland äußert
preiswerte Produktion von Filmen ermöglichte. Dieses nutzen die heimischen Produ-
zenten, die einerseits durch Dumpingpreise bei Auslandsverkäufen ihrer Filme ein gutes
Geschäft machten und andererseits ihre Kapazitäten auch ausländischen Produzenten
gegen harte Währung für Produktionen in Deutschland zur Verfügung stellten.
57
neben der UFA z. B. noch Emelka oder Decla-Bioscop (die später in der UFA aufgeht)
58
wo sich seit 1910 Hollywood als Produktionszentrum entwickelte
59
vgl. Bächlin, 1975, S. 43
60
eingeleitet durch D
AS
C
ABINET DES
D
R
.
C
ALIGARI
(1920)
61
zum Beispiel V
ERITAS
V
INCIT
,
D
IE
A
USTERNPRINZESSIN
oder der Exporthit M
ADAME
D
UBARRY
(alle 1919)
62
wie A
NDERS ALS DIE
A
NDERN
(1919), einem ,,sozialhygienischem Filmdrama" gegen die Diskreminie-
rung von Homosexuellen (vgl. Prinzler, 1995, S. 45)
63
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 20 und 21
64
aus Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 40
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 12
Hervorgerufen durch die Stabilisierung der Reichsmark im Jahr 1924 geriet die
deutsche Filmwirtschaft, die sich damals zum drittgrößten deutschen Industriezweig
entwickelt hatte, ins Schlingern. Offenbar war ein wesentliches Argument für den Er-
folg deutscher Filme der Umstand, dass er so preiswert zu haben war. Dieses änderte
sich nun und führte dazu, dass vor allem amerikanische Filme wieder vermehrt in den
deutschen Markt eindrangen
65
. Auch die sog. Kontingentpolitik
66
Deutschlands konnte
daran nachhaltig nichts ändern. Doch damit nicht genug: Der immer noch anhaltende
Siegeszug des amerikanischen Films hat in dieser Phase seine Wurzeln, denn es gelang
den großen Hollywood-Firmen auch, deutsche Stars vor und hinter der Kamera abzu-
werben und sie für ihre eigenen Produktionen zu verpflichten. Damals wie heute steckt
dahinter die funktionierende Idee, mit diesen Kreativen nicht nur die eigenen Werke für
den heimischen Markt zu bereichern, sondern sie vor allem für den Export in andere
Länder, insbesondere in das Herkunftsland der zuvor Abgeworbenen, interessant zu
machen. Die Filmschaffenden selbst fanden in Hollywood optimale Bedingungen vor,
die nur durch die Prämisse der möglichst weltweiten Marktfähigkeit der produzierten
Filme eingeschränkt waren.
Die in ihrer Heimat verbliebenen deutschen Produzenten suchten ihr Heil im
Kopieren des amerikanischen Films, der offenbar den Geschmack der ganzen Welt traf:
,,Da Hollywood das Geheimnis entdeckt zu haben schien, wie man aller Welt
gefallen könnte, schwebte deutschen Produzenten das Traumbild einer Nach-
ahmung dessen vor, was sie für den echten Hollywoodstil hielten."
67
Diese Strategie ging jedoch nicht auf, sondern beschleunigte laut Kracauer eher den
Verfall des deutschen Films
68
. Denn die Herstellung vergleichbarer Filme in Deutsch-
land war so teuer, dass die Einnahmen stets unter den Produktionskosten blieben. Zu-
dem verkamen viele Filme dieser Zeit zu Werken ,,ohne Spur wirklichen Lebens"
69
und
65
vgl. Kracauer, 1958, S. 86 ff.
66
Das Kontingentgesetz sah vor, dass für jeden importierten Film ein deutscher Film exportiert wurde
und später sogar, dass für jeden Import ein deutscher Film produziert werden musste (Kompensationssys-
tem).
67
Kracauer, 1958, S. 88
68
vgl. Kracauer, 1958, S. 88
69
aus Kracauer, 1958, S. 91
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 13
wurden von Zeitgenossen zum Teil scharf kritisiert, als ,,eine Mischung von histori-
schem Seminar, Ausstattungspantomime, ein lebendig gewordenes Museum (...). Alles
Kostüm! Alles Maske!"
