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Mehr InfosDiplomarbeit, 2000, 65 Seiten
Diplomarbeit
2,0
1 Vorwort
2 Was ist Erlebnispädagogik?
2.1 Erleben und Erfahrung
2.2 Definitionen
2.3 Geschichte
3 Methodik der Erlebnispädagogik
3.1 Methodische Prinzipien
3.2 Das Medium der Erlebnispädagogik
3.3 Aktions‑ und Handlungsformen
3.4 Annahmen der Erlebnispädagogik
3.5 Didaktik der Erlebnispädagogik
4 Erlebnispädagogik in der Stadt
4.1 Vorteile und Nachteile
4.2 Unterschiede
5 Erlebnispädagogik in der Stadt am Beispiel des Kletterns als Schulsport
5.1 Klettern als Schulsport
5.2 Ziele/Methoden
5.3 Voraussetzungen
5.4 Ressourcen
6 Literaturverzeichnis
6.1 Bücher
6.2 Zeitschriften und Publikationen
6.3 Internet
7 Erklärung zur Diplomarbeit
Ich habe bereits während meines Studiums für Erlebnispädagogik großes Interesse gezeigt und deshalb den Studienschwerpunkt Jugendarbeit gewählt, da dieser als einziger Schwerpunkt den Bereich Erlebnispädagogik mitbeinhaltet.
Da mir durch meine Freizeit, die Sportarten, die in der Erlebnispädagogik Anwendung finden, schon alle intensiv bekannt waren, wollte ich nun die theoretischen Hintergründe dazu kennenlernen.
Mir erschien die Erlebnispädagogik eine gute Reaktion auf die immer stärker, durch Defizite gekennzeichnete Welt der Jugendlichen zu sein. Diese wird immer erlebnisärmer und damit erfahrungsärmer. Die Schule, die dafür verantwortlich ist, dem Menschen das beizubringen, was er in Familie und Welt nicht lernt, konzentriert sich fast ausschließlich auf die Vermittlung von theoretischem Wissen. Dadurch wird der Mensch zwar urteilsfähig, jedoch nicht handlungsfähig. Der Schüler lernt Lernen und nicht Handeln. Die Jugendlichen leben dadurch mehr denn je in einer Kultur, die reich an Information, aber arm an Erfahrung ist. Die Erlebnispädagogik kann ein Mittel sein, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Das Thema meiner Diplomarbeit soll eine Alternative, zu der „üblichen“ Erlebnispädagogik in der Natur darstellen, die sich nicht im unmittelbaren Umfeld der Jugendlichen abspielt. Sie soll eine Umsetzung des erlebnispädagogischen Gedankens im Lebensfeld Stadt erleuchten, mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Als ein Beispiel der praktischen Umsetzung gehe ich kurz auf das Beispiel Klettern als Schulsport ein. Kurz deshalb, da Schule und Sport nicht das eigentliche Handlungsfeld des Sozialpädagogen sind, es aber für mich eine sehr moderne und zeitgerechte Art ist, Erlebnispädagogik im direkten Umfeld der Jugendlichen umzusetzen.
In den ersten Kapiteln gebe ich einen Überblick über Grundlagen der Erlebnispädagogik und ihrer Methodik.
Danach gehe ich auf die Umsetzung der erlebnispädagogischen Prinzipien auf das Lebensfeld Stadt ein, mit all den entstehenden Vorteilen, aber auch Nachteilen.
Im weiteren Verlauf der Arbeit versuche ich am Beispiel des Kletterns als Schulsport, ein praktisches Beispiel der Umsetzung anzubieten.
Erleben und Erfahrung sind die zentralen Inhalte der Erlebnispädagogik. Das Erlebnis wurde von den Reformpädagogen Hahn, Plato, Lietz, James erstmals in den 20er Jahren in ihre Konzepte aufgenommen, theoretisiert und zur praktischen Anwendung geführt. Von Waltraud Neubert (A. Reiners 1995, S. 14) wurde im Zusammenhang Erlebnis - Ausdruck - Verstehen ein Konzept des "Erlebnisunterrichts" entworfen, der seine Anwendung in Fächern wie Kunsterziehung, Musik- und Körpererziehung, Heimat-, Erd-, Deutschkunde, Geschichts-, Sprach-. und Religionsunterricht fand.
