Veröffentlichen auch Sie Ihre Arbeiten - es ist ganz einfach!
Mehr InfosDiplomarbeit, 2002, 109 Seiten
Diplomarbeit
1,3
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ANLAGENVERZEICHNIS
Kapitel 1
I. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau dieser Arbeit
Kapitel 2
II. Theoretische Betrachtung
2.1 Organisationale Sozialisation
2.1.1 Definition und Begriffsklärung
2.1.1.1 Organisationale Sozialisation
2.1.1.2. Anpassung
2.1.2. Theoretische Grundlagen
2.1.2.1 Die Rollentheorie
2.1.2.2 Die Anpassung aus Sicht des Einzelnen und der Gruppe
2.2 Sozialisationsmodelle
2.2.1 Sozialisationsmodell nach REHN
2.2.2 Sozialisationsmodell nach KIESER
2.2.3 Abgeleitete Handlungsempfehlungen
2.2.3.1 Die Phase der Vorbereitung
2.2.3.2 Die Phase des Eintritts in das Unternehmen
2.2.3.3 Die Phase der Einarbeitung
2.2.3.4 Die Phase der Integration
2.3 Sozialisationsstrategien
2.4 Sozialisationstechniken
2.5 Fazit
Kapitel 3
III. Praktische Betrachtung
3. 1 Vorstellung der VEDA GmbH, Alsdorf
3.1.1 Firmenentwicklung
3.1.2 Produkte
3.1.3 Organisatorischer Aufbau
3.2 Vorstellung des Projektes
3.2.1 Problemstellung
3.2.2 Ziele des praktischen Konzepts
3.2.3 Vorgehensweise
3.2.3.1 Ist-Situation
3.2.3.2 Allgemeine Branchensituation
3.2.3.3 Konzeptentwurf
3.3 Vorstellung des Einarbeitungs- und Integrationsprogramms bei VEDA
3.3.1 Der „Workflow“
3.3.2 Der Einarbeitungsplan
3.3.3 Das Patenkonzept
3.3.4 Das Handbuch
3.3.5 Das Review–Gespräch
3.3.6 Der Beurteilungsbogen
3.4 Fazit
Kapitel 4
IV. Auswertung
4.1 Allgemeine Betrachtung
4.1.1 Das Wunschbild: der „kreative Individualist“
4.1.2 Die Ziele der organisationalen Sozialisation
4.1.3 Die Ziele der VEDA GmbH, Alsdorf
4.2 Vergleich von Theorie und Praxis
4.2.1 Ansätze der Übereinstimmungen
4.2.2 Problemfelder
4.2.3 Bewertung
4.3 Schlussfolgerungen
Kapitel
V. Schlusswort
ANLAGEN
LITERATURVERZEICHNIS
ABSCHLUSSERKLÄRUNG
LEBENSLAUF
Abbildung 1: Determinanden des Integrationsprozesses
Abbildung 2: Multiples Modell der Sozialisation
Abbildung 3: Sozialisationsmodell nach REHN
Abbildung 4: Sozialisationsmodell nach KIESER
Abbildung 5: Prozess der Eingliederung
Abbildung 6: Entwickeltes Phasenkonzept
Abbildung 7: Erwartungen am ersten Arbeitstag
Abbildung 8: Das JOHARI–Fenster und die Auswirkungen des Feedbacks
Abbildung 9: Die drei Lernbereiche
Abbildung 10: Die Sozialisationsstrategien
Abbildung 11: Einarbeitungs- und Integrationskonzept bei VEDA GmbH, Alsdorf
Abbildung 12: Grundlagen des theoretischen und praktischen Konzepts,
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3.
Der erste Tag in einem neuen Arbeitsumfeld hinterlässt bei neuen Mitarbeitern einen bleibenden Eindruck. Häufig entscheiden die ersten Tage in der neuen Stelle über die erfolgreiche Eingliederung in den folgenden Wochen und Monaten. Daher ist es von besonderer Bedeutung, diesen Prozess der Einarbeitung und Integration strukturiert anzugehen.
Obwohl der Beschaffung und Auswahl von qualifizierten Mitarbeitern viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird und weder Kosten noch Mühen gescheut werden, den „idealen“ Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen, lässt diese Aufmerksamkeit in vielen Unternehmen mit dem Tag der Vertragsunterzeichnung nach. Der Prozess der Personalbeschaffung ist jedoch erst dann abgeschlossen, wenn der neue Mitarbeiter in sein Aufgabengebiet eingeführt und sozial integriert ist. Doch viele Unternehmen haben weder klare Vorstellungen darüber, wie eine Eingliederung aussehen soll, noch liegen konkrete Einarbeitungsprogramme für neue Mitarbeiter bereit. Die Eingliederung neuer Mitarbeiter gehört allerdings zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitgebers. Dieser hat die Voraussetzungen zu schaffen, dass ein neuer Mitarbeiter seinen Pflichten vereinbarungs- und erwartungsgemäß nachkommen kann. Nach § 81 BetrVG (vgl. Betriebsverfassungsgesetz 2001, S. 597) beinhaltet die Unterrichtungspflicht Aufklärung über Aufgabe, Verantwortung, Art der Tätigkeit, Einordnung in die Arbeitsabläufe und Belehrung über Unfall- und Gesundheitsgefahren. Die Bedeutung einer strukturierten Eingliederung neuer Mitarbeiter wird von vielen Unternehmen unterschätzt. Die Potenziale neuer Mitarbeiter werden somit für den Erfolg des Unternehmens nicht vollständig genutzt.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, einen Überblick über die bisher vorhandenen Untersuchungen zum Thema Einarbeitung und Integration von neuen Mitarbeitern zu geben. Dabei werden zwei wissenschaftlich fundierte Untersuchungen in die theoretische Betrachtung einbezogen. Außerdem wird auf vorhandene Praxisberichte aus Unternehmen zurückgegriffen, die sich bereits ausführlich mit diesem Thema beschäftigt haben.
Festzustellen bleibt, dass die Einarbeitung und Integration kein geschlossenes Forschungsgebiet im Bereich der Personalforschung darstellt. Vielmehr beziehen sich die Forschungsergebnisse auf einzelne empirische Untersuchungen. Bis jetzt sind diese Untersuchungen noch nicht in einen gesamten wissenschaftlichen Zusammenhang gestellt worden. Das hat dazu beigetragen, dass Aussagen, die in dieser Arbeit wiedergegeben werden, sich auf verschiedene wissenschaftliche Grundlagen beziehen. Darüber hinaus gibt es einzelne Praxisberichte von Personalverantwortlichen, welche die Notwendigkeit einer gelungenen Einarbeitung als Erfolgsfaktor für das Unternehmen erkannt haben.
Deutlich wird, dass die Einarbeitung und besonders die Integration Schnittstellen mit anderen Ansätzen der Personalforschung aufweisen, wie z.B. der Motivation. Außerdem ist der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bereichen der Personalwirtschaft erkennbar. Der Auswahlprozess, der mit der Einarbeitung und Integration der neuen Mitarbeiter abschließt, kann nicht losgelöst vom Personalmarketing als vorangestelltes Maßnahmenpaket gesehen werden. Ebenfalls sind Personalentwicklungsmaßnahmen zur Sicherung der Qualifikation der Mitarbeiter und zu ihrer persönlichen Entwicklung als nachfolgende Maßnahmen in diesen Prozess zu integrieren.
Um die Notwendigkeit einer strukturierten Eingliederung zu verdeutlichen, wird im Vergleich mit der vorhandenen Literatur die Entwicklung und Einführung eines Einarbeitungs- und Integrationsprogramms am Beispiel eines mittelständischen Softwareunternehmens, der VEDA GmbH, Alsdorf, dargestellt. Es wird ein auf die unternehmerischen Belange ausgerichtetes Instrument des Personalmanagements vorgestellt.
