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Mehr InfosDiplomarbeit, 2002, 113 Seiten
Diplomarbeit
1,7
I Einleitung
II Theoretische und empirische Grundlagen
II.1 Struktureller Individualismus
II.2 Erklärungsmodelle zum Kauf ökologischer Produkte
II.2.1 Psychologische Modelle
II.2.1.1 Einstellungen
II.2.1.2 Wertekonzept
II.2.2 Soziologische Modelle
II.2.2.1 Lebensstiltheorie
II.2.2.2 Sozialisationstheorie
II.2.2.3 Diffusionstheorie
II.2.2.4 Rational- Choice-Theorie
II.2.3 Sonstige Erklärungsmodelle
II.3 Kundenprofile
II.4 Résumée
III Historischer Abriß des ökologischen Landbaus
III.1 Entstehung ökologischen Landbaus
III.1.1 Rudolf Steiners Anthroposophie
III.2 Der Wandel in verschiedene Wege
III.2.1 Fair Trade
III.3 Institutionen ökologischen Landbaus
III.4 Entwicklung ökologischen Landbaus in Zahlen
III.4.1 Entwicklung europäischen Öko-Landbaus
III.4.2 Entwicklung ökologischer Landwirtschaft in Deutschland
IV Der Markt für ökologische Produkte
IV.1 Absatzwege
IV.2 Marktvolumen
IV.2.1 Probleme der Datenbeschaffung
IV.2.2 Der internationale Öko-Markt
IV.2.3 Der deutsche Öko-Markt
V Die Untersuchung und die Ergebnisse
V.1 Forschungsaufbau
V.1.1 Auswahlverfahren
V.1.2 Erhebungsinstrument
V.1.3 Pretest
V.1.4 Erfahrungen mit dem Erhebungsinstrument
V.1.5 Vorgehensweise bei der Befragung
V.2 Hypothesen
V.3 Datenanalyse
V.3.1 Beteiligung an der Umfrage
V.3.2 Sozioökonomische Aspekte der Gesamtheit
V.3.3 Sozioökonomische Aspekte in den verschiedenen Läden
V.3.4 Résumée der sozioökonomischen Aspekte
V.3.5 Motivationen zum Kauf ökologischer Produkte
V.3.6 Prüfung der Hypothesen
VI Fazit
VII Bibliographie
VII.1 Quellen aus dem WWW
VII.2 Quellen auf Papier
VIII Anhang
Abb. 1: Low-cost-Theorie
Abb. 2: Entwicklung des ökologischen Landbaus in der EU
Abb. 3: Entwicklung der AGÖL-Betriebe
Abb. 4: Marktanteile der Vertriebsformen
Abb. 5: Umsatzvolumen in ausgewählten Regionen
Abb. 6: Umsatzzuwachs der Naturkostfachgeschäfte
Abb. 7: Anzahl Erwachsene pro Haushalt nach Befragungsort
Abb. 8: Grad der Schulbildung nach Befragungsort
Abb. 9: Kaufmotivationen
Abb. 10: Anzahl egoistischer Motivationen
Abb. 11: Anzahl altruistischer Motivationen
Abb. 12: Heuristik
Abb. 13: Erweiterte Heuristik
Abb. 14: Erweitertes Modell der Low-Cost-Theorie
Tab. 1: Altersaufbau der Kunden (BNN)
Tab. 2: Grad der Schulbildung der Kunden (BNN)
Tab. 3: Berufsgruppen der Kunden (BNN)
Tab. 4: Monatliches Netto-Einkommen der Haushalte (BNN)
Tab. 5: Kennzeichen der ökologischen Landbausysteme
Tab. 6: Weltweite Anbaufläche nach Kontinenten
Tab. 7: Entwicklung des ökologischen Landbaus in Deutschland
Tab. 8: Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft nach Bundesländern
Tab. 9: Interviews nach Befragungsorten
Tab. 10: Anzahl Erwachsene und Kinder pro Haushalt
Tab. 11: Berufsgruppen
Tab. 12: Vergleich der Berufsgruppen
Tab. 13: Monatliches Haushaltsnettoeinkommen
Tab. 14: Grad der Schulbildung
Tab. 15: Altersaufbau im Vergleich
Tab. 16: Altersaufbau der befragten Gesamtheit
Tab. 17: Durchschnittsalter nach Befragungsort
Tab. 18: Einkommensverteilung nach Befragungsort
Tab. 19: Kaufmotivationen der „Eisbrecherfrage“
Tab. 20: Anzahl egoistischer/altruistischer Motive nach Befragungsort
Tab. 21: Index „awareness of consequences“
Tab. 22: Grad der Schulbildung der Probanden
Tab. 23: Häufigkeit des Inglehart-Index
Tab. 24: Motivation „BSE/MKS“/Beurteilung konventioneller Landwirtschaft
Tab. 25: Motivation „Öko-Unterstützung“/Beurteilung konventioneller Landwirtschaft
Tab. 26: Rangvarianzanalyse „Konventionell war falsch“ /Umweltbewusstsein
Tab. 27: Fünf Hauptmotivationen nach Befragungsort
Tab. 28: Rangvarianzanalyse der Kaufmotivationen/Befragungsort
Tab. 29: Postmaterialismus; Umweltbewusstsein; aoc/Befragungsort
Tab. 30: Motivationen „Neugier“/„gesundheitlich zwingend“
Tab. 31: Umweltbewusstsein/altruistische Motive
Tab. 32: Komponenten des Umweltbewusstseins nach Erhebung
Tab. 33: Umweltbewusstsein/Postmaterialismus
Dass es nicht „Wurst“ ist, wie Tiere gehalten werden, wurde der deutschen Öffentlichkeit nach dem 24. November 2000 ins Bewusstsein gerückt, als die erste BSE-Erkrankung auftrat.
Kurze Zeit später verschärfte die Maul- und Klauenseuche (MKS) die Problematik der Lebensmittelskandale.
Als Folge wurde dem ökologischen Landbau in der Politik ein neuer Stellenwert zugeordnet. Es wurde und wird diskutiert, ob eine Eindämmung des extensiven Landbaus den Problemen der Tierseuchen evtl. vorbeugen könnte. Statt dessen solle die ökologische Agrarwirtschaft weiter ausgebaut werden.
Im Zuge der politischen Diskussion wurden auch Zahlen zu möglichen zukünftigen Marktanteilen von Produkten aus ökologischem Landbau genannt, die sich zwischen 10% und 20% bewegten (zum Vergleich: 1999 wird der Marktanteil auf ca. 3,2% geschätzt).