Erlebt wird tagtäglich - bewußt und unbewußt. Etwas zu „erleben“ bedeutet, daß Inhalte, die als bedeutsam angesehen, zu Eindrücken verarbeitet werden. Dies kann sowohl positive als auch negative Gefühle und Erinnerungen auslösen. Das "Erlebnis“ kann als eine Art Momentaufnahme gesehen werden, das sich seiner Intensität entsprechend mehr oder weniger in das Gedächtnis einprägt. Der Inhaltscharakter eines Erlebnisses hängt geisteswissenschaftlich betrachtet wesentlich mit der vorausgegangenen Lebensgeschichte des Menschen zusammen. Sie ist der Ausgangs- und Bezugspunkt und verleiht dem Erlebnis den Wert. Die Qualität eines Erlebnisses hängt aus konstruktivistischem Blickwinkel vom Standpunkt ab.
Das Erlebnis kann daher, aus pädagogischer Sicht, nur als etwas gewolltes, aber nicht planbares gesehen werden.
Ein für den Bildungsprozess bedeutsames Erlebnis ist gekennzeichnet durch seine emotionale Tiefe, Aktualität und Subjektivität. Es hebt sich aus dem Alltagsfluss heraus und wird als etwas Besonders von dem Erlebenden empfunden; es berührt, ergreift und beschäftigt. Laut Dildiey (A. Reiners 1995, S.14) bedarf diese Form des Erlebnisses einer Bearbeitung, damit es konstruktiver Bestandteil der Erfahrung wird.
Erfahrung wird als das durch Speichern wiederholter Erlebnisse erworbene Wissen definiert. Im Unterschied zu dem durch Denken vermittelten Wissen. Hierzu gehört auch die durch lange Praxis erworbene Geübtheit in der Ausführung bestimmter Handlungen. Philosophisch ist Erfahrung eine Form der Erkenntnis (Empirie).
Äußere Empirie bezeichnet die Wahrnehmung von Erscheinungen durch die äußeren Sinne. Innere Empirie meint die retrospektive Erfassung von Bewußtseinsinhalten. Die Erfahrungswissenschaft macht die planmäßige Beobachtung und den Versuch zu ihrer Hauptmethode. (http://www.internetloge.de/arstzei/mwerfvor.htm)
Ein Dabeisein ohne Verinnerlichung ist demnach kein Erlebnis. Durch die rationale Durchdringung wird im Sinne Deweys eine Einheit von Gefühl und Vernunft hergestellt. Das Erlebnis spricht den Menschen in seiner Ganzheit an.
Nach Hahn wird das Erleben in der Gemeinschaft bzw. Gruppe realisiert; unmittelbare und ernsthafte Situationen werden gemeinschaftlich und kooperativ gemeistert, damit Konsequenzen von Verhalten im konkreten Handlungsvollzug erfahrbar werden.
Wenn man diese Definitionen von "Erlebnis" liest stellt sich vordringlichst die Frage, wie Pädagogik als zielgerichtetes und systematisch organisiertes Handeln mit einem Begriff wie Erlebnis, der Assoziationen mit Unbekanntem, Außergewöhnlichem und Unplanbarem auslöst, in einen Zusammenhang gebracht werden kann.
Abbildung 1: Eine Gruppe beim Bau einer Seilbrücke, einer Möglichkeit des Erlebens von neuen Reizen (Bild des Verfassers)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Suche nach einer Definition von Erlebnispädagogik gestaltet sich sehr mühsam. Von vielen Praktikern wird Erlebnispädagogik mit Erfahrungslernen allgemein, bzw. handlungsorientierten Ansätzen wie der Ökopädagogik, Kulturpädagogik, etc. gleichgesetzt.
Kriterien für eine Definition von erlebnispädagogischer Arbeit
können sein (A. Reiners 1995, S.18):
- Das Gelingen beruht auf der Mitverantwortung des Teilnehmers für das Unternehmen;
- Erlebnispädagogische Arbeit lehrt die Kenntnisse und das Handeln, die für das Bestehen des Unternehmens gebraucht werden; es stiftet soziale Beziehungen aus der Unternehmung heraus; es wendet sich an Jugendliche an der Schwelle des Erwachsenseins (inzwischen werden jedoch bereits Kurse für Erwachsene angeboten)
- Die Erlebnispädagogik weist als Personal nicht nur Pädagogen sondern vor allem auch Fachleute der Sache (Seeleute, Bergsteiger u.ä.) aus. Diese vermitteln sachlich und nicht pädagogisch;
- Sie beinhaltet ein gewisses Risiko, das nach besten Wissen und Gewissen kontrolliert und begrenzt, aber nicht völlig ausgeschalten werden kann (und soll)
- Sie ist erzieherisch gemeint.
