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Mehr InfosExamensarbeit, 2000, 117 Seiten
Geschichte Europa - Deutschland - Nachkriegszeit, Kalter Krieg
Examensarbeit
Technische Universität Berlin (Architektur Umwelt Gesellschaft)
2,3
I. Einleitung 3
II. Bundesrepublik Deutschland
1. Erziehungs- und Bildungspolitik bis 1960
1.1. Re-education-Politik in den westlichen Besatzungszonen 1945-49: Entnazifierung und Ringen um Reformen in der Schule
1.2. Politische Bildung in der Schule zwischen 1950 und 1960
2. Die antisemitische Schmierwelle 1959/ 60
2.1. Antisemitische und rechtsextreme Vorfälle bis 1958
2.2. Der „Kölner Initialfall“ vom 25.12.59
2.3. Interpretation der Tathintergründe von seiten der Regierung
2.4. Die öffentliche Diskussion: Deutung der antisemitischen Ausschreitungen als Erziehungs- und Bildungsproblem
3. Konsequenzen
3.1. Umfragen
3.2. Die Behandlung von Zeitgeschichte im Unterricht
3.3. Schulbuchanalysen
3.4. Reaktionen außerschulischer Erziehungsträger
4. Fazit und Ausblick
III. DDR
1. Erziehungs- und Bildungspolitik bis 1960
1.1. Umerziehung in der SBZ: Die Einführung der „antifaschistisch-demokratischen Schulreform“ 1945-49
1.2. Exkurs: Antifaschistischer Anspruch und antifaschistische Erziehung in der DDR
1.3. Erziehung zur „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ in den fünfziger Jahren
1.4. Exkurs: Die Jugendorganisationen FDJ und Junge Pioniere 77
2. Rechtsextreme Vorkommnisse nach dem Bau der Berliner Mauer 1961
2.1. Umgang mit Jugendlichen nach dem Mauerbau
2.2. Rechtsextreme Parolen bezogen auf aktuelle Politik
2.3. Vergleiche mit dem Nationalsozialismus als unspezifische Kritik an der DDR
2.4. Rechtsextreme Aktionen ohne Bezugnahme auf die DDR
2.5. Interpretation der Vorkommnisse durch Funktionäre der SED und FDJ
3. Erziehungs- und bildungspolitische Maßnahmen
3.1. Der strafrechtliche und erzieherische Umgang mit den Tätern
3.2. Erziehungs- und bildungspolitische Maßnahmen vom Bau der Berliner Mauer 1961 bis zum Jugendkommuniqué des Politbüros 1963
3.3. Die erziehungspolitische Entwicklung bis zum „Kahlschlagsplenum“ des ZK der SED 1965 99
IV. Schluß
Rechtsextremismus und historisch-politische Bildung sind zwei Themenkomplexe, die seit 1945 in der öffentlichen Diskussion aufeinander bezogen werden.
Beide deutsche Staaten legitimierten ihre gesellschaftliche Ordnung über den Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Aus diesem Grund mußte der Rechtsextremismus sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR als staatsfeindlich interpretiert und bekämpft werden.
Die rechtsextremen Vorfälle zwischen 1958 und 1965 wurden in beiden deutschen Staaten als Erziehungsproblem wahrgenommen. Für das pädagogische Bemühen in dieser Zeit spielte die Distanzierung vom Nationalsozialismus bzw. vom Faschismus eine entscheidende Rolle.
Der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno formulierte dies im Jahr 1966 so: „ Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.”[1]
Auch den alliierten Besatzungsmächten galt es nach 1945 als oberstes Erziehungsziel, eine Wiederholung des Nationalsozialismus in Deutschland zu verhindern.
Im ersten Teil meiner Arbeit werde ich die rechtsextremen Vorfälle zwischen 1958 und 1965 in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf ihre Behandlung in der öffentlichen Diskussion untersuchen. Weiterhin werden die bildungspolitischen Konsequenzen dargestellt, welche die folgenreichste Deutung, die Wahrnehmung der Vorfälle als Bildungsdefizit, nach sich zog.
Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich entsprechende Vorfälle in der DDR in demselben Zeitraum, ihre Interpretation und die daraus abgeleiteten Handlungsaufträge untersuchen. Da in der DDR das Thema Rechtsextremismus nicht öffentlich diskutiert wurde, wird, anstelle einer öffentlichen Diskussion, der Umgang mit antisemitischen und neonazistischen Ausschreitungen auf Partei- und FDJ-Ebene untersucht werden.
Die Erziehungs- und Bildungskonzepte der Bundesrepublik wie auch der DDR waren geprägt von Erfahrungen während der Re-education- bzw. der Umerziehungsphase. Deshalb beginnen beide Teile meiner Arbeit mit einer Darstellung dieser Epoche.
In der Bundesrepublik wurden rechtsextreme Ausschreitungen in dem zu untersuchenden Zeitraum mit einem Bildungsdefizit begründet. Als Maßnahme sollten demzufolge Wissenslücken über die Verbrechen des Nationalsozialismus behoben werden.
Mit dem Begriff „Erziehung” wurde zurückhaltender umgegangen als in der DDR. Man scheute sich davor, eine erzieherische Manipulation des Kindes oder Jugendlichen anzustreben, weil man mit ihr die nationalsozialistische Gleichschaltung der Jugend assoziierte. Wenn in der pädagogischen Literatur der Bundesrepublik von Erziehung gesprochen wird, dann meist in Wortverbindungen wie „Verhaltenserziehung” oder „Erziehung zu Toleranz”, die ihre Ziele bereits selbst begrenzen.[2] Auch die Umerziehungspolitik der Alliierten, die negative Gefühle in der Bevölkerung hinterlassen hatte, trug nicht dazu bei, den Klang von „Erziehung” wieder positiver zu färben. Demzufolge wird in der bundesdeutschen pädagogischen Literatur häufiger der Terminus „historisch-politische Bildung” verwendet. Zudem kennzeichnet der Begriff „Bildung“ einen, in der Bundesrepublik favorisierten, theoretischeren Ansatz als „Erziehung“.[3]
Das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat brachte es mit sich, daß in ihm Rechtsextremismus per definitionem nicht existierte. Dieses Selbstverständnis trug dazu bei, daß der Begriff „Erziehung” in der DDR wesentlich positiver belegt war als in der Bundesrepublik. Die DDR forderte selbstbewußt eine „Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit” ohne Assoziationen mit den manipulativen Erziehungsmethoden des Nationalsozialismus zu fürchten. Man glaubte, mit der Einführung des Sozialismus radikal genug mit dem NS-Regime gebrochen zu haben, um über einen solchen Verdacht erhaben zu sein.
Der Wahl der Terminologie entspricht die unterschiedliche Deutung von rechtsextremen Vorfällen in der Bundesrepublik und in der DDR: In der DDR wurde rechtsextremes Verhalten verstärkt als Erziehungsproblem wahrgenommen. Von den Tätern wurde nicht nur erwartet, daß sie ihr Verhalten ablegten, sondern auch, daß sie ihr Fehlverhalten einsahen.
In dem gewählten Zeitraum gab es eine Ballung rechtsextremer Vorfälle in beiden deutschen Staaten, deren unterschiedliche Deutungsmuster und Maßnahmen einander gegenübergestellt werden sollen.
Die Bezugnahme auf das jeweils andere System spielte für die Deutungen der Vorfälle eine entscheidende Rolle.
Beide deutsche Staaten legitimierten sich über die totale Ablehnung und Beseitigung des Nationalsozialismus. Anhand der rechtsextremen Aktionen in der Bundesrepublik versuchte die DDR, einen systemimmanenten faschistischen Charakter der Bundesrepublik nachzuweisen. Die Bundesrepublik nutzte zwar nicht den Rechtsextremismus in der DDR propagandistisch aus, beschuldigte diese aber einer zentralen Lenkung der Vorfälle in der Bundesrepublik und war bis zum Beginn der Ostpolitik bemüht, die Ähnlichkeiten der kommunistischen und der nationalsozialistischen Regierungsform herauszustellen.[4] Während der sogenannten „antisemitischen Schmierwelle“ 1959/ 60 in der Bundesrepublik versuchte die Bundesregierung, die Täter als Marionetten des SED-Regimes zu präsentieren, was aber nicht überzeugend gelang.
