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Mehr InfosDiplomarbeit, 2001, 76 Seiten
Diplomarbeit
2,0
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Problemstellung
Zielsetzung der Arbeit und Gang der Untersuchung
1 ECR-Grundtechniken und Basisstrategien
1.1 Was ist ECR?
1.2 ECR-Grundtechniken und Basisstrategien
1.2.1 Efficient Replenishment
1.2.2 Category Management
1.2.3 Efficient Assortment
1.2.4 Efficient Promotions
1.2.5 Efficient Product Introductions
1.2.6 Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFRÒ)
2 Harte Erfolgsfaktoren (ECR-Sekundärfaktoren)
2.1 Organisatorische Voraussetzungen
2.1.1 Die Notwendigkeit der prozessorientierten Unternehmensstruktur
2.1.2 Kooperation von Handel und Industrie
2.2 Informationstechnologie
2.2.1 Scanning
2.2.2 Data Warehouse
2.2.3 Electronic Data Interchange (EDI)
2.2.4 Die Rolle des XML-Standards
2.3 Neue Geschäftsmodelle des Electronic Business und deren effiziente Nutzung im Rahmen von ECR
2.3.1 Extranets
2.3.2 Elektronische Marktplätze
2.4 Activity Based Costing
2.5 Fachliche Qualifikation der Mitarbeiter
2.5.1 Die Unternehmensspitze
2.5.2 Übrige Mitarbeiter
3 Weiche Erfolgsfaktoren (ECR-Primärfaktoren)
3.1 Change Management
3.1.1 Wesen des Change Managements
3.1.2 Rollen im Change Management
3.1.3 Commitment und Leadership
3.2 Balanced Scorecard und ECR Scorecard
3.2.1 Die Balanced Scorecard
3.2.2 Die ECR Scorecard
4 Ergebnisse
Literaturverzeichnis
EIDESSTATTLICHE VERSICHERUNG
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Ertragslage in der deutschen Konsumg-terindustrie und besonders im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) lässt stark zu w-nschen -brig. Die Nettoumsatzrendite des Handels liegt bei durchschnittlich 1-2%, teilweise darunter. Die Industrie steht mit etwa 3% Umsatzrendite im internationalen Vergleich ebenfalls mäßig da. Das Geld sitzt bei den Verbrauchern, deren Realeinkommen stetig sinken, nicht mehr so locker, so dass in Westeuropa und dabei insbesondere in Deutschland ein stagnierendes oder sogar rückläufiges Umsatzwachstum im Konsumg-termarkt zu verzeichnen ist.
Das negative Konsumklima wird durch steigende Kosten noch verschärft. Der Verdrängungswettbewerb, entstanden durch zunehmende Konzentration in der Handelslandschaft, lässt dem LEH dagegen keinen Spielraum für Preiserhöhungen, was zur Folge hat, dass häufig mit Rationalisierungsmaßnahmen in Form von Personalabbau reagiert wird. Es kann sich nur behaupten, wer sich gegen die Konkurrenz durchsetzt. Es ist entsprechend noch mehr Konzentration und zunehmende Preisaggressivität zu beobachten. Seit dem Eintritt von Wal-Mart in den deutschen Markt ist daraus ein geradezu ruinöser Preiskampf geworden. Dieses weltweit größte Handelsunternehmen nimmt beim großflächigen Eintritt in neue Märkte bewusst Millionenverluste in Kauf, um Marktanteile zu gewinnen und durch mehr Nachfragemacht Lieferantenpreise zu drücken. Grundnahrungsmittel werden dabei teilweise unter Einstandspreis verkauft[1], was Wettbewerbsh-ter auf den Plan ruft.
Der zunehmende Einfluss der Discounter belegt die Bedeutung des Preisniveaus. Und doch kann das Preiskriterium nicht das einzig bedeutsame für die Kundenbindung sein. In Deutschland gehören die Verbraucher im europäischen Vergleich sogar zu den unzufriedensten, obwohl die Preise oftmals die niedrigsten sind[2]. Der Anteil der günstigen und qualitativ ordentlichen Handelsmarken nimmt stetig zu[3]. Diese Entwicklung ist auch im Nonfood-Bereich festzustellen. Dem steht bislang die Bildung „starker“ Marken der Hersteller als Strategie verminderter Austauschbarkeit gegenüber. Will meinen: Der Handel kann es sich nicht leisten, auf bestimmte Marken zu verzichten, weil deren Bedeutsamkeit für die Kunden seiner Geschäfte zu groß ist. Handel und Industrie agieren bislang mehr gegeneinander nach dem Motto „Dein Verlust ist mein Gewinn“ statt nach der Überzeugung „Dein Erfolg ist Voraussetzung für meinen Erfolg“.
Um den aus immer neuen gegenseitigen Forderungen und Zwängen entstehenden Konflikten zu entgehen, die Kundenorientierung zur Nebensache geraten lassen, ist Kooperation offensichtlich die einzig mögliche Lösung. Potenziale zur Kostensenkung im logistischen Prozess und zu einer effizienteren Käuferansprache sind ausreichend vorhanden: Die Industrie klagt über eine zu hohe Kapitalbindung aufgrund hoher Lagerbestände bei gleichzeitig schlechter Lieferquote. Dies führt zu verärgerten Kunden beim Handel, der „sein“ Produkt nicht vorfindet. Er wechselt daraufhin Einkaufsstätte und / oder Marke, nicht selten für immer. Um dem zu begegnen, wurde die Initiative Efficient Consumer Response (ECR) ins Leben gerufen. Bessere Kenntnis des Kunden und dadurch maximale Befriedigung seiner Bedürfnisse durch kooperative Gestaltung von jederzeit verfügbaren Sortimenten sind die Ziele, und das möglichst bei geringeren Kosten als bisher.
