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Mehr InfosMagisterarbeit, 2003, 321 Seiten
Magisterarbeit
1,0
0. Einleitung
0.1. Allgemeine organisatorische Aspekte
0.2. Methodisches Vorgehen und Informationsbeschaffung
0.2.1. Literaturrecherchen
0.2.2. Interviews und Gespräche
0.2.3. Eigene Beobachtungen
0.3. Anmerkungen zu den besonderen Arbeits- und Forschungsbedingungen auf Kuba
0.4. Besonderheiten hinsichtlich des Alltags für ausländische Studierende in Kuba
I. Politik, Ökonomie und Gesellschaft in Kuba
I.1. Geografische Einordnung und demografische Angaben
I.2. Die sozioökonomische Situation vor der Revolution
I.3. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nach der Revolution
I.3.1. Der Transformationsprozess der ersten Jahre 1959-
I.3.2. Realistische Planung und Rectificación 1970-
I.3.3. Die Spezialperiode
I.4. Die Entwicklung des politischen Systems nach der kubanischen Revolution
I.4.1. Die 60er Jahre
I.4.2. Die neue Verfassung – Institutionalisierung der Revolution
I.4.3. Die Einschränkung bestimmter bürgerlicher Rechte
I.4.4. Parteien und Wahlen
Exkurs: Der aktuelle Lebensstandard
II. Fundamentale Prinzipien und gesetzliche Rahmenbedingungen des kubanischen Bildungssystems
II.1. Fundamentale Prinzipien bedeutender Theoretiker
II.1.1. Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895)
II.1.1.1. Bildung und Arbeit
II.1.2. Ernesto Che Guevara und der „hombre nuevo“ (1928-1967)
II.1.3. José Martí (1859-1895)
II.2. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen anhand ausgewählter Artikel der kubanischen Verfassung
II.3. Historischer Abriss über wichtige Gesetze seit
III. Die Alphabetisierung
III.1. Begriffsbestimmung und Ursachen
III.2. Die Bildungslage in Kuba
III.3. Die Vorbereitung der Alphabetisierungskampagne
III.4. Struktur der kubanischen Alphabetisierungskampagne
III.4.1. Die erste und zweite Etappe
III.4.2. Die Alphabetisierungsbrigaden
III.4.3. Die dritte und vierte Etappe
IV. Das Schulsystem Kubas
IV.1. Historische Aspekte
IV.1.1. Die Situation vor der Revolution
IV.1.2. Reformen nach der Revolution
IV.1.3. Die Verbindung von Lernen und produktiver Arbeit im Schulsystem
IV.1.4. Qualitätssteigerung in den 70er und 80er Jahren
IV.1.5 Entwicklungen in den 90er Jahren
IV.2. Die Gliederung des Vorschul- und Schulsystems
IV.2.1. Die Vorschulerziehung
IV.2.2. Das Schulsystem
IV.3. Typen von Schulen
IV.3.1. Primarstufe (Primaria)
IV.3.2. Sekundarstufe (Secundaria básica)
IV.3.3. Abiturstufe (Preuniversitario)
IV.4. Die Lehrpläne an kubanischen Schulen
IV.4.1. Die Grundideen
IV.4.2. Inhaltliche Anmerkungen und die Erarbeitung neuer Lehrpläne
IV.5. Das Schuljahr
IV.6. Aktuelle Tendenzen im kubanischen Schulsystem
IV.6.1. Ein Modellprojekt für den Schulunterricht
IV.6.2. Die Verbesserung der Medienausstattung der Schulen
Exkurs: Sonderpädagogik in Kuba
V. Lehrerbildung und Lehrersein in Kuba
V.1. Historische Aspekte
V.2. Lehreraus- und weiterbildung im heutigen Kuba
V.2.1. Allgemeine Anmerkungen
V.2.2. Die neuen Studienpläne im regulären Lehramtsstudium
V.2.3. Die Lehrerweiterbildung
V.3. Der Lehrer als Erzieher
V.4. Der Lehrermangel in der heutigen Zeit
V.4.1. Die Ursachen
V.4.2. Aktuelle Lösungsansätze
VI. Die Berufsausbildung in Kuba
VI.1. Die historischen Entwicklungen seit
VI.1.1. Die Ausgangssituation
VI.1.2. Die Etablierung der Ausbildungsvarianten
VI.1.3. Weitere wichtige Entwicklungen in den 60er Jahren
VI.1.4. Die Kooperation mit sozialistischen Ländern
VI.1.5. Bedeutende gesetzliche Beschlüsse
VI.2. Der Perfektionierungsplan und weitere wichtige Aspekte in den 70er und 80er Jahren
VI.2.1. Grundlegende Veränderungen in der Ausbildungsstruktur seit
VI.2.2. Die Kurse für Arbeiter
VI.2.3. Die Frauen in technischen Berufen
VI.2.4. Das praktische Verhältnis in den Studienplänen
VI.2.5. Die praktischen Arbeitsmöglichkeiten in der Ausbildung
VI.2.6. Unterrichtsmaterialien
VI.3. Das Lehrpersonal ab den 60er Jahren
VI.4. Die Berufsschulen
VI.4.1. Ausbildung von „obreros“ in Berufsschulen
VI.5. Die Evaluation
VI.6. Struktur und Organisation
VI.7. Schulkalender und Stundenpläne
VI.8. Die 90er Jahre und aktuellen Tendenzen in der Berufsausbildung Kubas
VI.8.1. Die wirtschaftliche Situation
VI.8.2. Die Folgen der Spezialperiode
VI.8.3. Die aktuellen beruflichen Tendenzen
VI.8.4. Die aktuelle Ausbildungsstruktur
VI.8.4.1. Die Ausbildung zum obrero calificado in Mechanik für Diesellokomotiven
VI.8.5. Die Kooperation mit Deutschland
VII. Das Hochschulsystem Kubas
VII.1. Historischer Überblick zu den wichtigsten Entwicklungen des kubanischen Hochschulsystems
VII.1.1. Das vorrevolutionäre Hochschulsystem
VII.1.2. 1959 – 1970: Die grundlegenden Transformationen nach der Revolution
VII.1.2.1. Die ersten Schritte
VII.1.2.2. Die Universitätsreform
VII.1.3. Vereinheitlichung, mehr Effizienz und quantitative Ausweitung des Hochschulwesens ab
VII.1.3.1. Die Ergebnisse des 1. Kongresses der Kommunistischen Partei Kubas (PCC)
VII.1.3.2. Die Gründung des Ministeriums für Hochschulbildung (Ministerio de Educación Superior – MES)
VII.1.4. Die Spezialperiode: Entwicklungen in den 90er Jahren bis zur Gegenwart
VII.1.4.1. Finanzierung und Kommerzialisierung der Hochschulaktivitäten in den 90ern
VII.2. Ausgewählte Aspekte des kubanischen Hochschulwesens unter besonderer Berücksichtigung der Verbindung zwischen Hochschulsystem und Wirtschaft
VII.2.1. Verbindung von Studium und Arbeit
VII.2.1.1. Studienmöglichkeiten für Arbeiter
VII.2.1.2. Die Organisation der produktiven Tätigkeit der Studenten
VII.2.2. Der Zugang zum Hochschulsystem und Bewerbungsmodalitäten
VII.2.2.1. Der Ursprung des heutigen Auswahlverfahrens
VII.2.2.2. Die Rolle der ökonomischen Planung hinsichtlich der angebotenen Studienplätze
VII.2.2.3. Die Auswahl der zukünftigen Studenten
VII.2.2.4. Alternative Zugangsmöglichkeiten
VII.2.2.5. Nachteile des Auswahlverfahrens
VII.2.2.6. Neuere Entwicklungen in den 90er Jahren
VII.2.3. Besonderheiten zur Verbindung von Hochschulstudium und Arbeitsmarkt
VII.2.3.1. Die Garantie des Arbeitsplatzes
VII.2.3.2. Der Sozialdienst (Servicio Social)
VII.2.3.3. Der Zusammenhang zwischen universitärer Ausbildung und späterer Arbeitsstelle
VII.3. Einführung von Aufbaustudiengängen und universitärer Forschung
VII.3.1. Allgemeine Beschreibung
VII.3.2. Formen von Aufbaustudiengängen
VII.3.3. Die internationale Ausrichtung der Postgraduiertenstudien
VII.4. Leitung und Administration der Hochschulen
VII.4.1. Zuordnung der Hochschulinstitutionen
VII.4.2. Typen von Hochschulen
VII.4.2.1. Universitäten (Universidades)
VII.4.2.2 Polytechnische Institute auf Hochschulniveau (Institutos Superiores Politécnicos)
VII.4.2.3. Institute auf Hochschulniveau (Institutos Superiores)
VII.4.2.4. universitäre Zentren (Centros Universitarios)
VII.4.2.5. universitärer Sitz (Sede Universitaria), universitäre Filiale (Filial Universitaria), unabhängige medizinische Fakultät (Facultad Independiente de Ciencias Médicas)
VII.4.2.6. Lateinamerikanische Schule (Escuela Latinoamericana) oder Internationale Schule (Escuela Internacional)
VII.4.3. Struktur der CES
VII.4.3.1. Fakultät (Facultad)
VII.4.3.2. Lehrabteilung (Departamentos Docentes)
VII.4.3.3. Filiale (La Filial)
VII.4.3.4. Lehrstätte (Unidades Docentes)
VII.4.3.5. Forschungsinstitute und –zentren (Centro bzw. Instituto de Investigación Científica)
VII.4.3.6. Studienzentren (Centros de Estudio)
VII.4.4. Die Erneuerung der Verwaltungsstrukturen im Hochschulwesen - Der Prozess der Rectificación
VII.4.4.1. Die erste Perfektionierung
VII.4.4.2. Die zweite Perfektionierung
VII.4.5. Akademische Freiheit und Autonomie der Hochschulen
VII.5. Evaluierung und Qualitätskontrolle im Hochschulsystem
VII.5.1. Externe Kontrolle
VII.5.2. Interne Kontrolle
VII.5.3. Schwächen des kubanischen Evaluierungssystems
VII.6. Methoden und Studienpläne im kubanischen Hochschulsystem
VII.6.1. Unterrichtsformen und Methoden
VII.6.1.1. Entwicklungen nach der Revolution
VII.6.1.2. Problemzentriertes Lehren und Lernen als neuer Weg in der Unterrichtsgestaltung
VII.6.1.3. Modellprojekt CUJAE
VII.6.1.4. Computereinsatz in der Hochschulbildung
VII.6.2. Die Studienpläne in den Hochschulen
VII.6.2.1. Erste Maßnahmen in den 60er Jahren
VII.6.2.2. Studienpläne und Universalisierung der Lehre
VII.6.2.3. Systematische Weiterentwicklungen durch das Ministerium für Hochschulbildung
VII.6.2.4. Aktuelle Tendenzen – Die Studienpläne „C“
VIII. Die Erwachsenenbildung in Kuba
VIII.1. Die Entwicklung des Subsystems in den 60er Jahren
VIII.1.1. Die Kurse der Berufsqualifikation: „cursos de capacitación“
VIII.1.1.1. Die Weiterbildungskurse zum tecnico medio und obrero calificado
VIII.2. Das massive Engagement zum Erreichen des Abschlusses der sechsten und neunten Klasse
VIII.3. Die Abteilung für Erwachsenenbildung im MINED
VIII.4. Das System der Erwachsenenbildung im Perfektionierungsplan
VIII.4.1. Der Studienplan in der EOC, SOC und FOC
VIII.4.2. Die Primarstufe „EOC“