Den Beginn der von mir gewählten Periodisierung markiert das Jahr 1958 in der Bundesrepublik. Antisemitische und rechtsextreme Schändungen kamen zwar schon vor 1958 vor, aber mit der extremen Häufung ab 1958 wurden die bereits zur Diskussion stehenden Vorschläge für die Bildungspolitik, z.B. über die Verbesserung des Geschichtsunterrichts, beschleunigt und letztendlich durchgesetzt. In der DDR traten unmittelbar nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 verstärkt rechtsextreme Parolen auf.
Beenden soll den dargestellten Zeitraum in der DDR das 11. Plenum des ZK der SED 1965. Das sogenannte „Kahlschlagsplenum” markiert einen Wendepunkt im Umgang der DDR mit Jugendlichen. Die Jahre 1963/ 64 waren in der DDR von einer größeren Selbständigkeit und Selbstverantwortlichkeit gekennzeichnet, die Jugendlichen zugestanden wurde. Unter dem Vorwand eines starken Anstiegs der Jugendkriminalität, unter der auch rechtsextreme Vorfälle subsumiert wurden, im Jahr 1964, kehrte die SED zu rigideren Erziehungsformen zurück.
In der Bundesrepublik gab es hingegen keine abrupte Wendung in der Jugendpolitik, sondern die bildungspolitischen Konsequenzen der antisemitischen Schmierwelle wurden bis 1965 nicht mehr wesentlich verändert.
In meiner Arbeit beschreibe ich Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Staaten im Umgang mit rechtsextremen Ausschreitungen. Vergleichskategorien sollen dabei der Grad der Offenheit bzw. der Öffentlichkeit sein, in dem reagiert wurde, und die Bedeutung der Konkurrenz zum jeweils anderen Staat bei der Interpretation der Vorfälle. Ich untersuche, inwiefern in beiden Staaten rechtsextreme Vorkommnisse als Indikatoren für Mißerfolge in der „Vergangenheitsbewältigung” gedeutet wurden und ob der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nach ähnlichen Mustern wie der Umgang mit dem Rechtsextremismus verlief. Schließlich soll verglichen werden, welchen gesellschaftlichen Bereichen die Verantwortung für rechtsextremes Verhalten zugewiesen wurde, wann z.B. strafrechtlich und wann erzieherisch vorgegangen wurde, und welche Erziehungsträger daran beteiligt waren.
Die Quellenlage ist für die Bundesrepublik wesentlich besser als für die DDR. Für die Bundesrepublik konnte ich neben der zeitgenössischen pädagogischen Literatur Regierungsveröffentlichungen und Bundestagsdebatten anläßlich der Schmierwelle verwenden sowie Diskussionen in der Tagespresse und in politischen Periodika.
Für die DDR fehlen Auseinandersetzungen in der Presse, da die Existenz des Rechtsextremismus in der DDR offiziell geleugnet wurde. Die verwendeten Quellen beschränken sich deshalb auf Akten der SED und der FDJ sowie auf Artikel über Jugendkriminalität, die in dem Fachblatt Neue Justiz erschienen.
In der Forschung existieren über die Bundesrepublik sowohl Gesamtdarstellungen über den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland als auch spezielle Darstellungen rechtsextremer Aktionen im Zusammenhang mit der antisemitischen Schmierwelle. Während die Gesamtdarstellungen von Historikern verfaßt sind, ist die antisemitische Schmierwelle von Historikern und von Erziehungswissenschaftlern diskutiert worden. Letztere befassen sich mit der Schmierwelle besonders im Hinblick auf ihre bildungspolitischen Konsequenzen, da sie als ein Wendepunkt für die bundesdeutsche Bildungspolitik gesehen wird.
In den neunziger Jahren verstärkte sich das historische Interesse an Fragen der politischen Kultur. Damit wurden die antisemitischen und neonazistischen Ausschreitungen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre daraufhin untersucht, inwieweit sie Ausdruck bestimmter gesellschaftlicher Tendenzen waren. Auch trat nach dem Ende der DDR im Rahmen der Bewältigungsforschung ein neues Interesse an den wechselseitigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR in diesem Zeitraum ein.
Für die DDR existiert eine Fülle von zusammenfassenden Darstellungen über den Rechtsextremismus, die sich allerdings zum weitaus größten Teil auf die Situation von den achtziger Jahren an bis zum Zusammenbruch der DDR und zur Nachwendezeit bezieht. Ziel dieser Schriften ist es in erster Linie, Erklärungen für die rechtsextremen Ausschreitungen der Nachwendezeit zu finden. Einzelne sozialgeschichtliche Untersuchungen beziehen jedoch rechtsextreme Vorfälle in den fünfziger und sechziger Jahren in der DDR ein.
Die DDR-Pädagogik stieß von jeher auf ein großes Interesse bei westdeutschen Erziehungswissenschaftlern, weshalb aus dieser Feder eine große Menge Literatur aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren zur Bildungspolitik der DDR stammt. Das Interesse an der DDR-Pädagogik nach der Wende gründet sich auch auf den Versuch, mit ihr das verstärkte Auftreten jugendlicher Neonazis im Osten nach der Wende zu erklären.
Meine Arbeit wird sich mit rechtsextremen Taten einzelner Jugendlicher oder Gruppen von Jugendlichen befassen, aber nicht mit organisiertem Rechtsextremismus, denn der organisierte Rechtsextremismus wurde als politisches Problem diskutiert und nicht als Erziehungsproblem. Außerdem fehlt den rechtsradikalen Parteien, abgesehen von einigen besorgniserregend hohen Wahlergebnissen, das spektakuläre, aufrüttelnde Element, das während der antisemitischen Schmierwelle die öffentliche Diskussion über Erfolg oder Mißerfolg der Vergangenheitsbewältigung mittrug. In der DDR gab es, soweit man bis heute weiß, bis zum ersten Auftreten von Skinheads ohnehin keinen nennenswerten organisierten Rechtsextremismus.
Die hohe Beteiligung junger Leute an antisemitischen oder nazistischen Aktionen war ein Schock sowohl für die Bundesrepublik als auch für die DDR. Denn es handelte sich bei den Tätern offensichtlich nicht um Altnazis, sondern um Jugendliche, die nicht mehr im Dritten Reich, sondern in der Bundesrepublik bzw. in der DDR sozialisiert worden waren. Die DDR-Regierung reagierte noch enttäuschter, da sie sich von der ersten „sozialistisch erzogenen“ Generation eine stärkere Loyalität zu dem von ihr proklamierten „antifaschistischen Staat“ versprochen hatte. Fremdenfeindlichkeit, die heute als besorgniserregendster Ausdruck des Rechtsextremismus gesehen wird, ist zwar für die fünfziger und sechziger Jahre in beiden Staaten dokumentiert, wurde aber damals kaum im erzieherischen Kontext diskutiert.
Die Re-education- oder Umerziehungspolitik der westlichen Besatzungsmächte hatte das Ziel, demokratische Strukturen in Deutschland zu verankern. Sie begann mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 und endete offiziell mit der Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949.