65% des Umsatzes wird mit Stammkunden realisiert, und eine Reduzierung einer Abwanderung derselben bewirkt eine signifikant höhere Steigerung des Gesamt-Kundenwerts[4]. Sowohl der Handel als auch die Industrie benötigen daher dringend mehr Effizienz und mehr Kundenloyalität. Loyale Kunden bringen mehr Profit, weil sie mehr und gleiche Produkte wiederholt am bevorzugten Ort kaufen und Werbung für das entsprechende Geschäft und das Herstellerunternehmen betreiben. Loyalität kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn es gelingt, dem Käufer neben dem eigentlichen Produkt, das er ja auch woanders kaufen könnte, auch einen Zusatznutzen anzubieten, der das eigene Angebot von dem der Konkurrenz abhebt. Daher müssen sich Handel und Industrie kooperativ über die Motive der gemeinsamen Kunden austauschen, statt unbedingte, nur scheinbare Souveränität zu demonstrieren. Darüber sind sich eigentlich fast alle Beteiligten im Klaren, aber bisher ist nur wenig dabei herausgekommen. Wie Erich Kästner bereits erkannte: „Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es!“
Seit Anfang der neunziger Jahre, als erste ECR-Projekte in den USA gestartet wurden, wundern sich offenbar immer wieder Unternehmen, welch große Herausforderung die Implementierung darstellt. Die große Euphorie ist verflogen, die Dynamik entwichen. Insbesondere Hersteller beklagen, dass die Aussicht auf Erreichung einer Win-Win-Situation nicht erf-llt wurde, weil der Handel realisierte Kostensenkungen eher als Argument für weitere Preisnachlass-Forderungen verwendete und gleichzeitig die Einsparpotenziale direkt an den Kunden weitergebe[5], und sich somit selbst immer wieder unter Zugzwang setzt. Konflikte ergeben sich also auch aus der Kooperation an sich.
Hauptgründe für das Scheitern der ECR-Kooperationen sind:
- falsche Interpretation der Initiative hauptsächlich als Kostensenkungs-instrumentarium statt als wachstums- und kundenorientierter, in der Unternehmenskultur und darüber hinaus fest zu verankernder Ansatz,
- mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen Handel und Industrie,
- ungleiche Verteilung erzielter Einsparungen und Investitionen
- fehlende, schlecht durchdachte und / oder obsolete informationstechnologische Infrastruktur bzw. die Unsicherheit über die Amortisation fortschrittlicher Systeme,
- die Vernachlässigung der Aufgabe, mit dem richtigen Management des Wandels alle Mitarbeiter vom Sinn der tiefgreifenden Veränderungen zu überzeugen und sie dafür zu gewinnen, stattdessen ausschließliche Einbeziehung von Führungskräften
- ungen-gende Veranschaulichung der Strategie und deren Verfolgung,
- Festklammern an funktional orientierten Unternehmensstrukturen und Blockade des Fortschritts durch zuviel Hierarchie,
- unzureichend qualifiziertes Personal bzw. Lernen nur aus Fehlern oder Zufall
- mangelndes Engagement der Geschäftsleitung,
- planloser Aktionismus ohne vorangehende Potenzialanalyse und
- (völlige) Unterschätzung des Gesamtaufwands.
All diese Dinge verhindern oftmals das Gelingen einer Transformation eines Unternehmens in ein vollständig auf den Kunden ausgerichtetes. Eine gute Idee ist wenig wert, wenn sie nicht gekonnt umgesetzt wird.
Übergeordnetes Ziel der Arbeit wird es sein, herauszukristallisieren, was die Erfolgsfaktoren für eine gelungene, unternehmensweite und - im idealen Fall - die ganze Versorgungskette umfassende Implementierung des ECR-Gedankens sind. Die meisten Initiativen scheiterten bisher nicht am Konzept, sondern an der Implementierung selbst. Diese Arbeit erhebt nicht den Anspruch, die erste ECR-Patentlösung anzubieten. Aber es soll herausgefunden werden, wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können, um zuk-nftig alle Aktivitäten am Kundennutzen auszurichten. Dabei stehen im Rahmen des Themas dieser Arbeit vorwiegend nicht die Basisstrategien des ECR-Konzeptes selbst, die im ersten Kapitel vorgestellt werden, sondern die organisatorischen, technischen, intellektuellen und zwischenmenschlichen Betätigungsfelder im Mittelpunkt der Betrachtungen. Am Ende soll klar sein, wie eine Organisation insgesamt funktionieren sollte, die in der Lage ist, den Kunden des Unternehmens flexibel und schnell eine optimale Antwort auf ihre Bedürfnisse zu liefern, mit welchen operativen und strategischen Werkzeugen sie heutzutage arbeiten sollte und wie sie ihre Mitarbeiter und deren Umfeld so entwickeln kann, dass diese nicht nur Garanten für vorübergehende, sondern beständige Wettbewerbsfähigkeit sind.
Im ersten Kapitel sollen zunächst ECR selbst sowie die ECR-Basisstrategien und Techniken in ihren Grundzügen vorgestellt werden, also Inhalt, Aufgaben, Absichten und Beziehungen einzelner Komponenten zueinander. Soweit dies zum besseren Gesamtverständnis beiträgt, werden beispielhaft einige typische Problemstellungen und Lösungsansätze angeführt. Ziel des Kapitels wird es sein, dem Leser zunächst eine Vorstellung zu vermitteln, die dem aktuellen Stand der Entwicklung entspricht.
