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Mehr InfosMagisterarbeit, 1996, 133 Seiten
Magisterarbeit
Universität Bielefeld (Linguistik und Literaturwissenschaft)
2,0
Einleitung: Erste Annäherung an Friederike Mayröcker
1. Das Hörspiel ist ein absolutes Kunstprodukt
1.1 Ein Wort zuvor
1.2 Friederike Mayröcker und das Neue Hörspiel
1.3 Sprache und Sprachmanipulation
1.4 Technik - Geräusche - Musik
1.5 Anspruch und Realisation
2. Prosa und Hörspiel
3. "Ich sehe nirgends eine Story"
3.1 Makrostrukturen - Formale Aspekte, oder: "Die Ordnung ordnet nichts"
3.1.1 Wahrnehmen statt Verstehen: "Zwölf Häuser - oder Mövenpink"
3.1.2 Ein akustisches Wortgeflecht: "Botschaften von Pitt"
3.1.3 Die Ordnung löst sich auf: "tischordnung"
3.1.4 Hörspiel als Spiel: "für vier"
3.2 Makrostrukturen - Inhaltliche Aspekte
3.2.1 Halluzinogene Wort-Landschaften: "LAND ART"
3.2.2 Übrig bleiben Fragen: "message comes"
3.2.3 Zwei Sprachen eines Todes: "gefälle”
3.3 Mikrostrukturen
3.3.1 Zeit - Raum - Bewußtsein
3.3.1.1 Vom subjektiven Charakter der Zeit
3.3.1.2 Niemandszeit im Niemandsland
3.3.2 Die Vielstimmigkeit der Figuren
3.3.3 Vom Eigenleben der Sprache
3.3.4 Bild - Erinnerung - Biographie: "So ein Schatten ist der Mensch"
4. Atmosphäre 4.1 Die schauerliche Atmosphäre in "schwarmgesang" 4.2 Die romantische Atmosphäre in "Bocca della Verità"
5. Offene Grenzen: Bildende Kunst - Literatur - Musik
6. Kunst und Eros: "Die Umarmung, nach Picasso" 6.1 Die Erotik der Wörter 6.2 Die Sinnlichkeit der Kunst
7. Schlußbetrachtung, oder: “Eine unüberhörbare poetische Stimme” 7.1 Zusammenfassung 7.2 Ausblick
8. Literatur- und Hörspielpreise
9. Mitgliedschaften
10. Abbildungsnachweis
HÖRSPIELVERZEICHNIS
a) Hörspiele
b) Hörspiele (gemeinsam mit Ernst Jandl)
c) Prosaadaptionen
d) Nicht realisierte Hörspiele
LITERATURVERZEICHNIS
I. Primärliteratur
a) Theaterstücke , Musiktheater
b) Interviews, Reden, Briefe, Lesungen, Kommentare
c) Lyrik, Prosa und Hörspieltexte
d) Andere Autoren und Autorinnen
II. Sekundärliteratur
a) Zeitungsartikel, Aufsätze, Vorträge, Rundfunkessays
b) Sonstiges
Wir bewundern die Struktur dieser Texte wie wir die leichte Schönheit von Seifenblasen bewundern, die ihre Umwelt spiegeln und die durch ihre “Zerbrechlichkeit” unsere Sinneslust und unsere Sensibilität über alles zu steigern vermögen.[1]
Einleitung: Erste Annäherung an Friederike Mayröcker
Seit 1967 schrieb Friederike Mayröcker weit über zwanzig Hörspiele, die bis auf wenige Ausnahmen gesendet worden sind.[2] Zum Teil handelt es sich um Gemeinschaftsarbeiten mit Ernst Jandl, überwiegend jedoch sind es von ihr allein verfaßte Hörspiele oder Prosaadaptionen.
Mir liegt daran, alle bisher veröffentlichten Hörspiele der Autorin in diese Arbeit aufzunehmen. Ein Grund dafür sind die geradezu spärlichen Rezensionen, die sich nur selten detailliert mit ihrer Hörspielkunst auseinandersetzen. Einige wenige positive Beispiele sind u.a. die Rezensionen und Radio-Essays von Helmut Heißenbüttel, Klaus Schöning, Hedwig Rhode, Gisela Lindemann, Klaus Ramm und Petra Maria Meyer.
Ein weiterer Grund ergibt sich aus dem Bedürfnis, ihre Hörspiele in bezug auf Gemeinsamkeiten, Vielfalt und Tendenzen zu untersuchen, um der spezifisch mayröckerischen Hörspiel-Art auf die Spur zu kommen. Dazu erscheint es mir notwendig, zunächst detailliert auf die Gemeinschaftsproduktionen mit Ernst Jandl und in diesem Zusammenhang auf das Neue Hörspiel einzugehen. Auch Entstehung und Begleitumstände der Prosaadaptionen finden Berücksichtigung, da sie verdeutlichen, wie eng Mayröckers Prosa, Lyrik und Hörspielarbeit zusammenhängen. Im Anschluß daran folgt eine Untersuchung formaler und inhaltlicher Makrostrukturen.
Die Hörspielanalyse im ersten Teil meiner Arbeit soll den Zugang zu ihrem Hörkunstwerk erleichtern. Dabei stehen zunächst die akustischen Schallphänomene im Mittelpunkt.
Nach dieser detaillierten Analyse der Hörspielelemente, berücksichtige ich im zweiten Teil Gesichtspunkte wie Zeit und Raum, Figurenkonstellation, Atmosphäre, Kunst und Eros. Hier bricht die bisherige Methode ab, die Quellensuche in den Vordergrund zu stellen oder ihre Hörspiele in Elemente aufzusplitten. Die Texte selbst eröffnen in Form und Inhalt viele Ansatzpunkte für eine wissenschaftliche Betrachtung.
Da die Autorin Leben und Schreiben als Einheit begreift und auch ihre Poesie nicht von ihrer Poetik unterschieden werden kann, beziehe ich immer auch biographische Aspekte in die Betrachtung ihrer Hörspielarbeit ein.
