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Mehr InfosDiplomarbeit, 1996, 101 Seiten
Diplomarbeit
2,0
1. EINLEITUNG
2. IMPLIZITES UND EXPLIZITES GEDÄCHTNIS
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Geschichtlicher Hintergrund
2.3 Dissoziationen zwischen impliziten und expliziten Gedächtnisleistungen
2.3.1 Empirische Befunde der impliziten Forschung
2.3.2 Implizite und explizite Gedächtnisleistungen bei Amnestikern
2.3.3 Implizite Gedächtnisleistungen bei gesunden Personen
2.4 Theorien und Modelle des impliziten Gedächtnisses
2.4.1 Aktivationstheorien
2.4.2 Multiple Gedächtnissysteme
2.4.3 Prozeßtheoretische Annahmen
3. ERINNERUNGSINDUZIERTES VERGESSEN
4. HERLEITUNG UND ZIELSETZUNG DER EIGENEN UNTERSUCHUNG
5. METHODE
5.1 Versuchspersonen
5.2 Versuchsplan
5.3 Material
5.4 Durchführung
6. ERGEBNISDARSTELLUNG
6.1 Zwischentestergebnisse
6.2 Ergebnisse impliziter Tests
6.3 Abschlußtestergebnisse
7. DISKUSSION
8. ZUSAMMENFASSUNG
Anhang
Die Erinnerungsleistung ist eine allgemein anerkannte humane Eigenschaft, die für die Menschen zur Bewältigung ihres Alltags eine unbedingte Notwendigkeit ist. Aus diesem Grunde ist es für die täglichen Abläufe sehr wichtig und bedeutsam, sich an bestimmte bereits erworbene Vorgänge und Dinge zu erinnern, wie z.b. an den Ablauf beim Autofahren, oder an die eigenen Lebensereignisse, wie die Erinnerung an Eltern, Freunde oder die Arbeitsstelle. Welch große Bedeutung der Erinnerungsleistung zukommt, zeigt sich, wenn diese verloren geht. So fällt es beispielsweise Patienten, die unter einem amnestischen Syndrom leiden, deshalb schwer ihren Alltag zu gestalten, da bei ihnen sowohl die Erinnerung an zurückliegende Ereignisse, wie auch der Erwerb neuer Informationen erheblich gestört ist.
Der Erinnerungsprozess an spezielle Objekte, Erfahrungen und Begebenheiten aus der Vergangenheit kann als eine aktive und gezielte Suche nach diesen Informationen verstanden werden. Die Informationen befinden sich im Langzeitgedächtnis einer Person, wo sie für eine Nutzung erst aktiviert werden müssen. Auf der anderen Seite werden einige Lerninhalte über die Zeit vergessen. Für dieses entfallengewissen sind jedoch nicht nur retro- bzw. proaktive Hemmungen oder Interferenzvorgänge allein verantwortlich zu machen. Der Erinnerungsprozess an sich scheint einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Vergessen zu haben. Vermutlich ist auch die Gedächtnisleistung mit negativen Kosten verbunden, und so geht die Erinnerung an bestimmte Inhalte auf Kosten derer, die assoziativ mit den wiedererinnerten verbunden sind. In einer Studie von Anderson, Bjork und Bjork (1994) konnte gezeigt werden, dass das Wiedererinnern bestimmter Inhalte einer vorangegangenen Lernsequenz ein Vergessen anderer Items der gleichen Kategorie zur Folge hatte. Dieses Phänomen umschrieben sie als Retrieval induziertes Vergessen. Dass aktives Erinnern auch Vergessensprozesse anstößt, ist eine neuer, interessanter Gedanke, der mit einer Replikation der o.g. Studie in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen werden soll.
Der Schwerpunkt der traditionellen Gedächtnisforschung lag lange Zeit auf der expliziten und absichtlichen Erinnerung an frühere Ereignisse. Später vermehrte sich das Interesse an unbewussten Lern- und Erinnerungsbedingungen und wurde intensiver und für viele Bereiche erforscht. Aufgrund des derzeitigen Standes der Gedächtnis- und Kognitionsforschung ist es angebracht, zwischen verschiedenen Formen der Erinnerung zu unterscheiden. Das bewusste Zurückerinnern an vorherige Ereignisse und das Reproduzieren von Lerninhalten wird als explizite Erinnerungsleistung bezeichnet. Dieser gezielte Suchprozess nach gespeicherten Informationen lässt sich von einer impliziten Behaltensleistung abgrenzen, die sich in dem Nutzen zuvor registrierter Informationen, die beiläufig und indirekt erfolgen, äußert. Ohne dass sich der Mensch darüber bewusst ist, dass seine persönlichen Erfahrungen bei späteren Bearbeitungen von Aufgaben miteinfließen, profitiert er bei einer aktuellen Problemlösung von diesen ähnlichen Lernerfahrungen oder Informationen aus der Vergangenheit. Der Nutzen macht sich in einer rascheren oder erleichterten Lösungsfindung deutlich. Bereits gelesene Texte lassen sich bei einem zweiten Durcharbeiten schneller lesen und verstehen, auch wenn die erste Bearbeitung nicht mehr erinnert wird. Das von Anderson, Bjork und Bjork (1994) eingeführte Konzept des Retrieval induzierten Vergessens wurde bislang nur für den expliziten Gedächtnisabruf überprüft. Gelänge ein Nachweis des Phänomens mit impliziten Gedächtnistests, so wären Rückschlüsse auf die Mechanismen zu ziehen, die zum Effekt des aktiven Vergessens führen. Diese Mechanismen wären dann nicht nur für einem expliziten Abruf spezifisch, sondern für beide Erinnerungsarten funktional wirksam.
Das erste Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine Replikation der Studie von Anderson, Bjork und Bjork (1994), um den Prozess des aktiven Vergessens nachzuweisen. Eine weitere Zielstellung stellt sich in einer Erweiterung der o.g. Studie um den Aspekt der impliziten Gedächtnistestung dar, um die Allgemeingültigkeit des aktiven Vergessens aufzuzeigen. Von besonderem Interesse ist, welche Auswirkungen eine implizite Erinnerungsbedingung auf die nachfolgende explizite Testung hat, bzw. wie die implizite Testung durch eine vorausgegangene explizite Erinnerungsaufgabe beeinflusst wird.