Manche Untersuchungen sehen das Problem einer Erweiterung des Absatzes von biologischen Produkten allerdings darin, dass seitens der Konsumenten an Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Hersteller gezweifelt wird.
Den Markt ökologisch erzeugter Produkte in ausgewählten Gebieten zu analysieren ist Anliegen dieser Arbeit. Sie ist u.a. das Ergebnis einer Umfrage, die im Juni 2001 im Nürnberger Raum unter Bio-Kunden durchgeführt wurde.
Dabei wurde der Frage nachgegangen, warum Konsumenten von ökologischen Produkten sich zu deren Kauf entschlossen haben und wer diese Nachfrager sind.
Wo liegen ihre Motivationen? Sind verschiedene Kundengruppen unterscheidbar? Welche Bedeutung messen sie dem ökologischen Handel und der Umwelt bei? Welche Position nehmen sie hinsichtlich der konventionellen Landwirtschaft ein, usw.?.
Somit dienen die Ergebnisse dieser Untersuchung weniger als Anleitung für Marketingexperten, wie diese den Absatzmarkt erweitern können, denn zur besseren Identifikation einer relativ unbekannten Kundschaft. Ebenso besteht die Hoffnung, einen Beitrag zur Sensibilisierung gegenüber dem Thema Öko-Produkte/ökologische Landwirtschaft leisten zu können.
Die theoretischen Grundlagen meiner Analyse werde ich in Kapitel II darlegen. Außerdem stelle ich empirische Erkenntnisse über die Kundenprofile vor.
Die Struktur des ökologischen Marktes hängt eng mit der Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft zusammen. Damit diese Studie einen umfassenden Einblick gewährleisten kann, präsentiere ich in Kapitel III die Geschichte ökologischen Landbaus in einem Abriss. Im vierten Abschnitt wird ein Blick auf das Marktvolumen biologischer Produkte geworfen.
Im Anschluss erkläre ich in Kapitel V das Vorgehen bei der Untersuchung und entwickle die Forschungshypothesen. Die Erkenntnisse, die aus der Diplomarbeit gezogen werden konnten, reihen sich daran an.
Das Fazit fasst die Ergebnisse noch einmal zusammen und gibt Vorschläge für folgende Untersuchungen.
Der Fragebogen, der dieser Untersuchung zugrunde liegt, ist im Anhang zu finden.
Anmerkung: Sprachgebrauch
„Bio“ – „Öko“ – „alternativer Anbau“ – es gibt viele Begriffe, mit denen im Alltag bei diesem Themenbereich ein und dieselbe Sache gemeint ist.
Manche Produktwerbung lehnt sich zwar begrifflich an diese Wortwahl an (kontrollierter Anbau o.ä.), bezeichnet damit aber „Pseudo-Bio-Produkte“, deren Herstellungsweise nicht den Richtlinien für ökologische erzeugte Ware entspricht.
In der Landwirtschaft stehen die verschiedenen Adjektive dagegen für unterschiedliche Bewirtschaftungsarten, die trotzdem einen gemeinsamen Hintergrund kennen.
Der Überblick über biologische/ökologische Produkte und ihre Herstellungsweise wurde kürzlich durch ein einheitliches staatliches Gütesiegel erleichtert, das festlegt, was unter ökologischem Anbau verstanden werden soll.[1] „Nur Erzeuger und Hersteller, die der EG-Öko-Verordnung gerecht werden und sich der vorgeschriebenen Kontrolle unterziehen, dürfen ihre Produkte als Bio- oder Ökoware verkaufen“ (www.bio-siegel.de/biosiegel/advantages-49.htm am 20.02.2002).
In meiner Arbeit sollen die Bezeichnungen Bio/biologisch – Öko/ökologisch etc. wie im üblichen Sprachgebrauch synonym gelten. Gemeint sind damit Produkte bzw. Produktionsweisen, die den Grundgedanken des naturnahen Lebens als Priorität berücksichtigen.
Im Folgenden will ich den strukturell-individualistischen Ansatz, der meiner Arbeit zugrunde liegt, vorstellen. Den Stand der theoretischen und empirischen Forschung zum Konsumentenverhalten werde ich anschließend im Überblick präsentieren. Die vorzustellenden Ergebnisse sind von mir für die Zwecke meiner Arbeit selektiert und wollen nicht den gesamten Erkenntnisstand zu diesem Forschungsfeld abdecken.
Häufig beschäftigen sich die bisherigen Studien zur Kundschaft ökologischer Ware lediglich mit dem Bedürfnisfeld Ernährung.[2] Denn Nahrungsmittel stellen den Großteil des Bio-Sortiments dar. Auf biologischer Basis werden aber nicht nur Lebensmittel erzeugt, sondern auch Kosmetika, Kleidung, Reinigungsmittel, Kerzen, u.v.m.[3] Meine Umfrage schließt die Käufer von solchen Produkten mit ein.
Die Erkenntnisse, die anhand empirischer Untersuchungen zu ökologischen Nahrungsmitteln gewonnen worden sind, werde ich im Folgenden trotzdem heranziehen, um den „Öko-Kauf“ im Allgemeinen zu erklären. Denn die Studien wurden auch im Kontext ökologischen Bewusstseins bzw. ökologischen Handelns geführt.
Menschliches Handeln wird nach dem Ansatz des strukturellen Individualismus möglichst ganzheitlich erfasst. D.h. es wird auf der einen Seite das individuelle Handeln mit seinen (prinzipiell) unendlich vielen Manifestationen in Rechnung gestellt. Ebenso werden aber auch Strukturen berücksichtigt, die als Rahmenbedingungen einen mehr oder minder großen Einfluß auf das Handeln nehmen.
Menschliches Handeln wird im strukturell-individualistischen Ansatz auf vier Ebenen reduziert, die zur Erklärung herangezogen werden:
- personale Ebene
- situative Ebene
- institutionelle Ebene
- kulturelle Ebene
Die personale Ebene bezieht sich auf die Person, den Akteur, der das Handeln ausführt. Hier kommen individuelle Präferenzen, Wertehierarchien, Einstellungen, Erfahrungen u.ä. zum Tragen, also die persönlichkeitsspezifischen Faktoren.
Menschliches Handeln wird aber auch stark von den jeweiligen Gegebenheiten der Situation beeinflusst. Dies bezeichnet die situative Ebene. Handlungsalternativen, die sich spontan ergeben oder wegfallen, ändern das Vorhaben eines Menschen und damit u.U. sein Handeln.[4] Auch das Handeln Dritter wird auf dieser Ebene erfasst.