In einem Interview mit Siegfried J. Schmidt beklagt Friederike Mayröcker, daß viele ihrer Kritiker und die Mehrzahl der Leser ihre Arbeiten entweder nicht lese oder sie öffentlich ignoriere.[3] Diese Äußerung über ihre Prosa und Lyrik trifft in verstärkter Form auf ihre Hörspiele zu. Allerdings ist dies ein Problem, das nahezu alle Hörspielautoren und -autorinnen in ähnlicher Weise betrifft. Nur in wenigen Fällen werden Hörspiele zum Kauf angeboten, so daß die Interessierten normalerweise auf den einmaligen, im günstigsten Fall auf den wiederholten Sendetermin oder auf eigene Kopien angewiesen sind. Zudem ist das Medium Rundfunk flüchtiger Natur, ein "Zurückblättern" wie beim Buch ist nicht möglich. Obwohl von Friederike Mayröcker nur fünf Hörspiele in den Handel gekommen sind,[4] ist der Zugang zu den Hörspiel texten doch erheblich leichter.
In jedem Fall verlangt das Hören, besonders ihrer späteren Hörspiele, besondere Wahrnehmungsstrategien, die die Persönlichkeit der Zuhörenden stark einbeziehen und ein großes Maß an Offenheit gegenüber unkonventioneller Hörkunst notwendig machen.
Es ist noch anzumerken, daß ihre Hörspiele nicht in chronologischer Folge, sondern je nach Fragestellung, unabhängig von ihrer Entstehungszeit, thematisiert werden.
In der Orthographie bevorzugt Friederike Mayröcker "sz" statt "ß". Alle Zitate sind in ihrer Orthographie aus der entsprechenden Veröffentlichung übernommen, auch wenn sie von Mayröckers Schreibweise abweichen.
Ich mußte bezüglich der Groß- und Kleinschreibung der Hörspieltitel eine Entscheidung treffen, da diese in den unterschiedlichsten Druckweisen existieren. In meiner Arbeit übernehme ich die Orthographie der Erst veröffentlichungen der Hörspiel texte. Falls diese nicht veröffentlicht wurden, greife ich auf die übliche Schreibweise zurück. Bei den frühen Hörspielen, die zum Teil in dem Mayröcker-Band “Schwarmgesang. Szenen für die poetische Bühne” erschienen,[5] aber nicht als Hörspieltexte gekennzeichnet sind, habe ich die Groß- und Kleinschreibung der Titel daraus übernommen. Die Erstveröffentlichungen in der Zeitschrift “protokolle” sind in üblicher Schreibweise wiedergegeben, da die Titel aller Beiträge in Großbuchstaben gedruckt sind. Der Titel des Hörspiels “Ein Schatten am Weg zur Erde” findet man oft klein geschrieben, aber aus den genannten Gründen habe ich hier darauf verzichtet.
Als Klaus Schöning 1969 den Begriff "Neues Hörspiel" in die Hörspieldiskussion einführte,[6] [7] sollte diese Bezeichnung darauf hinweisen, daß eine grundsätzliche Neudefinition des Hörspiels notwendig geworden war. Das Hörspiel sollte nicht länger der Literatur zugeordnet, sondern als eigenständiges akustisches Werk verstanden werden. Das bedeutete zugleich eine Rückkehr zum oralen Aspekt der Sprache und eine Loslösung vom Manuskript. Die Hörspieltexte ähnelten in vielen Fällen mehr den Partituren von Musikstücken als literarischen Texten,[8] jedes Schallphänomen, sei es Geräusch, Musik oder das gesprochene Wort, sollte als eigenständige ästhetische Qualität Akzeptanz finden.
"Mit 'Fünf Mann Menschen' beginnt eine neue Ära",[9] so hieß es 1969, als das erste gemeinsame Hörspiel von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, mit siebzehn von achtzehn Stimmen, beinahe einstimmig den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt. Nachdem der Bayerische Rundfunk das Hörspielmanuskript mit der Begründung abgelehnt hatte, es sei nicht mehr als der "Ulk für einen Commersabend von Studenten",[10] setzte die Hörspielkritik nach der Realisation andere Maßstäbe an. Die Jury begründete die Preisvergabe:
Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, die als Repräsentanten experimenteller Lyrik bekanntgeworden sind, haben zusammen mit dem Regisseur Peter Michel Ladiges zum ersten Male im Hörspiel die Möglichkeiten konkreter Poesie beispielhaft eingesetzt. Sie zeigen exemplarische Sprach- und Handlungsvorgänge, in denen der zur Norm programmierte menschliche Lebenslauf nicht abgebildet, sondern evoziert wird. Dabei nutzen und meistern sie die Möglichkeiten der Stereophonie. Die Sprache ist für die Autoren Material, mit dem sie spielen und zugleich eine unmißverständliche Mitteilung machen, die unsere Zeit ebenso betrifft wie trifft.[11]
"Fünf Mann Menschen"[12] verhalf dem Neuen Hörspiel zu einer breiteren öffentlichen Auseinandersetzung und Anerkennung. Im allgemeinen wird es im gleichen Atemzug, analog mit der Geburtsstunde des Neuen Hörspiels genannt. Dennoch gab es "Vorläufer", wie zum Beispiel Friedrich Knillis theoretischen Überlegungen über "Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels" und die "Schallspielstudien" Paul Pörtners.[13]
So verstehe ich unter “Sprache des Hörspiels” nicht die im Hörspiel gesprochene bzw. vom Hörspielautor geschriebene Sprache, sondern die mannigfachen Methoden der Erschließung und Formgebung der akustischen Sphäre, die nicht im Wörtlichen aufgeht, aber auch nicht die wörtliche Sprache ausschließt.[14]
Die "akustische Sphäre", die Pörtner hier anspricht, verweist bereits auf Gedanken, die eine eigenständige akustische Kunst anstreben.