Nachfolgend werden zunächst theoretische Grundlagen des impliziten und des expliziten Gedächtnisses vorgestellt und voneinander abgegrenzt, sowie die unterschiedlichen Testverfahren, die dafür bereitstehen. Weiterhin werden einige Forschungsbefunde aus Studien zum impliziten Gedächtnis dargestellt und ein geschichtlicher Überblick gegeben. Anschließend folgt die Darstellung von Dissoziationen zwischen impliziter und expliziter Gedächtnisleistung. Das zweite Kapitel schließt mit einer Erörterung der verschiedenen Interpretationsansätze und Theorien zu den beiden Erinnerungsformen. Auf das Phänomen des Retrieval induzierten Vergessens und einiger theoretischer Ansätze hierzu, wird im Kapitel 3 eingegangen. Eine Vorstellung der eigenen Untersuchung erfolgt im Kapitel 4.
In diesem Kapitel werden die Begriffe implizite und explizite Gedächtnisaufgaben näher erläutert, auf deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingegangen und die Entstehungsbedingungen von Primingeffekten erklärt. Nach einem kurzen Überblick über die geschichtlichen Hintergründe der impliziten Gedächtnisforschung, werden die Unterschiede impliziter gegenüber expliziter Forschungsergebnisse aufgezeigt. Der letzte Punkt dieses Kapitels befasst sich mit Erklärungsansätzen und Theorien zum impliziten Gedächtnis.
Üblicherweise zielen Definitionen zum Erinnerungsvermögen auf einen beabsichtigten, aktiven Vorgang, den Personen bewusst unternehmen. Erfahrungen, Informationen oder Lerninhalte aus der Vergangenheit werden wieder ins Gedächtnis gerufen und erinnert. Die traditionelle Gedächtnispsychologie befasst sich mit diesen Erinnerungsleistungen, die ausdrücklich im Bezug zur persönlichen Vergangenheit einer Person stehen. Die Prüfverfahren hierfür sind Gedächtnistests wie das freie Reproduzieren von gelerntem Material (mit oder ohne Hinweise) oder das Wiedererkennen voriger Informationen. Diese Tests setzen eine direkte, zielgerichtete und bewusste Art der Erinnerung voraus, die als explizites Erinnern bezeichnet wird (Schacter, 1987).
Die expliziten oder Behaltenstests sind die klassischen Prüfverfahren in der Gedächtnispsychologie. Nach einer expliziten Aufforderung bestimmte Lerninhalte einer vorangegangenen Lernepisode zu erinnern, sollen die Probanden explizit mitteilen, ob sie sich an das vorher präsentierte Item erinnern oder für es bekannt halten. Bei einer typischen expliziten Aufgabe wird den Versuchspersonen in der Lernepisode Material in Form von Bildern, Wortlisten oder Texten gezeigt. Nach einer Ablenkungsaufgabe, die nicht im Zusammenhang mit dem Lernmaterial steht, folgt ein Gedächtnistest, wie das freie Reproduzieren (free recall), bei dem möglichst viele Items aus der ersten experimentellen Phase wiedererinnert werden sollen (mit oder ohne Hinweise), oder ein Rekognitionstest, mit dem Ziel, alte, zuvor dargebotene Begriffe, Bilder oder andere Informationen wiederzuerkennen und von neuen zu unterscheiden. Die Probanden werden bei dem Gedächtnistest in der Abrufphase direkt instruiert, Bezug auf die Informationen einer vorangegangenen Studierphase zu nehmen und sich die Lerninhalte daraus wieder wachzurufen. Diese traditionellen Verfahren werden auch als direkte Gedächtnistestungen von Johnson & Hasher (1987), episodische Tests von Tulving (1983) oder als intentionale Prüfungen, wie von Jacoby (1983) bezeichnet.
Diesen klassischen expliziten Testarten stehen implizite Prüfverfahren gegenüber. Bei einer indirekten Aufgabenstellung fehlt, im Gegensatz zu einer direkten Instruktion, der explizite Verweis auf eine vorherige Lernepisode. Vorher dargebotene Informationen sollen nicht direkt erinnert oder wiedererkannt, sondern irgendwie verarbeitet werden. Die wesentlichen Ziele bei impliziten Gedächtnisvorgängen sind durch die Fragen“: Was ist da für ein Reiz?” und “Was fällt mir zu dem Reiz ein?”, dargestellt (Engelkamp, 1990).
Bei indirekten, impliziten Testungen werden ohne eine direkte Erinnerungsinstruktion, die sich auf Erlebnisse, Begebenheiten oder Erfahrungen bezieht, unbemerkt alte Informationen für neue Aufgaben genutzt. Diese unwillentlich erzeugten Nachwirkungen durch Testmaterial und Informationen aller Art zeigen sich, indem Lösungen z.B. schneller oder leichter entwickelt werden können. Zum Beispiel kann die Darbietung eines bereits bearbeiteten oder gesehenen Begriffes die Zeit für eine lexikalische Entscheidung bei einer späteren erneuten Präsentation verkürzen. In einem Experiment von Meyer und Schvaneveldt (1976) bei dem Wortpaare dargeboten wurden, bestand die Aufgabe für die Versuchspersonen darin, möglichst schnell bei jedem Begriff eines Paares zu entscheiden, ob es sich um ein verständliches Wort oder ein Nichtwort handelte. Einige Begriffe waren aufeinander bezogen (Brot- Butter). Es ließen sich kürzere Reaktionszeiten für das zweite Wort eines Paares finden, wenn beide Worte miteinander in Zusammenhang standen.
Bei einer impliziten Erinnerung kann demnach eine unbewusste Erinnerung und Nutzung von bereits gespeicherten Informationen stattfinden.
“Implicit memory is an unintentional, nonconscious form of retention that can be contrasted with explicit memory, which involves conscious recollection of previous experiences”(Schacter, 1992).
Die Messverfahren der impliziten Gedächtnisforschung gleichen von der eigentlichen Aufgabenstellung denen der expliziten Testung. Der entscheidende Unterschied dieses Tests ist, dass bei der Instruktion zu der Testphase kein Zusammenhang zu schon bekanntem Lernmaterial aus vorangegangenen Lernepisoden erstellt wird. Die Art der Aufgabenstellung für implizite Gedächtnistests unterscheidet sich von der für klassische direkte, für die das Wiedererinnern gespeicherter Informationen im Mittelpunkt steht.