VIII.4.3. Die Sekundarstufe „SOC“
VIII.4.4. Die Abiturstufe „FOC“
VIII.5. Die Ausbildungsvarianten
VIII.6. Die Hochschulbildungszentren „Centros de Educación Superior“ (CES)
VIII.7. Das Bewertungssystem in der Erwachsenenbildung
VIII.7.1. Evaluierung durch Massenorganisationen, Produktions- und Dienstleistungssektoren
VIII.7.2. Bewertung der Studienpläne und Programme
VIII.7.3. Kursbewertungen
VIII.8. Die Lehrerausbildung in der Erwachsenenbildung von 1960 bis heute
VIII.9. Die Erwachsenenbildung in den 90er Jahren
VIII.9.1. Das theoretische Bildungskonzept
VIII.9.2. Die Tätigkeitsbereiche in der Erwachsenenbildung
VIII.9.3. Die aktuellen Tendenzen seit den 90er Jahren
VIII.9.3.1. Die Etablierung neuer Kurse
VIII.9.3.1.1. Die Universidad para todos
VIII.9.3.1.1.1. Ein Fallbeispiel
VIII.9.3.1.2. Die Kurse zur integralen Verbesserung von Jugendlichen, „Cursos de Superación Integral para Jóvenes“
VIII.9.3.2. Weitere Tendenzen innerhalb der Erwachsenenbildung
IX. Die Sprachausbildung für Erwachsene in Kuba unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Sprache
Exkurs: Historische Aspekte zur Verbreitung der deutschen Sprache in Kuba
IX.1. Die Etablierung der Sprachschulen für Arbeiter
IX.2. Der Deutschunterricht
IX.3. Die Ausbildung von Deutschlehrern, Germanisten und Dolmetschern
IX.4. Die aktuelle Sprachlehrerausbildung
IX.5. Die aktuellen Tendenzen in der Sprachausbildung seit den 90er Jahren
IX.5.1. Die methodischen und didaktischen Aspekte in Abendschulkursen seit den 90er Jahren
IX.5.2. Die Struktur des Fremdsprachenunterrichts
IX.5.3. Der kommunikative Ansatz
IX.5.4. Die Evaluation der Sprachkurse
IX.6. Die aktuellen Tendenzen in Bezug auf die deutsche Sprache in Kuba
IX.6.1. Der DAAD
IX.6.2. Die „Catedra Humboldt“
X. Nachwort
Anhang
Die Struktur des nationalen Bildungssystems
Abkürzungen
Bibliografie zur Magisterarbeit
Materialien aus dem Internet
Redigierte Fassungen der geführten Interviews
Interview mit Prof. Dr. Jesus García del Portal am 11/03/2002
Interview mit Dra. Herminia Hernández Fernández am 18/03/2002
Gesprächsaufzeichnung Dra. Elvira Martin Sabina und Msc. Jorge González Corona am 02/05/2002
Interview mit Ing. Benigno Menendez Fernandez am 28/03/2002
Interview mit Dr. Jaime Canfux Gutierrez und Lic. America Quesada Hernandez am 17/04/2002
Gedächtnisprotokoll vom Gespräch mit Modesto Ruiz am 18/12/2001
Interview mit Dr. Ivan Muñoz Duthil am 18/04/2002
Die vorliegende Magisterarbeit ist als ein Gemeinschaftsprojekt konzipiert, in welcher wir uns mit der Struktur und den Inhalten des kubanischen Bildungssystems, unter Berücksichtigung des korrespondierenden gesellschaftlichen Kontexts, auseinandersetzen. Dabei erläutern wir historische Entwicklungen ab 1959 und geben Einblicke in die gegenwärtige Situation.
Um einen sinnvollen Zusammenhang aufgrund der Komplexität des Themas herstellen zu können, war eine wissenschaftliche Zusammenarbeit unumgänglich. Die einzelnen Gliederungspunkte haben wir entsprechend unseren Interessenslagen sowie unserer fachlichen Kompetenzen, welche sich durch die Kombination unserer Haupt- und Nebenfächer ergeben, aufgeteilt. Somit war es uns möglich, das Thema in unterschiedlichen Facetten darzustellen. Die individuelle Bearbeitung der einzelnen Kapitel führte teilweise zu Unterschieden in der stilistischen Ausführung. Die inhaltliche Struktur der einzelnen Themen war stark von der jeweils vorhandenen Literatur abhängig. Somit hat sich jeder von uns verschiedenartige Schwerpunkte gesetzt. Die gesamte Arbeit liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung.
Die folgende Übersicht gibt Auskunft über die vorgenommene Aufteilung der Kapitel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein halbjähriger Auslandsaufenthalt in der kubanischen Hauptstadt war aufgrund fehlender spezifischer Literatur in Deutschland unabdingbar.
Schon im Voraus bauten wir Kontakte zu unseren kubanischen Tutoren über das akademische Auslandsamt der Universität Havanna (Relaciones Internacionales) auf und klärten bürokratische Belange. Aufgrund eines existierenden Universitätsvertrages zwischen den Universitäten Leipzig und Havanna stellte die Zustimmung zur Zusammenarbeit von kubanischer Seite kein Problem dar.
Die Direktorin des „Instituts zur Erforschung der Hochschulbildung“ (CEPES - „ Centro de Estudios para el Perfeccionamiento de la Educación Superior“), Dr. Elvira Sabina Martin, ein Experte des Bildungsministeriums, Mcs. Jorge Gonzalez Corona (Master), sowie eine Spezialistin für Sprachschulen in der Erwachsenenbildung, Lic. América Quesada Hernandez, betreuten unsere Magisterarbeit in Kuba.
Die Zusammenarbeit mit den Tutoren war sehr intensiv und unumgänglich. Sie ermöglichten uns die Literaturrecherche in der Bibliothek des Bildungsministeriums. Des Weiteren vereinbarten sie Termine zur Befragung von Spezialisten der verschiedenen Subsysteme des Bildungswesens und stellten zusätzliche Informationen zur Verfügung.
Im Abstand von zwei bis drei Wochen fanden regelmäßig Arbeitstreffen statt, in welchen der Fortschritt der Arbeit besprochen wurde. Hier wurden auch Fragen geklärt und Anregungen zu bestimmten Schwerpunkten gegeben.
Die Zusammenarbeit unterstand jedoch einer genauen inhaltlichen Kontrolle.
In der anschließenden Arbeitsphase in Deutschland bestand auch weiterhin Kontakt zu den Betreuern. Es wurde vereinbart, den Tutoren ein Exemplar der Arbeit nach der Fertigstellung zukommen zu lassen.
Die vorliegende Arbeit basiert überwiegend auf der in Kuba vorhandenen spanischsprachigen Literatur, da in Deutschland kaum aktuelles Material zum Thema vorliegt. Zur Literaturrecherche standen uns die Bibliothek des Bildungsministeriums und andere Einrichtungen zur Verfügung. Die Mehrzahl der verwendeten Unterlagen war jedoch in der auf Pädagogik spezialisierten Bibliothek des Bildungsministeriums zugänglich.
Einige Publikationen, insbesondere Originaldokumente, konnten nur bei den zuständigen Stellen, wie Ministerien, eingesehen werden oder waren gar nicht vorhanden, so dass an vielen Stellen auf Sekundärliteratur zurückgegriffen werden musste.
So war die Bearbeitung der Themen der Berufsausbildung und Erwachsenenbildung wegen eines unzureichenden Publikationsbestandes besonders schwierig.
Die uns betreuenden Tutoren bemühten sich jedoch stets, schwer zugängliche Literatur zu besorgen. Zusätzlich wurden besonders zu den Ausführungen der aktuellen Entwicklungen Recherchen in der Presse durchgeführt.
Kritische Schriften zum Bildungssystem sind in Kuba nur selten zu finden, so dass zu bestimmten Punkten, wenn möglich, Internetrecherchen zu Artikeln nicht-kubanischer Zeitungen oder Organisationen notwendig waren.
Im Rahmen der Zusammenarbeit ermöglichten uns die Tutoren mit von ihnen ausgewählten Personen explorative Interviews zu führen. Diese waren vor allem wichtig, um bestimmte Schwerpunkte zu vertiefen und bestehende Unklarheiten zu beseitigen. Als äußerst hilfreich erwiesen sie sich, wenn in bestimmten Bereichen oder Themen keine kubanische Literatur existierte.
Insgesamt wurden von uns fünf solcher Interviews aus den Bereichen der Hochschulbildung, Erwachsenenbildung, Berufsausbildung und Sprachausbildung geführt. Im Allgemeinen zeigten sich die interviewten Personen sehr offen und hilfsbereit. Allerdings konnten nicht alle Fragen restlos geklärt werden. Die Interviews hatten in etwa eine Länge von ein bis zwei Stunden. Durch die Ausarbeitung eines Interviewleitfadens war es möglich, wichtige Punkte vorher festzulegen. Während dieser Gespräche ergaben sich oft noch andere interessante Fragestellungen.
Bei den Experteninterviews zur Berufsausbildung und Erwachsenenbildung war stets ein Tutor persönlich anwesend.
Deutlich wurde hierbei, dass sich die Antworten der Personen auf den spezifischen politischen Kontext beziehen, weshalb die Aussagen kritisch zu betrachten sind. Außerdem ist dabei zu berücksichtigen, dass die Interviewten mit eventuell systemkritischen Ausführungen sehr vorsichtig sind und besonders ausländischen Personen gegenüber Zurückhaltung in dieser Hinsicht zeigen.
Um den Anspruch auf eine politisch neutralere und wertfreiere Arbeit zu gewährleisten, ergaben sich für uns Konsequenzen in der Interviewarbeit. So leisteten wir eine intensive Vorarbeit bei der Erstellung der Leitfäden und der Formulierung der Fragen und mussten hier zweifelsohne eine gewisse Vorsicht walten lassen.
Die wesentlichen Passagen der Interviews mit Übersetzungen sind im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. Auf ihre Vollständigkeit wurde im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Ein Grund dafür liegt unter anderem an inhaltlich identischen oder sehr ähnlichen Passagen, sowie an der Tendenz zu einer weiten sprachlichen Ausgestaltung des Gesagten. Schließlich waren nicht alle Antworten der interviewten Personen auf die Fragen wirklich zutreffend und daher für diese Arbeit nicht von Relevanz.