Aber erst um 1968/1969 war das öffentliche Bewußtsein in der BRD für radikale Neuerungen offen. Im Laufe der sechziger Jahre spiegelte die Literatur, hier besonders Drama und Lyrik, eine starke Auseinandersetzung mit politischen Themen wider. Sie war für den politischen Kampf funktionalisiert worden, vermochte jedoch weder im Bewußtsein der Bevölkerung, noch an der herrschenden politischen Situation sehr viel auszurichten. In der von Hans Magnus Enzensberger 1965 gegründeten Zeitschrift "Kursbuch" hört Enzensberger bereits das "Sterbeglöcklein der Literatur"[15] und spricht gar vom "Tod der Literatur"[16]. Die Sprache selbst wurde nun in der Literatur und auch im Hörspiel zum Thema erklärt. Sie galt für viele als Ausdruck und Produkt gesellschaftlicher Ideologien und Klischees. Sprachliche Versatzstücke und Klischees in typischen Sprechweisen sollten aufgedeckt, analysiert und sichtbar gemacht werden. Die Collagetechnik, die es allerdings zu allen Zeiten des Hörspiels gegeben hatte, eignete sich als Methode besonders gut dazu, abgenutzte sprachliche Umgangsformen als gesellschaftliches Phänomen aufzudecken und Kontraste durch harte Schnittfolgen zu verdeutlichen.[17] Entgegen einem persönlichen und einmaligem Hörspielerlebnis, bei dem die technische Produktion und die Reproduzierbarkeit möglichst vergessen werden sollte, betonen Collagen die Reproduzierbarkeit und die Künstlichkeit des Hörspiels und machen dies für die Zuhörenden erfahrbar. Impulse für die literarische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand "Sprache" kamen auch aus den Reihen der Konkreten Poesie. Zum ersten Mal tauchte diese Bezeichnung 1953 in Schweden auf.[18] Später, ab 1956, benutzten auch Eugen Gomringer und die brasilianische Literatengruppe "noigandres" für ihre Dichtung den Ausdruck "Konkrete Poesie".
Was den Ausdruck “konkret” angeht, so ist er zunächst, wie auch bei Hegel, durchaus als Gegensatz zum Ausdruck “abstrakt” zu verstehen. Das Konkrete ist das Nichtabstrakte. Alles Abstrakte hat etwas zur Voraussetzung, von dem gewisse Merkmale abstrahiert werden. Alles Konkrete ist hingegen nur es selbst. Ein Wort, das konkret verstanden werden soll, muß ganz und gar beim Wort genommen werden. [...] In gewisser Hinsicht könnte also die “konkrete” Kunst auch als “materiale” Kunst aufgefaßt werden.[19]
Max Bense spricht hier von der Materialität der Sprache, die für das Neue Hörspiel zum wichtigsten Kennzeichen geworden ist. Zugunsten eines materialen Umgangs mit Sprache werden Handlungszusammenhänge und Erzählformen weitgehend aufgegeben. Typische Phrasen lösen individuelle Aussagen ab. Dialoge verlieren ihren kommunikativen Charakter. Die vermeintlichen Hörspielfiguren sind nur Stimmen, die für typisierte Rollen und Sprachklischees stehen. Auch der nonverbale, daß heißt klangliche bzw. musikalische Aspekt der Sprache gewinnt im Neuen Hörspiel an Bedeutung.
Eine Botschaft im Sinne von weltanschaulicher Information, Belehrung etc. soll nicht mehr vermittelt werden, die Sprache kein Vehikel mehr sein. Den Zuhörenden wird Sprache in radikal reduzierter Semantik präsentiert, so daß oftmals einzelne Worte komplexe Zusammenhänge signalisieren. Zitatmontagen, wie sie bereits bei den Futuristen und Dadaisten üblich waren, wenden sich ebenfalls gegen die Vorstellung eines einmaligen Kunstereignisses. Als Zitat hat Sprache dokumentarischen Charakter und fordert die Zuhörenden zu einer persönlichen Stellungnahme auf. Sie müssen ihre gewohnten Wahrnehmungsweisen ändern, um zu einer persönlichen Interpretation zu gelangen.
Die Stereophonie gab dazu neue Impulse. Entgegen den monophonen Hörspielen, die an ein Raum-Zeit-Kontinuum gebunden waren und die beide Faktoren als voneinander unabhängig, aber homogen präsentierten, bot die Stereophonie Gelegenheit, Raum und Zeit als miteinander verzahnt zu erfahren. Damit wurde die Kontinuität und Homogenität der beiden Komponenten mittels der Stereophonie im Neuen Hörspiel oft aufgebrochen. Verschiedene Stereopositionen ermöglichen den Zuhörenden, verschiedene Zeitebenen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Zeitvergehen) in einem konkreten Raum gleichzeitig wahrzunehmen. Neben einer differenzierteren Betrachtung von Raum und Zeit ermöglicht die Stereophonie insgesamt eine genauere Unterscheidung einzelner akustischer Schallphänomene.
die stereophonie ist alles andere als ein realistisches medium, sie ist ein artifizielles mittel zur ordnung und unterscheidung von hörwahrnehmungen, die in der monophonie ineinanderfallen müßten. die stereophonie verbessert die syntax der hörereignisse; sie macht - für das hörspiel - überhaupt erst eine differenzierte beziehung zwischen simultanen hörereignissen möglich: jetzt erst läßt sich z. b. sagen, ob sie tatsächlich ineinanderfallen oder ob sie nebeneinanderstehen. jetzt erst, da es den schalltoten raum gibt, gibt es auch den hörbaren, dimensionierten raum.[20]
Obwohl man zunächst glaubte, die größere Plastizität, die die Stereophonie hervorrief, würde mit einer naturalistischen Ästhetik einhergehen, mußte man feststellen, daß dies nicht der Fall war. Stereophonie diente nicht allein der Perfektionierung eines illusionären Raumes, sondern verhalf Sprache, Geräusch und Musik zur Etablierung eines artifiziellen, gleichsam zwischen Lautsprecher und Auditorium angesiedelten Raumes.
Nachdem Friederike Mayröcker die "unschuldige Phase"[21] des Schreibens hinter sich gelassen hatte, in der sie sich wenig Gedanken über das "Was" und "Wie" ihrer Schriftstellerei machte, begann sie in den fünfziger und sechziger Jahren experimentell mit Sprache zu arbeiten, sie in allen erdenklichen Arten zu manipulieren. Angeregt durch die Begegnung mit Ernst Jandl, Andreas Okopenko und der Wiener Gruppe lenkte sie ihr Interesse zunehmend auf formale Aspekte. Obwohl Jandl und Mayröcker selbst nie Mitglieder der Wiener Gruppe waren, nahmen sie doch starken Anteil an den Sprachexperimenten, die unter dem Einfluß der konkreten Poesie standen. So bestätigt Jandl in einem Interview mit Jörg Drews, daß die Arbeit mit bereits vorhandenem Sprachmaterial und dessen Montage, eng mit den Montagearbeiten der Wiener Gruppe der fünfziger Jahre zusammenhängt.[22] An anderer Stelle betont Jandl wiederum die Distanz zur Wiener Gruppe:
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir vier, Mayröcker, Artmann, Rühm und ich, den inneren Kern jeder progressiven Literatengruppierung in Wien bilden müssen. Spätestens das erste literarische Kabarett der Wiener Gruppe, am 6. Dezember 1958, machte es mir klar, daß ich draußen war, nie drin gewesen bin, keine Figur in einem gemeinsamen Spiel.[23]
Ähnlich wie Ernst Jandl äußerte sich Friederike Mayröcker dazu in einem Gespräch mit Marcel Beyer.[24] Jandl und Mayröcker fühlten sich der Wiener Gruppe in ihrer sprachkritischen Auseinandersetzung nah, mußten jedoch feststellen, daß ihre eigene Arbeit sich von den Zielen der Wiener Gruppe unterschied.