Besonders nach Auffassung der britischen und der amerikanischen Besatzungsmacht sollte dieses Ziel möglichst über die Rückführung Deutschlands zu seinen eigenen demokratischen Wurzeln erreicht werden. In der Realität wurde jedoch die Re-education von vielen Deutschen als Oktroyierung fremder Lebens- und Erziehungsprinzipien empfunden. Obwohl sich „education” im Englischen keineswegs nur auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen bezieht, richtete sich das Augenmerk der Alliierten neben der Entnazifizierung in erster Linie auf die Veränderung des Schul- und Universitätswesens.[5]
Vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Republik reichte es den Besatzungsmächten nicht, den Nationalsozialismus aus Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien zu verbannen. Um „einen dauerhaften politisch-kulturellen Wandel und damit eine Veränderung der politischen Mentalitäten der deutschen Bevölkerung herbeizuführen”, war schon während des Krieges auf britischer und amerikanischer Seite über ein Umerziehungsprogramm für Deutschland nachgedacht worden.[6] Grundsätzliche Veränderungen im Schulsystem sollten eine demokratische Gesinnung in der deutschen Gesellschaft verankern.[7]
Die erste Phase der Re-education, die bis etwa 1947 dauerte, war stark auf einen institutionellen Wandel der Schule ausgerichtet: Wichtigste Ziele waren die Neufassung der Lehrpläne und die Reform der Bildungseinrichtungen. In der zweiten Phase wurde dagegen auf weiteres Drängen auf grundlegende Veränderungen, z.B. die des Schulsystems, verzichtet. Die dahingehenden Bemühungen waren zum größten Teil am Widerstand deutscher Erzieher gescheitert. Mit den zunehmenden Ost-West-Spannungen rückte der Schwerpunkt „Entnazifizierung” ohnehin zunehmend in den Hintergrund: Die Amerikaner als die einflußreichste Besatzungsmacht waren bemüht, sich mit den drei westlichen Zonen einen Verbündeten gegen den Kommunismus zu schaffen.[8] Es wird sogar argumentiert, daß die Errichtung einer Bastion gegen die Sowjetunion von Anfang an ein fast ebenso wichtiges Motiv für die amerikanische Deutschlandpolitik war wie die Verhinderung einer neuen Diktatur.[9]
Die Ausgangssituation in Deutschland war für eine Anknüpfung an demokratische Wurzeln nicht sehr günstig. Die kurze Dauer der Weimarer Demokratie hatte keine demokratische Identität in breiten Kreisen der Bevölkerung hinterlassen. Die „autoritär-obrigkeitsstaatliche Kultur in Deutschland” herrschte noch wesentlich länger vor als Militarismus und Nationalismus, die mit der totalen Kapitulation zunächst ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren hatten.[10]
Die politischen Maßnahmen der drei westlichen Besatzungsmächte unterschieden sich voneinander.
Eckpunkte des französischen Konzeptes waren die Auflösung der staatlichen Einheit Deutschlands, seine ökonomische Schwächung und die „einschneidende Umerziehung” der Deutschen. Im Gegensatz zur Situation in der britischen und der US-Zone betrachteten die französischen Alliierten sich in ihrer Zone als allein verantwortlich für die Neugestaltung des Bildungswesens, obwohl entgegen den rigiden Vorgaben in der Praxis doch eher eine wechselseitige Einflußnahme der französischen Militärregierung und der deutschen Kulturverwaltungen stattfand. Die Einführung des französischen laizistischen Schulsystems und die Verlängerung der Grundschule auf acht oder wenigstens sechs Jahre waren geplant, Gymnasien sollten ganz abgeschafft werden. Die französische Militärregierung konnte jedoch keines dieser Ziele durchsetzen.[11] Insgesamt war der Einfluß der französischen Besatzungsmacht auf die spätere Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland am geringsten.
Auch in der britischen Zone existierte keine verbindliche Konzeption zur Re-education.[12] Stärker als die Amerikaner verfolgten die Briten das Prinzip der Nichteinmischung in die Neugestaltung des Bildungssystems. Sie waren bemüht, den deutschen Kulturbehörden ihre Unterstützung anzubieten, beschränkten sich aber ansonsten auf Maßnahmen der Entnazifizierung. Die Briten benutzten, vielleicht als Reaktion auf die Ablehnung der Re-education-Politik seitens der Deutschen, früher als die Amerikaner den Begriff „Reorientation” anstelle von Re-education. Die liberale Einstellung der britischen Militärregierung, derzufolge Reforminitiativen von den Deutschen selbst ausgehen müßten, führte allerdings dazu, daß sich reformfeindliche Positionen auf deutscher Seite früh artikulieren und auch durchsetzen konnten.[13]
Eine Bestandsaufnahme des bisherigen amerikanischen Handelns und Ausgangspunkt für weiteres Vorgehen war der im Sommer 1946 vorgelegte „Bericht der Amerikanischen Erziehungskommission” mit dem Titel „Der gegenwärtige Stand der Erziehung in Deutschland” (Zook-Report, benannt nach dem Verfasser). Die Kommission sah in der Umerziehung die nach wie vor entscheidende Verantwortlichkeit der amerikanischen Militärregierung:
„(...) Die Umerziehung des deutschen Volkes ist ein Unternehmen größten Ausmaßes... die Besatzungsmächte sollten fortfahren, Anleitung, Ermutigung und materielle Hilfe für dieses Unternehmen zu geben. (...).”[14] Der Bericht unterstützte die bisher angewandte Strategie des „sanften Drucks” zur Erreichung ihrer Ziele. Die vom OMGUS (Office of Military Government for Germany, U.S.) angestrebte „demokratische Lebensform” für die Deutschen sollte in Familie, Kirche und Jugendgruppen verwurzelt werden, aber die größte Bedeutung wurde der schulischen Erziehung beigemessen. Schule galt den Vertretern von Re-education als „common center of mutuality”, als Ort, an dem Demokratie eingeübt werden konnte, bevor die Kinder zu sehr von den Klassen- und Religionsvorurteilen ihrer Umgebung geprägt wurden.[15] Die amerikanische Besatzungsmacht zeigte ein besonders hohes Engagement in allen schulpolitischen Fragen, seien es die Entnazifizierung der Lehrer, grundsätzliche Reformen des Schulsystems, die Ersetzung der NS-verseuchten Schulbücher durch neue demokratiefördernde oder Themen der politischen Bildung im Unterricht.
Die Besatzungsmächte gingen nach dem Krieg von einer totalen Gleichschaltung des deutschen Erziehungssystems während des Nationalsozialismus aus. Die hohen Entnazifizierungsquoten unter der Lehrerschaft bestätigen einerseits diese These, zeigen aber auch, daß in diesem Bereich besonderer Wert auf eine gründliche Entnazifizierung gelegt wurde. In einigen Bezirken wurden 80-90 % der Lehrer wegen NSDAP-Zugehörigkeit aus dem Dienst entlassen. Viele Lehrer empfanden die ergriffenen Maßnahmen als ungerecht und fühlten sich als „doppelt betrogene Opfer”: „Opfer des Nationalsozialismus und Opfer der Entnazifizierung”.[16]
Kritik an der zu schematischen Art der Entnazifizierung und an der dadurch bedingten Kriminalisierung der Mitläufer wurde von deutscher Seite immer wieder geäußert.[17] In der zweiten Hälfte der Re-education-Periode gaben die Westalliierten die strikten Entnazifizierungskriterien mehr und mehr auf, um nicht Ressentiments gegen die Siegermächte zu schüren und Sympathien im deutschen Volk für die Demokratie zu verspielen. Den durch die Entnazifizierungsmaßnahmen hervorgerufenen Lehrermangel nahmen die Militärregierungen zunächst bewußt in Kauf, begannen aber im April 1947, als das Verhältnis von Schülern zu Lehrern bei 70: 1 angelangt war, mit probeweisen Wiedereinstellungen. Weitere Maßnahmen waren mindestens zweiwöchige Umerziehungskurse für Lehrer und Umschulungen von Mitgliedern anderer Berufsgruppen zu Lehrern. Seit dem Sommer 1946 wurde an Lehrerbildungsanstalten Staatsbürgerkunde unterrichtet, und in Bayern wurden zusätzliche Kurse für Geschichtslehrer eingerichtet. In Hessen kamen Lehrer einmal monatlich zusammen, um ihre Fähigkeit zu Diskussion und demokratischem Gedankenaustausch zu üben. Lehramtsstudenten mußten nicht nur den Entnazifizierungsbestimmungen genügen, sondern sollten auch eine positive Haltung zur Demokratie zeigen.