Eine weitere verwendete Quelle ist der Mitschnitt einer abschließenden Sitzung mit den Tutoren, in welcher die gesammelten Informationen noch einmal besprochen wurden. Es wurden wiederholt Ausführungen zu wichtigen Punkten gemacht, insbesondere dort, wo literarische Quellen fehlten. Auch dieses Gespräch ist, beschränkt auf die relevanten Passagen, in Auszügen im Anhang nachzulesen. Darüber hinaus wurde ein Gespräch mit dem Experten für juristische Fragen des Bildungsministeriums geführt, welches aufgrund altersbedingter Demenz dieser Person im Anhang nur protokollarisch wiedergegeben ist.
Ein großes Problem war, dass die durch eine Quellenangabe belegbaren Informationen teilweise mit den eigenen Erfahrungen kollidierten, was die Zusammenstellung der Arbeit von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus erheblich erschwerte.
So war es ein großer Unterschied jemanden im Rahmen der Arbeit zu interviewen oder mit anderen Personen informelle Gespräche zu führen. Die Informationen waren teilweise vollkommen konträr.
Unseres Erachtens sind die informellen Kontakte viel aussagekräftiger für eine realitätsnahe Darstellung des Themas. Im Zweifelsfalle wurden von uns aber trotzdem die Informationen aus der ideologisierten Literatur beziehungsweise den Interviews verwendet. Gegebenfalls ergänzten wir diese Angaben mit unseren eigenen Erfahrungen, um den Bezug zur Realität zu wahren. Schon allein aus Zeitgründen war es nicht möglich, bestimmte Punkte durch eigene fundierte Nachforschungen zu verifizieren beziehungsweise zu falsifizieren. Es ist jedoch wichtig, auf diesen Umstand hinzuweisen, um ein richtiges Verständnis der Arbeit zu ermöglichen.
Insbesondere um die aktuelle Situation in Kuba richtig darstellen zu können, waren eigene kleinere Studien nötig. Darunter zählt die exemplarische Darstellung der Lebensverhältnisse einer kubanischen Familie. Dies wurde mittels der Lohn- und Zahlungsbelege, der Rechnungen für ständige monatliche Ausgaben über einen Zeitraum von sechs Monaten und der Auswertung der Lebensmittelkarten realisiert. Weiterhin wurden die Preise für bestimmte Lebensmittel entweder durch die Angaben in der Tagespresse oder durch eigene Beobachtungen in Geschäften und Märkten bestimmt. Aber auch abweichende Darstellungen wie ideologische Beschönigungen im Vergleich zur Alltagsrealität flossen in die Beobachtung mit ein. Alle in der Arbeit vorkommenden derartigen Angaben sind entsprechend gekennzeichnet.
Die defizitäre wirtschaftliche Situation Kubas, aber auch das politische System mit eingeschränkter Meinungs- und Pressefreiheit machte es teilweise schwierig, die benötigten Informationen auf schnelle Weise zu erhalten.
So war es beispielsweise nicht möglich, selbständig am Bibliothekscomputer zu recherchieren. Der Handkatalog war zudem nur bis zum Jahr 1997 datiert. Aber auch Publikationen, die im Katalog der Bibliothek enthalten waren, konnten aufgrund mangelnder Archivierung nicht genutzt werden. Hinzu kam, dass die Arbeitskonditionen in der Bibliothek oft durch Stromausfälle, Überschwemmungen oder anderen landestypischen Vorfällen beeinträchtigt waren. So gehörte die Bekämpfung der gefährlichen virusübertragenden Dengue-Mücke, durch die Versprühung von Insektiziden („fumigar“) in allen privaten und öffentlichen Gebäuden monatelang zum kubanischen Alltag.
Darüber hinaus konnten die sanitären Einrichtungen in der Bibliothek aufgrund unhygienischer Zustände teilweise überhaupt nicht benutzt werden.
Es traten außerdem immer wieder Schwierigkeiten bezüglich technischer Hilfsmittel, wie etwa Fotokopierer, auf.
Der Zugang zum Internet war an der Universität nicht möglich, so dass teilweise auf wesentlich kostenintensivere Alternativen zurückgegriffen werden musste.
Um einen Forschungsaufenthalt auf Kuba richtig einschätzen zu können, ist unserem Erachten nach eine kurze Darstellung der allgemeinen Lebensumstände notwendig.
In Kuba sind derzeit drei Währungen im Umlauf, die jedoch nicht überall akzeptiert werden.
Zum einen ist es die nationale kubanische Währung („Peso cubano“), zum anderen gibt es den „Peso compatible“, eine dem Dollar gleichgesetzte nationale Währung sowie den üblichen Dollar.
Der Dollar und der „Peso compatible“ werden überall in Kuba, zum Beispiel in Hotels oder Dollarläden, akzeptiert. Mit dem „Peso Cubano“ kann jedoch nur auf speziellen Märkten oder Einrichtungen für die einheimische Bevölkerung bezahlt werden.
Die alltäglichen Lebensbedingungen auf Kuba sind infolge des beschränkten wirtschaftlichen Wachstums im Moment problematisch und insbesondere für Ausländer ist der Alltag sehr kostspielig.
Man muss sich eine Unterkunft in speziell für Ausländer zugelassenen Wohnungen suchen, welche in etwa 400 Dollar pro Monat kosten. Die Lebenshaltungskosten sind bei einem limitierten Warenbestand in den sogenannten Dollarläden doppelt so teuer als beispielsweise in Deutschland. In diesen Läden ist es auch für die einheimische Bevölkerung möglich, Waren des täglichen Bedarfs, wenn vorhanden, zu erhalten. Kubaner ernähren sich ansonsten von den zugeteilten Produkten der Lebensmittelkarte. Ausländer haben jedoch kein Recht auf die Nutzung dieser Nahrungsversorgung. Zudem gibt es Märkte für kubanische Pesos in denen Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Kartoffeln, Reis und eventuell Fleisch zu angemessenen Preisen erhältlich sind.
Der Zugang zum Internet ist für ausländische Personen nur in einer überteuerten Form möglich. Während unseres Aufenthaltes im Jahr 2002 bezahlten wir für fünf Stunden Internet 15 Dollar.
Auch die kubanische Medienlandschaft ist auf einseitig orientierte nationale Zeitungen beschränkt. Der Zugriff zu ausländischen Periodika und Informationen ist vereinzelt in Hotels zu überhöhten Preisen möglich.
Die kubaspezifischen Probleme sind uns aufgrund eines vorherigen Studienaufenthaltes von vornherein bekannt gewesen. Daher fiel uns die Eingewöhnung nicht allzu schwer und wir konnten den typischen Kulturschock umgehen.
All die genannten Kriterien beeinflussten allerdings mehr oder minder unser Leben in Kuba, welches auch durch die klimatischen Verhältnisse und die Mentalität der Bevölkerung bedingt war. Die Bewohner der Insel mussten sich in all den Jahren an so viele Unannehmlichkeiten anpassen, dass eine Unzufriedenheit auf den ersten Blick unbemerkt bleibt. Sie sind trotz allem offen eingestellt und Ausländern gegenüber im Allgemeinen sehr hilfsbereit. Der intensive Kontakt zu Einheimischen hat uns sowohl bei der Bewältigung der Alltagsprobleme als auch bei der Erstellung dieser Arbeit sehr geholfen.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit sollen einige grundlegende Ausführungen zu den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen auf Kuba gemacht werden, um die nachfolgenden Schwerpunkte in den entsprechenden Kontext einbetten zu können.
Im ersten Teil wird das Land unter Zuhilfenahme allgemeiner, vor allem demografischer Indikatoren vorgestellt. Nach einer Charakterisierung der Zustände vor der Revolution im Jahre 1959 folgen Ausführungen zum politischen System sowie ein historischer Abriss der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im nachrevolutionären Kuba. Hier werden auch, soweit es für das Erstellen eines Gesamtzusammenhangs notwendig ist, bestimmte außenpolitische Linien und ideologische Ansätze vorgestellt. Den Abschluss dieses Kapitels bildet ein Exkurs zum aktuellen Lebensstandard in Kuba.
Die Republik Kuba ist eine Insel im Atlantischen Ozean, welche zu den großen Antillen gehört. Damit bildet Kuba einen Teil der Karibik. Das Territorium umfasst eine Fläche von 110860 km², dazu zählen neben der Hauptinsel auch die Isla de la Juventud und zahlreiche vorgelagerte kleine Inseln, die cayos. Die Hauptstadt Kubas ist Havanna. Politisch-administrativ ist Kuba in 14 Provinzen (provincias) gegliedert, welche sich nochmals in 169 Gemeindebezirke (municipios) unterteilen.
Die offizielle Landessprache ist Spanisch.[1]
Kuba hatte am 31. Dezember 2000 rund 11.217.100 Einwohner, wovon fast 3 Mio. in der Hauptstadt und deren Umgebung leben. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Einwohnerzahl seit dem Jahre 1950.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Oficina Nacional de Estadísticas 2002, Tab. II/1 / Anuario Estadístico 2000, S. 12
Das gut funktionierende Gesundheitssystem Kubas findet seinen Niederschlag in den entsprechenden Indikatoren: Für die Periode 1994/95 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der Kubaner 74,83 Jahre. Die Kindersterblichkeitsrate lag im Jahre 2000 bei 7,2 pro 1000 Neugeborene. Die Fertilitätsrate betrug im selben Jahr 1,55, was eine der niedrigsten in Lateinamerika ist.[2]
In Kuba existiert keine Staatsreligion, Staat und Kirche sind getrennt. Die Religionsfreiheit ist durch die Verfassung garantiert, womit jede Religion als gleichberechtigt anerkannt ist.[3] Im Jahr 1992 bekannten sich etwa 39 Prozent der Kubaner zur katholischen Religion und zu verschiedenen protestantischen Kirchen. 56 Prozent der Bevölkerung gilt als konfessionslos. Es existiert weiterhin eine nicht unerhebliche Anhängerschaft für verschiedene afrokubanische Kulte, insbesondere die Santería-Religion.[4]
Vor der Revolution schlug Kuba einen ähnlichen Entwicklungsweg ein wie die meisten Staaten Lateinamerikas. Nachdem 1898 die Unabhängigkeit von Spanien erreicht war, geriet Kuba zunehmend in politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA. Es kam zur Herausbildung einer korrupten politischen Elite, welche sich ihren eigenen Reichtum durch Zugeständnisse an die USA sicherte. Im Jahre 1933 fand in Kuba ein Volksaufstand statt. Dieser führte zur Bildung einer nationalistisch gesinnten Regierung, welche die Belange der ärmeren Bevölkerungsschichten zu repräsentieren versuchte und sich gegen die Interventionspolitik der USA wandte. Der politische Druck führte schließlich zum Rücktritt des Präsidenten Grau San Martin und zu einer wechselnden Folge von Regimen verschiedenen Typs. 1952 begann mit einem Militärputsch die Herrschaft von Fulgencio Batista. Unter seiner Herrschaft blühten Korruption und diktatorische Unterdrückung.[5]
Die Wirtschaft Kubas war durch die Abhängigkeit vom Zuckerexport geprägt. Die in geringem Ausmaß vorhandene Industrie, der öffentliche Transport und andere Bereiche wurden zu großen Teilen durch nordamerikanisches Kapital getragen. Dies gab den Investoren die Macht, über die Verteilung der Ressourcen und der produzierten Güter zu entscheiden und verhinderte gleichzeitig die Entwicklung eines kubanischen Mittelstandes. Der Außenhandel Kubas vollzog sich hauptsächlich mit den USA.[6] Die monokulturelle Exportwirtschaft und die damit bestehende Abhängigkeit von Exportpreisschwankungen führten zu saisonal bedingter hoher Arbeitslosigkeit. Wie in allen abhängigen Ökonomien manifestierten sich große gesellschaftliche Unterschiede bezüglich des Besitzes und damit auch hinsichtlich des Zugangs zu Konsumgütern und Dienstleistungen. Das Bildungs- und Gesundheitssystem waren nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich.[7]
Die zunehmende Verarmung der Kubaner und das Entstehen einer Guerillabewegung in den späten 50er Jahren bereiteten schließlich den Weg für die kubanische Revolution.