Spielt der Bewusstseinszustand, bzw. eine willentliche Form des Erinnerns zum Zeitpunkt des Testens bei einem explizitem Experiment eine große Rolle, wird hingegen bei einer indirekten Testung nicht auf die bereits dargebotenen Wortlisten oder Bilder verwiesen und keine Anweisung gegeben, sich an dieses Material zurückzuerinnern. Die unvollständigen Begriffe der Testaufgabe sollen z.B. mit dem ersten passenden Einfall, der den Testpersonen in den Sinn kommt, spontan ergänzt werden.
“...implicit tests of memory involve no reference to an event in the subject`s personal history but are nonetheless influenced by such events.” (Richardson- Klavehn & Bjork, 1988).
Typische Experimente sind, Wortstammaufgaben, bei denen Wortanfänge oder Wortfragmente spontan zu dem ersten passenden Begriff vervollständigt werden sollen, der dem Probanden in den Sinn kommt,
Identifikationstests, bei denen bildhaftes oder wörtliches Material oder Fragmente nach einer Darbietung erneut erkannt werden sollen (Parkin & Streete, 1988),
Lexikalische Entscheidungen, bei Wortreihen mit bekannten und neu eingeführten Wörtern. Die Probanden sollen entscheiden, ob innerhalb der Wortreihen sinnvolle Begriffe stecken. Für vorher präsentierte Begriffe soll die Reaktionszeit kürzer ausfallen (Moskovitch, 1982).
Wortassoziationen durch cues. Zu dem Hinweis sollen Begriffe assoziiert werden.
In der ersten Phase des Experiments wird in der Studierbedingung das Lernmaterial (Wortlisten, Bilder) dargeboten, mit der Instruktion es auf eine bestimmte Weise zu bearbeiten (auswendiglernen. Begriffe einschätzen). Im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Gedächtnistestung mit einer impliziten Bearbeitungsinstruktion an die Probanden. Implizite Effekte liegen vor, wenn Antworten korrekter oder schneller ausgeführt werden.
Diese Prüfverfahren, mit denen gezeigt werden kann, dass zuvor gespeicherte Informationen bei einer anderen Aufgabe beiläufig genutzt werden, werden als indirekt oder implizit bezeichnet. Sie haben die Erfassung von Erinnerungsnachwirkungen zuvor registrierter Informationen zum Ziel. Es wird angenommen, dass diese Nachwirkungen unbewusst für die Person ablaufen, d.h. dass sie sich nicht an die spezielle Situation, in der die Informationen aufgenommen wurden zurückerinnern. Diese Ausgangslage in einem experimentellen Setting zu erstellen, bei dem die Darbietung der Informationen und die Abfrage dieser zeitlich eng gekoppelt sind, ist problematischer als im normalen Alltag. Obwohl bei impliziten Tests kein Bezug zur Lernepisode hergestellt wird, können die Versuchspersonen diesbezüglich Hypothesen entwickeln und Anstrengungen unternehmen, sich absichtlich an die Lerninhalte zu erinnern, um ihre vermeintliche “Gedächtnisleistung” zu erhöhen. Um den Zusammenhang zwischen der vorangegangenen Lernphase und der aktuellen Testphase nicht zu offensichtlich werden zu lassen, werden die beiden experimentellen Phasen (Häufigkeitseinschätzung und Wortstammergänzung z.B.) als zwei voneinander unabhängige Aufgaben dargestellt. Weiterhin wird in der Testphase, bei der z.B. Wortanfänge spontan ergänzt werden sollen, das alte Lernmaterial mit ganz neuen Begriffen vermischt. Aus der Art der Testung, entweder mit einem indirekten oder direkten Verfahren, lassen sich allerdings keine Rückschlüsse auf den gegenwärtigen Bewusstseinszustand der Versuchspersonen während der Bearbeitung der speziellen Tests ziehen. Der aktuelle Bewusstseinszustand wird nur in wenigen Studien erfasst, wie bei Wippich, Mecklenbräuker und Reding (1993).
Kann ein Transfer von der Studierepisode zur Testphase festgestellt werden, indem die alten und bekannten Informationen aus der Studierepisode in die Bearbeitung einer neuen Aufgabe einfließen, so wird dies als Primingeffekt oder Wiedererkennungspriming bezeichnet (Schacter, 1987; Jacoby & Dallas, 1981; Graf & Schacter, 1985). Die vorherige Darbietung spezieller Informationen, bzw. vorherige Erfahrungen spielen bei der Lösung einer neuen, zeitlich späteren Aufgabe mit hinein, ohne dass sich die Probanden darüber im klaren sein müssen. Eine Erinnerungsinstruktion an bekannte Lerninhalte oder ein Vergangenheitsbezug wird gänzlich vermieden. Der Einfluss von alten Lernerfahrungen bei ähnlichen, neuen Aufgaben kann sich in einer Verbesserung der Leistungen ausdrücken, indem ein Problem rascher oder leichter gelöst wird. Die Wortanfänge können schneller oder leichter zu den passenden alten Begriffen ergänzt werden, obwohl nicht ausdrücklich auf diese verwiesen und kein Zusammenhang zu ihnen hergestellt wird. Für die Bearbeitung von Wortstamm- und Wortidentifikationstests konnten Jacoby und Dallas (1981) einen über Tage andauernden Primingeffekt finden. Gleichzeitig nahmen explizite Erinnerungsleistungen, wie das Wiedererkennen von alten Items, stark ab.
Ergebnisse aus Gedächtnistestleistungen expliziter und impliziter Aufgaben können für identisches Material sehr unterschiedlich und statistisch unabhängig voneinander sein (Vergleich z.B. Roediger, Weldon & Challis, 1989). Für die beobachteten voneinander abweichenden Resultate gibt es mehrere Erklärungsansätze. Richardson- Klavehn & Bjork (1988) nehmen an, dass die impliziten und expliziten Behaltensmaße eher auf unterschiedliche Nutzungs- oder Abrufprozesse zurückzuführen sind, als die Postulation verschiedener und getrennter Gedächtnissysteme für beide Phänomene. Erinnerungsleistungen impliziter Tests werden durch Prozesswiederholungen bei Studier- und Testphase erklärt. Das Behalten von Informationen ist um so besser, je genauer während der Testung wieder die gleichen Prozesse wie bei der Enkodierungsepisode ablaufen. Wichtig hierbei sind reizinduzierte bottum up Prozesse, die als eine Rückwärtsanalyse verstanden werden können, die sich dadurch kennzeichnet, dass z.B. ein Problem vom Ziel aus rückwärts bearbeitet wird (Hussy, 1984). Die gezielte Suche nach Lerninhalten oder deren Identifikation spielt währenddessen eine untergeordnete Rolle. Deshalb sind bei impliziten Prüfverfahren datengetriebene Prozesse vorrangig, da besonders perzeptuelle Informationen bei Wortfragmentergänzungen (Warrington und Weiskrantz, 1970) und Identifikationstests (Parkin und Streete, 1988) im Vordergrund stehen.