Anders als die Wiener Gruppe, die ihr avantgardistisches Kunstverständnis in literarischen Aktionen und Kabaretts aggressiv nach außen trug, war Friederike Mayröcker rebellisch immer nur im Sinne einer äußersten Verausgabung im Schreiben.[25]
Jandl und Mayröcker haben sich durch die Wiener Gruppe inspirieren lassen und diese Erfahrungen u.a. in das Neue Hörspiel eingebracht.
Jandl nutzte die Stimme als eigenständiges Ausdrucksmittel für seine Sprechgedichte. Die exakten und detaillierten Regieanweisungen für die Hörspiele lassen erkennen, daß Jandl und Mayröcker eine genaue Vorstellung von der akustischen Wirkung ihrer Hörspiele hatten. Das, was die konkrete Poesie vom Sprachmaterial erwartet, erwartet Jandl vom Hörspiel:
Was dieses Hörspiel, [...] zu sagen hat, sagt es selbst, und etwas darüber zu sagen wäre für den, der es hören will, nicht mehr sondern weniger.[26]
Montage und Decollage wurden für Friederike Mayröcker wichtige Methoden, sowohl für ihre Lyrik- und Prosa, als auch für ihre Hörspielarbeit. An die Anfänge kann sie sich noch erinnern.
Ja, ich habe mit Jandl und Okopenko die ersten “Montagen” gemacht und “automatisches Schreiben”.[27]
Aber sie ist sich auch der akustischen Dimension der Sprache als wichtiges Moment für das Hörspiel bewußt:
Was ich vom Hörspiel fordere, ist: es muß akustisch befriedigen, faszinieren, reizen, das heißt der akustische Vorgang muß beim Hörer eine ganz bestimmte Reaktion hervorrufen, etwas, das in der Nähe musikalischen Genusses liegt, aber statt von Tönen von Worten und Geräuschen ausgelöst wird.[28]
Die Autoren und Autorinnen, die am Neuen Hörspiel interessiert waren, wollten das Hörspiel als etwas Gemachtes, etwas Künstliches für das Publikum erfahrbar machen. Auch die traditionellen, meist literarischen Hörspiele, waren natürlich Kunstprodukte, aber diese Tatsache konnte durch die Illusion, die eine realistische Handlung bietet, leicht kaschiert werden.
Die gemeinsame Hörspielarbeit von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker umfaßt vier Hörspiele und fällt in die Zeit, die Friederike Mayröcker als ihre "Experimentierjahre" bezeichnet.[29] Die Ideen zu den Hörspielen hatte damals Ernst Jandl, die Tonbandaufnahmen, Dialoge und Entwürfe wurden dann gemeinsam bearbeitet.[30]
"Fünf Mann Menschen" und "Der Gigant"[31], die ersten Hörspiele der gemeinsamen Hörspielproduktion, entstanden kurz hintereinander, im Juni und Juli 1967. "Der Gigant" existierte als Manuskript noch vor der Realisation von "Fünf Mann Menschen". Jedoch setzten Jandl und Mayröcker sprachkritische Methoden und technische Möglichkeiten des Rundfunks im “Gigant[en]” wesentlich radikaler ein.
"Eine künstliche Welt schaffen" nennt Friederike Mayröcker ihren Plan.[32] Das Künstliche am Hörspiel betont auch Jandl. Er bezeichnet das Hörspiel "Der Gigant" als "eine Art Oper, mehr an Zappa als an Wagner orientiert".[33] Damit verweist Jandl einmal auf die Opernkonstruktion, die wie das Hörspiel aus dichterischen, musikalischen und szenischem Element besteht und auch auf die künstliche Situation, die jede Oper darstellt. "Opera" heißt aber auch einfach nur "Werk", so daß diese Bezeichnung, auf das Hörspiel bezogen, seinen Materialcharakter, sein Produziertsein betont.
Entgegen dem traditionellem Hörspiel, das visuelle Illusionen schaffen wollte, spricht Jandl vom "Freien Hörspiel",[34] das sich jenseits der Optik besonders der akustischen Wirkung öffnen soll. Wie in der konkreten Poesie soll die Sprache bzw. das Hörspiel keinen erklärenden Charakter haben.
Den Anstoß für "Fünf Mann Menschen" gaben Hansjörg Schmitthenner und Günter Eich. Nach einem BBC-Workshop in London, bei dem Schmitthenner die "13 radiophone[n] Texte" Jandls hörte, bat er den Autor, einen Hörspieltext unter besonderer Berücksichtigung der Stereophonie zu schreiben.[35] Jandl bemerkte zu Günter Eich, der ihn auf die Verwandtschaft von Lyrik und Hörspiel aufmerksam machte:
Er hat das wohl damit begründet, daß im Hörspiel ebenso wie in der Lyrik jedes Denken an Visuelles wegfallen kann und das Hörspiel so wie die Lyrik ein mehr oder minder freies Spiel mit Sprache sein kann.[36]
Ernst Jandl und Friederike Mayröcker hatten zunächst nur dreizehn Miniszenen für dieses Hörspiel geplant. Einige davon umfaßten nur sechs bis neun Zeilen. Alle Szenen zusammen hätten nur zehn Minuten gedauert.[37] Versuchsweise realisierten sie zunächst nur drei Szenen. Zehn Minuten waren dem Sender jedoch zu kurz für ein Hörspiel. So schrieben Jandl und Mayröcker noch die Berufsberaterszene dazu und das Hörspiel hatte damit einen Umfang von vierzehn Minuten, deren Realisierung vierzehn Tage beanspruchte.[38]
“Fünf Mann Menschen” lebt besonders durch den spielerischen und humorvollen Umgang mit den verschiedensten Facetten der Sprache. Es ist belebt vom "Appeal und von der Leichtigkeit der Beat-Generation"[39] und enthält Elemente des Comic-Strips und der Popkultur.