Darauf folgt im zweiten Kapitel die Behandlung der so genannten „harten“ Faktoren, bestehend aus der für konsequente Kundenorientierung unerlässlicherweise zu ändernden Organisationsstruktur, leistungsfähigen Informationssystemen und den Mitarbeitern, die für die geänderten Anforderungen gewappnet sein müssen. Die moderne Informationstechnologie ist eine der wesentlichen Komponenten, die helfen kann, die Anzahl scheiternder ECR-Initiativen endlich bedeutend zu reduzieren. Es wird entgegen vieler bisheriger Publikationen zum Thema ECR die Hypothese aufgestellt, dass den „sekundären“ Faktoren besonders aufgrund j-ngerer technischer Entwicklungen doch wettbewerbsentscheidende und nicht nur -begünstigende Bedeutung zukommt. Dementsprechend wird diesem Thema eine schwerpunktmäßige Behandlung zukommen. Es ist herauszustellen, warum gerade heute eine einzigartige Chance besteht, sich mit Hilfe des Internets endlich effizient an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Es ist herauszufinden, ob sich eine Beteiligung an elektronischen Marktplätzen insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen lohnt, also ob sie ein echter Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Einsparpotenziale und bessere Kundenorientierung sein können, und wie es mit dem Return of Investment im E-Business aussieht. Im weiteren Verlauf von Kapitel zwei wird auf die Notwendigkeit einer guten Mitarbieterqualifikation als Wettbewerbsfaktor einzugehen sein. Daraus soll letztlich erkennbar werden, wie Mitarbeiterqualifizierung und Wettbewerbsvorsprünge in Form von besserem Kundenverständnis und Innovationspotenzial zueinander in Verbindung stehen.
Zielsetzung von Kapitel drei, dass sich mit den „weichen“ Erfolgsfaktoren beschäftigt, wird es sein darzustellen, wie es gelingt, Mitarbeiter von der Notwendigkeit der mit ECR einhergehenden Veränderungen zu gewinnen. Die konsequente Implementierung von ECR führt in allen Unternehmensbereichen zu einer spürbaren Veränderung gewohnter Abläufe. Dementsprechend finden die vielfältigen Regeln für das Management des Wandels (Change Management) Anwendung. Ein zur Prozessunterst-tzung, Strategieimplementierung und -verfolgung erforderliches, modernes Controlling-Instrument ist an der in diesem Zusammenhang häufig zum Einsatz kommenden Balanced Scorecard und einer auf die speziellen Bedürfnisse von ECR zugeschnittenen Variante davon gegen Ende Arbeit darzustellen.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick auf die weitere Entwicklung beschließen die Arbeit.
ECR bedeutet übersetzt soviel wie „effiziente Reaktion auf die Kundennachfrage“ und verspricht durch die Kooperation der Wertschöpfungspartner in Industrie und Handel jede Menge Potenzial für die Kostenreduzierung sowie eine neue Qualität der Waren- und Informationsflüsse auf der so genannten „Supply Side“, also der von der Logistik geprägten Seite, und unter Marketinggesichtspunkten („Demand Side“) eine stark verbesserte Kundenzufriedenheit und die damit meist verbundenen Ertragssteigerungen. Beide Konzepte sind miteinander verflochten beziehungsweise bedingen einander. Anstelle des bisher vorherrschenden, konfliktären Gegeneinanders soll durch mehr Zusammenarbeit von Handel und Industrie eine bessere, schnellere und kosten-günstigere Erf-llung der Verbraucherw-nsche erreicht werden, so dass am Ende alle Beteiligten profitieren (Win-Win-Win-Szenario). Die Einsparungspotenziale durch die Beseitigung von nicht wertschöpfenden, operativen Kosten lassen sich nicht exakt beziffern, pendeln aber je nach betrachteter Region und Untersuchung in der Konsumg-terbranche zwischen 5 und 11% vom Gesamtumsatz[6]. Das ist bei den genannten Umsatzrenditen überwältigend.
Innerhalb der folgenden Abschnitte dieses Kapitels wird näher auf einzelne Aspekte einzugehen sein.
Bei „Efficient Replenishment“ (ER), auf deutsch etwa „effizienter Warennachschub“, handelt es sich um eine umfassende Strategie zur Bestandsoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette (Supply Chain), also vom Handel über den Hersteller bis zum Vorlieferanten[7]. Gegenstand der Strategie ist es, Informations- und Warenflüsse gemeinsam so aufeinander abzustimmen, daß Bestandskosten und Umsatzausfälle aufgrund fehlender Produkte minimiert sowie Verfügbarkeit möglichst vieler, richtiger Produkte an einem Ort und damit der Kundennutzen maximiert werden. Dafür ist die Bereitschaft der Geschäftspartner, Informationen über das Verbraucherverhalten auszutauschen, Grundvoraussetzung.
Da ein nicht vorrätiges Produkt nicht verkauft werden kann, entstehen bei jeder Bestandslücke im Regal des Handels nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Opportunitätskosten [8] durch den möglichen Verlust des Kunden, der vielleicht gute Erfahrungen mit alternativen Produkten oder Geschäften macht. Datenfernübertragung und leistungsfähige Auswertungssysteme (s. zweites Kapitel) erlauben dem Hersteller, das Lager seines Kunden selbständig zu bewirtschaften, also rechtzeitig neue Ware zur Verfügung bereitzustellen und gleichzeitig durch verbesserte Planung seine eigenen Lagerbestandskosten zu minimieren.