Für die Bearbeitung expliziter Tests scheinen konzeptgesteuerte Prozesse eine Rolle zu spielen, weil das Abrufen der Inhalte der Studierphase in der freien Reproduktion von Items eine mentale Rekonstruktion bedeutet. Diese Zuordnung der impliziten Tests zu datengetriebenen- und der expliziten Tests zu konzeptgesteuerten Prozessen ist allerdings nicht als absolut zu sehen. Indirekte Behaltenstests können konzeptgesteuert sein, indem sie sich auf generelles Wissen oder Fakten beziehen und explizite Aufgaben können datengetriebene Abläufe beinhalten. Bei Wiedererkennungstests werden teils datengetriebene- und konzeptgetriebene Prozesse aktiv, da sich die Probanden mit perzeptuellen Informationen beschäftigen, sowie mit der Rekonstruktion der Lerninhalte aus der Studierphase.
Die beiden Erinnerungsleistungen sind als grundsätzlich verschieden anzusehen (Engelkamp, 1990).
Dass neben bewusst zugänglichen Erfahrungsweisen noch andere und subtile Vorgänge existieren, wurde schon vor über dreihundert Jahren angenommen. Das Interesse unbewusster Abläufe galt einer breiten Spanne von Aufgaben, verschiedenen Bedingungen und Personen und kam besonders aus dem klinischen Bereich. Das Interesse lag speziell auf den Einflüssen indirekter Vorgänge für normales und abnormales Verhalten und mentale Funktionen, obwohl keine unterschiedlichen Theorien als Erklärungsansätze entwickelt wurden. Eine früh verbreitete Theorie derzeit war, dass eine durch implizite Vorgänge hervorgerufene Gedächtnisspur zu schwach ist, verglichen mit einer für explizite Gedächtnisprozesse, um im Bewusstsein zu bleiben.
Obgleich das Phänomen des impliziten Gedächtnisses auf verschiedenen Feldern zur gleichen Zeit untersucht wurde, fand wenig bzw. gar kein Wissensaustausch unter den Forschern statt. Auch sind die Erkenntnisse der frühen empirischen Untersuchungen nach heutigen Maßstäben betrachtet wenig ergiebig, da sie durch unkontrollierte klinische Bedingungen und methodische Unebenheiten der Experimente getrübt werden.
Die ersten Überlegungen zum Phänomen des impliziten Gedächtnisses scheinen 1649 von Descartes zu kommen, der glaubte, dass sich ein aversives Ereignis in der Kindheit auf das weitere Leben des Kindes ausprägen kann, ohne dass man sich später darüber im klaren ist. Im Jahr 1704 unterstrich Leibniz die Bedeutung unbewusster Einflüsse, die das Verhalten beeinflussen können. Der Philosoph Maine de Biran beschäftigte sich 1804 eingehender mit dem Phänomen des impliziten Gedächtnisses. Er stellte heraus, dass durch Verhaltensgewohnheiten eine Automatisierung der Verhaltensweise auftreten kann. Weder dies noch der Zeitpunkt der Lernphase die zu der Gewohnheit führten, seien einer Person bewusst. Außerdem postulierte Maine de Biran drei verschiedene Gedächtnisarten, die er in einem mechanischen, einem sensitiven und einem repräsentativen Gedächtnis unterschied, wobei die beiden erstgenannten besonders für Gewohnheiten und unbewusste Zustände wichtig sind, (alle Angaben nach Schacter, 1987).
Auch andere Forscher unterstrichen derzeit die Bedeutung von Abläufen und kognitiven Prozessen, die außerhalb des eigenen Bewusstseins liegen, (z.B. Hering 1870, Carpenter 1874).
Die ersten systematischen empirischen und theoretischen Analysen für implizite Gedächtnisvorgänge wurden gegen Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Bereichen, wie in der psychologischen Forschung, auf dem Gebiet der Neurologie, der Psychiatrie, der Philosophie und der experimentellen Psychologie, betrieben. Psychologische Forscher erbrachten zuerst empirische Nachweise über implizite Phänomen.
Die Gedächtnistestmethoden des Kristallkugelschauen und des automatischen Schreibens waren zuerst als telepathische Hilfsmittel erdacht. Das Anwendungsprinzip glich allerdings dem impliziter Gedächtnistests, indem keine direkten Anweisungen gegeben wurden, sich an Vergangenes zu erinnern, sondern berichtet werden sollte, was in der Kristallkugel “gesehen” wird. Die Antworten, die man durch diese Methoden erhielt, bezogen sich oft auf die persönliche Vergangenheit der Probanden.
Im neurologischen Bereich war es besonders Korsakoff, der 1899 bei amnestischen Patienten implizite Erfahrungsnachwirkungen feststellen konnte, obwohl andere Erinnerungsleistungen sehr stark bei den Patienten eingeschränkt waren. Er interpretierte diese impliziten Effekte mit schwachen Gedächtnisspuren, die nicht ausgeprägt genug sind, um ins Bewusstsein zu gelangen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Freud und Janet um 1890 bei hysterischen Patienten, die sie auf traumatische Erlebnisse zurückführten. Das Unbewußte spielte für psychopathologische Prozesse eine große Rolle.
In der experimentellen Psychologie führte Ebbinghaus 1885 eine Reihe Experimente zum indirekten Erinnern aus, als der Schwerpunkt der Forschung auf expliziten, direkten Gedächtnisleistungen lag, von denen keine unbewussten abgegrenzt wurden. Ebbinghaus erbrachte den Nachweis für unbewusste Nachwirkungen bei dem Lernen sinnloser Silben. 1924 definierte Mc Dougall die zwei verschiedenen Formen des impliziten und des expliziten Gedächtnisses. Absichtliche Erinnerungen an vergangene Erfahrungen und Ereignisse bezog er auf das explizite Gedächtnis und unbewusste Ereignisse, die Verhaltensänderungen in der Zukunft zur Folge haben, beschrieb er mit dem impliziten Gedächtnis (Vergleich Schacter, 1983).