Fünf Mann Menschen hat eine Handlung: Bilder aus dem bürgerlichen Heldenleben - die Entwicklung des (deutschen) Mannes von der Wiege bis zur Bahre [...]. Analog zu der Forderung, daß das ideale, konkrete Gedicht nur aus einem einzigen Wort bestehen soll, haben Jandl/Mayröcker die Gesamthandlung und die einzelnen Szenen des Hörspiels extrem verkürzt. Es handelt sich nur noch um Handlungsrudimente auf äußerster Schwundstufe. Man könnte von einem akustischen Comic Strip sprechen. Aber gerade die Arbeitsmethode der Verknappung entlarvt mehr als jede traditionelle Schreibweise und herkömmliche Dramaturgie das Stereotype von Situationen und Verhaltensweisen des Normalmenschen. Das Denken in fix-und-fertigen Formeln, mit deren Hilfe das Leben nach einem vorgeschriebenen Programm bewältigt wird, findet in den Parodien von Sprichwörtern, den sogenannten Volksweisheiten, die die Autoren ihren Szenen jeweils als Motto vorangestellt haben, seinen Niederschlag.[40]
Jedes Motto gleicht eher einem Kalauer, obwohl es klanglich überzeugend den Sinn einer Maxime vermittelt. Es handelt sich um veränderte, aber im Klang gleichbleibende Redensweisen oder wörtliche Zitate. Dabei wirken diese Kalauer oft wie eine Parodie auf die nach-folgende Szenerie. Besonders die Berufsberaterszene entlarvt in humorvoll-ironischer Weise die ihr vorausgehende Lebensregel. Die Berufsberatung ist zu einer Farce geworden, zu einer als wichtig hingestellten, aber belanglosen Angelegenheit.
Nur noch die Wirtschaft sagt, wer wann wo wie wirklich gebraucht wird und wie lange obendrein, und wie lange obendrein ist besonders wichtig, denn wir wollen ja nicht in zehn Jahren ein Heer von arbeitslosen Keramikern haben, eine Armee von Millionen arbeitslosen Palmisten, einen Heuschreckenschwarm von arbeitslosen Mesnern und Eintänzern, und dann diese Millionen vielleicht umschulen müssen in eine Million Butler und eine Million Tierbändiger und in ein Millionenheer von Buchmachern und Kajütenjungen[41]
Das im Hörspiel zitierte Sprachmaterial wird gleichwertig eingesetzt, ob "Gut gebrüllt, Löwe",[42] ein Zitat Shakespeares, oder "ssso", Jandls Selbstzitat,[43] Hoffmanns Struwwelpeter-Zitat "Minz und Maunz die Katzen, die reiben ihre Tatzen"[44] oder Liedertexte wie "Alles neu macht der Mai"[45] und "Schwarzbraun ist die Haselnuß".[46] In keinem Fall wird das Zitat als solches gekennzeichnet. Helmut Heißenbüttels "verfolgte Verfolger" ist in "Fünf Mann Menschen" nur noch in seinem Klang als "verbrauchte Verbraucher" wiederzuerkennen.[47] Jandl und Mayröcker ignorieren das "Hoheitsrecht", sprich "copyright" des Quellenautors und benutzen Redensarten[48] und Zitate[49] so, als sei Sprache letztlich immer nur zitiertes Material.
Das gesamte Sprachmaterial ist auf minimale Aussagen reduziert. Jede einzelne Szene stellt ein Modell dar.[50] "Fünf Mann Menschen" ist der exemplarische Lebenslauf eines typisierten Männerlebens bzw. seiner Stationen, in fünffacher, gleichgeschalteter Wiederholung. Die mit der ersten Szene identische Schlußszene steigert die Uniformität dieser Lebensläufe ins Absurde. Die Vervielfältigung der Lebensstationen weist schon darauf hin, daß es das autonome Individuum nicht gibt. Der einzelne ist namenlos, im Hörspiel nur durch seine Stimme vom anderen unterscheidbar, oft im Chor untergehend. Alle Lebensstationen, Klinik, Elternhaus, Schule, Kino, Militär, Arbeitsamt etc. sind durch Sprache typisiert.
Im Hörspiel "Der Gigant", das der WDR als "berauschende Menschheitskomödie" ankündigte,[51] geht es Jandl und Mayröcker weniger um die Vielfalt des Sprachmaterials oder um Klangähnlichkeiten mit hohem Erkennungswert als darum, zu zeigen, wie Sprache überhaupt funktioniert. Sie verzichten auf eine ausschweifende Sprache und setzen sie statt dessen sehr reduziert ein. Dabei greifen sie nicht mehr wie in "Fünf Mann Menschen" auf Redensarten, Zitate und vorformulierte Syntax zurück. Trotz ihrer scheinbar einfachen Bedeutung sind einzelne Wörter stark assoziativ, genauer, kulturgeschichtlich-assoziativ besetzt. Schwarz ist die Farbe der Unterdrückten, der unteren Schicht. Der Köhler ist ein weißer Schwarzer, durch seinen Beruf geschwärzt. Auch der Name des Giganten "Abraham Cassius Clay Lincoln" zeugt in seiner Zusammensetzung davon, auf welcher Seite er steht. Beide Namen sind der historischen Realität entnommen und münden als Fiktion in einer Person. Cassius Clay, alias Mohammed Ali (*1946), schwarzer amerikanischer Boxer, symbolisiert die Kraft schlechthin und nennt sich selbst den Größten; Abraham Lincoln (*1809) vertrat als Präsidentschaftskandidat vehement die Meinung, daß Sklavenarbeit unmoralisch sei und abgeschafft werden müsse. Der Gigant ist im Hörspiel schwarz-weiß besetzt. Als Baby ist er zunächst weiß, Köhler und Köhlerin sind sich aber sicher, daß er noch schwarz werden wird. Trotz seines weißen Ursprungs wird er "Schwarzer Riese" genannt. Es bleibt unklar, ob er schwarz ist oder die Gesinnung der Schwarzen trägt, deutlich wird aber, daß er absolut künstlich, nämlich durch Aufblasen zu seiner Größe gelangt.