Zur am Nachfrageverlauf orientierten Nachlieferung wird üblicherweise entweder das System eines Vendor Managed Inventory (VMI) installiert, bei dem der Hersteller vollkommen selbständig die Disposition der von ihm bedienten Warengruppe(n) übernimmt. Will sich der Handel einer solchen “Fremdsteuerung“ nicht gänzlich ausliefern, um weiterhin eigenverantwortlich Entscheidungen beispielsweise über den Umfang der Kapitalbindung und Mehrinvestitionen bei Aktionen (vgl. Abschnitt 1.2.4) oder vor Preisanstiegen zu treffen, wird er die Variante Co-Managed Inventory präferieren. Dabei wird der Normalbedarf wie beim VMI vom Hersteller disponiert, für besondere Ereignisse wie Sonderaktionen ist aber eine Abstimmung mit dem Partner vorgesehen.
Ein weiteres Instrument zur Kostenreduzierung durch effiziente Belieferung ist das Cross Docking, bei dem der Hersteller die Ware für die Filialen des Handels entsprechend ihres Bedarfs vorkommissioniert beim Zentrallager des Handels anliefert und somit eine Einlagerung im Zentrallager überflüssig macht.
Wirksam praktiziertes Category Management (CM) ist ein Instrument zur Erschließung neuer Umsatzwachstums- und Ertragspotenziale[9], die im Handel seit einigen Jahren scheinbar nur noch durch Konzentration und/oder die Erweiterung der verfügbaren Regalfläche vorhanden sind[10]. Beim Category Management werden Warengruppen (Categories) als strategische Geschäftseinheiten (SGE) geführt. Dies bedeutet, dass für jede Warengruppe Artikelauswahl, Platzierung, Preisgestaltung und Werbemaßnahmen festgelegt und der Erfolg der beeinflussenden Maßnahmen kontinuierlich überprüft wird, um so in möglichst vielen Teilsortimenten ein optimales Resultat zu erzielen. Es geht also um die Steigerung von Abverkäufen und Bruttomargen und nicht wie beim Supply Chain Management um die Kostenreduzierung entlang der Versorgungskette.
Je mehr die Partner aus Industrie und Handel zur gemeinsamen Nutzung ihrer jeweiligen Erkenntnisse bereit sind, desto eher können Synergiewirkungen erzielt werden. Nur durch die gemeinsame Verwendung gesammelter Daten und langjähriger Erfahrungen kann dann eine „bedarfsgerechte Leistungsbereitstellung für den Kunden“[11] erbracht werden.
Die Produzenten, oftmals in lediglich einer Category vertreten, kennen ihre Zielgruppe bestens, wissen, wie der Kaufentscheidungsprozess verläuft und welche Motive dabei eine Rolle spielen. Hersteller verfügen i.d.R. über bessere Informationen in Bezug auf „massenmediale Werbung, Kostenkalkulationen, Qualität und Marktposition ihrer Produkte“, während Handelsunternehmen über Erkenntnisvorsprung hinsichtlich „des Geschehens am Verkaufsort, VKF-Aktionen und möglicherweise über die Konkurrenten des jeweiligen Herstellers verfügen“[12]. Ein Ding der Unmöglichkeit für den Handel, der 30.000-70.000 Artikel insgesamt führt, ohne fachkundige Unterstützung für jede Warengruppe eine optimale Marketingstrategie zu entwerfen.
Üblicherweise wird ein Hersteller, den man für besonders kompetent hält und mit dem man bereits durch längere Zusammenarbeit die notwendige Vertrauensbasis geschaffen hat, als Category Captain oder, wenn der Handel seine originäre Sortimentskompetenz nicht aus der Hand geben möchte, als Category Consultant auserkoren. Neben seinen eigenen Produkten soll er zur Vervollständigung des Sortiments auch Produkte anderer Hersteller empfehlen, die teilweise Konkurrenten sind. Die Funktionst-chtigkeit einer solchen Kompetenzübertragung ist allerdings nicht unumstritten. Barth sieht den Glauben an den „Altruismus im Wirtschaftsleben überfordert“[13], wenn man der Industrie abnimmt, sie wolle Konkurrentenmarken fördern, wenn sich gleichzeitig ein vergleichbares Produkt im eigenen Programm befindet. Beobachtet ein Hersteller, dass ein vergleichbares Konkurrenzprodukt dem eigenen zunehmend Anteile abnimmt, ist die Versuchung groß, dessen Präsenz im Regal einzuschränken. Kritisch hinterfragen und somit gegensteuern kann auf der Seite des Handels der dort installierte Category Manager, der die Absatzzahlen natürlich kennt und für die Einschätzung der Profitabilität eines Produktes keine warengruppenspezifischen Kenntnisse benötigt. Sein Aufgabenbereich lässt die beabsichtigte Zusammenführung von Beschaffungs- und Absatzfunktion erkennen. Der Category Manager ist meistens früher Einkäufer des Handels gewesen und trägt nun für „seine“ Warengruppe zusätzlich die Gewinnverantwortung. Daher lässt er verstärkt die Bedürfnisse der Kunden, die er gemeinsam mit seinem Industriepartner analysiert, in den Beschaffungsprozess einfließen. Er trägt damit der geforderten Prozessorientierung und der Abkehr vom bisherigen Push-Prinzip[14] Rechnung. Nur was der Kunde will, soll auch Platz im Regal finden. Einkäufer werden traditionell eher nicht danach bewertet, ob sich die von ihnen beschafften Waren tatsächlich gut verkaufen lassen, sondern überwiegend nach den Konditionen, die sie für diese Waren aushandeln[15], was ihr Handeln entsprechend beeinflusst. Außerdem ist der Kooperationsgrad normalerweise gering: Dem Key Account Manager der Industrie bekommt oftmals lediglich in den Jahresgesprächen (dieses Wort sagt bereits viel über die bisherige Beziehungsintensität aus) Gelegenheit, die Entwicklung mit seinem Gegenüber im Handel zu besprechen, wobei der Handel besonders gerne über Einkaufskonditionen diskutiert[16]. In der Einleitung wurde auf die Problematik, gleichfalls Ausgangspunkt für generelle Kritik am ECR-Konzept, bereits hingewiesen: Der Handel gibt zu oft Kostenvorteile sofort weiter an den Kunden, wodurch letztlich nur ein kurz-, bestenfalls mittelfristiger und kleiner Wettbewerbsvorteil zu erreichen ist, der die Bem-hungen nicht rechtfertigt. Nur wenn es gelingt, die errungenen Einsparungen von Zeit und Geld in eine bessere Ansprache des Kunden umzusetzen, wird CM wirklich zu Wertschöpfung führen[17].