Nachfolgend werden Gedächtnisleistungen von amnestischen Patienten bei direkter und indirekter Testung dargestellt und ein Überblick über Untersuchungsergebnisse zum impliziten Gedächtnis bei gesunden Personen gegeben .
Bei Amnesien liegt eine allgemeine Beeinträchtigung der intellektuellen Funktionen vor, wobei besonders die Aufmerksamkeit, die Auffassungsgeschwindigkeit und die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung betroffen sind. Im Alltag sind Amnestiker besonders eingeschränkt, wenn Aufgaben eine explizite Erinnerung benötigen, wie die Erinnerung an bestimmte Ereignisse oder das Behalten autobiographischer Daten. Das Amnestische Syndrom entsteht durch Hirnschädigungen, wie Läsionen, Herpes simplex bedingte Hirnhautentzündungen, Schlaganfällen und dem amnestischen Korsakow-Syndrom, als Folge von chronischen Alkoholmissbrauchs oder in seltenen Fällen nach anderen Grundkrankheiten mit schwerer Fehlernährung.
Als Erklärungen der Amnesie gelten die Konsolidierungshypothese, für die Annahme, dass durch die Schädigung die Übertragung der Gedächtnisinhalte vom Kurzzeitgedächtnis zum Langzeitgedächtnis verhindert wird, und die Interferenzhypothese, die davon ausgeht, dass der Abruf der Gedächtnisinhalte gestört ist. Derzeit wird allerdings Kritik an diesen eindimensionalen Erklärungen laut (dazu siehe Poeck 1989).
Die anterograde Form der Amnesie, besteht aus einer Unfähigkeit neue Gedächtnisinhalte nach einem kritischen Ereignis oder Unfall, der die Amnesie verursachte, zu erwerben. Dies bedeutet, dass bei dem Betroffenen eine mehr oder minder ausgeprägte Lernunfähigkeit besteht. Anhand der anterograden Amnesie lassen sich bestimmte Dissoziationen zwischen den unterschiedlichen Gedächtnisformen verdeutlichen. Trotz großer Gedächtniseinschränkungen, weisen Amnestiker bei direkten Testverfahren gleich gute Erinnerungsleistungen wie unbeeinträchtigte Personen auf und zeigen normale Primingeffekte. Eine Reihe von Studien mit amnestischen Patienten führten Warrington und Weiskrantz durch (1968, 1970, 1974). Bei einer expliziten Art eines Gedächtnistests, wie dem freien Reproduzieren von vorausgegangenem Lernmaterial oder einem Wiedererkennungstest, bei dem alte Begriffe mit neuen vermischt und erkannt werden sollen, hatten die Patienten große Probleme. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die aus gesunden Personen bestand, schnitten die Patienten viel schlechter ab und konnten sich sogar oft nicht an die eigentliche Lernphase erinnern, in der ihnen die Lernitems gezeigt wurden. Folgte der Lernphase eine Testung mit einer impliziten Instruktion, bei der kein Bezug zum vorher dargebotenen Lernmaterial genommen wurde, glichen die Ergebnisse der Patienten denen der Kontrollgruppe.
Eine Methode impliziten Testens ist der Wortfragmenttest, bei dem die Anfangsbuchstaben eines vorher präsentierten Wortes spontan mit dem ersten Einfall ergänzt werden sollen. Die Patienten vervollständigten die vorgegebenen Wortstämme zu den zuvor dargebotenen Begriffen etwa so häufig wie die Kontrollgruppe, trotz der großen Einschränkungen bei einer expliziten Testung. Sie wiesen normale Primingeffekte auf, da sie bei der Ergänzung der Wortstämme unwissentlich Bezug auf die vorher präsentierten Wörter nahmen (Graf, Mandler & Haden, 1982). Die Primingeffekte der Amnestiker können zum Teil sehr robust sein und einige Tage überdauern. Dies konnte auch für perzeptuell motorische Fertigkeiten ermittelt werden. In einer Studie von Cohen et al. (1983) stellten sich überdauernde Lernerfahrungen für bestimmte Problemlösespielen wie z.B. dem Turm von Hanoi heraus.
Die Art und das Ausmaß der Gedächtnisleistung von amnestischen Patienten sind davon abhängig, ob ein explizites oder ein indirektes, implizites Testverfahren eingesetzt wird und können in beiden Testtypen sehr unterschiedlich ausfallen.
Obwohl der Schwerpunkt des Interesses lange Zeit auf dem Gebiet der expliziten Gedächtnisforschung lag und Forschungen zu impliziten, indirekten Gedächtnisvorgängen erst seit ca. zehn Jahren betrieben werden, existiert eine ganze Reihe an Studien zu diesem Thema. Eingeleitet wurde das späte Interesse besonders durch überraschende Forschungsergebnisse zum impliziten Gedächtnis, die im großen Widerspruch zu den Befunden aus expliziten Studien zur Verarbeitungstiefe von Lernmaterial standen.
Für bestimmte Variablen liegen bei der impliziten Forschung konsistente Ergebnisse bei normalen Personen, d.h. nicht klinische Patienten vor. Trotz großen experimentellen Aufwandes, gibt es dennoch zu dem Einfluss einiger Variablen unterschiedliche, bzw. widersprüchliche Ergebnisse. Die Leistungen in den beiden Prüfverfahren unterscheiden sich in einer Reihe wichtiger Punkte, was durch unterschiedliche theoretische Mechanismen interpretiert wird.
Generierungseffekte
Der Generierungseffekt bezieht sich auf den Vorteil der Erinnerungs- und Behaltensleistung generierter Wörter gegenüber nur gelesenen Wörtern unter einer direkten, expliziten Prüfbedingung. Als Erklärung hierfür lässt sich eine tiefere semantische Verarbeitung der Items heranziehen. Generierungen erfolgen durch konzeptgetriebene Prozesse, die bei expliziten Erinnerungen wichtig sind (Roediger & Mc Dermott, 1993). Ein weiterer Umkehreffekt in der impliziten Gedächtnisforschung zeigt sich, wenn das Lernmaterial in der Studierphase generiert werden soll, indem z.B. Anagramme mental zum gesuchten Wort erstellt, oder Begriffe aus Bildern abgeleitet werden. In diversen Studien (z.B. Jacoby, 1983) konnte belegt werden, dass ein negativer Generationseffekt bei einer Testung mit einem impliziten Verfahren vorliegt und sich die Ergebnisse umkehren, indem die Primingrate für generierte Worte weit hinter der für gelesene liegt. Unter der experimentellen Bedingung bei der die Worte in der Studierphase gelesen wurden trat ein größeres Priming als bei generierten Items auf, indem sie häufiger in der Testphase genannt wurden. Für das implizite Gedächtnis sind datengetriebene Prozesse von großer Bedeutung, die nicht durch Generierungsvorgänge angesprochen werden.