Im ersten Teil der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen mit dem Schwerpunkt der organisationalen Sozialisation dargestellt. Zwei Phasenmodelle der organisationalen Sozialisation werden genauer erläutert. Darauf aufbauend entwickeln sich Handlungsempfehlungen, die sich aus den Sozialisationsmodellen ableiten. Die Schwerpunkte liegen in den einzelnen Phasen und münden in praktischen Umsetzungsmöglichkeiten. Weiterhin wird auf verschiedene Sozialisationsstrategien und –techniken eingegangen. Ein kurzes Fazit bildet gleichzeitig die Überleitung zum praktischen Teil der Arbeit.
Die Entwicklung des Einarbeitungs- und Integrationsprogramms bei VEDA GmbH, Alsdorf, stellen sich im zweiten Teil dar. Es wurde mittels eines Projektes innerhalb von fünf Monaten aufgebaut und eingeführt.
Abschließend werden die theoretisch fundierten Handlungsempfehlungen mit dem entwickelten Einarbeitungs- und Integrationsprogramm verglichen und auf ihre Umsetzung hin überprüft. Die Schwachpunkte sowie die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten werden kritisch diskutiert. Mit einem Schlusswort schließt die Arbeit im fünften Kapitel ab.
In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Eingliederung“ für die Beschreibung des komplexen Prozesses der Einarbeitung und Integration verwendet.
Um der Frage nachzugehen, wo die Einarbeitung und Integration neuer Mitarbeiter beginnt und warum es Gründe gibt, weshalb dieser Prozess nicht immer erfolgreich ist, sind unterschiedliche Ansätze im Gebiet der Personalforschung herangezogen worden. Ein Ansatz beschäftigt sich mit der Sozialisation und liefert aufschlussreiche Informationen über das Zusammenwirken von Unternehmen als Organisation auf der einen Seite und neuem Mitarbeiter als Individuum auf der anderen Seite.
Vor der Vorstellung der einzelnen Sozialisationsmodelle, werden als Arbeitsgrundlage die Begriffe „Organisation“ und „organisationale Sozialisation“ definiert. Danach wird der Begriff der Anpassung erläutert und anschließend werden die Rollentheorie sowie die Anpassung des einzelnen Mitarbeiters und der Organisation dargestellt.
Unter dem Begriff der „Organisation“ ist ein gegenüber seiner Umwelt offenes System zu verstehen, das zeitlich unbegrenzt seine gesetzten Ziele verfolgt. Eine Organisation setzt sich aus Gruppen von Individuen zusammen und ist gleichzeitig ein soziales Gebilde, das zudem eine auf Arbeitsteilung basierende Struktur aufweist (vgl. ROSENSTIEL 1992, S. 3).
Die folgende Definition der „organisationalen Sozialisation“ wird im weiteren Verlauf verwendet:
…ist unter organisationaler Sozialisation die Anpassung an die Normen und Werte einer bestimmten Organisation durch einen Lernprozess zu verstehen… (REHN 1990, S. 7).
Das zentrale Element der Definition der Sozialisation stellt die Anpassung des neuen Organisationsmitglieds an die Organisation sowie die entgegengesetzte Entwicklung dar.
Neue Mitarbeiter wollen möglichst schnell die Interaktionsstrukturen in der für sie neuen Organisation kennen lernen. Dieser Wunsch begründet sich in dem Aufbau und der Präsentation von Ich-Identität und ist die vom Individuum zu erbringende Anpassungsleistung.
Die von Individuen zu erbringenden Leistungen bestehen darin, sich den anfallenden Erwartungen, Normen und Bedürfnissen zu stellen und in die Planung des eigenen Handelns einzubeziehen. (HANFT 1991, S. 501).
Demnach nehmen neue Mitarbeiter Normen und Werte einer Organisation auf, interpretieren diese und entwickeln daraus eigenes Handeln, mit dem Versuch, sich selbst treu zu bleiben. Die neuen Handlungsalternativen strukturieren sich vor dem Hintergrund bereits gemachter Erfahrungen und den gegenwärtigen Erwartungen. Die Kommunikation befriedigt dabei das Bedürfnis, Handlungsspielräume für die Erhaltung der eigenen Identität abzuwägen.
Die Organisationspsychologie betrachtet die Anpassung an Organisation und Tätigkeit aus Sicht der Bedürfnisse des Menschen. Dabei interessiert sie vor allem, welche Auswirkung die Gestaltung der Arbeit auf die Motiva-tion, die Zufriedenheit, die Qualifikation und den Stress hat.
Motivation ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Person und Situation. Zielgerichtetes Verhalten (Motive) wird durch die Wahrnehmung von bestimmten Gegebenheiten (Anreize) ausgelöst und bestimmt das Verhalten (vgl. ROSENSTIEL 1992, S. 73). Daraus lässt sich schließen, dass die Gestaltung der Arbeit einen Anreiz ausübt. Werden dadurch gleichzeitig bestimmte Motive angesprochen und befriedigt, kann man von Zufriedenheit sprechen. Kommt es zu einem zyklischen Prozess, dann führt die Zufriedenheit zu einer positiven Einstellung gegenüber der Arbeit.
Die Anpassung an die vorhandenen Normen und Werte einer Organisation erfordern vom neuen Mitglied eine höhere Anpassungsleistung als von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe. Es besteht jedoch ein wechselseitiger Prozess der Beeinflussung. Mit dem neuen Mitglied ändern sich sowohl das Beziehungsgefüge untereinander als auch das soziale Klima. Durch die Fragen des neuen Mitarbeiters können z.B. Sachverhalte neu betrachtet werden. Dadurch wird deutlich, dass Handlungsabläufe ständig kritisch überprüft werden müssen (vgl. SUTTON & LOUIS 1987, S. 347-361). Da jeder neue Mitarbeiter seine eigenen Ideen, Vorstellungen und Erfahrungen mitbringt, hat er seinerseits Einfluss auf die neuen Kollegen. Ziel des wechselseitigen Anpassungsprozesses ist die Integration des neuen Mitarbeiters. Als mitgestaltendes Mitglied wird dieser im weiteren Verlauf seiner Beschäftigungszeit die Unternehmenskultur entscheidend prägen.
Die nachfolgend beschriebenen vier Adaptionsschritte (vgl. NICOLSON 1984, S. 175) verdeutlichen die unterschiedliche Ausprägung der Anpassungsleistung. Bei der „Replikation“ werden von dem neuen Mitarbeiter wenige Anpassungsleistungen erwartet. Die von ihm zu besetzende Rolle ist bereits so gestaltet, dass er sie bloß einnehmen muss. Hingegen wird bei der „Absorption“ von ihm eine hohe Anpassungsleistung erwartet. Die Organisation muss dagegen keinerlei Anpassungsleistung bereitstellen. Im Zuge der „Determination“ hat das neue Organisationsmitglied freie Gestaltungsmöglichkeiten seiner Rolle, seine personelle Anpassungsleistung ist gering. Erst in der „Exploration“ werden von dem neuen Mitarbeiter sowie von der Organisation entsprechende Anpassungsleistungen erwartet.
Die vier Adaptionsschritte beschreiben jeweils die stärkste Ausprägung der Anpassungsleistung. Da der Anpassungsprozess sowohl von der Organisation als auch von seinem neuen Mitglied abhängig ist, fällt die Ausprägung der Adaption unterschiedlich stark aus.
Nach den Definitionen und begrifflichen Erläuterungen werden zwei theoretische Grundlagen kurz erläutert, die für das Verständnis der Sozialisationsmodelle von Bedeutung sind.
Der wechselseitige Anpassungsprozess ist aus Sicht der Rollentheorie als das Aushandeln von Rollen zu verstehen (vgl. ROSENSTIEL 1992, S. 135). Hierbei geht es um die Übernahme der Rollen sowie ihre Ausgestaltung. Das rollenkonforme Verhalten ergibt sich aus den Erwartungen und der Anpassung an diese Erwartungen. VAN MAANEN (1978, S. 209-264) unterscheidet drei Typen.