Die institutionelle Ebene stellt darauf ab, dass Aktivitäten institutionalisiert sind, d.h. nach feststehenden Formen erfolgen. Zu diesen Institutionen zählen sowohl das Recht als auch soziale Normen, kurz die Regeln für menschliches Handeln.
Die kulturelle Ebene versucht in Rechnung zu stellen, dass es „Weltanschauungen und Weltbilder, [...] sozialmoralische Leitideen“ (Büschges/Abraham/Funk 1998:60f) gibt, einschließlich Sprache, Wissen, Wirtschaft, Technik u.a., die ebenso eine Art Rahmenbedingung für mögliches Handeln darstellen.
Zu beachten ist, dass die genannten Ebenen gerade nicht als sich gegenseitig ausschließend zu sehen sind, d.h. die kulturelle Ebene beeinflusst sowohl die institutionelle Dimension, als wie auch die personale oder situative. Ebenso beeinflusst auch das Handeln der Individuen neben der Situation die Institutionen und Kultur.
Hartmut Essers Kurzbeschreibung dieses Ansatzes lautet: „Konstitution von oben, Emergenz von unten.“[5]
Anders ausgedrückt kommt im strukturellen Individualismus der Gedanke eines Entscheidungsspielraums zum Tragen. Handlungen eines Akteurs erfolgen nach dieser Vorstellung gemäß seinen individuellen Entscheidungen, die aber in einem gewissen (variablen) Spielraum getroffen werden.
Dabei kann das Ausmaß des Entscheidungsspielraums sowohl endogene als auch exogene Ursachen haben. Unter einer endogenen Ursache kann man sich bspw. das Gewohnheitsverhalten des Individuums vorstellen (seine psychischen Charakteristika). Als exogene Ursache kann man z.B. das Warenangebot/die Vorschriften der Etikette o.ä. ansehen, allgemein gesagt eine irgendwie vorgegebene Struktur.
Somit versucht der Strukturindividualismus, alle möglichen Einflussfaktoren für menschliches Handeln zu berücksichtigen und unterstreicht ihr dynamisches Zusammenspiel. Verschiedenes Handeln unterliegt verschiedenen Bedingungen. Damit wird von einem vordefinierten Ausmaß der Einflussnahme der vier Ebenen bewusst abgesehen.
Dieser Ansatz erlaubt es trotzdem, von Ähnlichkeiten auszugehen. Insbesondere auf der personalen Ebene wird eine Typenbildung als möglich angesehen. Menschen legen also gewisse „Verhaltensregelmäßigkeiten“ aufgrund der „Konstanz der menschlichen Natur“ (Büschges/Abraham/Funk 1998:84) zutage.
In der theoretischen Forschung existieren verschiedene Ansätze, die umweltbezogenes Handeln und somit auch das Kaufverhalten erklären wollen. Sie werden aus unterschiedlichen Disziplinen geliefert.
Begründungen können auf der personalen Ebene gesucht werden. Theorien und Erkenntnisse dazu entstammen der psychologischen Forschung. Ich werde das Einstellungs- und das Wertekonzept kurz beleuchten.
Es wird auch versucht, Erklärungen beizusteuern, die sich auf gesellschaftliche Vorgänge beziehen. Die dafür zuständige Disziplin ist die Soziologie. Aufbauend auf den Theorien über Einstellungen und Werte stelle ich das Lebensstilkonzept vor. Zusätzlich erscheinen mir die Sozialisationstheorie und die Diffusionstheorie von Bedeutung.
Fasst man ökologisches Handeln als Entscheidung zwischen Alternativen auf, so stellt der Rational-Choice-Ansatz Möglichkeiten bereit, diese Entscheidung zu erklären. Diese Methode stammt aus der Ökonomie, findet aber häufig auch in der Soziologie Anwendung.
Eine mögliche Begründung für den Kauf von Öko-Produkten wird in den Einstellungen der Kunden gesehen. Dieses hypothetische Konstrukt der Einstellung hat in der Literatur bisher noch keine einheitliche Definition.[6] Die Definition von Thurstone ist aber weitestgehend anerkannt. Er schreibt: „Eine Einstellung ist der Grad der positiven oder negativen Empfindung, die an einen beliebigen psychologischen Gegenstand geknüpft ist (zitiert nach Fricke 1996:33).“
Einstellungen weisen relative zeitliche Stabilität auf.
Sie werden häufig nach dem Drei-Komponenten-Modell konzipiert: affektive, kognitive und konative Aspekte spielen eine Rolle. Das bedeutet, dass sich Einstellungen auf die Gefühle, das Denken und das Handeln auswirken.
Über das Ausmaß der Verhaltensrelevanz von Einstellungen herrscht allerdings Uneinigkeit.
In der Umweltforschung wird im Zuge dieser Diskussion darauf aufmerksam gemacht, dass indirekte Einflüsse (der Komponenten) von Einstellungen nicht zu vernachlässigen sind. Diekmann und Franzen (1996) weisen bspw. neben dem direkten Effekt des „Umweltwissens“ auf das „Umweltverhalten“ einen bedeutenden indirekten Effekt des „Umweltwissens“ über den Umweg des „Umweltbewusstseins“ (als Einstellung zur Umwelt) nach.
Die Bedeutung von Einstellungen hinsichtlich des Verhaltens sollte also nicht unterschätzt werden.
Wie in der Darstellung des Rational-Choice-Ansatzes weiter unten deutlich wird, besteht die Annahme, dass Einstellungen gerade im Fall von gewissen Nutzensituation verhaltensrelevant sind.
Nicht nur die Einstellung gegenüber einem Objekt selbst kann aber bedeutsam für das Handeln sein, sondern auch die Einstellung zu alternativen Möglichkeiten. Eine negative Einstellung zu konventioneller Landwirtschaft, zu herkömmlich produzierter Ware aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Qualität, Lebensmittelskandale und resultierendes Misstrauen kommen als Kaufgründe für Bio-Produkte in Frage.[7]
Im Zuge von BSE und MKS wurden negative Einschätzungen von den Medien zusätzlich immer wieder publik gemacht und haben u.E. entsprechende kritische Haltungen unterstützt.