Roediger, Weldon, Challis (1989) unterteilen jeden verbalen Gedächtnistest in entweder primär daten- oder konzeptuell bedingt (siehe Abbildung 2.1). Für datengetriebene Aufgaben scheinen keine Kontextinformationen wichtig, um Primingeffekte hervorzubringen. Die meisten impliziten Standardtest werden als datengetrieben bezeichnet.
Abbildung 2.1: implizite Testarten (Roediger, Weldon, Challis, 1989)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei konzeptgetriebenen Gedächtnistests spielt das Generieren von Testitems eine große Rolle, z.B.: soll von der Vorgabe heiß in einer Aufgabe auf das Wort kalt geschlossen werden. Eine höhere Ausprägung von Primingeffekten sind eher bei Generierungsaufgaben als bei Aufgaben zu erwarten, welche keine Kontextbedingung darstellen. Inhaltliche Gesichtspunkte die durch Generierungsprozesse oder Kontextbezüge eingeleitet werden, stehen speziell bei direkten expliziten Prüfverfahren im Vordergrund. Explizite Gedächtnisleistungen werden stark von der Art, wie das Lernmaterial inhaltlich dargeboten wird, beeinflusst, und fallen daher signifikant besser unter Generierungsbedingungen aus. Als Begründung wird herangezogen, dass generierte Informationen eine bessere Verarbeitungstiefe zur Folge haben (Slamecka & Graf, 1978).
Verarbeitungstiefe des Lernmaterials
Die Verarbeitungstiefe, die mit der Aufmerksamkeit, mit der man sich bestimmtem Lernmaterial zuwendet, zusammenhängt, hat einen sehr großen Einfluss auf die Behaltensleistung, welche mit den klassischen expliziten Tests, wie dem freien Reproduzieren oder Wiedererkennungstest, bestimmt werden kann. Der größte Effekt bei der Erinnerungsleistung stellt sich ein, wenn die Bearbeitung des Lernmaterials mit einem semantischen Schwerpunkt erfolgt. D.h., dass die Bedeutung des Lernstoffes hervorgehoben wird. Liegt der Fokus auf phonematischen, lexikalischen oder graphischen Gesichtspunkten des Lernmaterials, sind keine, bzw. nur sehr geringe Erinnerungseffekte zu erwarten. Erstaunlicherweise lassen sich diese Befunde nicht bei einer impliziten Testung des vorausgegangenen Lernmaterials finden. Jacoby und Dallas (1981) führten hierzu einige Experimente durch, bei denen das Lernmaterial entweder semantisch oder nicht semantisch verarbeitet werden sollte. Der Schwerpunkt bei der Bearbeitung einer vorgegebenen Wortliste lag entweder auf einer elaborierten Verarbeitung, die durch Fragen semantischer Art eingeleitet wurde, oder auf einer oberflächlichen Bearbeitung für die das Augenmerk der Probanden auf der Identifikation bestimmter Buchstaben in den dargebotenen Wörtern lag. Die Ergebnisse ergaben, dass die Verarbeitungstiefe wenig Einfluss auf die Prozesse hat, die dem impliziten Gedächtnis zugrundeliegen. Die semantische Verarbeitung wirkte sich jedoch förderlich auf eine traditionelle Wiedererkennung der Lerninformationen aus. Die Leistungen, die mit der impliziten Prüfvariante mit Hilfe eines Identifikationstests erhoben wurden, waren von der Verarbeitungstiefe unbeeinflusst. Diese Ergebnismuster ließen sich auch in anderen Erhebungen replizieren (Graf & Schacter, 1985).
Durch die Unterteilung der Gedächtnistests in implizite konzeptgesteuerte und datengetriebene perzeptuelle Aufgabenarten, können die o.g. Resultat weiter differenziert werden, so dass sich ähnliche Befunde wie zu den Studien um Generierungseffekte einstellen. Die Verarbeitungstiefe konnte ihre Wirkung auf Behaltensmaße ausüben, wenn diese mit einem implizit konzeptgesteuerten Prüfverfahren erhoben wurden. Diese Effekte blieben für perzeptuelle Prüfverfahren aus (Blaxton, 1989).
Bildhaftes vs. wörtliches Lernmaterial
Eine Weise der besseren, bzw. tieferen Verarbeitung von Lernmaterial, besteht in der bildhaften Darstellung oder Gestaltung der zu studierenden Informationen. Wird bei einem explizitem Gedächtnistest, wie dem freien Reproduzieren oder einem Wiedererkennungstest, in der Studierphase bildhaftes Lernmaterial dargeboten, so werden die Lerninhalte bei dieser Bedingung signifikant besser erinnert als unter einer Bedingung mit wörtlichem Lernmaterial, (z.B. Rajaram & Roediger, 1993). Generell bleiben bestimmte Dinge besser in Erinnerung, wenn man sie bildhaft vor Augen hat, bzw. wenn das Lernmaterial visuell aufbereitet wird, indem z.B. Zeichnungen, Schaudiagramme oder Abbildungen verwendet werden (Hussy, 1986). Es wird angenommen, dass sich auf diese Weise tiefere Gedächtnisspuren bilden, die ein besseres Behalten der aufgenommenen Informationen ermöglichen. Bei der traditionellen expliziten Form der Gedächtnistestung, sagt ein Bild tatsächlich mehr als tausend Worte. Dies gilt allerdings nicht bei einer Vorgehensweise mit einem impliziten Prüfverfahren.