Neben dem Schwarz-Weiß-Sprachspiel benutzen Jandl und Mayröcker andere Elemente, die das Hörspiel humorvoll auflockern. Dazu trägt auch die Kuhstallidylle gleich zu Beginn des Hörspiels bei, die aus dem Melkgeräusch, den Stimmen der einzelnen Melker und dem Muhen der Kuh aufgebaut ist. Der nachträglich erzeugte Hall verleiht dem Muhen eine geradezu überirdische Ausdruckskraft. Das Wort "melk" ist als Wortrelikt zu verstehen. Es könnte stellvertretend für den "Melkvorgang" stehen oder für die "Melker". Denkt man das englische Wort "milk", so stimmt diese akustische Assoziation auch noch mit der Bedeutung des Melkproduktes überein. Die Stimmen sind wie in "Fünf Mann Menschen" nicht mit Rollen besetzt. Fünf Mädchen lösen die Positionen der fünf Kühe kommentarlos ab.
Onomatopöien wie "klatschklatsch" und "kratzkratz" werden spielerisch ausgeschöpft. Die Kratz-Szene, die durch Inspiration des amerikanischen Soul-Sängers Otis Redding und seinem Lied "Scratch my Back" entstand,[52] gipfelt schließlich in einem akustischem Vergnügen, dessen Wirkung sich niemand entziehen kann.
In der Einführung sprechen Jandl und Mayröcker vom "Gigant[en]" als einem "Menschheitsmythos".[53] Das Hörspiel stellt jedoch nur das Modell eines Mythos dar. Das Heilbringermotiv ist im Hörspiel "Der Gigant" wie in den Mythen präsent. Heilbringend sind die Giganten in der griechischen Mythologie. Sie sind wilde sterbliche Riesen, die den Olymp und damit Zeus stürzen wollen, um Gaia, der Erde, die Weltherrschaft zu erkämpfen.
Das Hörspiel "Der Gigant" zeigt eine moderne Bearbeitung des Schöpfungsmythos. Dennoch handelt es sich im Hörspiel nicht allein um Motive mythischen Ursprungs. Märchenhaft wird die Kuhstallidylle abgelöst durch die wunderbare Verwandlung des Kindes in der Köhlerhütte. Mit der Sklavenarbeit in der Baumwollplantage wird zunächst ein historisches Szenario entworfen, das jedoch später - nun in Science-Fiction-Manier - in eine utopische Befreiung mündet.
"SPALTUNGEN"[54] ist das Hörspiel, das am deutlichsten den Ideen des Neuen Hörspiels entspricht. Sprache wird konsequent als Material verwendet, mit der Ernst Jandl und Friederike Mayröcker systematisch spielen. Sie ist aber auch nur ein Teil des akustischen Modells, das in seiner Gesamtheit eine spezifische Wirkung evoziert.
Thema des Stückes ist die Stellung des einzelnen Menschen zwischen Extremen - Licht und Dunkel; Wärme und Kälte; Mut und Angst; Glück und Trauer; Leben und Tod.[55]
Jandl und Mayröcker widmen sich der Sprache in "SPALTUNGEN" in anderer Weise als im "Gigant[en]". Sprachliche Gegensätze und phonetische Strukturen rücken in den Vordergrund.
ich
bin
so
glück-lich trau-rig" (S.3)[56]
In der akustischen Realisation fallen die Gegensatzpaare glücklich-traurig, heiß-kalt, schwarz-weiß mittels Stereophonie zeitlich und räumlich zusammen. Von zwei verschiedenen Stereopositionen aus spricht dieselbe Stimme den ihr vorgegebenden Text. Bereits an dieser Stelle klingt die enge Korrespondenz zum Titel und die Infragestellung des sprachlichen Gegensatzes an. Es wird deutlich, daß der logische Begriff vom Gegensatz nicht ausreicht, um die Konstruktion des Hörspiels zu erklären. Gegensätze müssen anders erklärt werden, als durch das Prinzip der Ausschließlichkeit. "Schwarz" und "weiß" sind somit nur sprachliche Gegensätze einer analytischen Weltsicht, in ihrer akustischen Wahrnehmung liegen sie in "SPALTUNGEN" ganz nah beieinander, sind synchron realisiert worden. Die Farbentheorie erklärt, daß Licht Sonnenlicht ist, bei Schwarz hingegen jegliche Reflexion von Licht fehlt. Dazwischen liegt ein großer Bereich des Zwischenstadiums, der Dämmerung, der phänomenologisch erklärt werden kann und der dem Gegensatzpaar schwarz-weiß jede Eindeutigkeit nimmt.
Neben den phänomenologischen Deutungsmöglichkeiten des Hörspiels hat "SPALTUNGEN" eine starke metaphysische Assoziationskraft, die durch permutative Umstellung der Begriffe "Ich", "Tage" und "Jahre" erzielt wird.
Meine Tage und ich werden vergehn
aber meine Jahre werden nicht vergehn,
Ich und meine Jahre werden vergehn
aber meine Tage werden nicht vergehn
Meine Jahre und Tage werden vergehn
aber ich werde nicht vergehn
Ich werde vergehn
aber Tage und Jahre werden nicht vergehn (S.22)
Die oben genannten Begriffe stehen metonymisch für eine universelle Lebenszeit, die Vergänglichkeit und Ewigkeit umfaßt. Sie schließt die Lebenszeit eines Subjekts ein, reicht aber über sein individuelles Leben weit hinaus. Permutative Variationen stehen stellvertretend für die Sicht des Subjekts auf die Zeit, in der es existiert und die Zeit, in der Leben unabhängig von ihm existent ist. Auf der einen Seite ist die Vergänglichkeit immer präsent, auf der anderen Seite bleibt immer etwas zurück, das nicht vergeht. Das permutative Verfahren, das Jandl und Mayröcker im Hörspiel anwenden, vermittelt Bewegung und zeigt Veränderungen, die immer an die Zeit gekoppelt sind.