Nach Weinberg (1981:53f) können Ereignisse wie die Lebensmittelkrisen Auslöser für „extensive Kaufentscheidungen“ sein. Das bedeutet u.a., dass der Konsument intensive Informationssuche bei der Produktwahl betreibt, dass er bereit ist, sich von Gewohnheiten zu lösen und u.U. seine Wahl auf alternative Güter fallen lässt.[8]
Eng verbunden mit dem Konzept der Einstellung zeigt sich das psychologische Konstrukt der Werte.[9] Sie werden jedoch als zeitlich stabiler angesehen. Außerdem wird ihr globalerer Charakter betont. Einstellungen gelten somit als spezifischer und quasi eingebettet in das Wertesystem, das eine „Konzeption des Wünschenswerten“ (Fricke 1996:40) darstellt.[10]
Von Öko-Käufern werden häufig Werte wie Gesundheit, Geschmack, Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, Umweltschutz, hohe Qualität und ein gutes Heranwachsen der Kinder als Kaufmotivation genannt.[11]
Bei der Erfassung und Nennung von Kaufgründen für ökologische Produkte trennen die meisten Studien allerdings nicht so scharf zwischen Werten und Einstellungen, wie die Psychologie es verlangt. In der Tat sind die Verwandtschaften teilweise sehr nah. So kann „guter Geschmack“ sowohl Einstellung als auch Wert sein. Denn der gute Geschmack kann dem Öko-Lebensmittel objektbezogen zugerechnet werden oder allgemein für die Person von Bedeutung sein.
Es ist möglich, Werte in egoistische und altruistische zu unterteilen. Nach Angaben von Experten kommt es beim effektiven ökologischen Handeln meist zu „Allianzen“, d.h. beide Arten von Werten spielen bei der Kaufentscheidung eine Rolle.[12]
Werte unterliegen ferner einem Wandel. Der Wandel in westlichen Industriegesellschaften wird unter der Entwicklung zum Postmaterialismus verstanden.[13] Neue, postmaterialistische Werte haben in dieser Betrachtungsweise anstatt materieller Werte im Laufe der Zeit an Bedeutung gewonnen.
Nachdem materialistische Bedürfnisse (z.B. Hunger, Sicherheit, Wärme) in der Entwicklung der Gesellschaften zunehmend befriedigt werden konnten, traten postmaterialistische Bedürfnisse auf (Selbstverwirklichung, Gemeinschaft).
Werte gelten dabei als angeknüpft an die Bedürfnisse und haben sich dementsprechend verlagert. Der Wertewandel findet sowohl individuell als auch gesellschaftlich-kulturell seinen Niederschlag.
Viele Aspekte ökologischer Landwirtschaft und ökologischer Produkte können eher postmaterialistischen als materialistischen Werten zugeordnet werden (Nachhaltige Entwicklung, Boden- und Wasserverschmutzung, gesunde Ernährung, etc).
Auch das Statistische Bundesamt hält fest, dass 48% der Postmaterialisten Umweltschutz „für ihr persönliches Wohlbefinden sehr wichtig“ (Datenreport des Statistischen Bundesamtes 1999:542) finden, wohingegen nur 38% der Materialisten dieser Behauptung zustimmen.
Windhorst (1985:100) erfasst den Wertewandel, wenn er eine „starke Veränderung“ zwischen den Generationen bzgl. des umwelt- und gesundheitsbewussten Lebens konstatiert, was auf eine veränderte Wertehierarchie zurückführbar ist.
Herker (1993:145) fand heraus, dass die Deutschen im Vergleich mit den Nationen Frankreich, England und Spanien den globalen umweltbezogenen Werten am meisten Bedeutung beimessen.
In einem weltweiten Vergleich des Gewichts, das die nationalen Bevölkerungen ökologischen Fragen beimessen, bestätigt sich dieses Bild.[14] Die Antworten der deutschen Bevölkerung ergeben, dass derartige Fragen nirgendwo ernster als in der BRD genommen werden. Hier wird die kulturelle Verankerung von ökologischen Werten deutlich, wie sie der strukturell-individualistische Ansatz konzipiert.
Allerdings sind auch Werte keine hinreichende Begründung für das jeweilige Handeln. Bspw. geben 50% der Deutschen an, Gesundheit spiele eine große Rolle beim Einkauf der Lebensmittel.[15] Diese Personen sind zudem imstande, die Kriterien für gesunde Ernährung, die auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) aufstellt, zu nennen. Trotzdem weicht ihr tatsächlicher Konsum von den Empfehlungen des DGE ab.[16]
Windhorst (1985:149) gelangt bzgl. der Verhaltensrelevanz von Werten zu der Erkenntnis, dass auch Umweltorientierung eher ein „Lippenbekenntnis“ sei.
Man könnte hier auch vom „langen Weg vom Kopf zur Hand“ sprechen.
Um diesen „langen Weg“ besser erklären zu können, konzipiert Herker (1993) die „awareness of consequences“, das „Bewusstsein/Bewusstmachen der Konsequenzen“.
Gemeint ist damit, inwiefern die Folgen des eigenen Handelns dem jeweiligen Menschen klar sind.
Denn dass bspw. eine nachhaltige und umweltfreundliche Bewirtschaftung des Bodens (Umweltschutz) durch den Kauf ökologischer Produkte unterstützt wird, muss dem Einzelnen u.U. erst ins Bewusstsein gerückt werden. Prinzipielle Werte werden eben wie erwähnt nicht notwendigerweise in entsprechende Handlungen umgesetzt.
Herker (1993) deutet einen Zusammenhang der „awareness“ mit dem Bildungsstand heraus. Er macht auch darauf aufmerksam, dass das bestehende Wissen über ein Themengebiet bedeutend für die potentiell mögliche Folgenabschätzung ist. Mit mehr Wissen/höherer Bildung ist es eher möglich, sich die Konsequenzen des Handelns „gewahr“ (to be aware) zu machen.
Verwiesen sei hier ebenfalls auf die Konzepte der limitierten/habitualisierten Kaufentscheidung, die Weinberg (1981) den extensiven Kaufentscheidungen gegenüberstellt. Nach dieser Idee erfolgen Kaufhandlungen unter gewissen Bedingungen auch einfach „routinemäßig“.
Eine konkrete Umsetzung globaler Werte in jeder einzelnen Handlung wird also nicht immer angestrebt. Dies kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein. Häufig wird Komplexitätsreduzierung genannt, die mit einer kognitiven Entlastung einhergeht.
Die Analyse menschlichen Verhaltens aufgrund von Lebensstilen greift auf die Entwürfe von Einstellungen und Werten zurück, wie sie oben dargestellt wurden.