70
.
Als letzte Chance sahen deutsche Produktionsunternehmen wie die UFA, mit
den Amerikanern zusammen zu arbeiten. Der 1925 abgeschlossene ParUfaMet-Vertrag
zwischen Paramount, UFA und MGM regelte den Film In- und Export der Unterneh-
men von bzw. nach Amerika und beinhaltete zudem einen Vier-Millionen-Dollar-Kredit
für die durch nicht rentable Produktionen finanziell angeschlagene UFA. Doch auch das
bedeutete nicht die Rettung des Konzerns, denn nur ein Jahr später, 1926, musste Erich
Pommer
71
, der für einige der mit überhöhten Etats produzierten Filme verantwortlich
war, gehen. Und er ging nach Amerika. Von dort wurde er allerdings 1927 schon wieder
zurück zur UFA geholt, nachdem der Konservative und Reaktionär Alfred Hugenberg
über seine Pressekonzerne die UFA übernommen hatte und aus der Krise führen wollte.
Unter dem UFA-Generaldirektor Ludwig Klitzsch führte Erich Pommer nun ein zentra-
lisiertes Produzentensystem nach amerikanischem Vorbild ein. Ziel war es, die Bereiche
Regie und Produktion strikt voneinander zu trennen, vor allem um die Kosten einer
Produktion besser im Griff behalten zu können. Spätestens jetzt entstand in Deutschland
der Beruf des Produzenten, wie wir ihn heute kennen.
Die Erfolgsfilme der letzten Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg waren geprägt
durch die neue technische Errungenschaft des Tonfilms, der seit 1928/29 in Deutsch-
land Fuß fasste. Im Zuge der Entwicklung des Klangfilm-Verfahrens (gegründet von
Siemens, AEG und den Polyphonwerken) entstand in Babelsberg das damals moderne
Tonkreuz mit vier originaltontauglichen Studios. Musikalische Lustspiele und Operetten
entwickelten sich zu den Filmhits dieser Zeit: D
IE DREI VON DER
T
ANKSTELLE
(erfolg-
reichster Film 1930
72
) oder D
ER
K
ONGRESS TANZT
(1930). Drei Jahre später schon unter-
steht die gesamte deutsche Filmproduktion dem Kommando des Reichsministers für
Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels. Ab diesem Zeitpunkt reduziert sich
die Anzahl der Produktionsbetriebe rapide, wobei vor allem das Arbeitsverbot für jüdi-
70
Zitat von Hans Siemsen in ,,Der Querschnitt" (1922); aus Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 71
71
1921 war Pommers Decla-Bioscop in der UFA aufgegangen und er selbst zum Chef der UFA-Produkti-
onsabteilung geworden.
72
vgl. Amend/Bütow, 1997, S. 17
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 14
sche Filmschaffende dafür verantwortlich ist. Der deutsche Film wird ausschließlich
von der Politik des Hitler-Regimes bestimmt. Neben diesem Missbrauch als Propagan-
damittel der Nazis ist der schwerste und nachhaltigste Schaden für die deutsche Film-
wirtschaft die Emigration großer Künstler und Talente, deren Aufzählung den Rahmen
dieser Arbeit sprengen würde. Unter ihnen waren die Produzenten und Regisseure Fritz
Lang, Ernst Lubitsch, Erich Pommer und Otto Preminger sowie die Schauspieler Mar-
lene Dietrich, Pola Negri und Conrad Veidt.
,,Der deutsche Film im Dritten Reich hatte wenig Eigenes. (...) In den Bilder-
summen, den Apotheosen lag ein Vernichtungsrausch."