Dieser typische Effekt tritt erstaunlicherweise nicht bei einer indirekten Testung auf. In vielen Studien konnte wiederholt belegt werden, dass sich bei einer impliziten Abrufbedingung eine Umkehrung des typischen Bildüberlegenheitseffektes einstellte und wörtliche Items signifikant größere Primingeffekte hervorbrachten als Bilder (Roediger & Mc Dermott, 1993). Bei verbalen, perzeptuellen impliziten Tests ergibt sich in der Abrufphase ein größerer Primingeffekt für Wörter als für Bilder. Diese Überlegenheit des wörtlichen Lernmaterials ließ sich bei vielen impliziten verbalen Gedächtnistests finden, wie dem Wortidentifikationstest, dem Wortstammtest, sowie bei Wortbenennungen und Anagrammen, (Roediger & Mc Dermott, 1993).
Oberflächenmerkmale des Lernmaterials
Änderungen der Oberflächenmerkmale stützen sich nicht auf den Testinhalt, sondern auf die Art, in der die Testinformationen dargeboten werden. Es werden beispielsweise Schrifttypen oder Schriftgrößen von einer Testfrequenz zur nächsten variiert. Die Performanz bei einigen Aufgaben scheint besonders betroffen zu sein, wenn die Oberflächenstruktur des Tests von der Studierepisode zur Testungsphase verändert wird. Typographische Mainpulationen umfassen z.B. die Veränderung des Textschriftsatzes von Handschrift zur getippten Schrift oder deren Größe. Eine weitere Variation stellt sich in der Veränderung der Darbietung der Testitems von einer auditiven in einer visuellen Form dar. Das Ausmaß der Primingverminderung bei derartigen Manipulationen kann als Funktion der Unterschiedlichkeit der Oberflächen zwischen der Studier- und der Testphase verstanden werden (Roediger, Weldon & Challis, 1989).
Welchen Einfluss Variationen von Oberflächenmerkmalen des Lernmaterials auf das implizite Gedächtnis haben, konnte in einigen Studien nachgewiesen werden. In den Experimenten wurden mehrere Variablen manipuliert. Wenig Primingeffekte sind bei Änderungen der Objektgröße und bei verschiedenen Gestaltungen des Schriftsatzes zu erwarten, (für einen Überblick siehe Roediger & Mc Dermott, 1993). Rajaram und Roediger (1993) verglichen vier verschiedene implizite Gedächtnistests auf die Auswirkungen von drei unterschiedlichen Darbietungen des Materials in der Lernphase und in der Abrufphase. In den Versuchsbedingungen wurden die Begriffe entweder gelesen, von einem Tonband gehört oder als Bilder gesehen. Die Items sollten danach beurteilt werden, wie sie den Versuchspersonen gefielen. In der Abrufphase sollten die vorher präsentierten Items je nach Aufgabenstellung entweder ergänzt werden (Wortstammergänzung, Wortfragmentergänzung und Anagramme), oder waren zu identifizieren (Wortidentifikation). Bei den Ergebnissen zeigte sich ein klarer Trend in der Abfolge der Primingeffekte für die jeweiligen Darbietungsbedingungen. Der größte Primingeffekt stellte sich bei allen der vier impliziten Tests bei einer schriftlichen Darbietung des Lernmaterials ein, gefolgt von der auditiven Bedingung, für die die Primingeffekte geringer waren. Kleine bzw. keine signifikannten Effekte (bei der Wortstammergänzung und der Wortfragmentergänzung) stellten sich für die bildhafte Versuchsbedingung heraus. Die durch die Aufgabenart bedingten Unterschiede waren für alle vier Tests sehr ähnlich, nur bei dem Anagramm fielen die Ergebnisse insgesamt etwas höher für die auditive und die bildhafte Bedingung aus. Bei Aufgabenstellungen, bei denen Primingeffekte durch die Änderung der Oberflächenmerkmale vermindert werden, stehen datengetriebene Prozesse besonders im Vordergrund. Die Art der Darbietung der Daten hat einen größeren Einfluss auf eine spätere Erinnerungsleistung, als z.B. eine Zuwendung und Beschäftigung mit den Testinhalten. Dies zeigt sich besonders bei vielen impliziten Standardtests.
Unterschiedliche Testergebnisse treten nicht nur zwischen expliziten und impliziten Gedächtnistests auf, sondern lassen sich auch innerhalb einer Testart finden. Weldon und Roediger (1987) untersuchten mehrere semantische Gedächtnistests unter den gleichen experimentellen Bedingungen. Im ersten Teil der Erhebung bestand die Aufgabe im Studieren dargebotener Bilder und Worten. Anschließend erfolgte eine der beiden impliziten Aufgaben, entweder ein Wortfragmenttest oder einer Bildfragmentidentifikation. Die Ergebnisse dieses Erhebung weisen erheblich größere Primingeffekte innerhalb einer Darbietungsart auf. Dies bedeutet, dass durch Bilder höhere Primingeffekte bei dem Bildfragment erzielt wurden und das zuvorige Studieren von Worten ein größeres Priming im Wortfragmenttest ermöglichte.
Die Ergebnisse aus Untersuchungen zur Lernintention, zur geteilten Aufmerksamkeit, zur Verarbeitungstiefe und zur Organisation des zu lernenden Materials, die einen sehr bedeutsamen Einfluss auf eine explizite Testung mit einem konzeptionellen Test haben, waren bei impliziten Aufgabenstellungen nicht signifikant, bzw. wiesen nur kleine Effekte auf. Die o.g. Variablen scheinen wenig Einfluss auf perzeptuelle implizite Gedächtnisleistungen zu haben (für einen Überblick siehe Roediger & Mc Dermott, 1993).
Viele Leistungen impliziter Prüfverfahren sind von denen, die mit expliziten Gedächtnistests erzielt werden stochastisch unabhängig (Jacoby & Witherspoon, 1982; Tulving, Schacter, Stark, 1982). Das bedeutet, dass vom Abschneiden in einem Test keine Aussage über eine Leistung in der anderen Testart getroffen werden kann. Besonders deutlich ist dies zu beobachten bei Untersuchungen mit Amnestikern, die zum Teil weit unterdurchschnittliche Leistungen bei einem explizitem Gedächtnistest zeigen, jedoch bei einer impliziten Aufforderung zur Bearbeitung einer Aufgabe zu Ergebnisse gelangen, welche mit denen einer nicht klinischen Stichprobe vergleichbar sind. Auch bei gesunden Personen lassen sich Unterschiede im Behaltensausmaß aufzeigen, die auf die beiden Testarten zurückzuführen sind. Allerdings wird der Schluss von einer stochastischen Unabhängigkeit auf die Annahme der Existenz unabhängiger Gedächtnissysteme wird von Shimamura (1985) sehr kritisiert. Er konnte in seinen Experimenten zeigen, dass voneinander unabhängige Ergebnisse auftreten können, obwohl Zusammenhänge bestehen und umgekehrt.