Efficient Store Assortment (Effiziente Sortimentsgestaltung; ESA) ist die zentrale Basisstrategie des Category Management. Hierbei zielen Handel und Industrie gemeinsam darauf ab, den in den Filialen zur Verfügung stehenden Platz optimal zu nutzen. Auf Basis eines permanenten Informationsaustauschs soll ein aus Kundensicht vollständiges und aus Händlersicht profitables Sortiment zusammengestellt werden.
Die Marketingoptimierung unterliegt einem dynamischen Prozess, in dem durch ständige Erfolgskontrolle der durchgeführten Maßnahmen anhand von Scannerdaten (vgl. Abschnitt 2.2.1) das Sortiment ertragsoptimal modifiziert werden kann, wie Abbildung 1 veranschaulicht. Ausgehend von der Unternehmensstrategie (langfristige Planung) sind zunächst die Warengruppen zu definieren und ihre strategische Rolle festzulegen. Je wichtiger die Rolle der Category in Bezug auf eine Abhebung von der Konkurrenz, die Kundengewinnung oder die Gewinnziele ist, desto mehr Beachtung wird ihr zukommen (Category-Bewertung). Es wird nachfolgend eine Leistungsanalyse in Form eines Status quo erstellt, die Stärken und Schwächen der Category aufzeigt. Entsprechend ist dann eine Category-Taktik (kurzfristige Planung) zur Behebung der Schwächen und Betonung der Stärken zu bestimmen, die durch den Einsatz der ECR-Basisstrategien zur geeigneten Modifikation des Sortimentes umgesetzt wird. Die Auswirkungen einzelner Maßnahmen wie Artikelsubstitution oder -addition, Preisänderungen, Platzierungsänderungen usw. können dann durch ständige Computeranalysen präzise verfolgt und entsprechend im kontinuierlichen Prozess die Leistung der Kategorie optimiert werden. Im Laufe der Zeit sind Änderungen der Strategie, der Zusammensetzung der Warengruppen, ihrer Rolle im Gesamtkonzept und ihres Stellenwertes je nach gewonnenen Erkenntnissen denkbar.
Es sind jeweils unbedingt auch die Auswirkungen der Modifikationen auf andere Sortimentsbestandteile zu prüfen, anstatt eine isolierte Artikelbetrachtung durchzuführen[18]. Desweiteren sind standortspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, und im Sinne der Erhaltung profitabler Kunden ein one-to-one-Marketing, also die gezielte Ansprache Einzelner, in Betracht zu ziehen, um personalisierte Angebote zu erstellen[19].
Was die Platzierung der Artikel angeht, kann dem Verbraucher unter anderem wichtig sein, dass er nicht immer weite Wege durchs Geschäft laufen muss, um seinen Bedarf zu decken. Denn: „Convenience steht bei den Kunden ganz oben“[20]. Deshalb müssen bestimmte, Zusammenhänge wie Verbundkauf-Tendenzen, deren Erkennung Wege reduzieren kann, erst aufgedeckt werden (s. Abschnitt 2.2.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V. (GfK)
Abbildung 1: Prozessschritte im Category Management und ihre Umsetzung anhand der Basisstrategien ESA, EPI und EP
Ferner sind Handelsmarken im Rahmen einer effizienten Sortimentsstrategie ein wirkungsvolles Instrument der Differenzierung. Aldi führt seit 1998 keine Herstellermarken mehr. Mit den Handelsmarken entzieht man sich der Preisvergleich-barkeit und somit auch dem aggressiven Preiskampf, was in der Regel zu besseren Deckungsbeiträgen führt als bei theoretisch, aber nicht auf den ersten Blick vergleich-baren Herstellermarken.
Vor dem Hintergrund schlecht koordinierter und kostenintensiver Sonderaktionen in den Geschäften, die durch ihre F-lle kaum noch vom Käufer wahrgenommen werden und somit die beabsichtigte Differenzierungsfunktion gar nicht mehr erbringen, entstand die bislang wenig verfolgte Basisstrategie Efficient Promotions (EP). Es geht dabei um effiziente Kommunikationspolitik gegenüber dem Geschäftspartner und dem Verbraucher sowie effizienter Verkaufsförderung mit dem Ziel, deren unwirtschaftliche Teile zu eliminieren. Die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die eigenen Angebote soll mit möglichst gerigem Aufwand erhöht und so eine Ergebnisverbesserung erzielt werden. EP führt bisher ein Schattendasein, weil es schwierig zu bearbeiten ist. Für den Handel sind Aktionen ein wichtiges Mittel der Einkaufsstättenprofilierung und der Renditesteigerung (durch Forward Buying[21] ), während die Industrie bei Aktionen mit stärkeren Bedarfsschwankungen und ungleichmäßiger Produktionsauslastung zu kämpfen hat. Dies führt zu Interessenkonflikten. Man kann davon ausgehen, dass mit effizienter Verkaufsförderung bedeutende Einsparungen realisiert werden können[22] und die Bedeutung von Preisen und Promotions für die Wertschöpfung größer ist als die Optimierung der Sortimente. Figgen nennt daher die EP den „Kernbereich des Category Management“[23].