73
2.1.2. Phase 2: Deutscher Nachkriegsfilm und ,,Papas Kino"
Mit Sicherheit haben die beiden Weltkriege die potentiellen Möglichkeiten der
deutschen Filmwirtschaft vielleicht sogar Filmindustrie außerordentlich einge-
schränkt. Denn was sich in diesem Bereich seit fünfzig Jahren entwickelt hatte, war
nun, 1945, fast nicht mehr existent. Die deutschen Produzenten begannen unter der Auf-
sicht
74
der Alliierten nach dem Krieg zwar nicht bei null
75
, aber die Verluste durch e-
migrierte Stars und Persönlichkeiten des Filmgeschäfts sowie die Bestrebungen der Be-
satzungsmächte, eine Monopolbildung (Stichwort UFA/UFI) und starke vertikale und
horizontale Strukturen bei Produktionsunternehmen zu verhindern
76
, erschwerten den
Neustart der deutschen Filmwirtschaft. Unter dem Stichwort Re-Education (engl. ,,Um-
erziehung") war es zudem das Anliegen der Besatzungsmächte, das deutsche Volk auch
durch die Aufführung ausländischer (d. h. vor allem amerikanischer, französischer, bri-
tischer und sowjetischer) Filme wieder zur Demokratie zu bewegen. Die Konsequenz
daraus war, dass zunächst fast keine neuen deutschen Filme hergestellt, sondern statt-
dessen ausländische Filme synchronisiert wurden. Die Begeisterung der Deutschen für
73
aus Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 168
74
dazu gehörte vor allem auch die natürlich positive Entnazifizierung und Demokratisierung in Deutsch-
land (vgl. Hauser, 1989, S. XI)
75
immerhin gab es 1945 in Deutschland noch eine Vielzahl von Filmstudios und immerhin über 1.000
bespielbare Kinos
76
vgl. Hauser, 1989, S. 314
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 15
den Kinobesuch war übrigens ungebrochen: von 1945 bis 1948 steigerte sich die Zahl
der jährlichen Zuschauer von 150 auf 443 Millionen.
Nachdem in den ersten Monaten nach Kriegsende nur die deutschen Verleiher
durch den Handel mit ausländischen
77
und alten, ,,unpolitischen" Filmen ein Geschäft
machten, gingen die Alliierten nach einiger Zeit dazu über, auch wieder Produzenten
(die zuvor erfolgreich entnazifiziert
78
sein mussten) in Form einer Lizenz die Möglich-
keit zu geben, selber Filme herzustellen. Die entsprechenden Lizenzen für den amerika-
nischen Sektor erteilte die OMGUS (Office of Military Government for Germa-
ny/United States), welche dazu Film-Offiziere einsetzte. Der bedeutendste und vor al-
lem für den Aufbau der deutschen Filmlandschaft wichtigste ist Erich Pommer, der ab
Sommer 1946 von Berlin aus Produktionslizenzen erteilt. Als deutscher Emigrant ver-
tritt er allerdings nicht nur und bedingungslos die Interessen der Amerikaner, sondern
versucht, die Eigenständigkeit der deutschen Filmindustrie zu fördern
79
was seinem
Arbeitgeber freilich nicht besonders gefällt. So tritt Pommer 1949 von seinem Amt zu-
rück und widmet sich bis zu seinem Tod wieder der Produktion eigener Filme in
Deutschland und den Vereinigten Staaten.
Das ehemalige Imperium UFI, das sich nach Plänen der Besatzungsmächte
durch das Entflechtungsgesetz
80
(Lex UFI
81
) auf keinen Fall mehr zu einer für die ame-
rikanische Filmindustrie ernst zu nehmenden Konkurrenz entwickeln sollte, verfügte
nach dem Krieg immerhin noch über das stattliche Vermögen von 733 Millionen
Reichsmark
82
. Von diesen Werten befanden sich rund 80 % in der sowjetischen und 20
% in der westlich besetzten Zone Deutschlands. Unter den Sowjets entstand 1946 die
77
vor allem britischen und französischen Filmen (die amerikanischen Konzerne belieferten Deutschland,
analog zu heute, weitestgehend direkt)
78
Erstaunlicherweise wurden aber auch diverse unter dem Nazi-Regime arbeitende Filmschaffende zügig
rehabilitiert (vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 43). Möglichweise geschah dies aus Mangel an Nachwuchs, aller-
dings verhinderten insbesondere die Amerikaner so auch, dass deutsche Talente, die in die USA emigriert
und dort erfolgreich waren, nach Deutschland zurückkehrten (obgleich dies einige trotzdem taten, u. a.
Billy Wilder, Erich [Eric] Pommer, Max Ophüls).
79
1947 lizenziert Pommer z. B. die ndF in München
80
Ziel des Entflechtungsgesetztes war die Vernichtung bzw. Verhinderung übermäßiger Konzentration
(Verflechtung) der Wirtschaftskraft im Bereich der Filmproduktion, des Verleihs und Kinobetriebs.