Mit Hilfe einer Schulreform sollte die Demokratisierung Deutschlands entscheidend vorangetrieben werden. Dabei war es den Besatzungsmächten sehr wichtig, daß die Reform von deutschen Erziehern durchgeführt wurde. Besonders die amerikanischen und britischen Behörden legten viel Wert darauf, daß das deutsche Volk sich „unter Anleitung” selbst erzog. Trotz relativ früher Überlegungen zum deutschen Bildungssystem auf alliierter Seite (s.o.) kamen bis zur Einsetzung der Zook-Kommission in der US-Zone wenige konkrete Impulse. Der Historiker Johann Zilien argumentiert für das Land Hessen, daß in der so wichtigen, weil weichenstellenden, Anfangsphase zu wenig Vorschläge von der amerikanischen Militärregierung in die schulpolitische Diskussion eingebracht wurden. Sie habe ihre fortschrittlichen und realisierbaren Vorschlägen erst energischer eingebracht, als auf deutscher Seite schon die Positionen konservativer Bildungspolitiker dominierten.[18]
Auf deutscher Seite gab es zwar einen parteienübergreifenden Konsens in der Ablehnung des Faschismus, doch fehlten positive gemeinsame Ziele für die Neugestaltung des Schulsystems.[19] KPD und SPD forderten in einem gemeinsamen Aufruf die Erneuerung der Schule im „Geiste einer kämpferischen Demokratie”, die Neugestaltung der Lehrpläne, einen demokratischen Lehrkörper, das Verbot von Privatschulen und die Reform des Hochschulwesens.[20] Die CDU forderte den „sittlichen Wiederaufbau des deutschen Volkes durch die Lehren echter Humanität”, die kirchliche Leitung des schulischen Religionsunterrichtes und die Erschwerung des Zugangs zur höheren Schule. Die CDU, die der Kulturpolitik besonderes Gewicht beimaß, konnte ihre Vorschläge in alle Länderverfassungen außer Bremen einbringen. Die SPD dagegen, die sich nach Kriegsende eher auf die Wirtschaftspolitik konzentrierte - sie stellte zeitweise in allen acht damals bestehenden Ländern die Wirtschaftsminister -, erreichte lediglich die Einführung der sechsjährigen Grundschule in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin. Selbst diese kleine Reform wurde bis auf Berlin in allen Ländern nach den nächsten Wahlen mit der Entstehung neuer Koalitionen wieder rückgängig gemacht.[21] Tatsächlich orientierten sich die wiedereröffneten Schulen zunächst an Schulen der Weimarer Republik: Lehrkräfte, die vor 1933 im Schuldienst tätig gewesen waren, wurden wiedereingestellt, die Schüler arbeiteten mit Nachdrucken Weimarer Schulbücher, und der ständische Aufbau des Weimarer Schulsystems mit Volksschule und Gymnasium wurde übernommen.[22]
Die US-Behörden entschlossen sich erst als Reaktion auf den Zook-Report, stärkeren Druck auf deutsche Bildungspolitiker auszuüben und einige verbindliche Reformen zu verlangen. Im Januar 1947 wurden die deutschen Kultusministerien der US-Zone aufgefordert, Pläne für eine Erneuerung des Schulwesens zu entwerfen, die den Forderungen des Zook-Reports entsprachen.[23] Schulgeldfreiheit, Schulpflicht und Lehrmittelfreiheit waren die Mindestforderungen der Militärregierung, aber selbst diese waren hart umstritten. In Hessen wurde eine Kampagne gegen die Einführung der sechsjährigen Grundschule geführt und in Bayern protestierte man gegen die Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit.[24] Am weitestgehenden wurden die Vorschläge der Zook-Kommission vom Berliner Magistrat aufgegriffen: Hier entstand neben dem klassischen gegliederten Schulsystem auch die Gesamtschule.[25] Auf die Abschaffung des gegliederten Schulsystems wurde verzichtet, um den Konflikt mit den deutschen bürgerlichen Kräften zu vermeiden, die heftigen Widerstand zeigten. Beim Wiederaufbau einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung im beginnenden Kalten Krieg konnte die amerikanische Besatzungsmacht auf die Hilfe des Bürgertums nicht verzichten. Noch expliziter ausgedrückt: „Da es ihr (der Amerikaner, M.G.) Ziel war, der CDU/ CSU insgesamt wegen weitgehender Übereinstimmung in den Fragen der Restauration der Wirtschaftsordnung und der Verfassungspolitik zur Macht zu verhelfen, konnten sie nicht auf einem Gebiet, das dazu angetan war, Ressentiments und Emotionen zu wecken, eine Politik verfolgen, die den erklärten Interessen dieser Partei zuwiderlief.”[26]
Über die neuen Aufgaben des Geschichtsunterrichts herrschte lange Zeit Unklarheit. Als politisch am stärksten belasteter Unterricht wurde er nach Kriegsende zunächst verboten, ab August 1945 jedoch wieder zugelassen.[27] Während in einigen Bezirken nur die Zeit bis 1933 behandelt werden durfte, wurde in Berlin durch Kommandanturbefehl 1946 die Behandlung der Nürnberger Prozesse in den oberen Gymnasialklassen sogar verlangt.[28]
Allgemeine Leitlinien hoben die Bedeutung des Geschichtsunterricht für die soziale Erziehung hervor und bestimmten die Zeitgeschichte zu seinem thematischen Mittelpunkt.[29] Die „demokratischen Wurzeln” Deutschlands sollten im Unterricht bevorzugt behandelt werden, so z.B. die liberale Opposition gegen Bismarck oder die Göttinger Sieben.[30] Der neue Geschichtsunterrichts durfte sich nach Ansicht der Alliierten keinesfalls an der Zeit vor 1933 orientieren, da der in der Weimarer Republik traditionell vermittelte Historismus der Demokratisierung abträglich sei.[31]
Nach Kriegsende wurden zunächst alle Schulbücher von den westlichen Alliierten beschlagnahmt. Nicht nur Geschichts- und Biologiebücher mit ihrer offensichtlich nationalsozialistischen Propaganda wurden aus dem Verkehr gezogen, sondern auch Mathematikbücher, die zynische antisemitische Rechenaufgaben stellten, oder Sprachbücher, die militaristische Texte enthielten. Die gründliche Entnazifizierung und Entmilitarisierung wurde von deutschen Pädagogen oft vorsichtig als überzogen kritisiert.[32] Im Gegensatz zur französischen Besatzungsmacht vertraten die amerikanische und die britische Militärregierung den Grundsatz, den deutschen Schulen kein Lehrmaterial aufzuzwingen. Neue Schulbücher sollten demzufolge nicht von amerikanischen oder britischen Pädagogen und auch nicht von deutschen Emigranten geschrieben sein, um den Verdacht einer versuchten Manipulation durch das Ausland zu vermeiden. So wurde z.B. die für den Unterricht konzipierte „Geschichte unserer Welt” des deutschen Emigranten Fritz Karsen, Geschichtsprofessor am City College, New York, von der französischen Besatzungsmacht akzeptiert, von der britischen und amerikanischen aber nicht. Erst im Sommer 1946, als der Notstand an brauchbaren Geschichtsbüchern akut wurde, begann man in diesen Zonen mit dem Druck des Buches. Während es in der französischen Zone ausgiebig benutzt wurde, verschwand es in der amerikanischen Zone bald wieder - vermutlich aufgrund deutschen Widerstandes.[33] Die Erziehungsminister der Länder der US-Zone wurden beauftragt, Kommissionen zum Verfassen neuer Schulbücher einzurichten. Die fertigen Manuskripte sollten dann der Militärregierung zur Änderung und Genehmigung vorgelegt werden. Aufgrund der mangelnden deutschen Initiative, die sowohl durch die ungenügende Bereitschaft zur Kooperation als auch durch technische Probleme (Mangel an Papier und Referenzliteratur) bedingt sein konnte, nahm die amerikanische Militärregierung schließlich zunehmend Einfluß auf das Verfassen neuer Schulbücher. Erst Ende 1948 war nach Ansicht der Militärregierung der schlimmste Schulbuchnotstand behoben.[34]
Das Fach „Gemeinschaftskunde” wurde bereits 1945/ 46 in allen drei Westzonen eingeführt. Das neue Unterrichtsfach sollte Kontrollmöglichkeiten über den Erfolg der politischen Bildung gewährleisten.[35] Der Grad der politischen Bildung wurde von den Alliierten in engem Zusammenhang mit dem Grad der Demokratisierung gesehen. In der praktischen Umsetzung unterschied sich das Fach, das nach amerikanischen Vorstellungen Elemente der „Social Studies“ und der „Political Sciences“ enthalten sollte, jedoch meist wenig von der Staatsbürgerkunde der Weimarer Republik.[36] Wie schon in den Fächerbezeichnungen „Gemeinschaftskunde” oder „Sozialkunde” angedeutet, wurde politische Bildung eher in Form von Institutionenkunde oder Fragen der „mitmenschlichen Gesinnung” behandelt. Soziale und ökonomische Strukturen und Interessenkonflikte blieben unberücksichtigt.[37]
In der Frage der politischen Bildung in der Schule entstanden zwei heute noch diskutierte Auffassungen: Die traditionelle deutsche Auffassung von der Schule als gewissermaßen überpolitischem Raum stand der amerikanischen Auffassung von Schule als politischer Institution mit entsprechend formulierten Unterrichtsaufgaben entgegen.