Verschiedene Werte/Einstellungen führen zur Herausbildung verschiedener Lebensstile.[17] Diese haben als Konzept in der Soziologie seit den 80er Jahren an Bedeutung gewonnen. Zu beachten ist, dass keine vollständige Entkopplung von Lebensstil und sozialer Lage stattfindet.[18] Der Lebensstil hängt verständlicherweise von den zugrundeliegenden Möglichkeiten ab. Es darf aber nicht umgekehrt von der sozialen Lage auf den Lebensstil geschlossen werden.
Auch die Qualität der Lebenssituation hat Einfluss auf den Lebensstil.
Bei Autoren, die im Bereich der Umweltsoziologie tätig sind, findet sich dementsprechend der Verweis auf die Bedeutung der Lebenssituation für das Umweltverhalten. Tanner und Foppa (1996:249) schreiben: „physikalische Stimuli [... sind ...] notwendige Determinanten“.
Gillwald (1983) unterstreicht diese Aussage in ihrer Studie über den Einfluss der Umweltqualität auf das Verhalten. Sie stellt „unterschiedliche Verhaltensformen“ bei „Menschen in ähnlicher Lebenslage, die in Gegenden mit unterschiedlicher Umweltqualität leben“ (Gillwald 1983:117) fest. Unterschiede in der erlebten Qualität der Umwelt können also zu unterschiedlichen Handlungsmustern führen. Dabei ist der qualitative Erlebnisunterschied in Bezug auf die Umwelt zwischen Stadt- und Landbewohnern evident.
Ökologisch bewusstes Handeln findet man trotz allem bei sehr verschiedenen Lebensstilen.[19]
Isoliert betrachtet sind auch sie also wenig zur Erklärung ökologischer Einkäufe geeignet.
Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Einkaufsorte, die ökologische Ware bereitstellen, unterschiedliche Kundschaft anziehen. Öko-Läden unterscheiden sich also hinsichtlich der life-style-Anhänger, die dort ihre Einkäufe erledigen.
Sozialisation bezeichnet „den Prozess, durch den ein Individuum in eine soziale Gruppe eingegliedert wird, indem es die in dieser Gruppe geltenden Normen [...], sowie die zur Kultur dieser Gruppe gehörenden Werte [...] erlernt und aufnimmt“ (Lautmann/Wienold/Rammstedt et al (Hrsg.) 1995:615).
„Zentral [...] ist der Sozialisationskontext der Familie“ (Büschges/Abraham/Funk 1998:63), aber es wirken auch andere Sozialisationsagenten wie die Schule, Freunde, Nachbarschaft, Vereine, etc.
Nach obigen Ausführungen ist bereits deutlich geworden, dass sich Werte wandeln. Die große Bedeutung von Werten in der Sozialisation lässt folgern, dass sich auch die Art der Sozialisation ändert. Das Bewusstsein wird durch eine unterschiedliche Wertehierarchie unterschiedlich geprägt, es werden unterschiedliche Normen und Werte internalisiert. Die „Verhaltensdispositionen von Individuen [stehen; R.Z.] in Abhängigkeit von ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Generationen ...“ (Büschges/Abraham/Funk 1998:67).
Fricke (1996) nimmt diesen Ansatz unter dem Begriff des Kohortenkonzepts in seine Studie explizit mit auf. In der Diskussion seiner Ergebnisse empfiehlt er eine Berücksichtigung der Generationen zur besseren Analyse des Kaufverhaltens (1996:288). Er zeigt, dass jüngere Generationen ein gestiegenes Misstrauen gegenüber Ware aus konventioneller Landwirtschaft aufweisen. Man könne „einen tendenziellen Anstieg des Gesundheitsbewusstseins“ (Fricke 1996:291) mit den Generationen feststellen.
Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass der Begriff der „lebenslangen Sozialisation“ die Idee vom Tisch räumt, die Prägung eines Individuums geschehe ausschließlich während einer Lebensperiode. Auch Alterseffekte kommen hier zum Tragen. Einsichten, Erkenntnisse sowie Notwendigkeiten, die sich mit dem Alter ergeben, spielen eine Rolle. Ebenso können veränderte Umweltbedingungen die Prägung eines Individuums beeinflussen.[20]
Der bereits erwähnte Einfluss von Medien bei der Meinungs- und Einstellungsbildung kommt in einem soziologischen Konzept zum Tragen, das Diffusionstheorie genannt wird. Es soll den Verbreitungsprozess von Produkten erklären.[21]
Maßgebend sind vier Aspekte[22]:
- Innovation
- Kommunikation
- soziales System
- Zeitablauf
Die Verbreitung eines neuerschienenen Produktes (Innovation) wird im zeitlichen Verlauf (Zeitablauf) durch die Weitergabe von Informationen (Kommunikation) innerhalb entsprechender Gruppierungen (soziales System) erklärt. Zufallskäufe können von der Theorie daher nicht erfasst werden.
Es ist offensichtlich, dass sowohl die Gruppengröße als auch die Art von Kommunikation ausschlaggebend für die Reichweite der Diffusion sind. Durch Werbung in Massenmedien werden deutlich mehr Menschen erreicht als nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda in „eingefleischten“ Kreisen. Je größer die Gruppe ist, desto weiter breiten sich Informationen in der selben Zeit aus, da mehr Menschen kommunizieren. Fricke hat zwischen den Jahren 1984 und 1994 eine Zunahme von mehr als 58% der Öko-Käufer festgestellt.[23] Das „soziale System der Öko-Käufer“ wächst also.
Insbesondere in Bezug auf die Diffusionstheorie macht es dabei Sinn, Öko-„Intensivkäufer“ und Öko-„Normalverbraucher“ zu unterscheiden, zwei Teilsysteme, die sich mit der Zeit entwickelt haben.[24]
Um diese Aufteilung besser begreifen zu können, ist ein kurzer historischer Exkurs angebracht:
Öko-Produkte existieren ca. seit der Jahrhundertwende. Ihr Markt blieb über lange Zeit sehr klein. Nur wenige Menschen interessierten sich für biologische Ware. Der Durchbruch auf größere Märkte fand erst in den 70er Jahren statt.
Eine auftretende Sensibilisierung gegenüber Umweltproblemen mag der Grund gewesen sein.
Zusätzlich sollte an dieser Stelle zwischen exogenen Stimuli (Werbung, Medien, etc.) und endogenen Stimuli (Einstellungen, Werte) unterschieden werden.