Der „Konformist“ passt sich genau den Erwartungen an, weil er sich die größtmögliche Belohnung verspricht. Den Status quo stellt er nicht in Frage und verhält sich absolut konform.
Der „Rebell“ stellt grundsätzlich alle an ihn gestellten Anforderungen in Frage. Seinen Verbleib in der Organisation garantiert, dass die Aufgaben mit seinen Grundwerten übereinstimmen und so eine Identifikation stattfindet.
Der „kreative Mitarbeiter“ akzeptiert die Ziele des Unternehmens und fühlt sich an sie gebunden. Doch er setzt sich kritisch mit ihnen auseinander. Aus diesem Prozess entstehen innovative Verbesserungsvorschläge. Gleichzeitig entspricht er nicht in allem den Erwartungen der Organisation. „Kreative Mitarbeiter“ stellen eine produktive und fortschrittliche Mitarbeitergruppe dar. Sie sind in der Lage den Anforderungen, die an sie gestellten werden, im vollen Umfang gerecht werden, ohne dabei ihre Selbstentfaltungsbedürfnisse aus den Augen zu verlieren (vgl. KIESER et al. 1990, S. 4). Jedes Unternehmen besteht aus einer Vielzahl von dynamischen Prozessen und ist auf das Kritik- und Innovationspotenzial seiner Mitarbeiter angewiesen. Diese Anforderung wird am ehesten durch den kreativen Mitarbeitertyp erfüllt.
Regeln strukturieren den Handlungsrahmen jedes Organisationsmitglieds. Es werden die Rollenerwartungen definiert und die Freiheitsgrade festgelegt. Der Mitarbeiter übernimmt nicht nur das Regelsystem, sondern interpretiert die durch die Organisation bereitgestellten Freiheitsgrade. Daher möchten neue Mitarbeiter schnell die inoffiziellen Organisationsregeln kennen lernen, damit sie die für die eigene Identitätsdarstellung wichtigen Handlungsentwürfe entwickeln können (vgl. HANFT 1992, S. 501). Ein neuer Mitarbeiter ist dann integriert, wenn er in den Prozess der Aushandlung von Handlungsräumen einbezogen wird. Hier bedarf es einer intensiven Kommunikation. Organisationsmitglieder erfüllen nicht nur die vorgeschriebenen Rollenerwartungen, sie entwickeln gleichzeitig daraus ihr Handeln. Im Prozess des sozialen Handelns bemüht sich das neue Organisationsmitglied, die Bedeutung der Interaktion zu erkennen und zu bewerten. Anschließend überlegt es, ob die Integration ohne den Verlust der eigenen Identität vollzogen werden kann. Das Individuum entwickelt eigene Handlungsentwürfe vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen. Dem neuen Organisationsmitglied muss es gelingen, die möglicherweise widersprüchlichen Erwartungen und Anforderungen mit den eigenen Bedürfnissen auszubalancieren. Die Anpassungsleistung des neuen Organisationsmitgliedes besteht darin, sich als einmaliges und besonderes Subjekt darzustellen und gleichzeitig den Erwartungen anderer zu entsprechen.
Betrachtet man die Anpassung aus Sicht der Lerntheorie (vgl. ROSENSTIEL 1992, S. 136), entwickelt sich erwünschtes Verhalten durch Konditionierung, Bestrafung oder Belohnung. Für die Praxis greifbarer ist der Aspekt des Nachahmens, der betont, dass eine Person das Verhalten eines anderen annimmt. Dieser Aspekt erklärt den Erfolg der Einarbeitung durch Unterweisung und Qualifizierung von Mitarbeitern.
Im Weiteren wird die Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gruppe in den theoretischen Zusammenhang gestellt.
Ausgehend von der Rollentheorie werden die beiden Perspektiven der organisationalen Sozialisation deutlich. Zum einen sind die Bemühungen der Organisation maßgeblich, das neue Mitglied einzuführen und für die Arbeitsgemeinschaft „zu sozialisieren“ (REHN 1990, S. 11). Weitaus schwächer fällt der Einfluss des neuen Mitarbeiters auf die Organisation aus. Die so genannte „Individualisation“ beschreibt die Bemühungen des neuen Mitglieds, seine Persönlichkeit einzubringen und sich am Arbeitsplatz selbstverwirklichen zu können (vgl. REHN 1990, S. 11 ff.).
Die Anpassung des Individuums wird mit dem Prozess der „kognitiven Dissonanz“ nach FESTINGER (1957) beschrieben. Der Mensch kann Widersprüche zwischen Kognitionen (Meinungen, Überzeugungen, Wissen usw.) schlecht ertragen. Er entwickelt Tendenzen, die widersprüchlichen Kognitionen zu verändern. Das geschieht z.B. durch Hervorheben positiver und Abwertung negativer Aspekte einer neuen Stelle. Das neue Mitglied einer Organisation befindet sich von Beginn an in einem intrapersonellen Konflikt[1]. Denn seine persönlichen Erwartungen an seine Rolle in der für ihn neuen Organisation treffen mit denen der Organisation an seine Rolle zusammen. Daraus können sich zwei entgegengesetzte Verhaltensweisen entwickeln. Wenn die an das Organisationsmitglied gestellten Erwartungen und anknüpfenden Ziele positiv bewertet werden, stellt sich eine Appetenz ein, das Hinstreben auf diese Ziele. Entgegengesetzt wirkt eine negative Beurteilung der Ziele, Aversion genannt[2]. Die Auswirkungen dieser Konflikte können sich fördernd auf die Integration auswirken oder zur inneren Ablehnung der Organisation führen. Die Entscheidung eines Bewerbers kann sich beispielsweise mit der ständigen Abwägung der positiven und negativen Aspekte erklären lassen, welche der Stellenantritt mit sich bringt.
Als soziales Gebilde besteht eine Organisation aus verschiedenen Gruppen, die durch ihre Leistung den Zweck einer Organisation erfüllen sollen. Hierbei werden die einzelnen Personen einer Gruppe durch koordinierende Führung so eingesetzt, dass sie nach Art ihrer Fähigkeiten einen optimalen Beitrag zur Zielerreichung beitragen können. Die formale Gruppe, die so genannte Arbeitsgruppe, entsteht durch die Zusammenarbeit für ein Ziel. Innerhalb dieser Arbeitsgruppe bestehen unterschiedliche informelle Gruppen. In diesen werden unterschiedliche Aktivitäten verfolgt, die oft nach außen hin nicht erkennbar sind (vgl. ROSENSTIEL 1999, S. 360). Im Allgemeinen wird von der Basis latenter Konflikte, der so genannten Intragruppen-Konflikten[3], ausgegangen. In jeder Gruppe besteht eine gewisse Rollenverteilung. Konflikte entstehen dort, wo einzelne Gruppenmitglieder nicht mit ihrer Rolle konform gehen.
Individuum und Organisation befinden sich ständig in einem Spannungsverhältnis. Das zeigt sich z.B. darin, dass die Ziele der Organisation nicht unbedingt die Ziele des einzelnen Organisationsmitgliedes sind und dieses somit gezwungen ist, die eigenen Ziele unterzuordnen und sich anzupassen.
Jede Integration neuer Mitarbeiter bedeutet eine Gefährdung der internen Macht- und Einflussstrukturen. Neue Mitarbeiter werden schnell zum Spielball betriebsinterner Auseinandersetzungen. Die Bereitschaft der Kollegen, den neuen Mitarbeiter in die Arbeitsgruppe zu integrieren, hängt von der Durchsetzbarkeit der Handlungsstrategien des neuen Mitarbeiters ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 1: Determinanden des Integrationsprozesses
Quelle: HANFT 1992, S. 502
In Interaktionen sind die offiziellen und inoffiziellen Regelwerke der Organisation erkennbar und diese bestimmen, wie sich der neue Mitarbeiter verhalten soll. Auf der anderen Seite erfährt die Arbeitsgruppe, inwieweit ihr neues Mitglied bereit ist, ihre Regelauslegung zu akzeptieren und zu übernehmen (vgl. HANFT 1992, S. 502).