Die Bilanz der alliierten Bildungspolitik war eher ernüchternd, was die Durchsetzung konkreter Reformen betraf. Die Einführung des Gemeinschaftskundeunterrichts in den Schulen und der „Social Studies“ an den Universitäten sowie die Schaffung demokratischer Strukturen im Bildungsbereich (z.B. die Einrichtung von Schülermitverwaltungen und Studentenparlamenten) wurden erreicht. Von den bildungspolitischen Säulen der Re-education-Politik wurden die Themen politische Bildung, Geschichtsunterricht und Schulbücher, insbesondere Geschichtsbücher, von deutschen Pädagogen später, auch unter dem Einfluß der Schmierwelle 1959/ 60, neu diskutiert.
Was aber die Schulreform betraf, so zog die amerikanische Militärregierung aus taktischen Erwägungen (s.o.) und auch aus Resignation ihre Forderungen zurück. Auf einer Konferenz im Oktober 1948 in Berchtesgarden ließ sie den Terminus „Schulreform” aus ihrem Vokabular streichen mit der Begründung, daß „Organisation und Struktur der Schule gar nicht so wichtig seien.”[38]
Die Durchsetzung der Gesamtschule als einzige Schulform war damit insgesamt gescheitert, auch wenn es nach wie vor diskutiert wird. Das dreigliedrige Schulsystem bestand weiter, auch die Konfessionsschulen wurden nicht abgeschafft, und Bildung blieb ausschließlich Ländersache.
Die politischen Ziele Entnazifizierung und Demokratisierung, die ja das Hauptziel von Re-education gewesen waren, wurden nicht erreicht. Der Amerikanische Hochkommissar McCloy stellte Anfang der fünfziger Jahre fest, daß Westdeutschland große Fortschritte bei der Schaffung einer demokratischen Regierung gemacht habe, aber er bemerkte auch, daß autoritäre Denkweisen in Deutschland noch „in allen Sparten des menschlichen Zusammenlebens” vorhanden seien.[39] Was die Ausrottung des Nationalsozialismus betraf, so mußte das HICOG (Office of the U.S. High Commissioner for Germany) in einer Umfrage von 1951 feststellen, daß 42% der Befragten glaubten, der Nationalsozialismus habe mehr gute als schlechte Seiten gehabt.[40] Die Entnazifizierungsbestimmungen für Lehrer wurden mit der Zeit so stark aufgeweicht, daß man durchaus von einer „Versöhnung mit ehemaligen Nazis auf Kosten der Vergangenheitsbewältigung” sprechen konnte.[41] Das Vertrauen der Deutschen in die Demokratie stellte sich erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der gelungenen Westintegration ein.[42]
Die Bundesrepublik Deutschland war in den beginnenden fünfziger Jahren eine noch ungefestigte Demokratie. Der politischen Bildung in der Schule wurde deshalb eine sozial integrative Funktion zugewiesen. Sie sollte entgegen der Skepsis breiter Bevölkerungsschichten elementare Grundlagen eines politisch-demokratischen Bewußtseins legen.[43]
Die Beeutung der Funktion der Demokratisierung für die Schule spiegelt sich auch in der Periodisierung der ersten bildungspolitischen Epoche der Bundesrepublik anhand des vermuteten Demokratisierungsgrades der Bevölkerung wieder: Einige erziehungswissenschaftliche Autoren bezeichnen die gesamte Zeit von 1951 bis 1960 als „Reaktion” oder „Restauration”. Andere betrachten nur den Zeitraum von 1950 bis 1955 als Epoche der restaurativen Tendenzen, die Epoche von 1955 bis 1960 dagegen als Phase größerer Offenheit für neue Formen politischer Bildung.
Die zweite Hälfte der fünfziger Jahre ist politisch gekennzeichnet durch den Wirtschaftsaufschwung, die neugewonnene Souveränität der Bundesrepublik infolge ihres Beitritts zur NATO (1955) und durch die Wiederaufrüstung (ab 1955).
Vertreter der erstgenannten Periodisierung erkennen in der Regel eine nationalistische Stimmung und einen überzogener Antikommunismus als Folge dieser Entwicklungen, während letztere in den innen- und außenpolitischen Erfolgen der Bundesrepublik eine Ursache der gestiegenen Bereitschaft zur Annahme der Demokratie sehen.[44]
Politische Bildung sollte sowohl als Unterrichtsfach als auch als Unterrichtsprinzip an den Schulen eingeführt werden. Das neue Fach „Sozialkunde” bzw. „Gemeinschaftskunde” konnte sein Ziel, ein solides Fundament politischer Bildung in der Schule und damit auch in der Gesellschaft zu legen, zunächst nicht erreichen. Kritikpunkte waren die ungenügende und unwillige Beschäftigung vieler Lehrer mit aktuellen Themen, ihr unzureichendes Wissen über Zeitgeschichte, ihr mangelnder Mut zu öffentlicher Stellungnahme. Felix Messerschmid bezeichnete die Lehrer 1950 in „Neue Wege im Geschichtsunterricht”, einer in der Zeitschrift GWU erscheinenden Reihe, als „gebrannte Kinder”, die aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Entnazifizierung der gefährlichen Politik im Unterricht lieber aus dem Weg gehen wollten, um sich nicht wieder irgendwann dafür öffentlich verantworten zu müssen.[45]
Das Jahr 1950 gehört bildungspolitisch noch zu den Jahren der ersten Neuordnungen im Bildungswesen, die von alliierten Vorstellungen beeinflußt waren.
Während die Kultusminister der Bundesrepublik 1950 die besondere Verantwortung des Geschichtsunterrichts betonten, der „geschichtliches Denken und Werten mit Verständnis für die Gegenwart verbinden” müsse, und die politische Bildung als Unterrichtsfach und als Unterrichtsprinzip forderten, stellte die KMK (Kultusministerkonferenz) 1953 Forderungen auf, die so hoch und gleichzeitig so allgemein waren, daß sie damit ihre Verbindlichkeit einbüßten.[46] Die Schüler sollten eine „wissenschaftlich begründete und wertbestimmte Urteilsfähigkeit” sowie „Verantwortungsbewußtsein und Tatbereitschaft für Gesellschaft, Staat, Volk und Menschheit” erwerben.[47]
In der Entstehungsphase der Bundesrepublik wurden Schulbuchtexte verfaßt, welche die Möglichkeit zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und der Judenverfolgung boten und auch eindringliche Darstellungen von Konzentrationslagern enthielten. In den folgenden Jahren wichen Texte dieser Art aber immer mehr rechtfertigenden Texten, die nationalsozialistische Verbrechen betont sachlich darstellten und die in der Bevölkerung noch weitverbreitete Meinung von den „guten Seiten” des Nationalsozialismus kritiklos übernahmen. Sie waren im Geiste des Hitlerismus und in zunehmendem Maße der Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit dem Sowjetregime verfaßt.[48]
Auch das sogenannte „131er Gesetz”, das die Rücknahme von Beamten in den öffentlichen Dienst verfügte, stellte ein Problem für das Anliegen der politischen Bildung dar.[49] Gerade viele der älteren Lehrer wollten lieber in einem politikfreien Raum unterrichten und waren zum großen Teil sicher keine überzeugten Demokraten, weshalb sie für den Unterricht in politischer Bildung ohnehin nicht geeignet waren. Ein weiteres Problem war das Fehlen eines Lehramtes für Sozialkunde. Sozialkunde wurde in der Regel von Geschichtslehrern gelehrt, deren traditionelle Ausbildung leichter mit Institutionenkunde und Ideengeschichte kompatibel war als mit politischer Bildung im Sinne der angloamerikanischen „Social Studies“ und „Political Sciences“. Bevor aber die von den Alliierten initiierten Politik- und Sozialwissenschaften Impulse an die Fachdidaktik geben konnten, mußten sie sich zuerst an den Universitäten etablieren.[50]
Die Vorbehalte gegen den politischen Unterricht gingen „analog zur mentalen Verankerung des neuen Systems innerhalb der Bevölkerung” im Laufe der fünfziger Jahre langsam zurück - auch in den Höheren Schulen, wo seine schärfsten Gegner saßen. Allerdings gab es weiterhin Probleme mit der unpolitischen Haltung vieler Lehrer.