81
vgl. Hauser, 1989, S. 316
82
vgl. Dost/Hopf/Kluge, 1973, S. 101
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 16
DEFA, die später zur Produktionsstätte für Filme in der DDR wurde
83
. Hier entstand
auch der erste (ost-) deutsche Nachkriegsfilm (sog. ,,Trümmerfilm"): D
IE
M
ÖRDER SIND
UNTER UNS
von Wolfgang Staudte (1946).
Im Westen versuchen Produzenten und Politiker, die ehemalige UFI gegen die
Interessen der Alliierten wieder ,,auferstehen" zu lassen, mit ,,dem Ziel der Wiederher-
stellung einer gesunden deutschen Filmwirtschaft." (aus Hauser, 1989, S. 315). Doch
dieses Anliegen wird von den Besatzungsmächten über Jahre verhindert. Erst im März
1953 kann der deutsche Bundestag die Ablösung des Entflechtungsgesetzes beschlie-
ßen. Aus dem UFI-Nachlass entstehen die Bavaria Filmkunst AG, die UFA-Theater-
84
und die UFA-Anlagen
85
AG. Hauptaktionär aller Gesellschaften ist die Deutsche Bank.
Daneben entstanden in Westdeutschland nach dem Krieg unter anderen folgende Pro-
duktionsfirmen: Artur Brauners CCC (produzierte 230 Kinofilme zwischen 1947 und
1994
86
), Filmaufbau GmbH (Göttingen), ndF (München) und Real-Film (Hamburg).
Die UFA selbst, die über Jahre hinweg zu retten versucht wurde, scheiterte letztlich
1964, als die Deutsche Bank sie an die Verlagsgruppe Bertelsmann verkaufte. Der
UFA-Filmstock wird seit 1966 von der F.-W.-Murnau-Stiftung verwaltet, nur der Name
UFA blieb für Kinos und Bertelsmann-Produktionsfirmen (UFA, Grundy-UFA u. a.) bis
heute erhalten.
Da der Film in Westdeutschland ab den 50er Jahren durchaus in ernst zu neh-
mender Konkurrenz zu amerikanischen, französischen und anderen ausländischen Fil-
men stand, ihm aber vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht der Anschluss an internatio-
nale Produktionen noch fehlte, begann der Staat 1951 mit ,,filmpolitischen Hilfsmaß-
nahmen"
87
die Filmförderung entstand. Und sie förderte vor allem Filme, die in künst-
lerischer/cineastischer Hinsicht nicht unbedingt gut wegkamen:
83
auf die Filmproduktion in der DDR wird hier und im Folgenden nicht detaillierter eingegangen, da sie
in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit von Produktionen keinen Maßstab bildet, denn sie war zu Zeiten
der DDR voll subventioniert. Allerdings kann heute die gesamtdeutsche Filmwirtschaft der Gegenwart
auf Know-how und Talent aus der ehemaligen DDR bauen.
84
Kinobetrieb
85
Betrieb von Filmateliers in Berlin
86
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 46
87
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 55
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 17
,,Das deutsche Kino zwischen 1945 und 1962 (...) gilt als nur sekundär. (...) In
den Köpfen der Zuschauer und Kritiker sind [die Filme] kaum präsent, als Erin-
nerungen und Erwartungen. Viel zu kurz sei das Leben (...), um sich einen deut-
schen Film anzuschauen."
88
Allerdings: G
RÜN IST DIE
H
EIDE
(1951) beispielsweise erreichte allein im Kino der da-
maligen Zeit über 19 Millionen Besucher, weitere 15 Millionen sahen den Film noch
einmal 1980 bei einer ARD-Ausstrahlung
89
. Das heißt: In kommerzieller Hinsicht wa-
ren diese Heimatfilme, die ihrem Publikum auch das Vergessen des Krieges und seiner
Folgen erleichtern sollten, äußerst erfolgreich. Und sie wurden in hoher Stückzahl pro-
duziert: 1955 entstanden in Westdeutschland 128 Spielfilme. Obwohl viele erfolgreiche
Filmschaffende emigriert waren und sich diese auch nur sehr mühsam oder gar nicht
nach Deutschland zurück holen ließen
90
, hatte der deutsche Nachkriegsfilm seine Stars:
Hildegard Knef, Maria Schell, Romy Schneider, Horst Buchholz Curd Jürgens sowie
Hans Albers, Heinz Rühmann oder Luise Ullrich u. v. a. Sie zogen das Publikum in die
Kinosäle, 1956 insgesamt 817 Millionen. Diese Phase wird als ,,Papas Kino" bezeich-
net, da die Filmschaffenden und die Stars der Nachkriegszeit zu großem Teil dieselben
waren, wir vor dem Krieg.