"SPALTUNGEN" zeigt akustisch eindrucksvoll Lebens- und Sprachzusammenhänge. Das Wortmaterial ist sparsam. Überzeugend ist die akustische Realisation einzelner Wörter. Bei der Entstehung des Wortes "Nacht" ist zunächst nur ein "ch" über den gesamten Hörraum zu vernehmen. Dazwischen schiebt sich ein "nnnnnnnnnaaaaaaaaa", um dann mit c-----ht zum ganzen Wort vervollständigt zu werden. Beim Wechsel von "Nacht" zu "nicht" wird das "Nicht" durch Schnitt in seine Phoneme getrennt. Das "Ich" im "Nicht" ruft Assoziationen zur Existenz, Fragen zum Sein und Nichtsein hervor.
[...]
[1] Gomringer, Eugen: Nachwort, in: Mayröcker, Friederike: Tod durch Musen. Poetische Texte, Darmstadt, Neuwied 1973, S.195.
[2] Nicht realisierte Hörspiele sind "Orestes" (1970), "grasnarbe" (1970), "Wege ins Lappland" (1970), "decollage, ABREISZEN DES GELEIMTEN" (1971) und "die hymnen" (1971). Vgl. Hörspielverzeichnis.
[3] Vgl. Schmidt, Siegfried J.: Es schießt zusammen. Gespräch mit Friederike Mayröcker (März 1983), in: Ders. (Hg.): Friederike Mayröcker. Frankfurt/Main 1984, S.276.
[4] Es handelt sich um "Fünf Mann Menschen" (Deutschland, 1969) und “Bocca della Veritá” (Österreich 1981). Gemeinsam auf einer Doppel-CD erschienen: “Repetitionen, nach Max Ernst”, “Die Umarmung, nach Picasso” und “Schubertnotizen, oder das unbestechliche Muster der Ekstase” (Schweiz 1995). Vgl. Hörspielverzeichnis.
[5] Berlin 1978.
[6] Vgl. Mon, Franz: Hörspiele werden gemacht, in: TEXT + KRITIK, 1978, H.60 [Franz Mon], S.50-60.
[7] Vgl. Schmitthenner, Hansjörg: Eine Stelle, wo vorher nichts da war. Bemerkungen zu dem Hörspiel Fünf Mann Menschen von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, Darmstadt, Neuwied 1982, S.107.
[8] Vgl. z.B. Kriwet, Ferdinand: ONE TWO TWO, in: Neues Hörspiel. Texte Partituren, hg. v. Klaus Schöning, Frankfurt/Main 1969, S.369-388.
[9] Leier, Manfred: Grober Raster Wirklichkeit. Zum Hörspielpreis der Kriegsblinden, in: Die Welt, 3./4.4.1969.
[10] Vgl. Schmitthenner, Hansjörg: Eine Stelle, wo vorher nichts da war. Bemerkungen zu dem Hörspiel Fünf Mann Menschen von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, Darmstadt, Neuwied, 1982, S.104.
[11] Netenjakob, Egon: Man muß wieder Hörspiele hören, in: Funkkorrespondenz, 3.4.1969, S.1.
[12] Südwestfunk. Erstsendung: 14.11.1968. Der Österreichische Rundfunk sendete "Fünf Mann Menschen" erst am 2.12.1972.
[13] Knilli, Friedrich: Das Hörspiel. Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels. Stuttgart 1961. Pörtner, Paul: Schallspiel-Studien, in: AKZENTE, 16. Jg., 1969, S.77-87.
[14] Pörtner, Paul: Schallspiel-Studien, in: AKZENTE, 16. Jg., 1969, S.77.
[15] Enzensberger, Hans Magnus: Gemeinplätze, Die Neueste Literatur betreffend, in: Kursbuch 15, Frankfurt/Main, November 1968, S.187.
[16] Ebenda, S.188.
[17] Vgl. Vowinckel, Antje: Collagen im Hörspiel. Die Entwicklung einer radiophonen Kunst, Würzburg 1995, Diss. Univ. Bielefeld. 1994, S.148ff.
[18] Vgl. Williams, Emmett (Hg.): An Anthology Of Concrete Poetry, 6.erw. Aufl., New York 1967, Vorwort, S.vi.
[19] Bense, Max: Konkrete Poesie, in: Sprache im technischen Zeitalter, 1965, H.15, S.1240.
[20] Mon, Franz: bemerkungen zur stereophonie, in: Neues Hörspiel. Essays, Analysen, Gespräche, hg. v. Klaus Schöning, Frankfurt/Main 1970, S.126.
[21] Vgl. Schmidt, Siegfried J.: ”Es schießt zusammen”. Gespräch mit Friederike Mayröcker (März 1983), in: Ders. (Hg.): Friederike Mayröcker, Frankfurt/Main 1984, S.262.
[22] Vgl. Drews, Jörg: Das Pathos verhunzen. Hörspielmacher Ernst Jandl [Gespräch], in: Hörspielmacher, hg. v. Klaus Schöning, Königstein/Taunus 1983, S.200.
[23] Jandl, Ernst: Von Konrad Bayer, in.: protokolle, 1983, Bd.1, S.31.
[24] Beyer, Marcel: Friederike Mayröcker. Eine Bibliographie 1946-1990. Frankfurt/Main 1992, S.26/27.
[25] Fetz, Bernhard: Stören Sie die Sprache! In: Die Presse, 17.12.1994, Spectrum VII.
[26] Jandl, Ernst: Darüber etwas zu sagen. Bemerkungen zum Hörspiel “das röcheln der mona lisa”, in: Ders.: Gesammelte Werke 3. 3 Bde. Stücke und Prosa, hg. v. Klaus Siblewski, Frankfurt/Main 1990, Bd.3, S.172.
[27] Zit. n. Wischenbart, Rüdiger: F. Mayröcker und ihre Liebe zum Magischen in der Sprache, in: Neue Zeit, 11.7.1979.
[28] Mayröcker in: Ansprache anläßlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1968 [gemeinsam mit Ernst Jandl], gehalten am 22. April 1969 in Bonn, in: Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Der Hörspielkomplex, in: protokolle, 1977, Bd.2, S.281.
[29] Zit. n. Schmidt, Siegfried J.: Es schießt zusammen. Gespräch (März 1983), in: Ders. (Hg.): Friederike Mayröcker, 1984, S.261/262.
[30] Friederike Mayröcker teilte mir dies in einem Brief vom 20.4.1996 mit.