Intensivkäufer sind nach dieser Darstellung eher endogen stimuliert und mehr von personeller Kommunikation beeinflusst als Normalverbraucher. Diese werden eher durch die Medien erreicht, haben später am Diffusionsprozess teil und kaufen nicht so regelmäßig. Dabei sind Übergänge zwischen den beiden Systemen nicht ausgeschlossen.
Während durch interpersonelle Kommunikation der Zuwachs im Öko-Markt also lange Zeit gering blieb, kamen durch Skandale und Massenkommunikation verschiedenste „Nachzügler“ (die „Normalverbraucher“) mit den Jahren hinzu.
Das nähere Umfeld der Kunden wurde mir im Gespräch auch von Expertinnen der TU Berlin als wichtiger Einflussfaktor für den Bio-Kauf genannt. Die Kommunikation geschieht hier also im personalen Bereich.
In dem beeinflussenden Umfeld kann die „Öko-Akzeptanz“ unter dem Blickwinkel des strukturellen Individualismus zusätzlich als institutionalisiert angesehen werden.
Inwiefern Werbung für ökologische Produkte eine kaufbeeinflussende Rolle spielt, bleibt offen.
Die Rational-Choice-Theorie in ihrer engsten Form fasst den Mensch als Homo öconomicus auf, der in seinem Handeln und seinen Entscheidungen stets darauf bedacht ist, mit minimalem Einsatz maximalen Nutzen zu erreichen. Sein Ziel ist es, das Eigeninteresse bei seinen Entscheidungen weitestgehend zu verwirklichen. Zu diesem Zweck bedient er sich der Entscheidungsregeln des eben erwähnten Minimax-Prinzips.
Versteht man die Theorie allerdings unter einem erweiterten Blickwinkel, nämlich allgemein dem Entscheiden zwischen Alternativen nach Entscheidungsregeln, dann wird schnell deutlich, dass neben „harten“ Faktoren auch „weiche“ in Betracht gezogen werden können. Ein verständlicherer Name für diese Herangehensweise wäre „Entscheidungstheorie“.[25] Es sind nicht nur monetarisierbare Aspekte, die die Entscheidungen lenken, sondern auch Empfindungen, Moral, Prestige, etc.
Diekmann (1996:95) spricht vom psychischen Nutzen. Er arbeitet heraus, dass eine Analyse umweltbewussten Verhaltens mit Hilfe der Rational-Choice-Theorie schnell an ihre Grenzen stößt, wenn dem Faktor Umweltbewusstsein nicht gesondert Rechnung getragen wird (1996:101ff). Er hält außerdem fest, „dass moralische Überzeugungen in maximalem Maße handlungsbestimmend sind, wenn näherungsweise Indifferenz zwischen den Alternativen vorliegt“ (1996:111).
Hier sehen viele Autoren den umweltpolitischen Ansatzpunkt gegeben. Das vorhandene Umweltbewusstsein in der Gesellschaft wird in sogenannten Low-Cost-Situationen viel wahrscheinlicher in die Tat umgesetzt.
Das folgende Diagramm verdeutlicht diese Aussage:
Abb. 1: Low-cost-Theorie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Preisendörfer 1999:84
Sind die Kosten des ökologischen Handelns niedrig, ist der Einfluss des Umweltbewusstseins auf das Handeln stark. Wenn allerdings hohe Kosten für ökologisches Handeln entstehen, verliert das Umweltbewusstsein an verhaltensrelevantem Einfluss.
Nach dieser Theorie wären für den Kauf von Öko-Produkten moralische Überzeugungen wie das Bewusstsein für die Belange der Umwelt in geringem Maße handlungsbestimmend. Denn sie weichen in Erhältlichkeit und Preis deutlich von konventionellen Produkten ab, stellen also keine Low-Cost-Situation dar.
Abweichend von den vorgestellten Modellen sind weniger komplex strukturierte Hintergründe denkbar, die den Öko-Kauf erklären können.
Zwingende gesundheitliche Gründe, bspw. Allergien können ausschlaggebend dafür sein, die Wahl beim Kauf auf ein ökologisches Produkt fallen zu lassen. Körperliche Überreaktionen auf die Rückstände der chemischen Behandlung von konventionellen Lebensmitteln lassen den betroffenen Menschen keine andere Wahl als auf „natürlich“ hergestellte Ware zurückzugreifen.
Die Gründe können sogar noch simpler gelagert sein. Allein die Erhältlichkeit kann ausschlaggebend sein, vor allem für ältere Menschen. So geben 25% der 51 Jahre oder älteren Leute an, Öko zu kaufen, weil es ihnen angeboten wird (ZMP 2001:27).
Die Kehrseite der Überlegung bedeutet als triviale Erkenntnis, dass weniger wahrscheinlich Bio gekauft wird, wenn die Möglichkeit gar nicht gegeben ist.
Bei einer bloßen Betrachtung der Preislage ökologischer Produkte wird zusätzlich klar, dass der Geldbeutel zweifelsfrei eine Rolle spielt.
Empirische Erkenntnisse über das Einkommen und andere sozioökonomische Daten der Kunden werden im folgenden Kapitel dargestellt.
Um einen Überblick über die sozioökonomischen Aspekte der Öko-Käuferschaft gewinnen zu können, stelle ich die Ergebnisse einer Studie des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren Grosshandel e.V.(BNN) von 1999 vor, die mit Kunden von Naturkostgeschäften durchgeführt wurde:
Tab. 1: Altersaufbau der Kunden (BNN)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BNN 1999:17
Die Altersgruppe 31-50 Jahre ist überproportional belegt. Hingegen waren nur sehr wenige der befragten Kunden unter 20 Jahren (0,7%).
Tab. 2: Grad der Schulbildung der Kunden (BNN)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BNN 1999:19
Auffallend ist der große Anteil von Personen mit höherer Bildung unter den Bio-Kunden. Nur 5,7% der Personen, die Öko kaufen, haben Hauptschulabschluss. Ihnen stehen 57% in der Bevölkerung der alten Bundesländer 1996 mit Hauptschulabschluss gegenüber.
Tab. 3: Berufsgruppen der Kunden (BNN)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[26]
Quelle: BNN 1999:20
In der Literatur zeigt sich bzgl. der Berufe stets das gleiche Bild.[27] Unter den Bio-Kunden befinden sich vornehmlich Angestellte (hier 35,8%). Hausfrauen (14,7%) und Studenten und Beamte (je 9,8%) machen einen weiteren großen Teil der Kundschaft aus.
Prozentual kaufen mehr Selbständige (15,2%) als in der Gesamtbevölkerung (9,9%) Öko. Die Sparte der Facharbeiter (BRD: 34,8%) ist unter Kunden der Naturkostfachgeschäfte (3,4%) aber stark unterproportional besetzt.