Andere Versuche einer Definition lauten:
- Erlebnispädagogik als eine Teilwissenschaft der Pädagogik und damit selbst eine Wissenschaft mit eigenen Methoden und Inhalten. (Bedacht A. 1994, S.46)
- Erlebnispädagogik als eine Methode. (Bedacht A. 1994, S. 48)
- Erlebnis- und handlungsorientiertes Lernen ist eher ein Prinzip und weniger ein Konzept. (Forum Erlebnispädagogik, URL:http://www.erlebnispaedagogik.de)
- Erlebnispädagogik ist mehr als eine Idee oder Theorie. Sie ist ein Menschenbild, eine Herausforderung an das Denken, Fühlen und Handeln der Pädagogen. (AFET-ad-hoc-Auschuss Erlebnispädagogik)
- Der Teilnehmer wird mit einem einzigartigen sozialen und physischen Umfeld konfrontiert. Ihm werden ernsthafte und konkrete Herausforderungen präsentiert, die unter anderem Unsicherheit und Streß auslösen. Aus der Bewältigung der Situation entstehen Kompetenzgefühle und eine vollständigere Wahrnehmung von sich selbst. (Eichinger W. 1995, S.58-63)
- Erlebnispädagogik als ein Lernprozess, der durch ein bestimmtes Erlebnis, Veränderungen der Meinung, der Gefühle, des Verhaltens oder der Erfahrung für eine Person zur Folge hat. (Kölsch H. 1995, S.41)
- Erlebnispädagogik ist ein vorrangig außerschulischer Bildungsansatz mit handlungsorientierten Methoden. Durch Gemeinschaft in ungewöhnlichen Umfeldern/Umständen werden neue Raum- und Zeitperspektiven erschlossen, die einem pädagogischen Zweck dienen (Reiners A 1995, S.20).
Eine beliebte Methode dem Definitionsproblem aus dem Weg zu gehen, scheint der Versuch Erlebnispädagogik so zu definieren wie sie nicht ist. In diesen Abgrenzungsversuchen findet man immer wieder die folgenden Punkte:
- Erlebnispädagogik ist, nicht Schulung in speziellen Sportarten, wie sie von kommerziellen Sportorganisationen angeboten werden;
- sie ist nicht gleichzusetzen mit Extremsportarten, Sportunterricht und Fitnesstraining, paramilitärischen Aktivitäten, Überlebenstraining; Abenteuer und Risiko finden nicht ohne pädagogische (Vor-/Während-/Nach)Betreuung statt.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß ich mich persönlich aus meiner erlebnispädagogischen Erfahrung heraus, mit der Definition von Herrn Eichinger am meisten identifizieren kann. Sie gibt die Situationen, die ich mit Teilnehmern erlebte, am präzisesten wieder. Diese Definition soll für den Rest der Diplomarbeit Anwendung finden.
Besonders ein Reformpädagoge forderte, daß Erlebnisse Teil eines pädagogischen Gesamtplans sein sollten: An Kurt Hahn kommt man nur schwerlich vorbei, will man etwas über Erlebnispädagogik schreiben.
Er gilt als der Urvater der Erlebnispädagogik, auch wenn er sein Konzept damals Erlebnistherapie nannte, weil es sich an Defiziten orientierte und seine Angebote therapeutische Wirkungen haben sollten.
Hahn kritisierte den Verfall der körperlichen Tauglichkeit, der Selbstinitiative, der Geschicklichkeit und Sorgfalt, und der Fähigkeit zur Empathie. Er setzte diesen "Zivilisationskrankheiten" der 20er Jahre die bekannten vier Elemente seiner Erlebnistherapie entgegen: leichtathletische Pause (körperliches Training), mehrtägige Expeditionen in der Natur, Kunst‑ und handwerkliche Projekte und Rettungsdienst.
Alle vier Aktivitäten standen unter dem gemeinsamen Motiv des Erlebens, da Hahn von einer unbewußten Wirkung des Erlebnisses auf das Verhalten, die Einstellung und das Wertesystem des Betroffenen ausging. Das Erleben wird nach Hahn in der Gemeinschaft bzw. Gruppe realisiert; unmittelbare und ernsthafte Situationen werden gemeinschaftlich und kooperativ gemeistert, damit Konsequenzen von Verhalten im konkreten Handlungsvollzug erfahrbar werden. Letztendliches Ziel war eine Erziehung zu Verantwortung durch Verantwortung. Die Umsetzung des Konzeptes erfolgte in den sogenannten Kurzschulen, die sich zu den heutigen Outward Bound Schulen weiterentwickelten. Dort sollten die Jugendlichen (nach Hahns Meinung sind Erwachsene nicht mehr beeinflußbar) zu den "gesunden" Tugenden zurückgeführt werden.