Wenn der betriebene Aufwand größer ist als die erzielte Wirkung einer Promotion in Bezug auf Marken- und Einkaufsstättenflexibilität des Verbrauchers, sind Verkaufs-aktionen sinnlos. Dies ist der Fall, wenn überwiegend unprofitable Schnäppchenjäger anlässlich der Sonderangebote das Geschäft aufsuchen und zwar kurzfristig mehr Umsatz, aber nicht mehr Gewinn erzeugen. Dem Probierkauf muss ein Nachkauf folgen und damit mögliche Neukundenbindung erkennbar sein. Promotionen sind daher als ein strategisches und nicht lediglich als ein taktisches Instrument zu betrachten.
Ahlert nennt die Warenverfügbarkeit zu Promotionsbeginn und die Reduzierung des Handlingaufwands als zentrale Ansatzpunkte des EP, die „eine schnellere Reaktion auf das Verbraucherverhalten“[24] bewirken sollen. Die Verfügbarkeit kann am ehesten garantiert werden, wenn sich die Partner im Vorfeld der Aktion absprechen. Unkoordinierte, plötzliche Auftragseingänge beim Lieferanten führen nicht selten zu verspäteter Warenbereitstellung. Wenn der Kunde, der gewonnen werden soll, das Geschäft betritt und die beworbene Ware ist nicht vorrätig, ist der Handel verärgert und der Kunde enttäuscht. In der menschlichen Erinnerung bleiben dazu bekanntlich schlechte Erfahrungen eher haften als gute. Daneben spielt die Reduzierung des Handlingaufwands für die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle, weil die Kosten für Sonderverpackungen aller Art den durch zusätzlichen Umsatz entstandenen Gewinn normalerweise überkompensieren[25]. Desweiteren kann unter Umständen auch eine thematische Abstimmung erforderlich sein.
Handel und Industrie sollten davon absehen, jeweils im Alleingang Werbeaktionen planen und den Geschäftspartner davon erst kurzfristig in Kenntnis setzen, weil mangelnde Koordination dem Kundennutzen und dem Profit entgegenstehen.
Darüber hinaus ist zu überlegen, inwieweit die Rabattsysteme durch progressive Incentive-Systeme ersetzt werden können, um die zeitliche und finanzielle Investition des Partners in effizientere Abwicklung und somit Kostenreduzierung zu forcieren und zu belohnen. Beispiele dafür gibt es bereits[26], und diese Beispiele sind trotz anfänglicher Widerstände erfolgreich. Wenn man herstellerseitig verlustträchtige Promotions eindämmt, um sich auf Gewinn bringende Aktivitäten bzw. Systeme zu konzentrieren, wird der Ertrag gesteigert, auch wenn der Handel solche Entscheidungen nicht gerade erfreut zur Kenntnis nimmt. Wenn vermehrte Vermarktung bestimmter Produkte vom Lieferanten durch höhere Rabattstufen honoriert wird, dann führt dies zu kritischen Stimmen, die von einer zwangsweisen Verschiebung der Sortimentsstruktur und des Preisgefüges mit deutlichen Rohertrags-Einbußen sprechen. Dabei wird aber übersehen, dass solche Systeme eher als Stimulanz zu betrachten sind, in effiziente Logistik- und Informationssysteme zu investieren, die es ermöglichen, dauerhaft niedrige Preise auch außerhalb eines Promotion-Kontextes anzubieten und die zusätzlichen Rabatte für die Erhöhung der eigenen Rentabilität zu verwenden.
Mit der Basisstrategie Efficient Product Introductions (EPI) ist eine gemeinsame, auf die W-nsche des Verbrauchers zugeschnittene Planung von Produktneueinführungen beabsichtigt, um die bislang immens hohe Floprate zu reduzieren. 50% aller neuen Produkte scheitern in Europa innerhalb der ersten zwölf Monate[27] und 90% innerhalb der ersten zwei Jahre[28], was enorme Kosten verursacht. Der EPI-Ansatz ergänzt das Category Management um eine Beratung der Industrie durch den Handel, der seinerseits beim traditionellen CM die Industrie kostenlos konsultieren kann, um die Ziele der Warengruppen zu erreichen. Dabei besteht die Gegenleistung, die der Industriepartner empfängt, in seinem normalerweise höheren Anteil am optimalen Sortiment, der Erkenntnis-Gewinnung über Konkurrenten und über den Verbraucher. Eine Steigerung der Warengruppeneffizienz durch Neuprodukte, die das Sortiment sinnvoll ergänzen könnten, wird regelmäßig nicht diskutiert, sofern nicht attraktive Listungsgelder von der Industrie gezahlt werden[29]. Durch eine Zusammenarbeit im Rahmen von EPI soll der Handel seine Erkenntnisse über (latente) Anforderungen und W-nsche der Verbraucher einbringen, und das nicht nur im Hinblick auf den bloßen Produkteinführungsprozess. Vielmehr soll der Handel auch an der Entwicklung selbst mitwirken. Hersteller befürchten allerdings, dass innovative Ideen, in deren Entwicklung oftmals viel Geld investiert wird, auf diesem Wege an Mitbewerber gelangen könnten. Andererseits wird die vom Hersteller beabsichtigte Wirkung von Neueinführungen vor allem deswegen oft verfehlt, weil ein solcher Austausch eben nicht stattgefunden hat.