Die Sozialisation stellt sich als Prozess dar, in dem eine Person das Wertesystem, die Normen und die geforderten Verhaltensmuster einer Organisation lernt. Vorab hat sich die Person im Prozess der Selbstselektion für den Eintritt in die Organisation entschieden. Dabei spielt besonders der Vergleich der eigenen Ziele und Anforderungen mit den Zielen der Organisation eine wichtige Rolle (vgl. ROSENSTIEL 1992, S. 134). Die Entscheidung für eine Organisation fällt umso leichter, je eher das Individuum die Möglichkeit erkennt, eigene Ziele zu erreichen.
Nach Klärung der rollentheoretischen Anpassung durch das Individuum und die Organisation werden jetzt Sozialisationsmodelle vorgestellt, die den Sozialisationsprozess darstellen und verdeutlichen, welche Anpassungsleistungen in den einzelnen Phasen vollbracht werden.
Der Eingliederung von neuen Mitarbeitern wird weder von der Forschung noch von der Praxis genügend Beachtung geschenkt. Die schnellen Entwicklungen in der Arbeitswelt fordern eine schnelle Anpassung der Ziele und Vorstellungen des Unternehmens einerseits und der Wünsche und Erwartungen des Mitarbeiters andererseits. Qualifizierte und flexible Mitarbeiter sind nicht einfach zu finden, noch schwieriger gestaltet es sich jedoch, diese zu halten. Daher erhält die Eingliederung neuer Mitarbeiter einen neuen Stellenwert und soll die Lücke zwischen Personalauswahl und -entwicklung schließen.
Die organisationale Sozialisation im Zusammenhang mit dem Eingliederungsprozess neuer Mitarbeiter ist ein bis jetzt wenig erforschtes und empirisch belegtes Gebiet. Unterschiedliche Ansätze haben nur bestimmte Abschnitte dieses Prozesses untersucht. Dabei ist ihnen jedoch folgendes gemeinsam (vgl. REHN 1990, S. 14):
- Die Eingliederung neuer Mitarbeiter verläuft in aufeinander folgenden Phasen ab.
- In der ersten Zeit im Unternehmen fühlt sich der Mitarbeiter unsicher, verspürt Angst und steht unter ständigem Stress.
- Konflikte, besonders ungelöste, beeinträchtigen die erfolgreiche Eingliederung.
Aus den unterschiedlichen wissenschaftlichen Abhandlungen werden zwei Phasenmodelle der organisationalen Sozialisation vorgestellt. Anschließend werden für die einzelnen Phasen praktische Handlungsempfehlungen gezeigt, die dem neuen Organisationsmitglied die Eingliederung erleichtern und die es ermöglichen, Konflikte bereits frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
In ihrer Veröffentlichung zum Thema Eingliederung neuer Mitarbeiter, beschäftigt sich REHN (1990) mit dem Sozialisationsprozess. Sie stellt mehrere unterschiedliche Ansätze vor, welche die Eingliederung neuer Organisationsmitglieder aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht haben. Dabei konzentriert sie sich auf das „Multiple Modell der organisationalen Sozialisation“ nach FELDMAN (1981, S. 309-318).
In seinem Modell bezeichnet er den Prozess der Sozialisation als
- die Aneignung von angemessenem Rollenverhalten,
- die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten am Arbeitsplatz und
- die Anpassung an die Normen und Werte der Arbeitsgruppe.
Die Prozessvariablen des Modells stellen konkret dar, was der neue Mitarbeiter erreichen muss und werden für jede Phase einzeln definiert. Die Ergebnisvariablen gelten als Kriterien, die den Fortschritt in den einzelnen Phasen beurteilen und werden auf jede Phase angewendet. Dabei laufen gleichzeitig verschiedene Prozesse ab, wie die Abbildung zwei verdeutlicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 2: Multiples Modell der Sozialisation
Quelle: FELDMAN 1981, S. 309ff.
Das von REHN (1990) abgeleitete Modell der organisationalen Sozialisation beginnt mit einer antizipatorischen Sozialisation als vorbereitende Phase. In dieser ersten Phase entscheidet sich das Unternehmen im Auswahlprozess für einen Bewerber. Gleichzeitig entscheidet sich der Bewerber dazu, in die Organisation einzutreten. Die Orientierungsphase schließt an die erste Phase an. Der neue Mitarbeiter tritt in das Unternehmen ein und trifft auf die Werte und Normen der Organisation. Erst in der dritten Phase der Bewältigung ist er in der Lage, die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen. Diese Phase schließt mit der fachlichen und sozialen Integration ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 3: Sozialisationsmodell nach REHN
Quelle: eigene Darstellung
In der Phase der Vorbereitung hat sich die Vorinformation als bedeutend herausgestellt. Darunter sind Informationen über den künftigen Arbeitsplatz, die soziale Umgebung und die Art der Einarbeitung zu verstehen. Mangelnde Vorinformationen erzeugen ein ungutes und unsicheres Gefühl vor dem ersten Arbeitstag. Werden im Eingliederungsprozess weiterhin Informationen vorenthalten, führt dies zu Unzufriedenheit, mangelndem Zugehörigkeitsgefühl und möglicher frühzeitiger Kündigung. Untersuchungen (vgl. REHN 1991, S. 346-349) haben ergeben, dass die Erwartungen neuer Mitarbeiter meist sehr hoch und optimistisch sind. Dies führt dazu, dass viele einen Realitätsschock erleiden, wenn die Erwartungen nicht mit der vorgefundenen Realität übereinstimmen. Das führt zu geringer Zufriedenheit und einer höheren Fluktuation. Der „realistic job preview“-Ansatz von WANOUS (1978, S. 249-258) hält fest, dass neue Mitarbeiter, die vorab ausreichend und realistisch informiert wurden, später zufriedener sind. Empirisch abgesichert ist (vgl. WANOUS 1977, S. 601-618), dass realistische Vorinformationen tatsächlich die Erwartungen der Bewerber senken. In dem Ansatz wurden folgende Hypothesen geprüft. Je mehr der neue Mitarbeiter informiert wurde,
- desto angenehmere Gefühle empfindet er beim Denken an den ersten Arbeitstag.
- desto realistischer sind seine Erwartungen.
- desto weniger treten Enttäuschungen am Anfang und innerhalb der ersten drei Monate auf.
- desto weniger Mängel in der Einarbeitung sind zu beklagen.
- desto zufriedener fühlt er sich mit seiner Entscheidung.
- desto weniger denkt er an Kündigung innerhalb der ersten drei Monate.
Viele Neueinsteiger schätzen den Umgang ihres neuen Arbeitgebers mit der Verteilung von Informationen unterschiedlich ein. Manche sind lediglich aus der Stellenanzeige informiert, andere erhalten vorab umfassende Informationspakete mit Broschüren oder ähnlichem.
Fragt man näher nach, stellt sich heraus, dass nur wenige wissen, ob sie ein Einarbeitungsprogramm erwartet. Nur ein Drittel kennt bereits den Vorgesetzten sowie die neuen Kollegen. Dabei ist erwiesen (vgl. REHN 1991, S. 349), dass realistische Informationen über die Tätigkeit und den Arbeitsplatz sowie das soziale Umfeld den Einsteiger richtig auf seine neue Tätigkeit vorbereiten. Umfassend informierte Mitarbeiter sehen der künftigen Arbeitssituation eher gelassen entgegen und fühlen sich gut gerüstet.