Hahn behauptete nie, daß seine Pädagogik neu oder originell sei und das war sie auch nicht. Vor mehr als 2000 Jahren hatte Plato bereits eine Philosophie über die sittliche Erziehung des Menschen
entwickelt.
Aristoteles hatte festgestellt, daß Menschen mit Erfahrung mehr Aussicht auf Erfolg hätten als jene, die über theoretisches Wissen, jedoch keine Erfahrung verfügten.
Der Stellenwert des Erlebnisses bei der Vermittlung von Erfahrungen, Methoden und Wissen war auch keine neue Erkenntnis. Bereits Jean‑Jacques Rousseau, Denker und Philosoph, empfahl Handlung und Erfahrung als Unterrichtsprinzip und ermahnte die Lehrer: "Und denkt daran, daß ihr in allen Fächern mehr durch Handlungen als durch Worte belehren müßt. Denn, Kinder vergessen leicht was sie gesagt haben und was man ihnen gesagt hat, aber nicht, was sie getan haben und was man ihnen tat.“
Über die Vorteile einer pädagogischen Provinz, in der Erzieher und Schüler eine Lebensgemeinschaft bildeten, um die erzieherische Inkompetenz der Eltern in den entscheidenden Entwicklungsjahren auszuschließen, hatten sich bereits Goethe, Lietz und Pestalozzi Gedanken gemacht. Hahn hatte auch William James gelesen, dessen Erziehungsprinzipien eine große Bedeutung für alle handlungsorientierten Ansätze haben:
- Man lernt am besten, wenn man selbst dabei handelnd tätig ist. Interesse ist ein Zeichen dafür, daß Lernen stattfindet.
- Die Basis jedes Lernens ist das unmittelbare Erleben durch die Sinne.
- Gute Erziehung muß ganzheitlich sein.
- Liebe und Verständnis sind für den Lernprozeß wichtig. Effektives Lernen findet fächerübergreifend statt.
- Respekt für die unterschiedlichen Individuen ist essentiell.
James war es auch, der ein "moralisches Äquivalent des Krieges" in der Erziehung Jugendlicher als notwendig erachtete und daher entweder schwierige und niedrige Dienstleistungen für die Gemeinschaft oder Bewährungsproben in den Bergen, Wüste oder Luft zur Entladung jugendlicher Kräfte vorschlug.
Hahns Leistung war es all diese Ideen zu einem pädagogischen Konzept zusammenzufassen.
Während dieses Konzept bis Anfang der 80er Jahre kaum Beachtung fand, gibt es heute kaum eine Bildungsstätte, die sich nicht dem Generalthema des Erlebens zugewandt hat. Aus der defizit orientierten Therapie für Jugendliche hat sich ein Bildungsansatz für die unterschiedlichsten Zielgruppen entwickelt. Erlebnispädagogik liegt im Trend als Therapie, als Maßnahme der Jugendhilfe, als Training für Auszubildende und Manager, als Integrationshilfe für Behinderte, etc.
„Wir verstehen Methodik als Verfahrensweise, mit denen Lehr- und Lernprozesse planmäßig und fachlich vorbereitet, gelenkt und ausgewertet werden.“ (Reiners A. 1995, S.35)
Die folgenden Prinzipien erscheinen von hoher Wichtigkeit im Zusammenhang mit der Methodik der heutigen Erlebnispädagogik:
- Im Vordergrund soll das handlungsorientierte und soziale Lernen stehen.
- Die Herausforderungen sollen vom Teilnehmer als subjektiv schwer, jedoch nicht unüberwindlich bzw. unlösbar gesehen werden. In diesen Situationen der Grenzerkundung lernen die Teilnehmer ihre Fähigkeiten, Eigenschaften und damit sich selbst besser kennen. Relativ neu ist die wachsende Einsicht, daß wenn schon Berg, er nicht unbedingt sehr hoch sein muß, um eine besondere Herausforderung zu sein. Der hochalpine Berg wird gänzlich in Frage gestellt, wenn man sich verdeutlicht, daß man auf einen Baum klettern kann, um ein wichtiges Erlebnis zu haben. Beim Baumklettern geht es darum, daß ein circa 25 Meter hoher Baum, der von den Verantwortlichen dafür ausgesucht wurde, gemeinsam in der Gruppe erklettert wird, indem sich je zwei Teilnehmer als Seilschaft gegenseitig sichern. Die unmittelbare Abhängigkeit voneinander fordert ein Höchstmaß an sozialen Fähigkeiten, Rücksichtnahme, Kooperations‑ und Teamfähigkeit und durch den Selbstsicherungsaspekt die Über nahme von individueller Verantwortung.