Grund für den mangelnden Einsatz der Handelsunternehmen in bisherigen gemeinsamen Produktentwicklungs-Bestrebungen ist offensichtlich der auf den ersten Blick eventuell nicht erkennbare Nutzen, der sich für sie daraus ergibt[30], wenngleich Win-Win-Szenarien durchaus auf der Hand liegen: Die Reduzierung der Floprate vermindert wenig wertschöpfende, administrative Randtätigkeiten des Handels, die für zehntausende[31] neue Artikel durchzuführen sind, welche größtenteils vom Verbraucher nicht akzeptiert werden. Der Verbraucher wird es bemerken und honorieren, wenn er öfter das vorfindet, was er sich gew-nscht hat, weil der Handel ein System zur Weitergabe von Verbraucherfeedback und –anregungen entwickelt hat und dies am besten auch offen kommuniziert.
CPFR ist eine Initiative zur Freisetzung des ungenutzten Potenzials, das auf der Zusammenarbeit zwischen Vorlieferanten, Herstellern und Händlern beruht. Es soll ECR, VMI oder CM nicht ersetzen, könnte aber als grundlegende Modernisierung des Konzeptes oder als „der nächste Schritt von ECR“[32] durchaus bezeichnet werden. Charakteristisch ist die Betonung all jener Aktivitäten, die durch die Benutzung moderner Technologie einen deutlichen Schub bereits erfahren haben oder erfahren werden. Dies sind besonders die Erstellung gemeinsamer und somit genauerer Verkaufsprognosen, die Verbesserung der Beziehungsqualität zwischen den Wertschöpfungspartnern durch kooperative Netzwerke, die Reduzierung von Bestandslücken und Opportunitätskosten, die Reduzierung von Sicherheitsbeständen durch Erhöhung der Vorhersagegenauigkeit und die Reduzierung mannigfaltiger Kostenpositionen durch bessere Ausnutzung der Produktionskapazitäten. CPFR begann ursprünglich als ein Pilotprojekt zwischen Wal-Mart und Warner-Lambert, die 1995 ein gemeinsames Prognoseprojekt durchführten. Das Projekt wurde anschließend in den Bereich der Planung und des Wiederauff-llung ausgedehnt und unter der Schirmherrschaft von VICS (Voluntary Interindustry Commerce Standards) eine internationale Initiative[33].
Der Gedanke der Vorlieferanteneinbeziehung kommt aufgrund der technisch besseren Realisierbarkeit fortan besser zur Geltung, weil alle Beteiligten entlang der Supply Chain Mitglieder desselben Netzwerkes sein können, fast als ob sie in einer Firma oder sogar in einem Raum arbeiteten (vgl. Abschnitt 2.3.1, Extranets), und weil zweitens für alle Beteiligten wichtige Daten an einem zentralen Ort mittels verfügbar gemacht werden können. Dies bedeutet im Endeffekt, dass alle beteiligten Geschäftspartner bis hin zum Vorlieferanten an ein und demselben Prozess arbeiten und dadurch Reaktionszeiten deutlich verkürzt werden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Details der Produktentwicklung oder die Abstimmung von Lieferfristen geht.
Beim Studium der bisher kaum existenten Literatur zum Thema und der dafür besonders intensiven Behandlung in Fachzeitschriften fällt auf, dass praktisch alle Einzelkomponenten und –ziele von CPFR bereits bekannt sind (vgl. Abschnitt 1.2.1). Stellenweise ist fast zu vermuten, dass es sich gar um nichts anderes als ein weiterentwickeltes Efficient Replenishment handele. CPFR wird quasi immer in Zusammenhang mit B-to-B-Marktplätzen als Angebotsbestandteil derselben diskutiert und wird entsprechend auch von allen vier großen Konsumg-ter-Marktplätzen angeboten. Die Euphorie darum resultiert aus den in der Tat enormen Chancen, die seit langem existierenden, guten Grundideen der ECR-Ideen besser als bisher erschließen zu können. Jedoch ist vor einem zweiten ECR-Hype zu warnen, dessen Begeisterung schnell wieder in Ern-chterung umschlägt.
Im ersten Kapitel wurden die Grundbegriffe der einzelnen ECR-Bestandteile erläutert. Die Vision von der vollständig optimierten Supply Chain klingt sicher verlockend und es wäre gewiss ein Fehler, nicht zu versuchen, Kosten durch Anwendung der einzelnen Strategien zu reduzieren und eine verbesserte Kundenansprache zu erreichen. Das dachten sich natürlich schon viele Manager der Industrie und des Handels; sie wollten ihr Stück vom Kuchen abhaben. Solange aber ECR als ein Instrument zur internen Kostensenkung missverstanden wird, kann die Vision nicht aufgehen. Ernsthafte Kooperationen mit wichtigen Partnern sind genauso wie permanente Kundenfokussierung unabdingbare Voraussetzung. Letztgenannte kann sich dabei nicht nur in den Köpfen von Marketing-Spezialisten, sondern aller Beschäftigten abspielen. Es existieren eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen, die das Gelingen von ECR vereinfachen bzw. überhaupt erst ermöglichen, und es ist das Ziel dieses und des nachfolgenden Kapitels, darauf näher einzugehen. ECR ist kein zeitliches befristetes Projekt, sondern eine andauernde Herausforderung für alle Unternehmensbereiche und setzt eine Kultur ständigen Hinterfragens voraus. Das Loslösen von eingefahrenen Strukturen und Denkweisen fällt dagegen nicht leicht.