Die GEW wehrte sich 1952 in einer Erklärung gegen die sich häufenden Vorwürfe gegenüber Lehrern, indem sie betonten, daß die politische Apathie der Lehrerschaft ein Symptom der politischen Apathie der Gesamtbevölkerung sei.[51]
Inhaltlich wurde im Unterricht Politik häufig auf Naturkategorien reduziert, soziale Phänomene wurden psychologisiert und strukturelles Verhalten personalisiert. Diese Tendenzen des Geschichtsunterricht entsprachen der Hauptströmung der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft, der „Idee vom Hitlerreich als dem Einbruch des Satanischen in die Geschichte, als ein Heraustreten aus dem au fond vernünftigen, fortschrittsgesteuerten Geschichtsprozeß - man denke an Friedrich Meinecke, an Michael Freund, an Gerhard Ritter.”[52] Gerhard Ritter plädierte auch dafür, den Nationalsozialismus aus dem allgemeinen Bewußtsein (und dem Schulunterricht) auszublenden bzw. ihn als für die deutsche Geschichte nicht bezeichnenden „Ausrutscher” zu deklarieren.[53]
In formaler Hinsicht herrschte ein Unterrichtsstil vor, der nicht dazu geeignet war, demokratische Verhaltensweisen einzuüben: Lehrer vermittelten Wissen in Form von Vorträgen. Schülerdiskussionen oder Arbeitsgruppen spielten kaum eine Rolle.[54]
Der „neue” Geschichtsunterricht in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre sollte Verbindungslinien zur Gegenwart und eine politische Handlungsorientierung für Schüler zeigen, d.h. er sollte politische Bildung als Unterrichtsprinzip praktizieren.
1955 wurden mehrere Berichte veröffentlicht, die eine kritische Bestandsaufnahme der politischen Bildung vornahmen. Besonders sei das „Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen zur politischen Bildung und Erziehung” erwähnt.[55] In ihm wird die Spannung zwischen traditionellem Unterrichtsverständnis und Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen deutlich: Einleitend wird analysiert, daß „in breiten Schichten noch keine Übereinstimmung in der Beurteilung des Nationalsozialismus erreicht worden” sei und daß die Schule „sich noch nicht aus den alten obrigkeitsstaatlichen Formen gelöst” habe. In Teil II der Ausführungen wird trotzdem Unbehagen geäußert über die Vermittlung politischer Bildung an eine Altersstufe, die „dafür noch nicht reif” sei. Allerdings könne darauf nicht verzichtet werden. Weiterhin wird dem „Zusammenspiel von Einsicht und Übung” für die erzieherische Wirkung eine große Bedeutung beigemessen. Eine „spielerische Nachahmung politischer Formen des Erwachsenenlebens” wird jedoch als „leere Betriebsamkeit” abgelehnt. Obwohl sich das Gutachten ausdrücklich zum politschen Unterricht in den Schulen bekennt, wird von der Behandlung tagespolitischer Ereignisse im Unterricht und von dezidierten Stellungnahmen in Teil IV vorsichtig abgeraten.[56]
Das Gutachten des Deutschen Ausschusses von 1955 faßte gewissermaßen die Ansichten fortschrittlicher Geschichtsdidaktiker wie Erich Weniger und Felix Messerschmid, die einen politischen Geschichtsunterricht forderten, zusammen. Erich Weniger beispielsweise forderte vom Geschichtsunterricht die Verpflichtung auf staatsbürgerliche Verantwortung als gemeinsames Ziel. Dieser „Staatsoptimismus” war für die Anfangszeit der Bundesrepublik sehr geeignet, gerade weil er auf ein Erhalten der bestehenden Ordnung bedacht war.[57] Der Deutsche Ausschuß versuchte auch, verschiedene Ansätze der politischen Bildung zu verbinden: Friedrich Oetinger, der in seinem 1951 erschienenen Buch „Partnerschaft” die politische Bildung als Sozialerziehung definierte, wurde dem Schulleben zugeordnet, das somit als politikfreier Raum galt. Theodor Litts Gegentheorie von 1954, die eher das Wesen der Politik und den Kampf um Macht in den Bereich der politischen Bildung rückte, war dem Fachunterricht und damit nur den älteren Schülern vorbehalten. Erst mit der Notwendigkeit einer drastischen Änderung der Bildungskonzeption in den sechziger Jahren wurde aus diesem Stufenkonzept ein Nebeneinander von sozialem und politischem Lernen.[58]
Ideen zur Vermittlung demokratischer Einsichten und Fähigkeiten waren also zu Beginn der fünfziger Jahre durchaus vorhanden. Schwierigkeiten bereitete jedoch die Diskrepanz zwischen bereits vorhandenen Erkenntnissen in der pädagogischen Forschung und ihrer schulpraktischen Umsetzung. Dazu brauchte es das Engagement der politischen Führung, die sich in der Zeit vor 1960 sehr wenig an Diskussionen über Erziehung und Unterricht beteiligte.
Rechtsextremismus bzw. Antisemitismus in der Bundesrepublik wurde bis in die sechziger Jahre hinein nicht als neue rechtsextremistische Bewegung gesehen, sondern als „Nachwehe” des Nationalsozialismus. Demzufolge herrschte Ratlosigkeit vor über die Tatsache, daß eine große Anzahl der antisemitischen Ausschreitungen in den fünfziger Jahren von jungen Leuten begangen worden waren.[59] Das Abschieben noch existenter rechtsextremer Gesinnungen auf die unbelehrbaren Altnazis wurde damit unglaubwürdig.[60]
Das Erschrecken über den hohen Anteil jugendlicher Täter wurde für den Moment erst einmal verdrängt, indem man entsprechenden Vorfällen das Etikett „Kinder- und Jugendkritzeleien” verlieh. Der Historiker Julius Schoeps vermutet zu Recht, daß diese Benennung dazu dient, „von einem unangenehmen Sachverhalt abzulenken”. Er stellt sich weiterhin die Frage, „warum Kinder und Jugendliche ausgerechnet und nahezu immer auf jüdischen, fast nie aber auf christlichen Friedhöfen sich zu Schändungen angestiftet fühlen.” Während Schoeps sein Mißtrauen eher auf die Frage richtet, ob nicht manche Schändung, die angeblich von Kindern begangen wurde, in Wirklichkeit doch von Erwachsenen aus antisemitischen Motiven heraus durchgeführt wurde, könnte man auch annehmen, daß die Taten sehr wohl von Jugendlichen begangen wurden, aber nicht als harmlose „Kritzeleien” zu verstehen sind, sondern als Ausdruck für einen in der deutschen Gesellschaft vorhandenen unterschwelligen Antisemitismus.[61]
Erst nach dem sogenannten „Kölner Initialfall” vom 25. Dezember 1959 und den nachfolgenden Antisemitischen Schmieraktionen sahen die Presse, Pädagogen und schließlich auch die Regierung sich genötigt, jugendlichen Rechtsextremismus (auch wenn er nicht so genannt wurde) als Problem gesondert zu untersuchen. Bis dahin hatten die Ausschreitungen keine bildungspolitischen Konsequenzen. Allerdings hatten die westlichen Alliierten schon 1950 ihre Jugendprogramme verstärkt und dies mit einem „Wiederaufleben des deutschen Nationalismus” begründet.[62]
Die politische Kultur der späten fünfziger und beginnenden sechziger Jahre war geprägt von Diskussionen um „Nazis im Amt”, ehemalige Nationalsozialisten, die in der Bundesrepublik hohe Posten in Politik, Justiz, Wirtschaft und Kultur bekleideten.[63] Die Diskussion, angekurbelt auch durch die SED-Kampagnenpolitik seit 1957, führte zu einer neuen Serie von Prozessen gegen ehemalige Aufseher und Ärzte in den Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen.[64] Auch die seit etwa 1957 sich mehrenden Justizskandale, in denen ehemalige Nationalsozialisten sehr milde Urteile erhielten oder aufgrund gewollter oder ungewollter Nachlässigkeit der Behörden dem Strafvollzug durch Flucht entgehen konnten, trugen dazu bei, die Bevölkerung für antisemitische Ausschreitungen zu sensibilisieren. Ein Beispiel hierfür ist der KZ-Arzt Eisele, der sich vor Gericht verantworten mußte, aber noch während des Prozesses nach Ägypten fliehen konnte, weil der Staatsanwalt es verabsäumt hatte, einen Haftbefehl gegen ihn zu stellen. Ebenso gelang es dem Offenburger Studienrat Zind, 1958 nach Ägypten zu fliehen, nachdem er wegen wiederholter antisemitischer Hetze vor Gericht stand.[65] In diesem Zeitraum wurden zahlreiche Fälle von Lehrern bekannt, die durch antisemitische Äußerungen aufgefallen waren. Studienrat Zind wurde zum Prototyp dieser Fälle.[66]
Ungefähr zehn Jahre nach Ende der Re-education-Politik scheint die zeitliche Distanz zu den Verbrechen des NS- Regimes groß genug gewesen zu sein, so daß die deutsche Bevölkerung Bereitschaft zeigte, sich nochmals, und dieses Mal aus freien Stücken, mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Auffällig ist, daß die öffentliche Diskussion sich weniger an den antisemitischen Vorfällen selbst als an dem Umgang von Justiz und Verwaltung mit ihnen entzündeten. Möglicherweise spricht hieraus ein Rückgang obrigkeitsstaatlichen Denkens in der bundesdeutschen Bevölkerung, möglicherweise wurde aber auch auf eine justizielle Aufarbeitung gedrängt, um der persönlichen Aufarbeitung auszuweichen.