Die Guerilleros unter der Führung von Fidel Castro und Ernesto Che Guevara landeten in Jahre 1956 auf Kuba und begannen in der Bergkette Sierra Maestra den Kampf gegen die Batista-Regierung. Innerhalb von drei Jahren gelang es den Rebellen, die Insel zu erobern. Anfang 1959 erreichten sie Havanna und übernahmen die politische Macht.[8]
Die Revolutionäre hatten sich im wirtschaftlichen und sozialen Bereich ehrgeizige Ziele gesetzt. Alle Kubaner sollten gleiche Rechte und gleiche Zugangsmöglichkeiten zum gesellschaftlichen Reichtum erhalten. Die Arbeitsbedingungen sollten humanisiert und die strukturelle Deformation der kubanischen Wirtschaft, bedingt durch das kolonialistische und neokolonialistische System, sollte beseitigt werden.[9]
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass sich in den darauffolgenden Jahren das sozioökonomische Gefüge Kubas in seinen Grundstrukturen änderte. In den ersten zwei Jahren nationalisierte die neue Regierung als Reaktion auf das US-amerikanische Importverbot für kubanischen Zucker sämtliche ausländische und nationale Industrien, den Außenhandel und die Banken. Außerdem verabschiedeten die Revolutionäre ein Gesetz zur Agrarreform.
Da diese Maßnahmen die amerikanischen Interessen in Kuba direkt betrafen, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten zusehends. Anfang 1961 brachen die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Die oben genannten Maßnahmen führten neben dem positiven Effekt der Demokratisierung bestimmter Bereiche der kubanischen Gesellschaft auch zu einer Abwanderung von Kapital und qualifiziertem Personal. Die zunehmende Isolation Kubas im lateinamerikanischen Raum und die Hinwendung der revolutionären Regierung zu sozialistischen Ideen gaben den Ausschlag zur verstärkten Aufnahme von Beziehungen mit dem sozialistischen Lager. Damit begann eine wirtschaftliche und politische Verbindung, welche bis zum Zusammenbruch des Ostblockes anhalten sollte. Unter Führung des damaligen Industrieministers Ernesto „Che“ Guevara begann man mit der Diversifizierung von Industrie und Landwirtschaft unter Zuhilfenahme von sowjetischer Technik. Damit sollte insbesondere die Abhängigkeit vom Zuckerexport vermindert werden, um eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen.
Parallel dazu wurde das kubanische Volk im großen Stil mobilisiert. Diese Mobilisierung sollte die Wirtschaft ankurbeln und zeigte sich insbesondere in den Aktionen zur sogenannten freiwilligen Arbeit, aber auch in der Alphabetisierungskampagne. Laut Arbesú beschlossen die kubanischen Arbeiter in den frühen 60er Jahren, 4 Prozent ihres Lohnes für das Vorantreiben der Industrialisierung zu spenden.[10]
Neben den Änderungen im wirtschaftlichen Bereich sollte mit den Mobilisierungskampagnen noch ein anderes Ziel erreicht werden: Die Schaffung des „Menschen des 21. Jahrhunderts“[11], welcher sich charakterlich radikal vom kapitalistisch geprägten Menschen unterscheiden sollte.[12] Die Veränderung von Gesellschaft und Mensch, von Basis und Überbau und das Zusammenwirken von Volk und Vorhut betrachtete man gemäß der Marxschen Theorie als dialektischen Prozess, welcher als Ziel eine humanistische Gesellschaftsordnung hat. Die Einbindung des neuen sozialistischen Menschen in die Produktion unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung beschreibt Arbesú folgendermaßen:
„Para que lo primero ocurra, dice el Che, es necesesario que el hombre vea en el trabajo un cumplimento de su deber social’.“[13]
[Damit dies (die Herausbildung einer humanistischen Gesellschaft, A.d.V.) geschehen kann, so sagt Che, ist es notwendig, dass der Mensch in der Arbeit seine soziale Pflicht sieht.]
Die Formung des neuen Menschen und die Steigerung der Produktion durch eine höhere Qualifizierung der Menschen sollten sich unter anderem durch die Erziehung vollziehen, was eine Umstrukturierung des nationalen Bildungssystems voraussetzte. Mit der Alphabetisierungskampagne im Jahre 1961 wurde ein erster wichtiger Schritt zur Hebung des Bildungsniveaus der kubanischen Bevölkerung getan.[14] Die Bildung im revolutionären Kuba war und ist bis heute gratis und für alle Kubaner zugänglich. Sämtliche Einrichtungen wurden kurz nach der Revolution verstaatlicht und man baute das Netz der Bildungseinrichtungen sukzessive aus.[15] Die Bildungspolitik ist seither ein wichtiger Pfeiler der Innenpolitik. In ähnlicher Weise verfuhr man mit dem Gesundheitssystem. Sämtliche medizinische Behandlungen sind für Kubaner gratis. Durch die Verbesserung des Zugangs zu Bildung und medizinischer Betreuung auch außerhalb der Städte konnte die Lücke bezüglich der Lebensqualität zwischen Stadt und Land im Laufe der Zeit erheblich verringert werden. Weitere Verbesserungen für die Bevölkerung bestanden unter anderem in der Senkung der Mieten um 50 Prozent (diese wurden in der Reforma Urbana auf 10 Prozent des Lohns festgesetzt), der Reduktion der Preise diverser Dienstleistungen wie Elektrizität, Telefon und städtischer Transport, der Anhebung der Mindestlöhne und der Altersbezüge.[16]
Die Erfolge im sozialen und teilweise im ideologischen Bereich standen jedoch im Widerspruch zur gesamtwirtschaftlichen und außenpolitischen Lage Kubas. Aufgrund der zunehmenden Isolation in der westlichen Hemisphäre Anfang der 60er Jahre spitzte sich diese immer weiter zu. Die Invasion in der Schweinebucht 1961 durch vom CIA ausgebildete Exilkubaner belastete die Beziehungen zu den USA zusätzlich. Am Fehlschlag dieses Angriffs zeigte allerdings der Rückhalt, welchen die Revolutionäre zumindest in den ersten Jahren unter der kubanischen Bevölkerung hatten und bedeutete neben dem militärischen auch einen moralischen Sieg für Fidel Castro. Die Revolution wurde daraufhin als sozialistisch deklariert, was wiederum mit einer zunehmenden Feindschaft zwischen Kuba und den USA einherging. Das Handelsembargo der USA und die Ablehnung der kubanischen Revolution seitens der US-Regierung führten außenpolitisch zu einer generellen Isolation in der amerikanischen Staatengemeinschaft.
Die Kooperation mit den sozialistischen Ländern konnte zwar den Kollaps der kubanischen Wirtschaft zum großen Teil verhindern, brachte aber auch eine neue Abhängigkeit für das Land mit sich.
Trotz der Unterstützung der Kubaner hinsichtlich der Industrialisierung und unter anderem bedingt durch die außenpolitische Isolation und den Wegfall traditioneller Märkte war die Diversifizierungsstrategie nicht erfolgreich. Dies zeigte sich zum Beispiel daran, dass schon im Jahre 1962 Rationierungen bei Konsumgütern und Lebensmitteln notwendig wurden.
Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme, Konsumverzicht, aber auch der politischen Änderungen stieß die Revolution nicht bei allen Kubanern auf Sympathien. In den Jahren 1959-1962 verließen etwa 200.000 Menschen das Land.
Im Jahre 1963 beschloss man, wieder zur Zuckerproduktion als Haupteinnahmequelle zurückzukehren und sich im Allgemeinen verstärkt auf die Landwirtschaft zu konzentrieren. Einzelne Bereiche der Industrie wurden stärker gefördert, dies betraf vor allem die Herstellung von chemischen Produkten, Baumaterialien, Maschinen und mechanischen Produkte und die Energieversorgung.[17] 1963 wurde auch eine zweite Agrarreform durchgeführt. Danach befanden sich 65 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Staatsbesitz. Die erneute Hinwendung zur landwirtschaftlichen Produktion konnte den Rückgang der Produktivität jedoch nicht aufhalten.[18] Damit war eine Verminderung des Lebensniveaus verbunden, die zu einer Verschlechterung der Stimmung unter der Bevölkerung führte:
„Reina una gran apatía y un escepticismo por parte de los cubanos, con respeto a los programas y planes de productividad nacionales.“[19]
[Auf Seiten der Kubaner herrschte eine große Apathie und ein Skeptizismus bezüglich der Pläne und Programme zur nationalen Produktivität.]
Innerhalb der kubanischen Elite wurden die Meinungsverschiedenheiten über den einzuschlagenden ökonomischen Weg und besonders die Frage der Arbeitsvergütungen evident:
„Por un lado está la visión de Che Guevara, quien propone que los incentivos materiales – en la producción – no están de acuerdo con la sociedad socialista. Por el otro lado, se encuentra la posición de Carlos Rafael Rodríguez, quien piensa que la Ley de valor y los incentivos materiales deben continuar vigentes hasta que la sociedad cubana, sea capaz de producir lo suficiente para satisfacer todas las demandas de bienes de consumo.”[20]
[Auf der einen Seite gab es die Vision von Che Guevara, welcher die Meinung vertat, dass materielle Anreize in der Produktion nicht zur sozialistischen Gesellschaft passen. Auf der anderen Seite fand man die Position von Carlos Rafael Rodríguez, welcher der Ansicht war, dass das Wertgesetz und die materiellen Anreize gültig bleiben müssten, bis die kubanische Gesellschaft fähig sein würde, so viel zu produzieren, dass man die gesamte Nachfrage an Konsumgütern decken könne.]