Trotz der großen kommerziellen Erfolge dieser Zeit waren und blieben die
deutschen Produzenten zu großem Teil wirtschaftlich abhängig, zunächst von den Ver-
leihern (die mit Verleihgarantien bis zu 70 % der Produktionskosten der Filme über-
nahmen), später auch vom Fernsehen. Denn anstatt dieses neue Medium ernst zu neh-
men sowohl als Konkurrenz als auch als Partner herrschte unter den Filmproduzen-
ten eine gewisse Arroganz und keine Bereitschaft, mit dem Fernsehen
91
zu kooperieren.
Dieses Gebaren und das Verpassen eines gelungenen Neustarts in künstlerischer, dra-
maturgischer und cineastischer Hinsicht nach dem Krieg führte ab 1957 zum ökonomi-
88
aus Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 171 172
89
vgl. Amend/Bütow, 1997, S. 19
90
vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 182
91
Das Fernsehen bildet seit seiner Entstehung eine der härtesten und andauernsten Konkurrenz zum deut-
schen Spielfilm. Während in den USA dieses neue Medium sofort als Chance für neue Absatzmärkte
verstanden wurde (TV-Movies), warteten die deutschen Produzenten (zu) lange ab und gerieten dadurch
wiederum in eine Abhängigkeit von Fernsehaufträgen anstatt sich durch eine offensivere Vorgehensweise
Vorteile zu verschaffen.
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 18
schen Niedergang der deutschen Filmbranche, von dem sie sich bis heute nicht wirklich
erholt hat
92
.
2.1.3. Phase 3: Der neue deutsche Film
,,Solange man (...) nicht einsieht, dass die Qualität eines Films allein von der
Person des Regisseurs bestimmt wird, gibt es in diesem Land keine guten Fil-
me."
93
Nachdem der Tiefpunkt des deutschen Films 1961 erreicht schien, als auf der
Bundesfilmpreisverleihung weder ein deutscher Spielfilm noch ein deutscher Regisseur
eine Auszeichnung erhalten hatte, legte eine neue, junge Generation von anspruchsvol-
len Filmemachern am 28. Februar 1962 mit dem ,,Oberhausener Manifest" den Grund-
stein für den Neuen Deutschen Film: ,,Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen"
(aus dem Oberhausener Manifest in Prinzler/Rentschler, 2001, S. 29). Damit wurde das
arbeitsteilige Prinzip bei der Filmherstellung vorübergehend außer Kraft gesetzt: Wie
das o. g. Zitat belegt, waren die Regisseur des Neuen Deutschen Films der Auffassung,
dass Kommerz und die Arbeit der klassischen Produzenten ihrem Anspruch an die neue
künstlerische Qualität ihrer Filme unvereinbar gegenüber standen. Im Oberhausener
Manifest wird deshalb als wichtiges Ziel festgehalten: ,,Freiheit von der Beeinflussung
durch kommerzielle Partner." (aus dem Oberhausener Manifest in Prinzler/Rentschler,
2001, S. 29). Die Begriffe ,,kommerziell" und ,,publikumsfreundlich" galten als Reiz-
wörter
94
. Entsprechend schlecht waren die Einspielergebnisse, die die meisten Autoren-
filme erzielten: Die Besucherzahlen gingen von 817 Millionen im Jahr 1956 auf 115
Millionen 1976 zurück
95
. Erfolgreich hingegen waren die neuen deutschen Filme auf
internationalen Festivals und Wettbewerben, wo sie mit Preisen und Auszeichnungen
92
vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler, 1993, S. 220 221
93
Klaus Lemke in Prinzler/Rentschler, 2001, S. 54
94
vgl. Iljine/Keil, 1997, S. 63
95
vgl. Clevé/Flechsig (Hrsg.), 1996, S. 68
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart in Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