Im Zusammenhang mit den „harten“ Faktoren wurde immer wieder betont, daß ihr „Vorhandensein“ ohne die Existenz der später beschriebenen „weichen“ Faktoren („Faktor Mensch“) „keinerlei Bedeutung“[34] hat. Dies ist sicherlich nicht falsch, weil fehlende Bereitschaft zum Wandel auch durch Umstellungen in der Organisation und vorhandene Technik nicht zu kompensieren ist. Dagegen ist es unbestritten, dass nicht nur seit jeher ein fortschrittlicher Stand der Technik erst eine deutliche Effizienzsteigerung und somit Wachstum ermöglichte, sondern dass auch aktuelle Entwicklungen (Extra- / Internet, elektronische Marktplätze) moderne Technik auch für kleine und mittelständische Unternehmen erschwinglich machen und erst dadurch eine schnellere Ausbreitung möglich wird. Gut möglich also, dass die Einführung von ECR auch ohne die Existenz moderner organisatorischer und technischer Strukturen zunächst per Definition gelingt; wundern soll sich aber nicht, wer wenig später von der vernetzten Konkurrenz geradezu spielerisch überholt wird. Heutzutage führt die Internettechnik zu dramatischen Leistungssprüngen. Aber auch das vernetzt sein reicht nicht aus; wer erfolgreich sein will, muss auch vernetzt denken können.
In einer von Seifert[35] mit Teilnehmern aus Industrie, Handel und Unternehmensüberatungen durchgeführten Studie wird der Faktor „Einsatz von moderner Informationstechnologie“ durchschnittlich als genauso wichtig erachtet wie „gegenseitiges Vertrauen der Kooperationspartner“, welche sich innerhalb (s. Abschnitt 2.1.1) und außerhalb (s. Abschnitt 2.1.2) des Unternehmens befinden.
Eine fehlende Prozessorientierung und Festhalten an „bewährten“ Strukturen ist ein klarer Wettbewerbsnachteil, wie zu belegen sein wird. Neue Strukturen in der Organisation und in der Technik erfordern außerdem eine entsprechende Qualifikation der Mitarbeiter, die in der Lage sein sollten, Kundenorientierung zu „leben“ und innovative Konzepte zu verstehen, zu unterst-tzen und weiterzuentwickeln. Eine Fußballmannschaft, die nicht die besten Spieler hat, kann keine Meisterschaft gewinnen.
[...]
[1] Internetseite des Bundeskartellamts: http://www.bundeskartellamt.de/08.09.2000_-_ii.html
[2] vgl. Figgen 1999, S. 181
[3] Anteil am Gesamtumsatz des LEH 2000 plus 1,8 Prozentpunkte gegenüber 1999 auf 16,4% (ohne Aldi) nach einer Untersuchung von AC Nielsen mit 300 Warengruppen
[4] vgl. Puhlmann / Heinemann 1999, S. 312
[5] vgl. Puhlmann / Heinemann 1999, S. 313 f.
[6] vgl. von der Heydt 1997, S. 41 f. / von der Heydt 1999, S. 5 / LZ 22/2001, S. 41
[7] die Einbindung der Vorlieferanten ist eigentlich schon immer Teil des Konzeptes gewesen, wird aber erst seit Herbst 1999 durch die Arbeitsgruppe „Efficient Replenishment Upstream“ von ECR Deutschland forciert, vgl. auch Internetseiten von ECR Deutschland: http://www.ecr.de/
[8] Kosten des entgangenen Gewinns
[9] vgl. Barth 1999, S. 181
[10] vgl. Kettern / Heim 1999, S. 159
[11] Barth 1999, S. 182
[12] Hahne 1998, S. 40
[13] Barth 1999, S. 184
[14] Damit ist gemeint, dass nicht mehr wie früher die Industrie oder der Einkäufer des Handels Waren in den Verkauf „drückt“, für die dann jemand anders die Absatzverantwortung trägt („Sell what you buy“), sondern dass sich der Einkäufer an den Vorschlägen des Herstellers und dem Nachfrageverlauf der Verbraucher orientiert und dann eine Entscheidung fällt, deren Folgen er selbst zu verantworten hat („Buy what you sell“).
[15] Vgl. Kilimann / von Schlenk 1998, S. 3
[16] Vgl. dazu weiter z.B. Kilimann / von Schlenk 1998
[17] vgl. Figgen 1999, S. 193
[18] vgl. Kettern / Heim 1999, S. 163
[19] Dazu bedient man sich üblicherweise Kundenkarten, die das Konsumverhalten Einzelner aufdecken.
[20] Äußerung von Royal Ahold’s Vorstandsvorsitzendem van der Hoeven während einer Podiumsdiskussion anlässlich der sechsten offiziellen ECR-Konferenz v. 15.-17. Mai 2001 in Glasgow
[21] d.h., der Handel kauft zu Aktionspreisen größere Mengen als für die Aktion benötigt ein, um nach Ende des Aktionszeitraums zum Listenpreis zu veräußern
[22] vgl. von der Heydt 1999, S. 11 und die dort angegebene Quelle sowie Figgen 1999, S. 187
[23] Figgen 1999, a.a.O.
[24] Ahlert 2001, S. 9
[25] vgl. von der Heydt 1997, S. 100
[26] z.B. bei Procter & Gamble, vgl. von der Heydt 1997, S. 102 ff.; Procter macht dabei die Rabatteinstufung „von der Größe des geführten Sortiments und den Vermarktungsaktivitäten“ abhängig
[27] nach einer Studie der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V. (GfK), http://194.175.173.244/gfk/gfk_studien/ret_0399/r039906.htm
[28] nach einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens AC Nielsen, http://acnielsen.com/news/european/uk/2000/20000523.htm
[29] vgl. Zeisel 2000, S. 87
[30] vgl. Mei 1999, S. 143
[31] vgl. Figgen 1999, S. 186
[32] Teuscher / Engler 2001, S. 35
[33] vgl. http://www.vics.org
[34] von der Heydt 1997, S. 138
[35] vgl. Seifert 2001, S. 4 f.
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