Tab. 4: Monatliches Netto-Einkommen der Haushalte (BNN)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BNN 1999:21
Ein Vergleich der Einkommensverteilung mit den Angaben über die Gesamtbevölkerung ist unangebracht, da unterschiedliche Klassen eingeteilt wurden.
Den Einkaufsmöglichkeiten „Naturkostladen“ und „Supermarkt“ werden typisierend zwei konträre Kundengruppen zugeordnet.[28] Diese Gruppen unterscheiden sich deutlich hinsichtlich Einkommen, Bildung, Vertrauen in Öko-Hersteller und Wissen über Öko-Produkte.
Im Naturkostladen weist die Kundschaft ein sehr heterogenes Einkommen auf. Die Probanden verfügen über einen hohen Bildungsgrad. Sie zeigen sich gegenüber der Öko-Bewegung kritisch und vertrauen nicht aufgrund eines Gütesiegels allein auf eine „wirklich“ ökologische Produktionsweise.
Im Supermarkt, der biologische Produkte führt, verfügen deren Käufer über ein unterdurchschnittliches Einkommen. Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen sind überrepräsentiert. Sie schenken den Qualitätszeichen und den Herstellernamen ihr Vertrauen hinsichtlich der nachhaltigen Bewirtschaftungsweise.
Auch in anderen Erhebungen werden Unterschiede zwischen den Käuferschaften der verschiedenen Einkaufsstätten festgestellt. Die befragten Personen stellen unterschiedliche Ansprüche an den Ort ihres Einkaufs und haben unterschiedliche Erwartungen an das Einkaufserlebnis an sich.[29] Trotzdem will ich daran erinnern, dass man generell aber Mitglieder aller Lebensstile in den verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten trifft.
In vielen Untersuchungen wird die Frage „Warum werden Öko-Produkte gekauft?“ im Kontext der Vermarktung von Produkten gestellt. Meine Untersuchung bewegt sich eher im Rahmen der soziologischen Analyse und will herausfinden, welche Grundlagen in der Gesellschaft eine Entwicklung des ökologischen Marktes möglich machen.
In der Forschung werden die Motivationen der Käufer häufig durch Einstellungen und Werte erklärt. Zusätzlich werden soziostrukturelle Merkmale als erklärende Variablen herangezogen. Verschiedene „lifestyles“ führen zu unterschiedlichem Kaufverhalten.
Bildung scheint eine große Rolle zu spielen bei der Erklärung des Konsums. Sie nimmt auch auf die „awareness of consequences“ Einfluss, die bedeutsam ist bei der Umsetzung von Werten/Einstellungen in Taten.
Die Diffusionstheorie stellt die Bedeutung von Kommunikation in Zusammenhang mit der Verbreitung von Produkten heraus.
Zusätzlich werden mögliche sozialisationsbedingte Einflüsse auf die Werte, die Einstellungen und das Verhalten in der Theorie berücksichtigt. Zusammenfassend kann man dabei von einem „Wertewandel“ zwischen den Generationen sprechen.
Auch die möglichen Auswirkungen von Produktkenntnis, vorangegangenen Erfahrungen oder zwingenden Gründe werden bei der Erklärung des Kaufverhaltens modelliert.
Ich werde mit meinem Untersuchungsschwerpunkt der Einstellungsforschung folgen. Gerade im Lichte der Lebensmittelskandale halte ich es für interessant, umweltbezogenen Einstellungen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Insbesondere das Umweltbewusstsein mit seiner fraglichen Verhaltensrelevanz will ich in der Studie berücksichtigen.
Die Landwirtschaft als Lieferant und Quelle ökologisch erzeugter Güter nimmt unmittelbar Einfluss auf die Entwicklungsmöglichkeiten des sekundären und tertiären Wirtschaftssektors. Dadurch berührt sie, wenn auch indirekt, ebenso den Konsumenten. Unter diesem Blickwinkel scheint es sinnvoll, sie in eine Analyse des Marktes für ökologische Produkte einzubinden.
In diesem Kapitel werden sowohl die Ideengeschichte als auch die tatsächliche Entwicklung ökologischen Landbaus betrachtet. Von den Anfängen mit Rudolf Steiner bis zu den Absatzmengen ökologischer Produkte 1999 wird die Entwicklungsgeschichte an verschiedenen Stellen gestreift werden.
Im folgenden Abriss greife ich Aspekte des ökologischen Landbaus, die meiner Meinung nach für diese Arbeit von Bedeutung sind, heraus.
Ich will zusätzlich anmerken, dass die Menschheit vor Beginn der Industrialisierung ebenso eine Art „ökologischen Landbaus“ betrieben hat, wobei der Begriff mit seiner heutigen Verwendungsweise in diesem Kontext wenig Sinn ergibt. Zu Zeiten und an Orten, in denen die Herstellung synthetischer Stoffe nicht bekannt oder möglich ist (oder war), ist die Landwirtschaft sozusagen notgedrungen „ökologisch“.
Die Wortwahl „ökologischer Landbau“ ist hier also immer im Zusammenhang mit zivilisierten und industrialisierten Kulturen zu verstehen.
Der Vorschlag einer Definition von der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) in Zusammenarbeit mit der WHO (World Health Organization) Codex Alimentarius Commission liest sich wie folgt:
„Organic agriculture is a holistic production management system which promotes and enhances agro-ecosystem health, including biodiversity, biological cycles and soil biological activity. It emphasises the use of management practices in preference to the use of off-farm inputs (…) This is accomplished by using, where possible, agronomic, biological, and mechanical methods, as opposed to using synthetic materials, to fulfil any specific function within the system” (www.fao.org/ag/magazine/9901sp3.htm, S. 2 am 20.11.2000).
Diese weitestgehend offene Definition ist, wie später zu sehen sein wird, notwendig, denn der ökologische Landbau hat sich seit seiner Entstehung in verschiedene Richtungen weiterentwickelt.
In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts erlitt die Landwirtschaft eine Krise. Sie erstreckte sich auf ökologische, ökonomische und soziale Bereiche. Ein Grund dafür ist in der aufkommenden Intensivierung durch chemisch-technische Innovationen zu sehen. Zur selben Zeit entstanden zwei ökologische Landbausysteme[30]:
- der naturwissenschaftlich geprägte Natürliche Landbau mit dem lebensreformerischen Gedankengut einer natürlichen Lebensweise und
- die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise mit anthroposophischem Hintergrund.