Diplomarbeit von Jan Philip Lange
Seite 19
überhäuft wurden
96
. Doch das mangelnde Interesse der breiten Öffentlichkeit an diesen
Werken, zumindest im Kino, trug auch dazu bei, dass der Atlas-Filmverleih von Hanns
Eckelkamp, der zwischen 1960 und 1967 der gefragteste Verleih für den Neuen Deut-
schen Film war, nach nur sieben Jahren aufgelöst werden musste. Es herrschte in dieser
Phase des deutschen Films eine Diskrepanz zwischen dem künstlerischen Freiheits-
Anspruch der Autorenfilmer und dem Umstand, dass Filme viel Geld kosten und daher
zur Refinanzierung ein großes, zahlendes Publikum benötigen. Ein Umstand, der sich
bis in die Gegenwart hinein nicht geändert hat und noch immer nicht von jedem erkannt
worden ist. Die Finanzierung der Autorenfilme erfolgte vor allem über Fördergelder
(1965 wurde das Kuratorium Junger Deutscher Film zur Nachwuchsförderung gegrün-
det; 1968 folgte die FFA allerdings mit dem Anspruch auf wirtschaftliche Filmförde-
rung) und durch Fernseh-Co-Produktionen. Besonders am Filmförderungsgesetz, nach
dem die FFA handeln musste, gab es seitens der jungen Filmemacher herbe Kritik, denn
ihres Erachtens beeinträchtigte es, durch die Fixierung auf Einspielergebnisse, die neu-
en künstlerischen Entwicklungen und den Aspekt der Nachwuchsförderung. Nach zähen
Verhandlungen wurde das FFG 1972 novelliert, bezog auch das Fernsehen verstärkt als
Finanzierungspartner ein und stellte den Zuschauer mit seinen Bedürfnissen in den Mit-
telpunkt
97
.
Eine wirkliche Errungenschaft der Phase des Neuen Deutschen Films sind die
Anfänge einer professionalisierten Nachwuchsförderung in der Filmbranche, die bis
heute positive Auswirkungen haben. Die ersten Filmschulen bzw. klassen wurden ab
1962 (Hochschule für Gestaltung in Ulm) gegründet. 1966 entstand die DFFB und 1967
die HFF München
98
. Allerdings standen diese Schulen im Westen zunächst ganz im
Zeichen der Priorität der Filmemacher, sprich Regisseure. Erst 1988 begann in Mün-
chen die gezielte Ausbildung zum Produzenten bzw. Produktionsleiter.
Die Situation der deutschen Produzenten, vor allem der jungen Generation,
wurde durch die Epoche des Neuen Deutschen Films nicht eben gestärkt. Zu dominant
96
vgl. ,,Die Situation der westdeutschen Filmwirtschaft in den sechziger Jahren" (Quelle: Internet,
Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart im Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele
,
2003, Einfluss und Strategien deutscher Spielfilmproduzenten der Gegenwart im Hinblick auf den kommerziellen Erfolg ihrer Kinofilme anhand ausgewählter Beispiele, Hamburg, Bedey Media GmbH, https://www.diplom.de/document/223014
Deutschlands größter Sharing Community
Jetzt Zusammenfassungen, Skripte und Klausuren kostenlos downloaden!
Uniturm.de
Ihre Vorteile als Autor
Geld verdienen
Für jedes verkaufte Exemplar erhalten Sie Autorenhonorar - bis zu 40%.
Kostenlose Buchveröffentlichung
Als eBook-Studie im Original und / oder auf Wunsch zusätzlich als hochwertiges Fachbuch in unserem renommierten Buchverlag.
Renommee als Fachbuchautor
Präsentieren Sie sich als Fachfrau oder Fachmann in Ihrem Fachgebiet und machen Sie sich bekannt.
Persönliche Betreuung
Unser Lektorat wird Sie persönlich betreuen und ist auch telefonisch unter +49(0)176-85996762 erreichbar.
Weltweit im Buchhandel
Ihr Buch ist weltweit im Buchhandel und Online-Buchhandel wie z.B.
amazon erhältlich.
Kommentare