- Das Erleben muß ganzheitlich sein, d.h. die kognitive, emotionale und aktionale Lernebenen sind abzustimmen.
- Nach Einführung in die Aktivität soll der Gruppensteuerung und Selbstverantwortung der Gruppe soweit wie möglich freier Lauf gelassen werden.
- Die Situationen müssen ernsthaft, direkt, konkret und authentisch sein; die an die Gruppe übertragene Verantwortung muß real und nicht spielerisch sein.
- Durch ein vielfältiges Angebot an sportlichen, sozialen, musisch-kreativen und organisatorischen Aktivitäten, soll der Teilnehmer unausweichlich in Situationen geraten, in denen er sich bewähren oder an seine Grenzen stoßen kann. (Reiners A. 1995, S. 35-36)
Deutlich erkennbar wird in diesen Prinzipien, daß in der Erlebnispädagogik die Situation und das Verhalten der Teilnehmer die zentralsten Aspekte darstellen. Das berücksichtigend richtet sich die Zielsetzung nach den individuellen Problemlagen, Bedürfnissen und Leistungsvermögen der Teilnehmer. Von dieser Zielsetzung ist die Methode, das Medium, das Material und der zeitliche Rahmen, abhängig.
Daraus folgt, daß es kein allgemeingültiges Angebot geben kann, das auf viele Zielgruppen gleichzeitig angewandt werden kann. Im Gegenteil, aus den oben genannten Punkten ergibt sich ein ungeheuer vielseitiges Spektrum an verschiedenen Angeboten und Maßnahmen.
Die Methode der Erlebnispädagogik wurde bereits angesprochen. Was jedoch bedeutet der Begriff Medium im Zusammenhang mit Erlebnispädagogik? In der traditionellen Pädagogik werden damit die Tafel, Flipchart, Overheadprojektor und ähnliches verbunden. Das Medium der Erlebnispädagogik hingegen sind die Natursportarten, aber auch handwerkliche, soziale und ökologische Projekte, die diesem Ansatz den Erlebnischarakter geben.
Es wird nicht die Erlernung der Sportart oder Tätigkeit an sich angestrebt, wie es bei kommerziell angebotenen Kletter-, Segel-, Kajakkursen oder auch Töpfer- und Fotokursen der Fall ist, sondern die Bereitstellung einer ungewohnten, interessanten Situation, die aber alltagsähnliche Anforderungen
an den Einzelnen und die Gruppe stellt. Es kommt auf die Kombination, Präsentation und Interpretation der Aktivitäten an.
Beim Bergwandern kann der Teilnehmer beispielsweise lernen, seine Kräfte richtig einzuteilen und seine Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Ähnlich wie beim Bogenschießen in der Motologie, kann man zu der Erkenntnis gelangen, daß man sich seine Ziele schon immer entweder zu weit oder zu kurz gesteckt hat und erfahren, wie viel Körper‑ und Sinnesanspannung nötig ist, um ans Ziel
zu gelangen. Weiter bietet das Bergwandern auch die Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu üben, indem etwa auf Schwächere Rücksicht genommen wird. Auch kann der Naturschutzgedanke nicht nur bei Wanderungen durch unberührte Landschaften, sondern auch an offensichtlichen
Folgen des Bergtourismus, Verbauung und Verkarstung der alpinen Räume thematisiert werden ohne schulmeisterlich zu wirken.
Neuere Entwicklungen beziehen nun auch urbane Erlebnisräume und damit die Stadt in ihre Konzepte mit ein. Es geht dabei um ein "Anders‑Erleben" der Stadt und ihrer Möglichkeiten. Dort werden neben den Natursportarten die in der Stadt stattfinden (Abseilen vom Hochhaus) und "legalen" Abenteuern auch konkrete Aktivitäten, die im direkten Alltagszusammenhang der Teilnehmer stehen (wie zum Beispiel das Schreiben von Bewerbungen oder das Üben von Vorstellungsgesprächen) angeboten. Mit dem Ziel auf höhere Ebenen des Bewußtseins vorzudringen, werden auch immer häufiger Medien der Psychologie in erlebnispädagogische Konzepte miteingebaut. Darunter fallen Aktivitäten wie Tanz, Meditation, Massage, Yoga, Tarot, Gebet etc. Jedoch sind die Psychologen der Meinung, daß nach einer Bewältigung dieser Situationen mit Hilfe neuer Fähigkeiten und Verhalten, immer noch eine spirituelle Leere existiert, die nur gefüllt werden kann, indem man tiefer im menschlichen Wesen bzw. im Kosmos nach Antworten sucht .
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