Festzuhalten bleibt, dass die qualifizierte Einarbeitung neuer Mitarbeiter bereits vor dem ersten Arbeitstag beginnt. Umfassende Informationen über Tätigkeit, Arbeitsplatz und soziales Umfeld entscheiden über das weitere Gelingen. Erhält ein Bewerber wichtige Informationen nicht oder nur in geschönter Form, führt das zu unrealistischen Vorannahmen, die wiederum zu Enttäuschungen führen. Folgen davon können Unzufriedenheit und Kündigung sein. Hier muss der Personalauswahlprozess infrage gestellt werden. Je realistischer und umfassender ein neuer Mitarbeiter informiert ist, desto weniger Überraschungen und Enttäuschungen erlebt er. Der Austausch von Informationen ist als wechselseitig zu betrachten, da sowohl das Unternehmen als auch der Bewerber realistisch in ihren Aussagen sein sollen.
Die Orientierungsphase beginnt mit dem Eintritt in das Unternehmen. Die unterschiedlichen Erwartungen des Mitarbeiters, der neuen Kollegen und des Unternehmens treffen aufeinander. Diese führen oft zu Konflikten. Im Rahmen seiner kognitiven Fähigkeiten versucht der neue Mitarbeiter, die erlebten Widersprüche zwischen Realität und Erwartungen anzupassen, z.B. durch Neubewertung der Situation. In der Orientierungsphase fühlt sich der neue Mitarbeiter unsicher und sieht sich mit einem ungewohnten organisatorischen Umfeld konfrontiert. Es fehlt die Eingebundenheit in die Gruppe und Organisation. Ziel ist es, den Aufbau und die Eingliederung in ein soziales Netz zu fördern. Wichtig sind dafür vor allem die Kontakte zu den Kollegen. Der Aufbau der sozialen Beziehung kann unangenehmen Überraschungen entgegen wirken, wenn auf informellen Wegen notwendige Informationen ausgetauscht und somit die Orientierung erleichtert werden. Die einhergehenden Interaktionseffekte können auch Belastungen durch Stress und Enttäuschungen besser auffangen.
In der dritten Phase findet die Bewältigung der Rollen- und Erwartungsunterschiede statt. Jetzt muss der neue Mitarbeiter in der Lage sein, seine Rollen auszufüllen und sich in die Arbeitsgemeinschaft eingefunden haben. Dabei werden vier Leistungen von ihm erwartet.
Er muss
- eine neue Identität entwickeln,
- neue soziale Bindungen aufbauen und festigen,
- die Werte der Organisation verinnerlichen und
- neue Verhaltensweisen erlernen.
Für den Abschluss der dritten Phase gibt es keine zeitliche Vorgabe. Es stellt sich die Frage, ob dieser Prozess einen Abschluss findet oder ob der Mitarbeiter in einem lebenslangen Lernprozess steht. Diese Annahme ist als Bindeglied zur Personalentwicklung zu sehen.
Im Vordergrund der Bewältigungsphase steht die Anpassung an die Normen und Werte der Organisation. Es genügen nicht nur Informationen, der neue Mitarbeiter möchte sehr schnell die informellen Spielregeln kennen und anwenden können. Daher ist es wichtig, sich schnell mit der neuen Unternehmenskultur vertraut zu machen. Dabei kommt es zu einer Auseinandersetzung mit den Normen und Werten sowie der Entscheidung, inwieweit sich das eigene Verhalten an die erwarteten Anforderungen anpassen lässt.
Aus den durchgeführten Untersuchungen der beschriebenen Sozialisationsphasen hat REHN (1990, S. 99ff.) folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet. Neben einer gründlichen Organisationsanalyse ist es wichtig, jeden neuen Mitarbeiter in ein Eingliederungsprogramm zu integrieren. Das Paket soll neben- und aufeinander folgende Maßnahmen beinhalten und nicht nur bestimmte Aspekte berücksichtigen. Um eine Eingliederung erfolgreich durchzuführen, müssen alle beteiligten Personen eingebunden und von der Notwendigkeit einer strukturierten Eingliederung überzeugt sein. Die Information erhält einen besonderen Stellenwert. Angefangen bei den realistischen Vorinformationen, die bereits im Auswahlprozess gegeben werden, gehören Einweisungsgespräche und Gespräche mit den neuen Kollegen dazu. Diese Maßnahmen sollen idealerweise bereits vor dem Arbeitsantritt stattfinden. Eine wichtige Rolle nimmt der Vorgesetzte ein, der bereits frühzeitig den neuen Mitarbeiter mit Informationen versorgt und somit eine Vertrauensbasis schafft. Die Schulung von Führungskräften ist notwendig. Das Ablehnen eines neuen Mitarbeiters durch die Arbeitsgruppe darf nicht unterschätzt werden. Deshalb ist eine frühzeitige Vorstellung des neuen Mitarbeiters und eine Einschätzung der Arbeitsgruppe über das neue Mitglied in Betracht zu ziehen. Handbücher und Informationsbroschüren sollen ebenfalls vor Arbeitsbeginn an den Mitarbeiter gegeben werden. Die Gestaltung soll hier sehr persönlich und aktuell sein. Die persönliche Kommunikation kann durch solche Maßnahmen unterstützt, aber nicht ersetzt werden. Um die Integration des neuen Mitarbeiters zu erleichtern, bieten sich intensive Betreuungsmaßnahmen an. Es haben sich Patensysteme bewährt, in denen erfahrene Kollegen dem neuen Mitarbeiter Hilfestellungen bieten, aber nicht für die fachliche Einarbeitung zuständig sind. Die Betreuung durch die Personalabteilung stellt ebenfalls einen wichtigen Bestandteil dar. Erfahrungsgemäß ergreifen neue Mitarbeiter selten die Initiative, sondern erwarten, dass man sich um sie bemüht.
Die Gestaltung von Einführungstagen oder –seminaren soll ebenfalls persönlich gestaltet sein. Diese Veranstaltungen sollen direkt am Anfang stattfinden. Eingeladene Referenten können das Angebot nutzen, persönlich mit den neuen Organisationsmitgliedern in Kontakt zu treten. Außerdem ist Zeit für konkrete Fragen einzuplanen. Wichtig ist für die neuen Mitarbeiter ein nachvollziehbarer Praxisbezug in diesen Veranstaltungen. Der Eindruck, an einer Public Relations Veranstaltung des Unternehmens teilzunehmen, wirkt eher negativ auf neue Mitarbeiter.
An dieser Stelle wird die Bedeutung der Organisationskultur kurz angesprochen. Neue Mitarbeiter reagieren sehr sensibel auf die durch die Organisation dargestellten Werte und Normen und erkennen frühzeitig Unstimmigkeiten. Leere Worte, Symbole und Sprache werden von neuen Organisationsmitgliedern schnell entlarvt. Bei einer aufgesetzten Kultur stellt sich für den neuen Mitarbeiter die Sinnfrage, ob er sich in der Organisation zurechtfinden will. Kann er die Werte und Normen anerkennen, wird die Grundlage für eine langfristige Mitarbeiterbindung gelegt. Je stärker der Zusammenhalt der Mitarbeiter untereinander ist, desto eher entwickeln sich Motivation, Eigeninitiative und Kreativität neben den fachlichen Fähigkeiten.
Neben den dargestellten Aspekten der organisationalen Sozialisation gibt es Teilbereiche, die in dem Prozess der Sozialisation unberücksichtigt bleiben, wie z.B. die Wirkung von erworbenen Erfahrungen der neuen Mitarbeiter oder gruppendynamische Prozesse innerhalb der Arbeitsgruppe. Hier bleibt ein Handlungsbedarf bestehen.
Die Aspekte der Eingliederung neuer Mitarbeiter hat REHN (1990) entsprechend des wissenschaftlichen Forschungsgebiets untersucht. Sie hat aus den verschiedenen Ansätzen das Modell von FELDMAN (1981) als Grundlage ihrer eigenen Forschungen verwendet. Im zweiten Sozialisationsmodell wendet sich KIESER et al. (1990) der praktischen Umsetzung von Sozialisationsmodellen zu.
Obwohl das Modell nach KIESER et al. (1990) vor dem Modell nach REHN (1990) entstanden ist, soll es an zweiter Stelle betrachtet werden, weil die genauere Aufteilung der einzelnen Sozialisationsphasen die Formulierung praktischer Handlungsempfehlungen erleichtert.