Die Entstehung ökologischen Landbaus kann somit einerseits als Antwort auf die Probleme der Landwirtschaft der damaligen Zeit verstanden werden.
Im gleichen Zuge sind seine alternativen Arbeitsweisen aber auch unter dem Ziel der Veränderung des gesellschaftlichen Status Quo und der Suche nach einer natürlichen Lebensweise zu verstehen.
„Anthroposophie [ist die, R.Z.] von Rudolf Steiner begründete Lehre, wonach die Entwicklung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit zu einer fortschreitenden Wesensschau des Geistigen in Welt und Mensch führe“ (dtv-Lexikon 1992:214).
Knapp formuliert würde ich diese Philosophie so ausdrücken, dass der Mensch im Einklang mit sich selbst und der Umwelt leben soll. Dieser Grundgedanke wurde von Steiner auf alle Lebensbereiche übertragen. Damit entstand ein ganzheitlich alternatives Lebenskonzept. Seine Ideen haben eine Art esoterisch-okkulten Hintergrund, so auch die von ihm entwickelte Landwirtschaft.[31]
1923 gründet Steiner die „Anthroposophische Gesellschaft“, der eigentlich alle Einrichtungen, die die anthroposophische Ideenlehre verfolgen, angehören.
Neben landwirtschaftlichen Betrieben kennt man heute beispielsweise die „Waldorf-Schulen“ sowie vorschulische Einrichtungen, die sich auf Steiner berufen. Die Bewegungstherapie „Eurythmie“ fußt auf seinen Ideen, und zahlreiche Behindertenbetreuungseinrichtungen folgen seinen Vorschlägen.
Wie erwähnt findet man Rudolf Steiners Ideen heute noch in Betrieben mit biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise, hauptsächlich bekannt unter dem Namen Demeter.[32]
Auch der naturwissenschaftlich geprägte Natürliche Landbau entwickelte sich in den vergangenen acht Jahrzehnten fort und ließ zwei weitere Richtungen entstehen: Biologischen und Ökologischen Landbau.[33]
Der Organisch-Biologische Landbau aus den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts stellt eine weitere Form ökologischen Landbaus dar. Folglich kann man heute fünf Wege unterscheiden, ökologischen Landbau zu betreiben.
Die Kennzeichen der verschiedenen Richtungen verdeutlicht folgende Tabelle:
Tab. 5: Kennzeichen der ökologischen Landbausysteme
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vogt 2000:310f
[...]
[1] mehr dazu unter www.bio-siegel.de
[2] vgl. BNN (1999); ZMP (Hrsg.) (2001)
[3] Einen guten Eindruck über die Bio-Produktpalette kann man auf der Weltfachmesse für Naturkost und Naturwaren in Nürnberg, der BioFach (www.biofach.de) gewinnen. Lebensmittel bilden auch hier ohne Zweifel den größten Anteil.
[4] Büschges/Abraham/Funk sprechen hier von „... den vorliegenden Interaktionsbeziehungen, ihren Mustern und ihrer Ordnung …“, s.S.4
[5] Hartmut Esser in einer Laudatio am 14.12.2001 in Nürnberg. Das Phänomen der „Emergenz“ wird u.a. bei folgenden Autoren beleuchtet: Esser (1996); Maturana/Varela (1987); Willke (1985) Büschges/Abraham/Funk (1998:89) bezeichnen dieses Phänomen für die Sozialwissenschaften als „unbeabsichtigte Folgen absichtsgeleiteten menschlichen Handelns“.
[6] Einen Überblick verschafft Six (1980)
[7] vgl. ZMP (2001)
[8] Umweltskandale haben dem Bio-Markt stets zu mehr Kunden verholfen, vgl. Fricke 1996:197ff
[9] Zur Unterscheidung Wert - Einstellung siehe u.a. Balderjahn (1986)
[10] Eine profunde Studie von Werten und ihrer Verhaltensrelevanz liegt vor mit Windhorst (1985)
[11] vgl. auch ZMP (2001)
[12] Fricke (1996:165) benutzt die Bezeichnung „Motivbündel“
[13] siehe dazu Windhorst (1985), Inglehart (1977)
[14] vgl. Dunlap/Mertig (1996)
[15] vgl. Kutsch (1990:74)
[16] ebda.
[17] Die Abgrenzung von Lebensstilen unterliegt einer gewissen Beliebigkeit.
[18] vgl. Spellerberg (1996)
[19] vgl. www.n-bnn.de/text5.htm, am 17.12.2000
[20] vgl. Kap II.2.2.1 Lebensstiltheorie
[21] Eine Anleitung zu politischem Handeln, das der „Ausbreitung von umweltverantwortlichem Denken und Handeln“ dienlich ist findet sich bei Mosler (1996)
[22] In Anlehnung an Rogers (1983)
[23] Die gestellte Frage war: „Haben Sie [...] schon einmal Bio gekauft?“, vgl. Fricke, 1996:75
Dabei sind Verwechslungen von „Bio“ nicht ausgeschlossen. Denn Einkaufen auf dem Bauernhof wird von den Probanden teilweise als Bio angesehen, auch wenn der Landwirt nicht nach dieser Methode wirtschaftet. Ebenso sind sog. „Pseudo-Bio-Produkte“ evtl. nicht als solche erkannt worden, etc.
[24] vgl. Fricke 1996:216
[25] im Englischen finden sich Bezeichnungen wie „Decisions Theory“ oder „Theory of choice“
[26] Beschränkte Vergleichbarkeit, da die Angaben der Gesamtbevölkerung sich auf die erwerbstätige Bevölkerung beziehen.
[27] Vgl. andere Studien, wie dargestellt in BNN (1999:20)
[28] vgl. Meier-Ploeger 1997:12
[29] vgl. BNN 1999
[30] einzelne Initiativen finden sich bereits früher, so z.B. die 1893 gegründete „Vegetarische Obstbau-Kolonie bei Berlin“, die ebenso naturgemäßes Leben fördern wollte und der lebensreformerischen Bewegung dieser Zeit entsprang.
[31] “According to Steiner, the farm is a living being – an organism- which is also subject to non-material influences.” (http://207.254.125.150/country_reports/germany/default am 20.11.2000)
[32] Demeter ist die griechische Göttin des Erdsegens und der Fruchtbarkeit.
[33] Der von mir verwendete Oberbegriff „ökologischer Landbau“ ist nicht gleichzusetzen mit der Richtung „Ökologischer Landbau“.
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