Eine der ersten Theorien zu impliziten Prozessen war lange Zeit, dass die Gedächtnisspuren, die bei impiziten Vorgängen auftreten schwächer als die expliziter sind, um ins Bewusstsein einer Person zu gelangen. Der Unterschied zu expliziten Erinnerungen hängt demnach von der Stärke der Gedächtnisspur ab, deren Ausmaß für die Behaltenleistung maßgeblich ist. Problematisch für diese Annahme ist jedoch die Feststellung, dass die Gedächtnisleistungen in impliziten und expliziten Tests oft nicht korrelieren. Die Ergebnisse eines direkten Gedächtnistests, wie dem Freien Reproduzieren können ganz unterschiedlich und unabhängig von denen aus Wortstammergänzungen mit einer indirekten Instruktion, sein. Weiterhin wurde in vielen Studien belegt, dass bestimmte experimentelle Variablen, die einen großen Einfluss auf eine explizite Behaltensleistung haben, wenig bzw. gar keine Auswirkungen bei einer impliziten Testung zeigen. Diese beiden Punkte erschweren die o.g.Theorie einer schwachen Gedächtnisspur.
Nachdem kein einzelnes allgemeingültiges Modell vorliegt, welches die voneinander abweichenden und unterschiedlichen empirischen Befunde der Gedächtnisforschung befriedigend erklären könnte, werden derzeit verschiedene theoretische Ansätze diskutiert. Die unterschiedlichen Theorien und Modelle lassen sich grob in die folgenden drei Richtungen aufteilen: strukturalistische, Funktionale und strukturell funktionale.
Bei Vorstellungen strukturalistischer Art, spielen strukturelle Eigenschaften des Gedächtnisses im Gehirn eine große Rolle. Im Vordergrund stehen mehrere getrennte Gedächtnisspeicher, die mit speziellen Funktionen versehen sind. Das Behalten bestimmter Lerninhalte ist an die jeweiligen Speichereigenschaften gebunden. Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt funktionaler Annahmen auf dem Lernprozess selbst. Die Abläufe die bei dem Lernenden während einer Zuwendung zum Lernstoff erfolgen, bewirken, dass das Material mehr oder weniger tief verarbeitet wird. Erinnerungsleistungen stellen hierbei eine Funktion von Prozessen dar. Eine Erweiterung dieser Annahme um modalitätsspezifische Aspekte und motorische Abläufe, ist bei strukturell funktionalen Vorstellungen des Gedächtnisses gegeben. Als relevant gelten die Strukturen und Prozesse während eines Lernvorganges und die des späteren Abrufs des Lernmaterials. Unter Strukturen sind weniger verschiedene Gedächtnisspeicher, sondern Systeme zu verstehen, deren Aufgabe die Verarbeitung spezieller Informationen ist.
Nachfolgend sollen diese drei Richtungen der Erklärungen für Gedächtnisvorgänge anhand von unterschiedlichen Gedächtnissystemen, aktivationsthoretischen Ansätzen und Prozessannahmen, vorgestellt werden .
Bislang herrscht keine alleingültige Theorie für die Erinnerungsabläufe. Für sich genommen ist daher keine dieser Annahmen ausreichend, um die Vorgänge des impliziten Gedächtnisses zu erklären. Mit ihrer Hilfe lassen sich jedoch Teilaspekte erklären, und sie liefern jeweils plausible Ansätze zur Interpretation einiger beobachteten Dissoziationen zwischen dem impliziten und expliziten Gedächtnis.
Aus der Sichtweise der Aktivationstheorie, gehen implizite Gedächtnisleistungen auf vorübergehenden Aktivationen existierender Gedächtnisrepräsentationen zurück. Ein Item kann hiernach die zu ihm gehörende Gedächtnisrepräsentation aktivieren, z.B. ein Konzept. Durch die Aktivation ist für die Dauer die Bereitschaft zu einer erneuten Aktivation des entsprechenden Konzeptes erhöht. Primingeffekte impliziter Gedächtnistests sollen auf die temporäre Aktivierung von bereits vorhandenen Repräsentationen, bekannten Strukturen oder Logogenen zurückgehen. Die Aktivierung breitet sich automatisch und unabhängig von den elaborativen Prozessen aus, die notwendig für die Gründung neuer Gedächtnisspuren sind. Eine aktivierte Repräsentation kommt einem plötzlich bei impliziten Aufgabenstellungen in den Sinn. Allerdings enthält diese spontane Aktivierung keine Kontextinformationn über das Vorkommen der Information, z.B. in einer vorherigen Lernphase und trägt daher nicht zur expliziten Erinnerung bei (Schacter, 1987; Mandler, 1980).
Das Aktivierungsprinzip ist mit einer Netzwerktheorie zu vergleichen. Menschen haben für sämtliche Objekte, Vorgänge und Abläufe Konzepte. Zu wissen, dass an einer roten Ampel anzuhalten ist, der Fahrablauf selbst oder Vorstellungen über das eigene Auto, sind allesamt Konzepte. Die menschlichen Konzepte beinhalten eine undefinierbare Anzahl an Informationen, die mit dem jeweiligen Konzept zusammenhängen.
Wird ein Konzept angesprochen, bzw. aktiviert, indem eine Person gebeten wird alles über Blumen z.B. erzählen was ihr in den Sinn kommt, so wird sie sämtliche Fakten und Zusammenhänge hierzu aufzählen. Zu Beginn werden relevante und besonders offensichtliche Begebenheiten berichtet, wie beispielsweise: Rosen, Nelken, mit Wasser gießen, blühen, etc.. Nach kurzer Zeit folgt Unwesentlicheres, z.B. Ungezieferbefall, Vase oder Pollen. Das Konzept Blume kann als Knoten in einem Netzwerk verdeutlicht werden, von dem Verbindungen in alle Richtungen zu anderen Konzepten, bzw. Knoten, aus gehen. Wenn das Konzept Blume angesprochen wird, führt dies nicht nur zur Aktivierung dieses einen Konzeptes, sondern zu einer Ausbreitung der Aktivierung zu anderen Konzepten in der Umgebung von Blume, so dass auch Konzepte wie Beet angesprochen und aktiviert werden (Anderson, 1988) .
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