Diese Spannung zwischen zwei völlig verschiedenen Sichtweisen bezüglich der Ökonomie und des Menschen an sich besteht bis zum heutigen Tag und prägte die Wirtschaftspolitik Kubas sehr stark. Die Sichtweise Che Guevaras setzte sich zunächst durch. Am 1. Mai 1966 sprach sich Castro ausdrücklich für die Notwendigkeit der Schaffung eines kommunistischen Menschentyps aus, ein Mensch, der frei von Egoismus sein solle. Dieser solle sich parallel zur notwendigen materiellen Basis entwickeln. Dazu gehörte auch die Einbeziehung bislang nicht produktiver Gruppen in den Arbeitsprozess:
„También se pide que se incorporen a la producción aquellos sectores inactivos, como el de las mujeres, y el de los estudiantes. Anuncia el deseo de introducir prácticas conjuntas de estudio y trabajo, y la necesidad evidente de crear riqueza con conciencia revolucionaria.”[21]
[Man verlangte auch die Einbeziehung der nichtaktiven Sektoren in die Produktion, wie etwa Frauen und Studenten. Er (Castro, A.d.V.) äußerte den Wunsch der Einführung von Praktiken zur Verbindung von Lernen und Arbeit und die offensichtliche Notwendigkeit der Schaffung von Reichtum mit revolutionärem Bewusstsein.]
Innerhalb der nächsten Jahre konnten jedoch kaum Fortschritte erzielt werden. Die Produktivität stieg nicht an, was unter anderem am sogenannten „ ausentismo “ (dem Fernbleiben der Arbeiter vom Arbeitsplatz) sowie der teilweise zu geringen Qualifizierung der Arbeitskräfte lag.[22] Um dem wirksam zu begegnen, wurden Gegenmaßnahmen ergriffen:
„Se adoptan métodos de disciplina militar, que permiten una organización centralizada y un control autoritario del poder. ...se entiende que hay que preparar a técnicos agropecuarios; y que los incentivos morales necesitan más tiempo para desarollarse sin problemas. Por eso se requiere una mejor politización de la gente. También Castro le da un especial interés en la capacitación técnica. ... También se contempla educar en base a la colectividad, para erradicar con ello el individualismo ligado al capitalismo. El gobierno requiere para desarollar su economía, de gente preparada que pueda especializarse en la rama agropecuaria.”[23]
[Man übernahm Methoden der militärischen Disziplin, welche eine zentralisierte Organisation und eine autoritäre Machtkontrolle erlaubten. ... Man verstand, dass man Techniker im Agrarbereich ausbilden musste und dass die moralischen Anreize längere Zeit brauchen würden, um sich ohne Probleme zu entwickeln. Dafür ist eine bessere Politisierung der Menschen nötig. Auch entwickelte Castro ein besonderes Interesse für die technische Ausbildung. … Die Überlegungen gingen in Richtung einer kollektiven Erziehung, um den Individualismus als kapitalistisches Relikt auszumerzen. Die Regierung brauchte gut vorbereitete Leute im landwirtschaftlichen Bereich zur Entwicklung der Wirtschaft.]
Ab dem Jahre 1970 begann man aufgrund der oben angeführten Mängel mit der Einführung neuer Konzepte besonders im ökonomischen Bereich. Der eingeschlagene Weg musste korrigiert werden und es begann die Phase des Perfektionierungsplans (Plan de Perfeccionamiento). Laut Arbesú wurde es notwendig, in kürzeren Etappen zu planen und die Ziele realistischer zu gestalten.[24] Im Zuge dieses Prozesses wurden auch grundlegende Reformen in anderen Bereichen wie dem Bildungssystem durchgeführt.
Rodriguez Mesa schreibt über die dann folgenden Jahre:
„El quinquenio 1975-80 constituirá, en cierto sentido, un período de tránsito de la primera fase – caracterizada por la reorganización y desarollo de la economía, escenario de la mayor asignación de inversiones correspondientes al sector agropecuario -, a una segunda fase de industrialisación acelerada.“[25]
[Die fünf Jahre von 1975 bis 1980 sind in gewissem Sinn eine Phase des Wandels von der ersten Phase - charakterisiert durch die Neuorganisation und Entwicklung der Wirtschaft und den größeren Einsatz von Ressourcen in der Landwirtschaft – hin zu einer zweiten Phase einer beschleunigten Industrialisierung.]
Die Produktivität sollte im Allgemeinen gesteigert werden, einerseits durch modernere Produktionsmittel, andererseits durch verstärkte materielle Anreize (knappe Güter, Reisen in andere sozialistische Länder, Prämiensysteme) für die Arbeiter, welche mit hoher Produktivität arbeiteten. Es wurde weiter an der zentralen Planung festgehalten, die Unternehmen erhielten jedoch gewisse finanzielle und operative Spielräume.[26] Die Beziehungen zwischen den Unternehmen wurden teilweise dem Markt angepasst. Man erlaubte den Vertrieb von bestimmten landwirtschaftlichen Produkten in freien Bauernmärkten sowie die beschränkte Aufnahme selbständiger Tätigkeiten.
Im Jahre 1972 trat Kuba dem CAME [27] bei und konnte ab diesem Zeitpunkt von den besseren Konditionen der Mitgliedsstaaten und den Partnerverträgen profitieren. Auch war somit ein Minimum an Planungssicherheit gewährleistet. Insgesamt waren die 70er Jahre durch relativ hohe Wachstumsraten gekennzeichnet.[28]
Nach den Schwierigkeiten in den Anfangsjahren stieg das Lebensniveau der Bevölkerung in den 70er Jahren kontinuierlich an. Von 1970-1974 wuchs das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung um 25 Prozent. Durch die Agrarreform war ein Großteil der Kubaner zum Besitzer der eigenen Wohnung geworden. Die kostenlose Bereitstellung von Bildung und gesundheitlicher Betreuung ließ der Bevölkerung zudem mehr finanziellen Spielraum. Die Preise für die wichtigsten Lebensmittel waren staatlich kontrolliert und konnten während der Periode 1965-1974 weitgehend konstant gehalten werden. Das Angebot an Basisgütern wurde ausgeweitet, während sich bestimmte Luxusgüter, bedingt durch die steigende Nachfrage, verteuerten. Rodriguez Mesa schreibt dazu:
„En general, el consumo de alimentos se incrementó en mas de un 20% en el periodo 1970-1974, el de articulos de vestir en un 40% y es particularmente importante el de bienes de consumo duradero, el cual cuadruplica en 1974 los niveles de 1970.”[29]
[Im Allgemeinen wuchs der Lebensmittelkonsum im Zeitraum von 1970-74 um 20 Prozent, der Konsum von Kleidung um 40 Prozent und, was besonders wichtig ist, der Kauf von langlebigen Konsumgütern hatte sich 1974, im Vergleich zu 1970, vervierfacht.]
Dieser Aufwärtstrend setzte sich in den 80er Jahren fort. Die Industrialisierungspolitik wurde weiter beibehalten.
Durch die geringen Lohnunterschiede wurde ein hohes Maß an Gleichheit erreicht und das Lebensniveau der Bevölkerung verbesserte sich weiter. Der Perfektionierungsplan hatte positive Ergebnisse erzielt, gleichzeitig zeigten sich jedoch die Schwächen des Systems. Die eingeführten Elemente des Marktes und die zentrale Lenkung kollidierten miteinander. Dies zeigte sich im Aufkommen der Korruption, Verschwendung von Ressourcen und einer schlechten Arbeitsmoral. Einige Bereiche arbeiteten ineffizient. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre sollten daher nochmals Korrekturen vorgenommen werden. Es begann die sogenannte Rectificación. Dabei handelte es sich im Besonderen um die Wiederherstellung der Disziplin am Arbeitsplatz und die Vermeidung von schlechten Unternehmenspraktiken.
„Se eliminó el mercado libre campesino y el sistema de primas, y se restringió la actividad por cuenta propia. Se planteó publicamente la necesidad de eliminar las ‘plantillas infladas’. ... Se hace enfasis en el desarollo del turismo y la biotecnología buscando incrementar los ingresos en divisas; se abre el turismo al capital extranjero.”[30]
[Man beseitigte die freien Bauernmärkte und das Prämiensystem und beschränkte selbständige Tätigkeiten. Man ging öffentlich die Notwendigkeit der Beseitigung der ‚infizierten Belegschaften’ an. … Es wurden Schwerpunkte in der Entwicklung der Biotechnologie und des Tourismus gesetzt, um die Deviseneinnahmen zu erhöhen und der Tourismus wurde für ausländisches Kapital geöffnet.]
Ingesamt wuchs die Wirtschaft in dieser Etappe nur wenig, es kam zur Knappheit von Gütern und gleichzeitig zu einer leichten Anhebung der Löhne, wodurch erste inflationäre Tendenzen sichtbar wurden, welche sich später verstärken sollten. Die Arbeitsmoral verbesserte sich nicht und die hohe Liquidität führte u.a. zu Unterbeschäftigung und dem Aufkommen einer Schattenwirtschaft.[31]
In den 70er Jahren sanken die Flüchtlingszahlen aufgrund der verbesserten Lebensbedingungen ab. Sie erreichten aber 1980 einen neuen Höhepunkt von 120.000 Auswanderern.[32]
1989 änderte sich die weltwirtschaftliche Lage Kubas grundlegend aufgrund des Zusammenbruchs der sozialistischen Staatengemeinschaft. Das Land, welches 85 Prozent des Außenhandels mit den COMECON-Ländern abgewickelt hatte, rutschte in eine tiefe Krise. Diese erreichte im Jahre 1993 ihren Höhepunkt und ist als Spezialperiode (período especial) bekannt. 1993 war das BIP im Vergleich zu 1989 um 35 Prozent geschrumpft. Das Angebot an Konsumgütern ging rapide zurück, sämtliche Grundgüter des staatlichen Angebotes wurden rationiert, während der soziale Bereich (Bildung, Gesundheit) weiterhin gratis zur Verfügung gestellt wurde. Die Ernährungssituation der kubanischen Bevölkerung erreichte ein kritisches Niveau und die Kalorienversorgung sank unter die von Ärzten empfohlene Menge.[33]
Dies machte grundlegende Reformen notwendig, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Es kam zu einer Öffnung Kubas, um sowohl Zugang zu Kapital, Technologien und neuen Märkten zu erhalten. Dies und die interne finanzielle Krise führten zu rigorosen Maßnahmen in der Binnenwirtschaft, der Planung und Verwaltung.