Wie in vielen Untersuchungen festgestellt wurde, kommen auch KIESER et al. (1990) zum Schluss, dass der Auswahl von neuen Mitarbeitern in den meisten Unternehmen eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Die Kosten für ein aufwendiges Personalmarketing und ausführliche Tests werden in Kauf genommen. Dabei wird der Einarbeitung neuer Mitarbeiter wenig Beachtung geschenkt. Der neue Mitarbeiter gewinnt den Eindruck, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse mit dem Tag der Einstellung nachlassen. In empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung innerhalb der ersten 12 Monate sehr hoch ist (WANOUS 1980, S. 98ff.).
Aus Sicht des Unternehmens ist der Eingliederungsprozess erfolgreich verlaufen, wenn der Mitarbeiter seine Stelle und die verbundenen Aufgaben kennt. Die Defizite in Kenntnissen und Fähigkeiten werden im Verlauf der Einarbeitung ausgeglichen und diese werden motiviert zur Erledigung der Aufgaben eingebracht. Loyalität und eine hohe Bindung an das Unternehmen entwickeln sich im Verlauf der Eingliederung. Die Unternehmenskultur wird von dem neuen Mitarbeiter mit ihren Werten, Normen, Zielen und der Philosophie verinnerlicht.
Der neue Mitarbeiter steht jedoch seiner Aufgabe kritisch gegenüber und versucht, sich den Anforderungen anzupassen. Er ist bestrebt, genau zu wissen, was von ihm erwartet wird. Er möchte sich schnell in der Lage fühlen, die Aufgabe zu erfüllen und die damit verbundene Belohnung für die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu verwenden. Außerdem möchte er die Werte des Unternehmens in Übereinstimmung mit seinem Wertesystem bringen.
In diesem Prozess können jedoch Probleme auftreten, die zum Teil aufgrund überhöhter Erwartungen seitens des neuen Mitarbeiters entstehen. Wurden ihm im Auswahlprozess keine realistischen Informationen gegeben, beginnt er seine neue Tätigkeit mit einem übersteigerten Bild, welches der Realität nicht standhält. Zu seiner Unsicherheit, auf ein neues soziales Umfeld zu treffen, kommen Enttäuschungen hinzu. Realistische Vorinformationen sind in dieser Phase besonders wichtig.
Ein weites Problemfeld stellt das Verhalten des Vorgesetzten dar. Er ist die zentrale Bezugsperson für den neuen Mitarbeiter. Probleme treten auf, wenn er seinen Führungsaufgaben der Kommunikation und Information nicht nachkommt. Für den neuen Mitarbeiter ist es besonders in der Anfangsphase wichtig, regelmäßige Rückmeldungen über sein Verhalten, die an ihn gestellten Anforderungen und über den Entwicklungsstand seiner Fähigkeiten zu erhalten.
Vorgesetzte verfolgen eher Vermeidungsstrategien, die den neuen Mitarbeiter mit den Aufgaben und Erwartungen konfrontieren, als offene Kommunikation. Der neue Mitarbeiter ist für die Aufgabe geeignet, wenn er der Konfrontation erfolgreich standhält. Nicht fehlende Qualifikationen oder Motivation können Ursachen für den Misserfolg bei der Einarbeitung sein, sondern die fehlende Information und Rückmeldung durch den Vorgesetzten.
Das von KIESER et al. (1990) aufgestellte Modell geht von vier Phasen aus:
- Antizipatorische Sozialisation,
- Konfrontation mit der neuen Umgebung,
- Einarbeitung und
- Integration.
Innerhalb dieser Phasen beschreibt er verschiedene Prozesse, in die der neue Mitarbeiter eingebunden ist und die über den Erfolg oder Misserfolg der Eingliederung entscheiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 4: Sozialisationsmodell nach KIESER
Quelle: eigene Darstellung
Die antizipatorische Sozialisation beginnt bereits in Elternhaus und Schule, weil bereits hier wichtige lebensbestimmende Einstellungen und Verhaltensweisen erprobt und gefestigt werden. Somit ist diese Phase eine lebenslange Vorbereitung für den Einstieg in den Beruf. Je mehr Erfahrungen, fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse ein Mitarbeiter erworben hat, umso leichter ist die Eingliederung in ein Unternehmen. Wichtig sind Erfahrungen mit generellen berufsbezogenen Normen und Verhaltensweisen, wie der Arbeitsdisziplin.
Mit dem Auswahlprozess beginnt die eigentliche antizipatorische Sozialisation. Basierend auf der Stellenbeschreibung werden Stellenangebote verfasst, welche den Bewerber mit den ersten Informationen versorgen. Bereits vor Arbeitsantritt entsteht eine Bindung an das Unternehmen, wenn sich der Bewerber aus einer Anzahl von Alternativen freiwillig für die ausgeschriebene Stelle entscheidet. Je positiver ein Bewerber die Stelle bewertet, desto positiver ist seine Einstellung gegenüber dem Unternehmen.
Von Seiten des Unternehmens sind die Auswirkungen des Auswahlprozesses für die antizipatorische Sozialisation von Bedeutung.
Der bestmögliche Bewerber soll für die Stelle gefunden werden. Um diesen zu gewinnen, werden von Seiten des Unternehmens nicht immer realistische Informationen vermittelt. Zu den realistischen Informationen gehören sowohl positive als auch negative Aspekte der Stelle. Aufgrund hoher Erwartungen an die Stellung sowie an das Unternehmen und letztlich an den Bewerber, können bereits im Vorfeld der Einstellung Enttäuschungen und Missverständnisse auftreten.
Um diesen Enttäuschungen entgegenzuwirken, erheben KIESER et al. (1990, S. 14) die Forderung nach einem realistischen Personalmarketing, das besonders in den Auswahlgesprächen sachliche Informationen liefert. Es gibt unterschiedliche Maßnahmen der wesentlichen Informationsweitergabe, wie z.B. Broschüren oder Diskussionen mit den zukünftigen Kollegen. Der Prozess der Selbstselektion des Bewerbers wird beeinflusst. Er ist damit in der Lage, seine Erwartungen und Bedürfnissen auf die Basis realistischer Informationen zu stellen. Somit entscheidet er sich für die Stelle, die ihm am interessantesten erscheint.
Weitere Erwartungen des Bewerbers richten sich darauf, mit der neuen Stelle gleichzeitig eine Grundlage für berufliche Entwicklungen zu schaffen. Er erwartet eine positive Arbeitsatmosphäre und eine sinnvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit. Zur optimalen Erfüllung seiner Aufgabe setzt er auf die Unterstützung seines Vorgesetzten und auf die Teamarbeit in der Arbeitsgruppe. Gute soziale Beziehungen sind für den Einsteiger von großer Bedeutung. Demgegenüber stehen die erlebten Enttäuschungen im beruflichen Alltag. Die Beteiligung an wichtigen Entscheidungen reicht den meisten nicht. Gleichzeitig finden sie keine Karriereförderung vor und haben wenige Einflussmöglichkeiten auf wichtige unternehmensweite Entscheidungen. Viele Einsteiger vermissen ebenfalls einen strukturierten Einarbeitungsplan. Enttäuscht werden viele durch wenig Verantwortung und wenig Ausbaumöglichkeiten in ihren Aufgaben.
Um diese Arten der Enttäuschung zu vermeiden, kann das Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen. Die organisatorischen und formalen Rahmenbedingungen müssen strukturiert sein. Die Hilfestellung für die neuen Mitarbeiter ist damit leichter umsetzbar. Feedback soll als Führungsinstrument eingeführt werden. Im Bewerbungsgespräch gemachte Versprechungen sollen eingehalten werden.