Bei den rechtsextremen Ausschreitungen der fünfziger und sechziger Jahre handelte es sich in den seltensten Fällen um physische Angriffe gegenüber Juden, Ausländern oder Andersdenkenden. Zahlenmäßig fallen die Schändungen jüdischer Friedhöfe und Synagogen durch das Herausreißen von Grabplatten, das Umstürzen von Grabsteinen sowie das Beschmieren der Gräber oder Wände mit Parolen wie „Juda verrecke”, „Juden raus”, „Sieg Heil”, „SA” und „SS” am stärksten ins Gewicht.[67] Schändungen fanden u.a. statt 1950 in Frankfurt und Würzburg, 1952 in Worms, 1953 in Ansbach, 1955 in Koblenz und 1956 in Gladenbach und Preußisch-Oldendorf.[68] Persönliche Beleidigungen jüdischer Mitbürger, mündliche oder schriftliche Äußerungen, die den Nationalsozialismus in ein positives Licht rücken oder verharmlosen wollten, gehörten ebenfalls zu den häufigen rechtsextremen Vorfällen, gehen aber selten von Jugendlichen aus.
Insgesamt läßt sich feststellen, daß Jugendliche an den anonymen Vorfällen (Schmieraktionen etc.) in wesentlich höherem Maße beteiligt waren als an persönlichen Angriffen oder öffentlichen Verherrlichungen der NS-Zeit. Insofern stellten die Altnazis zwar ein Problem für die Etablierung der Demokratie dar, aber gerade an den anonymen Taten zeigte sich, daß das antisemitische und antidemokratische Potential in der deutschen Bevölkerung höher war als vermutet und sich auch auf die junge Generation übertragen hatte.
[...]
[1] ADORNO, T.W.: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt a. M. 1982. S. 88.
[2] Zum Sprachgebrauch von „Erziehung” s. WATERKAMP, D.: Erziehung in der Schule. In: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.): Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. (Materialien zur Lage der Nation). Köln 1990. S. 261.
[3] Der dtv-Brockhaus definiert Erziehung als „innere Formgebung des Charakters” durch Einwirkung, Übung und Gewöhnung im Gegensatz zur Bildung, „dem über theoretische Einsicht geleiteten Lernen”. s. „Erziehung”, in: dtv-Brockhaus-Lexikon in 20 Bänden. Bd.5. Mannheim/ München 1989. S. 138.
[4] Zur Totalitarismusdiskussion s. WIPPERMANN, W.: Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute. Darmstadt 1997.
[5] s. Geleitwort von Ernst Fraenkel in BUNGENSTAB, K.E.: Umerziehung zur Demokratie? Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945-49. S. 11.
[6] DUDEK, P.: „Der Rückblick auf die Vergangenheit wird sich nicht vermeiden lassen”. Zur pädagogischen Verarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland (1945-1990). Opladen 1995. S. 71.
[7] ZILIEN, J.: Politische Bildung in Hessen von 1945 bis 1965. Gestaltung und Entwicklung der politischen Bildung als schulpolitisches Instrument der sozialen Demokratisierung. Frankfurt a. M. 1997. S. 31.
[8] DUDEK 1995, S. 71 und SCHMIEDERER, R.: Zwischen Affirmation und Reformismus. Politische Bildung in Westdeutschland seit 1945. Frankfurt a. M. 1972. S. 17.
[9] LANGE-QUASSOWSKI, J.-B.: Demokratisierung der Deutschen durch Umerziehung? Die Interdependenz von deutscher und amerikanischer Politik in der Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APZ) Bd.29/ 1978. S. 24.
[10] ZILIEN, S. 32 f.
[11] vgl. GAGEL, W.: Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989. Opladen 1994. S. 38 f. und MAYER, U.: Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht in der Nachkriegszeit (1945-1953). In: K. Bergmann/ G. Schneider (Hg.): Gesellschaft, Staat, Geschichtsunterricht. Düsseldorf 1982. S. 363 ff.
[12] PAKSCHIES, G.: Umerziehung in der britischen Zone 1945-1949. Untersuchungen zur britischen Re-education-Politik. Weinheim/ Basel 1979. S. 24 ff.
[13] vgl. KOSZYK, K.: „Umerziehung” der Deutschen aus britischer Sicht. Konzepte und Wirklichkeit der „Re-education” in der Kriegs- und Besatzungsära. In: APZ Bd. 29/ 1978. S. 10, MAYER, S. 365 und GAGEL, S. 37 f.
[14] Presseerklärung zum Bericht der Kommission, zitiert nach: BUNGENSTAB, S. 50.
[15] BUNGENSTAB, S. 51.
[16] DUDEK 1995, S. 75.
[17] s. z.B. Erich Wenigers Kritik an der häufig verschwommenen Grenze zwischen Re-education und Strafvollzug. In: WENIGER, E.: Die Epoche der Umerziehung 1945 - 1949. In: Westermanns Pädagogische Beiträge, 10/ 1959.
[18] ZILIEN, S. 42.
[19] Parteien waren in den westlichen Besatzungszonen noch im Jahr 1945 wieder zugelassen worden, die ersten Landtagswahlen fanden zwischen Oktober 1946 und Oktober 1947 statt. BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (Hg.): Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland. (Informationen zur politischen Bildung, Heft 224) Bonn 1989. S. 16 und 22.
[20] DUDEK 1995, S. 69.
[21] LANGE-QUASSOWSKI, S. 18.
[22] BUNGENSTAB, S. 87.
[23] ZILIEN, S. 52.
[24] SCHMIEDERER, S. 19.
[25] BUNGENSTAB, S. 97.
[26] vgl. REICH, B./ STAMMWITZ, W.: Antifaschistische Erziehung in der Bundesrepublik? Von den Schwierigkeiten einer pädagogischen „Bewältigung” des Nationalsozialismus. In: H.-F. Rathenow/ N.H. Weber (Hg.): Erziehung nach Auschwitz. Pfaffenweiler 1989. S. 99 und LANGE-QUASSOWSKI, S. 26.
[27] DUDEK 1995, S. 71 und ZILIEN, S. 61.
[28] REICH/ STAMMWITZ, S. 99.