García del Portal beschrieb diesen Prozess in einem Interview. Eine erste Maßnahme sei eine stärkere Beachtung der Wirtschaftlichkeit gewesen, es wurde mehr auf die Ausgaben der Betriebe und Institutionen geachtet. Es wurden Verbrauchsnormen aufgestellt. Viele Importe und Investitionen mussten verschoben werden.[34]
Kuba begann nach einer entsprechenden Verfassungsänderung, auch über den touristischen Sektor hinaus, ausländisches Kapital ins Land zu holen. Damit entstand ein völlig neuer Bereich in der kubanischen Wirtschaft, welcher mit dem staatlich gelenkten Wirtschaftssystem nicht mehr viel gemeinsam hatte, wie Ferriol Muruaga beschreibt:
„Como consecuencia, un rasgo importante que surgió es un cierto caracter dual que ha adquirido la economía, pues el sector emergente está acompañado del sector estatal tradicional, que es mayoritario, con limitadas posibilidades de gestión y sujeto a las contingencias de los recursos disponibles centralmente.”[35]
[Als Konsequenz hat die Wirtschaft einen dualen Charakter angenommen, weil der entstehende Sektor vom traditionellen staatlichen Sektor begleitet ist, welcher sich in einer Hand befindet, wenige Handlungsmöglichkeiten hat und abhängig von den Kontingenten der zentral verfügbaren Ressourcen ist.]
Im Jahre 1993 beschloss man des Weiteren ein Notprogramm, welches unter anderem in einer Lockerung für Besuche von Angehörigen aus dem Ausland, die Erlaubnis für den Besitz von Dollar und die Einrichtung von Läden für den Verkauf von Produkten in Devisen umfasste. Die nationale Währung dagegen verlor zeitweise stark an Bedeutung.
Man erlaubte die Aufnahme einer selbständigen Arbeit und die Bildung von Kooperativen in der Landwirtschaft. Dadurch sollte das Angebot an Gütern und Dienstleistungen ausgeweitet werden. 1995 wurde diese Form der Beschäftigung noch einmal ausgeweitet, indem man die Palette der zulässigen Tätigkeiten vergrößerte. Außerdem ließ man die Existenz von Märkten zu, in welchen die Bauern und andere Produzenten ihre Produkte zu freien Preisen verkaufen konnten, nachdem sie einen festgelegten Anteil an den Staat verkauft hatten. In bestimmten Zweigen der Produktion führte man ein neues System von materiellen Anreizen in Devisen ein, welche für die Erfüllung und Übererfüllung des Plansolls vergeben wurden. In anderen Produktionszweigen werden materielle Stimuli in der nationalen Währung vergeben.[36]
Daneben wurden die Preise für bestimmte Produkte und Dienstleistungen erhöht und einige kostenlose Dienste fielen weg. In der Fiskalpolitik versuchte man, die Subventionen und Ausgaben der Betriebe zu reduzieren und Schritt für Schritt ein modernes Steuersystem einzuführen. All diese Schritte sollten die angeschlagene Wirtschaft wieder in Schwung bringen, indem der Regulierungsfunktion des Marktes ein höherer Stellenwert zuerkannt wurde. Eine der wichtigsten Entscheidungen auf politischer Ebene war die Transformation der früheren zentralen Planungsgruppe (Junta Central de Planificación) in das Ministerium für Wirtschaft und Planung (Ministerio de Economía y Planificación). Hier sollten neue Strategien für die Zukunft entworfen werden, das alte System mit neuen Elementen (Selbständige usw.) sollte effizient verwaltet werden.[37]
Aufgrund der erheblich besseren Anreize und Löhne in den neuen, durch ausländisches Kapital finanzierten Sektoren erlebten die staatlichen Betriebe eine erneute Abwanderungswelle gerade auch von qualifizierten Arbeitskräften in nichtstaatliche Unternehmen. In der folgenden Tabelle ist die Zahl der Beschäftigten im staatlichen und nichtstaatlichen Sektor prozentual dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Anuario Estadístico 2000, Tab. IV/1
Die Mangelsituation, welche auch durch die ergriffenen Maßnahmen nur mittelfristig behoben werden konnte, hatte zudem das Entstehen einer Parallelwirtschaft zur Folge. [38]
Der Wert der Transaktionen der Schattenwirtschaft erreichte in der Spezialperiode den Umfang der Transaktionen zwischen Staat und Bevölkerung, allerdings zu viel höheren Preisen. Das Preisniveau in diesem Bereich betrug 1993 das 40-fache der staatlichen Preise. Dieses Missverhältnis hatte die Kontraktion des Geldvolumens, aber auch die Umverteilung der Liquidität unter der Bevölkerung zur Folge.[39] Diese Umverteilung führte zur Entstehung einer neuen Schicht von Privilegierten, d.h. Personen, welche zum rechten Zeitpunkt knappe Güter verkaufen konnten:
„Solo para ejemplificar, considerése que un asalariado de de la industria azucarera – principal industria del país – podía estar devengado ingresos monetarios mensuales siete veces más bajos que un desvinculado laboral que vendiese productos en la economía sumergida, ello acentuó el desestímulo hacia el trabajo y afectó las bases históricas de la movilidad social en Cuba, que en el período revolucionario han estado asociadas fuertemente a la elevación de la calificación y el mérito laboral.”[40]
[Nur um ein Beispiel zu geben: Man kann annehmen, dass ein Arbeiter der Zuckerindustrie – die wichtigste Industrie des Landes – einen Lohn erhält, der siebenmal niedriger ist als die Einkünfte eines nicht Berufstätigen, welcher Güter in der Schattenwirtschaft verkauft. Dies verstärkte die Demoralisierung hinsichtlich der Arbeit und veränderte die Grundlagen der sozialen Mobilität in Kuba, welche in der revolutionären Phase stark an die Erhöhung der Qualifikation und die Arbeitsleistung gekoppelt waren.]
Ein weiteres wichtiges Problem, mit welchem Kuba seit Beginn der Spezialperiode bis zum heutigen Tag zu kämpfen hat, ist die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Leuten und Frauen. Laut der staatlichen Presse seien durch die Erholung der Wirtschaft viele Kubaner wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert worden, besonders im landwirtschaftlichen Bereich und in den sozialen Berufen. Auch lege man großen Wert auf Weiterbildungsmaßnahmen, um den steigenden Bedarf an höher qualifizierten Arbeitern zu decken und besonders junge Leute von der Straße wegzuholen.[41] Die Verdienstmöglichkeiten in der Schattenwirtschaft und die vergleichsweise niedrigen Durchschnittslöhne sind jedoch nach eigenen Beobachtungen der Grund, dass vielen Kubanern das Interesse und die Motivation für eine geregelte Arbeit fehlen.
Außenpolitisch wird die Öffnung Kubas bis zum jetzigen Zeitpunkt fortgesetzt. Die USA verschärften den Druck auf Kuba in den 90ern weiter. Durch das Helms-Burton- und das Torricelli-Gesetz[42] ist die Spannung zwischen beiden Ländern angewachsen. Zum aktuellen Zeitpunkt kann man jedoch wieder vermehrte Annäherungsversuche bemerken und es besteht die Hoffnung, dass das Embargo gelockert wird. Ausländische Unternehmen, besonders aus Europa und Kanada, interessieren sich für diesen noch ungesättigten Markt und die Zahl der ausländischen Investoren steigt trotz der bisherigen Politik der USA weiter an.
Die Entwicklungen und Maßnahmen der letzten Jahre führten zwar auf der einen Seite zu einer langsamen Erholung der kubanischen Wirtschaft, aber auch zu einer wachsenden sozialen Ungleichheit unter der Bevölkerung. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Gratwanderung der Regierung zwischen sozialer Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit bewegt und welche Rolle politische Freiheiten in Zukunft spielen werden.
Im Januar des Jahres 1959 fand die kubanische Revolution statt. Nach drei Jahren des Guerillakampfes eroberten die Rebellen unter Führung des Rechtsanwaltes Fidel Castro Ruz das Land. Dies eröffnete Möglichkeiten für fundamentale Änderungen im politischen und wirtschaftlichen System. Nach der Revolution wurde zunächst die alte Verfassung außer Kraft gesetzt und man verbot alle Parteien, welche mit dem Batista-Regime kollaboriert hatten.
Bereits in den Sechzigern gründete man eine Reihe von Massenorganisationen. Einige der wichtigsten sind die Komitees zur Verteidigung der Revolution (Comité para la Defensa de la Revolution – CDR), die Vereinigung kubanischer Frauen (Federación de Mujeres Cubanas – FMC), der nationale Verband der Kleinbauern (Asociación Nacionel de Agricultores Pequeños – ANAP) sowie der Studentenverband (Federación de Estudiantes Universitarios – FEU). Die Zuständigkeiten dieser Organisationen lagen laut Stahl vor allem in der Mobilisierung der Bevölkerung für die Ziele der Revolution.[43] Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Organisationen von Anfang an auch mit Spitzel- und Kontrollfunktionen betraut waren.
In der letzten Hälfte der 60er hatte sich die politische Macht in Kuba, bedingt durch die mangelnde Formalisierung der politischen Herrschaftsstrukturen, mehr und mehr in der Person Castros konzentriert. Damit wurde eine wirkliche Partizipation von unten verhindert, da eine auf der Bevölkerung basierende politische Willensbildung, z.B. über Wahlen, nicht stattfand. Dies hatte laut Stahl die Herausbildung eines autoritären bürokratischen Machtapparates zur Folge. Es wurde daher Anfang der 70er Jahre notwendig, dem politischen System mehr Struktur zu geben und die Revolution zu institutionalisieren.[44]
Das Vakuum an politischen Institutionen wurde durch die sozialistische Verfassung von 1976 aufgehoben. Das System der Organe der Volksmacht, des Poder Popular, wurde eingeführt. Stahl schreibt hierzu:
„Ihre Funktionsweise beruht auf den Prinzipien der Gewalteneinheit, des demokratischen Zentralismus und der sozialistischen Demokratie (Art. 66 der Verf.). Das Prinzip des demokratischen Zentralismus beinhaltet eine hierarchische Gliederung des gesamten politischen Institutionensystems, das den übergeordneten Instanzen Weisungsbefugnis … zuerkennt und ihnen das Recht gibt, Entscheidungen der unteren Instanzen aufzuheben. … Das Prinzip der sozialistischen Demokratie beruht schließlich auf der Wählbarkeit aller Organe der Staatsmacht. Da der Staat als Eigner der verstaatlichten Produktionsmittel auch die Wirtschaft plant und leitet und die Produktion und Verteilung kontrolliert, üben die politischen Institutionen … auch wirtschaftliche Funktionen aus.“[45]
Laut Verfassung existieren in Kuba staatliche Organe in zwei Ebenen: den Staat betreffend (Órganos Superiores del Poder Popular[46] ) und eine weitere auf lokaler Ebene (Órganos Locales del Poder Popular) [47]
Die Organe auf Staatsebene sind die Nationalversammlung (Asamblea Nacional del Poder Popular), der Staatsrat (Consejo del Estado) und der Ministerrat (Consejo de Ministros).