Wurde die vorbereitende Phase abgeschlossen, beginnt mit dem ersten Arbeitstag die Konfrontation des Mitarbeiters mit der Organisation, ihren Mitgliedern, Normen und Werten. Aufmerksam wird er alle Ereignisse in sich aufnehmen und interpretieren. In dieser Phase der Eingliederung muss er sich auf etwaige Überraschungen einstellen. Die Rolle des Vorgesetzten und der Arbeitsgruppe nehmen einen besonderen Stellenwert ein. Es findet eine erste Annährung und Verinnerlichung der Unternehmenswerte statt.
Folgende Formen der Überraschungen unterscheiden KIESER et al. (1990, S. 18ff.), mit denen neue Organisationsmitglieder konfrontiert werden können:
- der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen entsprechen nicht den Erwartungen,
- sie können die an sich selbst gestellten Erwartungen nicht erfüllen,
- sie treffen auf Normen und Werte, die erheblich von den bisher gekannten abweichen.
Die Aufgabe der Führungskraft ist es, diese Überraschungen abzumildern. Wie eingangs erwähnt, kommen der Information und der Kommunikation besondere Stellenwerte zu. Wenn es der Führungskraft nicht gelingt, den neuen Mitarbeiter auf die organisationsspezifischen Gegebenheiten vorzubereiten, kommt es zu Konflikten und der Erfolg der Einarbeitung ist gefährdet. Zum anderen führen die erlebten Überraschungen, die divergierenden Erwartungen und Rollenvorstellungen zu folgenden Konflikten.
- Quantitative Rollenüberlastung liegt vor, wenn die Aufgaben aufgrund des Umfangs nicht bewältigt werden können.
- Qualitative Unterforderung liegt vor, wenn die Anforderungen der Stelle nicht mit den Fähigkeiten und Fertigkeiten des neuen Mitarbeiters übereinstimmen.
- Im Konflikt der Rollenambiguität[4] erfährt der Mitarbeiter nicht, was von ihm erwartet wird. Er hat Schwierigkeiten, seine Arbeitsrolle auszufüllen. Die Aufgabe ist nicht hinreichend strukturiert, der Vorgesetzte formuliert die Aufgabe nur vage und die Kollegen wissen nicht genau, wie der Vorgänger die Aufgaben erledigt hat.
- Bei Rückkopplungsdefiziten (Feedback-Defizit) erhält der neue Mitarbeiter nicht das für seine Entwicklung notwendige Feedback über seine Arbeitsleistung.
- Konflikte mit der Tätigkeitsdefinition entstehen dort, wo Tätigkeiten übernommen werden müssen, die nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet gehören. Durch bürokratische Regelungen wird die Selbstständigkeit eingegrenzt.
- Senderkonflikte gehen von der Führungskraft aus, die unsystematische und widersprüchliche Anweisungen gibt. Der neue Mitarbeiter ist unzufrieden mit dem Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten.
Da Konflikte dynamische Erscheinungen sind (vgl. BERKEL, 1999, S. 386), wird davon ausgegangen, dass frühere Erlebnisse auf zukünftige Ereignisse wirken.
Man kann sich die Eingliederung somit als eine zeitliche Folge von mehr oder weniger konfliktreichen, positiv oder negativ geprägten Episoden vorstellen, die miteinander verbunden sind. (KIESER et al., 1990, S. 92).
Davon ausgehend lässt sich erklären, dass sich die Einstellungen des neuen Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen zu einem latenten Konfliktpotenzial entwickeln, wenn die Erfahrungen dominant negativ sind. Eine mögliche Reaktion darauf kann eine plötzliche Kündigung sein. Die Ursache von Konflikten kann in Enttäuschungen in der Einarbeitung liegen (vgl. KRÜGER 1972, S. 57ff.).
Von der Fähigkeit im Umgang mit Konflikten ist es abhängig, wie weitreichend ihre Folgen sind. Wird der neue Mitarbeiter aktiv, spricht die Wissenschaft von aktiver Situationsbewältigung, die sich in folgenden Strategien niederschlägt (vgl. KIESER et al. 1990, S. 108ff.):
- Der Mitarbeiter versucht, sein Aufgabengebiet auszuweiten und weitere Aufgaben zu übernehmen.
- Der Mitarbeiter versucht, innerhalb des Unternehmens die Stelle zu wechseln.
- Der Mitarbeiter wird außerhalb des Unternehmens aktiv und versucht so, die Konflikte zu kompensieren.
- Der Mitarbeiter kündigt das Arbeitsverhältnis.
Neben den aktiven Bewältigungsstrategien versucht der Mitarbeiter durch passive Strategien, die Konflikte zu lösen. Durch den innerlichen Rückzug verändert sich die Einstellung des Mitarbeiters zum Unternehmen. Sein Engagement und seine Eigeninitiative sinken im weiteren Verlauf der Eingliederung. Passive Bewältigungsstrategien sind für den Vorgesetzten nicht transparent und können sich negativ auf die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen auswirken. Der aktive Umgang mit Konflikten dagegen hat einen positiven Einfluss auf die Einarbeitung, wenn die Konflikte offen und konstruktiv ausgetragen werden.
Hat der neue Mitarbeiter die Konfrontation mit den unternehmenseigenen Werten, Anforderungen und Erwartungen erfolgreich abgeschlossen, wird er den offen gelegten Erwartungen - entsprechend seiner Strategie - entgegentreten. Der neue Mitarbeiter ist beim Eintritt in die dritte Phase somit in der Lage, sich seinen Aufgaben zu stellen.
Er benötigt ausreichende Informationen über seine Aufgabe und die an ihn gestellten Anforderungen. Diese erhält er über die Stellenbeschreibung und über Verfahrensrichtlinien. Die Akten und Arbeitsanweisungen seines Vorgängers geben ebenfalls aufschlussreiche Informationen. Der Vorgesetzte spielt auch in dieser Phase eine wichtige Rolle. Seine Aufgabe ist es, den neuen Mitarbeiter über alles ausreichend zu unterrichten. Mit Hilfe eines Einarbeitungsplans und eines vorangegangenen Einweisungsgesprächs hat der neue Mitarbeiter eine Informationsgrundlage. Natürlich kann der neue Mitarbeiter auf seine eigenen Erfahrungen und seine fachliche Ausbildung zurückgreifen. Von Bedeutung ist, dass er verschiedene Versuche durchführt, um die Gültigkeit seiner Strategie zu überprüfen. Dieser Prozess entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Einarbeitung. Um Rollenambigui-täten zu bewältigen, muss sich der neue Mitarbeiter durch eine hohe Motivation und einen hohes Maß an Eigeninitiative auszeichnen. Er fordert aktiv Feedback ein und sucht den Kontakt zum Vorgesetzten sowie den Kollegen. Von Unternehmensseite ist zu erwarten, dass die Aufgaben deutlich formuliert werden, ein Einarbeitungsprogramm entwickelt wird und der Vorgesetzte darin geschult ist, die Arbeitsaufgaben stufenweise zu vermitteln, ständiger Gesprächspartner zu sein und konstruktives Feedback zu geben.
Ausgehend von den Erwartungen beim Eintritt in die Organisation wird der neue Mitarbeiter prüfen, inwieweit seine Bedürfnisse durch die neue Stelle erfüllt werden und wie viel er von seiner eigenen Identität in die Rolle einfließen lassen muss, um den Anforderungen des Unternehmens und seinen eigenen gerecht zu werden. Sein Verhalten wird sich ändern, ohne dass seine Identität aufgelöst wird. Gelingt ihm das, erhält die Stelle seine persönlichen Züge.