[29] Der Historiker Hans Rothfels definierte als „Zeitgeschichte” den Zeitraum von 1917 bis 1945 und seine wissenschaftliche Behandlung. s. ROTHFELS, H.: „Zeitgeschichte als Aufgabe”. In: Viertelsjahreshefte für Zeitgeschichte (VJhfZ) 1/ 1953. S. 1-8. In der Praxis wurde Zeitgeschichte während der fünfziger und sechziger Jahre im wesentlichen auf die Geschichte und Vorgeschichte des Nationalsozialismus bezogen. Die Zäsur 1945 wird von Historikern immer weiter nach hinten verlegt, da der Begriff „Zeitgeschichte” eine zeitliche Nähe der Historiker zu ihrem Untersuchungsgegenstand impliziert.
[30] ZILIEN, S. 72 f.
[31] ZILIEN, S. 84.
[32] s. WENIGER, E.: Die Epoche der Umerziehung 1945 - 1949. Teil II. Die amerikanische Zone. In: Westermanns Pädagogische Beiträge 12/ 1959. S. 523.
[33] s. BUNGENSTAB, S. 113 f. und DUDEK 1995, S. 71 f.
[33] BUNGENSTAB, S. 106 ff.
[35] ZILIEN, S. 111 ff.
[36] Nur Hessen distanziert sich in seinen Richtlinien für den politischen Unterricht ausdrücklich von der traditionellen Staatsbürgerkunde: „Politischer Unterricht darf nicht mit Staatsbürgerkunde verwechselt werden. Wer es tut, füllt neuen Wein in alte Schläuche.” SCHMIEDERER, S. 25.
[37] REICH/ STAMMWITZ, S. 103.
[38] SCHMIEDERER, S. 19.
[39] BUNGENSTAB, S. 151 f.
[40] BUNGENSTAB, S. 154.
[41] ZILIEN, S. 37.
[42] ZILIEN, S. 35.
[43] Nach Gagel bezieht sich „politische Bildung” im engeren Sinne „auf Verhalten; sie enthält die Absicht, Eigenschaften eines ´richtigen´ Verhaltens in der politischen Öffentlichkeit zu wecken oder zu vermitteln. Sie wird dabei von Wertvorstellungen geleitet.” s. GAGEL, S. 152.
[44] vgl. MEYERS, P.: Vom „Antifaschismus“ zur „Tendenzwende“. Ein Überblick über die Behandlung des Nationalsozialismus in der historisch-politischen Bildung seit 1945. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Der Nationalsozialismus als didaktisches Problem. Beiträge zur Behandlung des NS-Systems und des deutschen Widerstands im Unterricht. Bonn 1980. S. 44 ff. und SCHMIEDERER, S. 64 ff.
[45] zitiert nach: ZILIEN, S. 284.
[46] Die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder ” wurde 1949 als freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Kultusminister aller Länder der Bundesrepublik gegründet. Ihre Aufgabe besteht laut Geschäftsordnung darin, „Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Willensbildung und zur Vertretung gemeinsamer Anliegen” zu beraten. s. Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung , J. BÄUMERT u.a. (Hg.): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Überarb. und erw. Neuausgabe Reinbek bei Hamburg 1994. S. 81 ff.
[47] vgl. ZILIEN, S. 285 und ROHLFES, J.: Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik 1953 bis 1969. In: Bergmann/ Schneider 1982. S. 397.
[48] MEYERS, S. 50 ff.
[49] Das 1951 erlassene 131er Gesetz regelte die Vorgaben von Art. 131 GG. Es bezog sich auf die Rechtsverhältnisse des von der Entnazifizierung betroffenen Personenkreises und verfügte, daß Beamte, die noch nicht in Pension gegangen waren, bis auf wenige Ausnahmen wieder in den öffentlichen Dienst übernommen werden mußten. ZILIEN, S. 232.
[50] ZILIEN, S. 232 ff.
[51] ZILIEN, S. 231 f.
[52] SCHULZE, H.: Die „Deutsche Katastrophe” erklären. Von Nutzen und Nachteil historischer Erklärungsmodelle. In: D. Diner (Hg.): Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt a. M. 1987. S. 89.
[53] vgl. MAYER, S. 357 f.
[54] ZILIEN, S. 235 f.
[55] Der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen” war 1953 als Expertengremium mit Beratungsfunktion für die KMK gegründet worden. Er stellte einen Kompromiß zwischen dem Bundesinnenministerium, das eine Vereinheitlichung des Bildungswesens anstrebte, und den dagegen protestierenden Ländern dar. Die Empfehlungen des Ausschusses stießen jedoch eher bei der pädagogisch interessierten Öffentlichkeit als bei der Politik auf Interesse. 1965 wurde der Ausschuß aufgelöst. s. BÄUMERT, S. 87 f. und GAGEL, S. 78.
[56] Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen zur politischen Bildung und Erziehung. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (GWU) 6.Jg./ 1955.
[57] MAYER, S. 355 ff.
[58] s. GAGEL, S. 83.
[59] Zur Entstehung jugendlich- rechtsextremer Subkulturen im gleichen Zeitraum s. DUDEK, P./ JASCHKE, G.: Jugend rechtsaußen. Analysen, Essays, Kritik. Bensheim 1982. S. 53-70.
[60] s. Begriffsdefinitionen zu Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus, Neonationalsozialismus und Neofaschismus in: NEUBACHER, F.: Jugend und Rechtsextremismus in Ostdeutschland vor und nach der Wende. Bonn 1994. S. 11-19.
[61] SCHOEPS, J.H.: Sepulcra hostium religiosa non sunt. Zerstörung und Schändung jüdischer Friedhöfe in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945. In: Ders./A. Silbermann (Hg.): Antisemitismus nach dem Holocaust. Bestandsaufnahme und Erscheinungsformen in deutschsprachigen Ländern. Köln 1986. S. 36 f.
[62] BERGMANN, W.: Antisemitismus in öffentlichen Konflikten. Kollektives Lernen in der politischen Kultur der Bundesrepublik 1949-1989. Frankfurt/ New York 1997. S. 141 f.
[63] Stellvertretend seien hier die Fälle Globke, Schröder und Oberländer erwähnt. Hans Globke, Staatssekretär im Kanzleramt, hatte 1935 die Nürnberger Gesetze mitkommentiert. Der Bundesminister des Innern Gerhard Schröder war seit 1933 Mitglied in der SA, seit 1937 in der NSDAP gewesen. Theodor Oberländer, der Vertriebenenminister, stand im Verdacht, in seiner Zeit als Offizier im Zweiten Weltkrieg an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Die SED bemühte sich ab 1957 erfolgreich, Fälle von „belasteten” Politikern oder Juristen an die westdeutsche Öffentlichkeit zu bringen. s. BERGMANN, W.: Antisemitismus als politisches Ereignis. Die antisemitische Welle im Winter 1959/ 60. In: Ders. / R. Erb (Hg.): Antisemitismus in der politischen Kultur nach 1945. Opladen 1990. S. 255 f.
[64] LEMKE, M.: Instrumentalisierter Antifaschismus und SED-Kampagnenpolitik im deutschen Sonderkonflikt 1960-1968. In: J. Danyel (Hg.): Die geteilte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten. Berlin 1995. und FREI, N.: NS-Vergangenheit unter Ulbricht und Adenauer. Gesichtspunkte einer „vergleichenden Bewältigungsforschung”. In: Danyel (Hg.) 1995.
[65] ZILIEN, S. 297.
[66] Die Frankfurter Rundschau titelt am 11.4.58 auf Seite 3: „Wie viele Zinds unterrichten noch an deutschen Schulen?”
[67] Johann Zilien spricht von 35 Schändungen jüdischer Friedhöfe zwischen 1947 und 1950 allein in Hessen. Julius Schoeps zitiert eine Analyse des Bundeskriminalamtes von 1966, die von mindestens 300 Schändungen jüdischer Friedhöfe für den Zeitraum von 1948 bis zum 1.4. 1966 ausgeht. ZILIEN, S. 294 und SCHOEPS, S. 33.
[68] s. BERGMANN 1997, S. 141 und PROSS, H.: Antisemitismus in der Bundesrepublik. In: Deutsche Rundschau 10/ 1956. S. 1073.
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