Die folgende Grafik zeigt die Beziehungen zwischen den einzelnen Organen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Ministerrat ist das höchste Exekutivorgan und bildet die kubanische Regierung. Durch den Präsidenten werden die Mitglieder des Exekutivkomitees des Ministerrates bestimmt. Das Exekutivkomitee hat Entscheidungsbefugnis in Fragen, welche den Ministerrat betreffen. Der Staatsrat dagegen hat eine beratende Funktion, die endgültige Entscheidung über politische Fragen liegt beim Ministerrat.[48] Wie schon in der Grafik erwähnt, ist der Präsident des Staatsrates gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regierungschef. Seit der Revolution hat Fidel Castro dieses Amt inne.
Insgesamt ergeben sich aus der Verfassung das Bild einer engen Verflechtung der politischen Organe sowie das völlige Fehlen einer Gewaltenteilung. Hinzu kommt die Vereinigung der höchsten Staatsämter in einer Person. Das politische System Kubas muss somit trotz Institutionalisierung in weiten Teilen als autoritär und undemokratisch bezeichnet werden.
In diesem Zusammenhang muss auch das weitgehende Fehlen bürgerlicher Freiheiten, wie etwa Rede- und Pressefreiheit, erwähnt werden. Der Anspruch des Staates auf die Kontrolle der öffentlichen Medien ist in Kuba schon in der Verfassung verankert:
„Se reconoce a los ciudadanos libertad de palabra y prensa conforme a los fines de la sociedad socialista. La condiciones materiales para su ejercicio están dadas por el hecho de que la prensa, la radio, la televisión, el cine y otros medios de difusión masiva son de propiedad estatal o social y no pueden ser, en ningún caso, de propiedad privada ...”[49]
[Den Bürgern wird Rede- und Pressefreiheit in Übereinstimmung mit den Zielen der sozialistischen Gesellschaft zuerkannt. Die Bedingungen für deren Ausübung sind durch die Tatsache bestimmt, dass die Presse, das Radio, das Fernsehen, das Kino und andere Massenmedien staatliches oder gesellschaftliches Eigentum sind. Sie können in keinem Fall privates Eigentum sein.]
In neuerer Zeit stellt das Internet die kubanische Regierung vor Probleme im Zusammenhang mit dem staatlichen Meinungsmonopol. Laut Hoffmann ist der Zugang nur einer kleinen Minderheit vorbehalten. Privaten Haushalten ist ein Internetanschluss verboten und selbst in den staatlichen Einrichtungen wird kontrolliert, welche Inhalte aufgerufen werden.[50]
Das künstlerische Schaffen unterliegt ebenfalls nach wie vor gewissen Einschränkungen. Auch wenn im Zuge der Ereignisse nach 1989 laut Barthelemy eine gewisse Lockerung eingetreten ist, darf z.B. von Buchautoren keine Kritik am Regime geübt werden.[51]
Die Reisefreiheit ist für Kubaner stark eingeschränkt. Dies gilt umso mehr, je höher der Betreffende qualifiziert ist.[52]
Im Allgemeinen muss eine repressive Behandlung von Systemkritikern bemängelt werden. Der Umgang mit politischen Dissidenten lässt laut Amnesty International weiter zu wünschen übrig:
„… Nach wie vor brachten die kubanischen Behörden Regierungskritiker hinter Gitter, die lediglich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen hatten. Einschränkungen dieser fundamentalen Rechte blieben gesetzlich verankert. …
Nach wie vor versuchten die kubanischen Behörden, abweichende Meinungen zu unterdrücken, indem sie der Regierungsgegnerschaft verdächtigte Personen Schikanen unterwarfen. So sahen sich vermeintliche Dissidenten Kurzzeitinhaftierungen, wiederholten Vorladungen, Drohungen, Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit und dem Verlust ihrer Wohnung und ihres Arbeitsplatzes ausgesetzt. …“[53]
Kuba ist ein Einparteienstaat, es existiert lediglich die kommunistische Partei Kubas (Partido Comunista de Cuba - PCC), welche 1965 gegründet wurde. In marxistischer Tradition wird die Partei als „organisierte Vorhut des Volkes“[54] betrachtet und ist eine Kaderpartei, welche ihre Mitglieder nach strengen Kriterien auswählt. Die Partei interveniert zumindest nicht direkt in den Ablauf der Wahlen. Es ist ihr jedoch möglich, die Wahlen über die Massenorganisationen zu beeinflussen, da diese die Kandidaten (Einheitslisten) aufstellen. Mitte der 90er Jahre waren demzufolge etwa 90 Prozent der Mitglieder der Nationalversammlung Parteimitglieder, welche aber unter der kubanischen Bevölkerung nur etwa 5 Prozent ausmachten.[55]
Entsprechend der Gliederung in Provinzen (provincias) und Bezirke (municipios) existieren provinzielle und lokale Volksversammlungen. Die Kandidaten werden von den jeweiligen Massenorganisationen in den Bezirken aufgestellt und in freier, geheimer und direkter Wahl gewählt. Auf provinzieller Ebene finden die Wahlen alle fünf Jahre statt, in den municipios (lokale Ebene) in einem Rhythmus von 2,5 Jahren. In diesen Wahlen werden die Gemeindeversammlungen gewählt, welche für die Geschehnisse direkt vor Ort verantwortlich sind. Dies betrifft einerseits die Produktion und Distribution von Gütern und andererseits die Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen. Hierzu zählen unter anderem die medizinische Betreuung, Bildung und Freizeitgestaltung. Auf dieser Ebene haben die Menschen laut Stahl direkte Mitspracherechte, da der Wahlvorgang hier nicht von der Partei gelenkt wird und daher eine begrenzte Selbstverwaltung der Gemeinden möglich ist. Dies hebt Stahl in einer Ausführung zur aktuellen Situation hervor:
„Obwohl die Möglichkeiten der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung von der noch immer übermächtigen Zentrale beschnitten werden, sollte man den mit der begrenzten Selbstverwaltung verbundenen politisierenden und emanzipatorischen Effekt nicht außer Acht lassen. Durch die eigenständige Verwaltung der Gemeindeeinrichtungen und die Lösung von Gemeindeproblemen kann die Bevölkerung Erfahrungen sammeln, die ihr Bewusstsein ihrer eigenen Fähigkeiten stärken können, anstehende Probleme in die eigene Hand zu nehmen, statt passiv auf ihre Lösung durch die Zentrale zu warten.“[56]
Trotz des Drucks von außen und innen (durch die Kubaner selbst) wurden am bisherigen politischen System noch keine einschneidenden Änderungen vorgenommen. Daraus ergibt sich auch eine latente Unzufriedenheit einiger Teile der Bevölkerung, welche sich u.a. in immer wiederkehrenden Auswanderungswellen (z.B. im Jahre 1994) zeigt.
Die in den Neunzigern durchgeführten Anpassungsmaßnahmen führten nach und nach zu einer Stabilisierung der kubanischen Wirtschaft und zu einer Verbesserung der Lage der Einheimischen. Dies hatte seine Ursachen in dem steigenden Angebot an Gütern, der Konsolidierung des Wertes des Peso und des höheren Anteils an Devisen in den Händen der Bevölkerung. Die kubanische Währung, welche in der Zeit vor 1989 ein relativ stabiles Verhältnis zum Dollar (etwa 1:1) aufwies, fiel Anfang der 90er auf 120:1 und stabilisierte sich im Jahre 2000 auf den Kurs von 20:1. Nach den Ereignissen des 11. September und im Zuge der globalen Wirtschaftslage beträgt der Kurs im Jahre 2002 etwa 25:1.
Nach einem kurzzeitigen Absinken der Durchschnittslöhne Mitte der 90er Jahre kam es ab 1995 zu einem stetigen Anstieg, wie das folgende Diagramm zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Anuario Estadistico 1996, Tab. V/5 und 2000, Tab. V/5
Aufgrund des aktuellen Wechselkurses entspricht ein Lohn von 250 Peso einem Gegenwert von 10 Dollar.
Für die Entwicklung eines korrekten Bildes der ökonomischen Situation der Kubaner ist diese Zahl jedoch wenig aussagekräftig, da viele Besonderheiten beachtet werden müssen. Zum einen erhalten die Menschen die Grundnahrungsmittel kontrolliert durch die Verwendung von Lebensmittelkarten. Diese Nahrungsmittel sind rationiert und subventioniert, so dass der Preis für sämtliche Produkte der Lebensmittelkarte einen Dollar pro Monat nicht übersteigt. So ist dafür gesorgt, dass niemand Hunger leidet, das Angebot ist aber weiterhin sehr beschränkt. Insbesondere Fleisch- und Milchprodukte, Fette und kosmetische Artikel sind sehr streng rationiert und reichen nicht zur Deckung des Bedarfs aus.[57] 1998 konnten mit diesen Gütern nur ca. 50 Prozent des Kalorienbedarfs gedeckt werden. Bestimmte notwendige Güter werden auf diesem Wege gar nicht geliefert, so dass eine Reihe von Produkten in den teils staatlichen Agrarmärkten (Agromercados) oder in den entstandenen Läden (Zahlung in Devisen) erworben werden muss. Auch in diesen Einrichtungen fixiert der Staat die Preise (für jeweils einen Monat), welche besonders in den Devisenläden für einen Durchschnittskubaner nicht bezahlbar sind. Dies gilt nicht nur für Luxusgüter wie Fernseher oder Waschmaschinen, sondern auch für ganz alltägliche Waren.
Zur Veranschaulichung sollen hier die Preise für einige Produkte angegeben werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[58] [59]
Am Beispiel eines 5-Personen-Haushaltes soll an dieser Stelle exemplarisch die typische Einkommens- und Ausgabenstruktur einer kubanischen Familie deutlich gemacht werden. Die befragte Familie bezieht reguläre Einkommen aus zwei Quellen: Zum einen erhält ein Familienmitglied als Angestellter in der Gastronomie (ausländisches Restaurant) einen Lohn von 200 Peso Cubano und darüber hinaus einen Devisenanreiz von etwa 10 Dollar.[60] Die zweite Quelle ist die Invalidenrente eines älteren weiblichen Familienmitglieds von 101 Peso Cubano.[61] Wie etwa 80 Prozent der Kubaner ist auch diese Familie Eigentümer des bewohnten Hauses und zahlt daher keine Miete. Die festgestellten Kosten für Gas, Elektrizität, Wasser und Telefon sind monatliche Durchschnittskosten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[62] [63] [64] [65] [66]
Stellt man die Einnahmen des Haushaltes und die Lebenshaltungskosten in Kuba gegenüber, wird deutlich, dass die regulären Gehälter im Verhältnis sehr knapp bemessen sind. Daraus kann abgeleitet werden, dass andere Einkommensquellen notwendig sind, die außerhalb der legalen Möglichkeiten liegen.
Hiermit bestätigt sich auch die weiter oben zitierte Ausführung Ferriol Muruagas, dass der Lebensstandard im heutigen Kuba für den Großteil der Bevölkerung weniger von den Arbeitsleistungen als von der Fähigkeit, sich in der Schattenwirtschaft zu behaupten, abhängt.