Ziel einer erfolgreichen Eingliederung ist die Integration des neuen Mitarbeiters. Diese Phase erreicht der neue Mitarbeiter nach erfolgreicher Konfrontation und Einarbeitung. Die innere Bindung an das Unternehmen bildet einen wichtigen Bestandteil des Integrationsprozesses. Damit werden die Identifikation mit dem Unternehmen und die Einsatzbereitschaft bezeichnet, für dessen Ziele einzutreten. Gekennzeichnet wird die innere Bindung durch die Einstellung zum Unternehmen, d.h. inwieweit die eigenen Werte und Ziele mit denen des Unternehmens übereinstimmen. Die Bindung fördert engagiertes Verhalten und umgekehrt. Innere Bindung entsteht durch eine anfängliche Bindung an das Unternehmen. Diese wird z.B. durch das „Corporate Image“[5] des Unternehmens hervorgerufen. Eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik unterstützt den Wunsch des Bewerbers, für dieses Unternehmen tätig sein zu wollen. Die Leistungsmotivation als extrinsisches Motiv befähigt ihn dazu, seine Aufgaben tatkräftig und motiviert zu erfüllen. Dabei erfahren extrinsische Motive ihre Befriedigung aus den Folgen der Arbeitsleistung. Gleichzeitig binden intrinsische Motive an ein Unternehmen, die ihre Befriedigung aus der Tätigkeit selbst erhalten, wie z.B. Arbeitsorientierung (vgl. ROSENSTIEL 1999, S. 179).
Fasst man die vier Phasen der Eingliederung zusammen, dann ist der Prozess erfolgreich abgeschlossen, wenn sich eine starke Bindung an das Unternehmen entwickelt hat, die zentralen Aufgaben verstanden sind und erfüllt werden können sowie der neue Mitarbeiter als kreatives Mitglied der Organisation an der Entwicklung betrieblicher Prozesse interessiert ist.
Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Prozess.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 5: Prozess der Eingliederung
Quelle: KIESER 1999, S. 170
Phasenmodelle der organisationalen Sozialisation weisen eine hohe Allgemeingültigkeit auf, die jedoch nicht empirisch überprüft ist. Die Sozialisation als Prozess zu betrachten macht es für Praktiker einfacher, darauf aufbauend Einarbeitungsprogramme zu entwickeln.
Aufbauend auf die beiden beschriebenen Sozialisationsmodelle folgt nun die Vorstellung eines Konzepts, dass - unterteilt in vier Phasen - besondere Aspekte der einzelnen Phasen der Sozialisation aufnimmt, näher beleuchtet und daraus Handlungsempfehlungen für die praktische Umsetzung ableitet. Ziel ist es, sowohl die häufig genannten Problemfelder nochmals zusammenfassend darzustellen sowie neue Aspekte näher zu untersuchen.
Das Konzept gründet sich auf folgende vier Phasen:
1. Vorbereitung,
2. Eintritt,
3. Einarbeitung und
4. Integration.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 6: Entwickeltes Phasenkonzept
Quelle: eigene Darstellung
Bevor jedoch auf die einzelnen Phasen näher eingegangen wird, erfolgt ein kurzer Überblick über die bereits in der Praxis gesammelten Erfahrungen mit der Eingliederung neuer Mitarbeiter.
Nach LEIDIG (1999, S. 56) ist der erste Eindruck des Unternehmens auf den neuen Mitarbeiter entscheidend. Da die unterschiedlichsten Erwartungen aufeinander treffen, können mit einfachen Maßnahmen, wie einem Begrüßungsschreiben und der persönlichen Begrüßung durch den Vorgesetzten, positive Eindrücke erzeugt werden. Weitere Maßnahmen umfassen u.a. einen eingerichteten Arbeitsplatz sowie den freundlichen Empfang durch die neuen Kollegen. Der Informationsbedarf des neuen Mitarbeiters bezieht sich häufig auf die Arbeitsaufgabe, die örtlichen Gegebenheiten, die sozialen Einrichtungen und das Unternehmen mit seinen Zielen, Werten und Normen.
Gestützt werden diese Aussagen durch Erfahrungsberichte (vgl. SCHNEIDER 1999, S. 9), die darüber informieren, dass 40% aller Kündigungen innerhalb der ersten 12 Monate auf eine missglückte Eingliederung und Einarbeitung zurückzuführen sind.
Darüber hinaus hat man festgestellt, dass die meisten Kündigungsentschlüsse von Seiten der Mitarbeiter bereits während der ersten Tage getroffen werden (vgl. HUBER 1992, S. 764). In der Diskussion über Organisationskultur und Führungsethik stellt die Gruppe der neuen Mitarbeiter eine sensible Zielgruppe dar. Die erfolgreiche Einführung der Mitarbeiter ist eine Schlüsselvoraussetzung für eine positive Einstellung zum Unternehmen, seinen Werten und Zielsetzungen. Die Zeit der Einführung kann von Beginn an bis zu drei Jahren festgelegt werden. In diesem Zusammenhang stellen Einführungsprogramme eine planvolle, systematische und formalisierte Form der Mitarbeitereinführung dar.
Als Einzelmaßnahmen zur Erleichterung der Eingliederung bieten sich schriftliche Unterlagen an, wie z.B. ein Einarbeitungsplan, Checklisten oder Informationsbroschüren über das Unternehmen. Die Wirkung persönlicher Gesprächen mit Vorgesetzen, Kollegen und Paten ist zu berücksichtigt. Dazu zählen informelle Gespräche sowie Einführungsgespräche, regelmäßige Beurteilungs- und Feedbackgespräche.
Im weiteren Verlauf werden in den vier Phasen thematische Schwerpunkte gesetzt und nach einer eingehenden Untersuchung Handlungsempfehlungen für die jeweiligen Phasen erarbeitet.
Sowohl bei REHN (1990) und KIESER et al. (1990) als auch in anderen Werken wurde immer wieder betont, dass die Eingliederung neuer Mitarbeiter bereits im Auswahlprozess beginnt. Nach KIESER et al. (1990, S. 6) beginnt die Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit bereits im Elternhaus. Es werden frühzeitig Werte, Normen und daraus resultierende Verhaltensweisen ausgebildet, die wesentliche Bedeutung für die Eingliederung in eine Organisation haben. Um den Zusammenhang zwischen antizipatorischer Sozialisation und der Vorbereitung auf den Eintritt in das Unternehmen zu verdeutlichen, werden die Kernaussagen dahingehend geprüft, ob sie im Auswahlprozess umgesetzt werden.
In der Phase der antizipatorischen Sozialisation wurde betont, dass die Weitergabe von realistischen Informationen entscheidend für den Erfolg der Eingliederung ist. Der Ansatz des „realistic job preview“ wurde von beiden Wissenschaftlern in den Vordergrund gestellt. Daraus ergeben sich die Entscheidungen des Unternehmens für den Bewerber. Ebenfalls leiten sich die Erwartungen und möglichen Enttäuschungen des Bewerbers ab.
[...]
[1] Intrapersonelle Konflikte liegen in der Person selbst begründet, wenn gegensätzliche Motivationen oder Entscheidungszwänge aufeinander treffen. Sie können interpersonelle Konflikte auslösen, die zwischen Personen oder Gruppen entstehen. Ursachen liegen in unklaren Aufgabenabgrenzungen oder unzureichender Übereinstimmung zwischen Erwartungen und Rollenverhalten begründet (vgl. JUNG 2001, S. 456).
[2] In diesem Zusammenhang entstehen drei Konflikttypen: der Appetenz-Appetenz-Konflikt, der Aversions-Aversions-Konflikt und der Appetenz-Aversions-Konflikt (vgl. KRÜGER 1972, S. 47ff.). Die Auswirkungen auf die interpersonellen Konflikte stellt KRÜGER ausführlich dar.
[3] Konflikte sind als Prozess zu verstehen. Latente Konflikte sind vorhandene, aber nicht wahrgenommene Konflikte. Aktuelle Konflikte werden von den beteiligten Personen wahrgenommen, ihre Austragung wird jedoch unterdrückt. Intragruppen-Konflikte bezeichnen Konflikte zwischen Personen (JUNG 2001, S. 455).
[4] Von Rollenambiguität spricht man, wenn mehrdeutige Definitionen einer Rolle vorliegen.
[5] Darunter ist die nach außen gewandte Unternehmenskultur zu verstehen (vgl. KIESER 1999, S. 171). Die Unternehmenskultur ist die Gesamtheit von gemeinsamen Werten und Normen (vgl. JUNG 2001, S. 22).
Kommentare