Insgesamt lässt sich aus dem Gesagten ein sehr ambivalentes Bild der heutigen Situation in Kuba zeichnen. In den über 40 Jahren der Castro-Ära wurde versucht, ein neues Gesellschaftssystem zu etablieren, welches einen alternativen Weg für ein Land der Dritten Welt darstellen sollte. Besonders die Errungenschaften im sozialen Bereich und damit die Schaffung von mehr Gleichheit unter der Bevölkerung stellen für Kuba große Erfolge dar. Durch die Schwierigkeiten in den Neunzigern sind diese in Gefahr geraten, werden jedoch weiterhin verteidigt. Im Widerspruch dazu steht die nur schwer kontrollierbare Schattenwirtschaft. Die Folge sind einerseits mehr Möglichkeiten für die Sicherung des Lebensunterhaltes, andererseits aber ein wachsendes soziales Gefälle. Politische Freiheiten bleiben nach wie vor eingeschränkt und gerade in diesem Bereich sind nach eigenen Einschätzungen keine Änderungen in Sicht. Die kubanische Realität verlangt nach dringenden Reformen. Es ist jedoch fraglich, ob der Erhalt der sozialistischen Erfolge und eine Anpassung an Marktmechanismen gleichzeitig möglich ist und inwieweit die Regierung Änderungen im politischen System zulässt.
Das gesamte Bildungswesen Kubas setzt sich aus fundamentalen Prinzipien und gesetzlichen Rahmenbedingungen zusammen, die fest in der Verfassung des Landes verankert und maßgebend für die ideologischen Werte in der kubanischen Gesellschaft seit 1959 sind.
Ausgehend von den Bildungskonzepten dreier Theoretiker, die großen Einfluss auf die kubanische Bildung ausüben, wird die pädagogische Richtung Kubas in diesem Kapitel herausgestellt.
Diese Ziele werden anhand einzelner Artikel der kubanischen Verfassung verdeutlicht.
Um die wichtigsten gesetzlichen Etappen innerhalb des Bildungswesens darzulegen, wurde ein Gespräch mit dem juristischen Berater des Bildungsministeriums geführt.
Das kubanische Bildungssystem besteht aus einem Zusammenspiel der beiden Faktoren Lernen und Arbeiten, um einen „neuen Menschen“, den „hombre nuevo“, der frei von den vererbten Lastern der früheren Gesellschaft ist, zu formen.[67] Den Grundstein für dieses Konzept haben schon Karl Marx und Friedrich Engels gelegt, die durch ihre Werke die Vorbilder für viele sozialistische Denker sind.
Das kubanische Bildungssystem ist jedoch nicht nur vom Marxismus, sondern von weiteren bemerkenswerten Ideen Intellektueller, wie dem kubanischen Nationaldichter, Schriftsteller und Revolutionär José Martí und dem Guerillakämpfer Ernesto Che Guevara geprägt.
Obwohl nicht alle erwähnten Persönlichkeiten aus derselben Zeitepoche stammen, verbindet sie die Gemeinsamkeit, ihre Ideen anhand des Konzeptes Bildung und Produktion zu kombinieren. Die Basis dafür bildet das Ideal des „neuen kubanischen Menschen“.[68]
Karl Marx und Friedrich Engels sind die Begründer des Bildungskonzeptes bestehend aus Bildung und Arbeit.
Die Arbeit bildet laut Marx das Fundament jeder Gesellschaftsordnung. Arbeit hat hierbei einen Doppelcharakter:
„Individuen erschließen ihre natürliche und gesellschaftliche Umwelt und sind gleichzeitig in gesellschaftliche Strukturzusammenhänge eingebunden“.[69]
Nach Marx bildet sich das Bewusstsein jedes Menschen einerseits durch die produktive Arbeit, andererseits durch Interaktion mit anderen Menschen heraus. Das „Sein bestimmt also das Bewußtsein“.[70]
In diesem Zusammenhang steht ferner der Begriff der „Entfremdung“[71] der Arbeit. Entfremdete Arbeit bedeutet bei Marx, dass sie nur noch als zwingende Notwendigkeit und „Mittel zum Zweck“[72] dient. Das Individuum entfernt sich immer weiter vom eigentlichen Menschsein, da nicht mehr seine eigenen, sondern fremde Bedürfnisse befriedigt werden. Es entstehen somit Interessengegensätze zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, die bei Marx als Klassen bezeichnet werden.
Das Gesellschaftsbild wird bei Marx durch das Vorhandensein gewisser Produktionsweisen charakterisiert. Die Produktionsweise wird durch folgende Relation bestimmt:
„...von Produktivkräften (Rohstoffe, Maschinen, wissenschaftlicher Fortschritt, Qualifikationen usw.) und Produktionsverhältnissen (soziale Strukturen, Produktions- und Eigentumsverhältnisse)“.[73]
Die kapitalistische Gesellschaft wird bei Marx und Engels anhand der Verteilung der Besitzgüter definiert.
Zum einen existiert die „Klasse der Besitzer an Produktionsmitteln“, zum anderen gibt es die „Klasse der Nichtbesitzer an Produktionsmitteln“, die Arbeiterklasse.[74]
Die Besitzenden verfolgen das Interesse, ihr Kapital zu vergrößern, indem sie die Arbeiterklasse ausbeuten. Diese hingegen besitzt nur ihre eigene „Arbeitskraft“, die sie „als Ware auf dem kapitalistischen Markt“ anbietet.[75] Das Produkt des Arbeiters geht in die Hände der Besitzenden.
Die Entstehung von Klassen mit unterschiedlichen Interessen liegt bei Marx im Wirtschaftssystem der Gesellschaftsordnung begründet.
Um die gesellschaftliche Klassenbildung aufzuheben, fordert Marx die Veränderung der Produktionsverhältnisse und die Etablierung einer neuen Gesellschaft. Nur durch die Machtübernahme der Arbeiterklasse nach Klassenkämpfen und Revolution können die Klassen aufgehoben werden. Das Privateigentum wird zum Volkseigentum erklärt, was in einer klassenlosen Gesellschaft (Kommunismus) mit einer vollständigen Entwicklung der fortschrittlichen Produktivkräfte verbunden ist.
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[1] Oficina Nacional de Estadísticas 2000, S. 2f.
[2] Oficina Nacional de Estadísticas 2000, S. 12
[3] OEI 1995, S. 8
[4] Fischer Weltalmanach 1998, S. 449
[5] Stahl 1995; S.482f.
[6] Arbesú 1993, S.22
[7] ebd., S. 23
[8] Stahl 1995, S.483
[9] Ferriol Muruaga/González Gutiérrez 1996, S. 7
[10] Arbesú 1993, S. 44
[11] Guevara 1997, S. 30
[12] siehe auch Kapitel: „Fundamentale Prinzipien und gesetzliche Rahmenbedingungen des kubanischen Bildungssystems“
[13] Arbesú 1993, S.32
[14] zur Alphabetisierungskampagne siehe Kapitel: „Die Alphabetisierung“
[15] Arbesú 1993, S. 25
[16] Rodríguez Mesa 1985, S. 164
[17] Rodríguez Mesa 1985, S. 174
[18] Arbesú 1993, S. 49
[19] ebd., S. 49
[20] ebd., S. 50
[21] ebd., S. 50
[22] ebd., S. 50
[23] ebd., S. 50
[24] Arbesú 1993, S. 53
[25] Rodriguez Mesa 1985, S. 175
[26] Arbesú 1993, S. 55
[27] CAME = RGW oder COMECON: Wirtschaftsbündnis der sozialistischen Staaten
[28] Rodriguez Mesa 1985, S. 185
[29] ebd., S. 241
[30] ebd., S.31
[31] ebd., S. 34
[32] Stahl 1995, S. 480
[33] Ferriol Muruaga 1996, S. 86 ff.
[34] Interview García del Portal 2002, S. 282
[35] Ferriol Muruaga 1996 (2), S. 37
[36] Lafita Navarro, S. 3
[37] Ferriol Muruaga (2), S. 46
[38] Gonzalez, La economía sumergida en Cuba”
[39] Ferriol Muruaga 1996 (2), S. 39
[40] ebd., S. 42
[41] Camacho Casado, Ledys 2002, S.5
[42] Durch diese Gesetze wurde nach dem Zusammenbruch des Ostblocks das bestehende Handelsembargo noch einmal verschärft.
[43] Stahl 1995, S. 503
[44] Stahl 1995, S. 504
[45] ebd., S. 505
[46] OEI 1995, S. 7
[47] ebd.
[48] Constitución 1992, Kap. IX - XII
[49] ebd.. Kap. VII, Art. 53
[50] Hoffmann 2001
[51] Barthelemy 2001
[52] Zum Verlassen des Landes, auch für Besuche von Verwandten im Ausland, ist für Kubaner eine Ausreiseerlaubnis erforderlich. Diese kostet 150,- Dollar, was ein Vielfaches des Durchschnittslohnes auf Kuba darstellt. Daher ist eine Reise für einen Großteil nicht erschwinglich. Hinzu kommen zahlreiche bürokratische Erfordernisse. Bestimmte Berufsgruppen, darunter zählen Mediziner, Lehrer und Militärs, erhalten normalerweise überhaupt keine Ausreiseerlaubnis. Dass es auch diesen Berufsgruppen in manchen Fällen gelingt, diese Genehmigung zu bekommen, lässt nach eigener Einschätzung auf ein nicht geringes Maß an Bestechlichkeit der zuständigen Behörden schließen.
[53] Amnesty International 2002
[54] OEI 1995, S. 8
[55] Stahl 1995, S. 506f.
[56] ebd., S. 507
[57] División Provincial de Comercio de La Habana 2002, S. 2
[58] Ministerio de Agricultura 2002, S.2
[59] Quelle: Beobachtung vor Ort
[60] Quelle: Lohnabrechnungen „Sueldo Mensual“, Januar bis Mai 2002
[61] Quelle: Rentenbeleg „Pago de Jubilación“, Januar bis Mai 2002
[62] Quelle: Rechnungen „Ministerio de Industria Básica – Gas Manufacturado“ Januar bis Mai 2002
[63] Quelle: Rechnungen „Electricidad – Recibo de Pago“ Januar bis Mai 2002
[64] Quelle: Rechnungen „ETECSA – Facturación Telefónica“ Januar bis Mai 2002
[65] Quelle: Rechnungen „Aguas de La Habana – Aviso de Pago“ Januar bis Mai 2002
[66] in Peso Cubano
[67] Arbesú 1993; S.29
[68] ebd.; S . 29
[69] Morel [u.a.] 2001, S. 96
[70] ebd., S. 97
[71] ebd., S.97
[72] ebd., S.97
[73] ebd., S.99
[74] ebd., S.106
[75] ebd., S.106
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