[31] Westdeutscher Rundfunk. Erstsendung: 23.4.1969. Fälschlicherweise wird an einigen Stellen ein anderes Datum angegeben.
[32] Ansprache anläßlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1968 [gemeinsam mit Ernst Jandl], gehalten am 22. April 1969 in Bonn, in: Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Der Hörspielkomplex, in: protokolle 1977, Bd.2, S.282.
[33] Jandl, Ernst: Zum Stereohörspiel “Der Gigant”, in: Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Der Hörspielkomplex, in: protokolle, 1977, Bd. 2, S.284.
[34] Vgl. Schöning, Klaus: hörspiel to end all hörspiels. Ernst Jandl, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, Darmstadt, Neuwied 1982, S.125.
[35] Vgl. Schmitthenner, Hansjörg: Eine Stelle, wo vorher nichts da war. Bemerkungen zu dem Hörspiel Fünf Mann Menschen, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, 1982, S.101f.
[36] Vgl. Drews, Jörg: Das Pathos verhunzen. Hörspielmacher Ernst Jandl (Gespräch), in: Hörspielmacher, hg. v. Klaus Schöning, Königstein/Taunus 1983, S.201-202.
[37] Vgl. Schmitthenner, Hansjörg: Eine Stelle, wo vorher nichts da war. Bemerkungen zu dem Hörspiel Fünf Mann Menschen, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, 1982, S.102.
[38] Von Szene 9 und 10 existieren zwei Fassungen, die ursprünglich auch realisiert werden sollten. Sie sind wesentlich länger als die ursprünglichen Szenen. Vgl. Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Fünf Mann Menschen, in: Neues Hörspiel. Texte Partituren, hg. v. Klaus Schöning, Frankfurt/Main 1969, Nachtrag, S.130-139. Ursprünglich wollte sich auch der Bayerische Rundfunk an der Produktion beteiligen. Kurz vor Produktionsbeginn zog er sich aber zurück. Vgl. Leier, Manfred: Grober Raster Wirklichkeit, in: Die Welt, 3./4.4.1969.
[39] Vgl. Netenjakob, Egon: Man muß wieder Hörspiele hören. Zum Hörspielpreis der Kriegsblinden für das Jahr 1968, in: Funk-Korrespondenz, 3.4.1969.
[40] Schmitthenner, Hansjörg: Eine Stelle, wo vorher nichts da war. Bemerkungen zu dem Hörspiel Fünf Mann Menschen von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker, in: Ernst Jandl. Materialienbuch, hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler, Darmstadt, Neuwied, 1982, S.102-103.
[41] Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Fünf Mann Menschen, in: Neues Hörspiel. Texte Partituren, hg. v. Klaus Schöning, Frankfurt/Main 1969, S.118.
[42] "Gut gebrüllt, Löwe!" Original: "Well roared, lion", in: Shakespeare, William. A Midsummer Night's Dream, hg. v. F.C. Horwood, The New Clarendon Shakespeare, Bd.20, Akt 5, Szene 1, 9.Aufl., Oxford 1966, S.112.
Deutsch in: Shakespeare, William: Ein Sommernachtstraum, in: Ders.: Sämtliche Dramen, übers. v. August Wilhelm von Schlegel, Bd.1 (Komödien), Aufzug 5, Szene 1, München 1968, S.589.
[43] "ssso": Selbstzitat Ernst Jandls, in: Spruch mit kurzem o. in: Ders.: Sprechblasen. Gedichte, 2. Aufl., Neuwied, Berlin 1970, S.35.
[44] Die Originalfassung nach den ersten Auflagen lautet: "Und Minz und Maunz, die Katzen / Erheben ihre Tatzen".
Die Verse stammen aus: "Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug". Während der Struwwelpeter bereits 1845 veröffentlicht wurde, kam die "Geschichte mit dem Feuerzeug" erst in der 2. Auflage 1846 dazu. In: Hoffmann, Heinrich: Der Struwwelpeter: oder lustige Geschichten und drollige Bilder, 7. Aufl., Frankfurt/Main, 1987, Nachdruck der Ausg. 1933, o.S.
[45] Verfasser des Liedes ist Hermann Adam von Kamp, in: Klusen, Ernst (Hg.). Deutsche Lieder. Texte und Melodien, ausgew. und eingel. v. E. Klusen, Frankfurt/Main, 1980, S.52.
[46] In: Klusen, Ernst (Hg.): Deutsche Lieder. Texte und Melodien, Frankfurt/Main 1980, S.393. Gesungen wird im Hörspiel nur die erste Strophe. Das Lied entstand im 19.Jh. und war im 20.Jh. besonders als Soldatenlied weit verbreitet.
[47] Heißenbüttel, Helmut: Politische Grammatik, in: Ders.: Textbuch 2, 4. Aufl., Olten, Freiburg 1969, S.38-39.
[48] "Wer nicht wehren will, muß fühlen": Entstand in Anlehnung an das Sprichwort: "Wer nicht hören will, muß fühlen." "Wer die Wahl hat, hat Spital": Entstand in Anlehnung an das Sprichwort: "Wer die Wahl hat, hat die Qual." "Wer die Rechte nicht ehrt, ist die Linke nicht wert": Entstand in Anlehnung an das Sprichwort: "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert".
[49] "Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste", in: Uhland, Ludwig: Einkehr. Wanderlieder 8, [20.11.1811], in: Ders.: Werke, 4 Bde., Bd.1, Sämtliche Gedichte, hg. v. Hartmut Fröschle und Walter Scheffler. Nach der Ausgabe letzter Hand, hg. v. Walter Scheffler, München 1980, S.48.
[50] Zum Begriff "Szene" vgl. Knilli, Friedrich: Das Hörspiel. Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels, Stuttgart 1961, S.80. Der Begriff ”Sequenz” hat den Vorteil, das er kein visuelles Moment enthält, während “Szene” an das Schauspiel erinnert. Friederike Mayröcker wählt immer den letzteren Ausdruck.
[51] Vgl. WDR-Programmheft, 1969, 1. Halbjahr.
[52] Vgl. Jandl, Ernst: Zum Stereohörspiel “Der Gigant”, in: Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Der Hörspielkomplex, in: protokolle, 1977, Bd.2, S.283.
[53] Vgl. ebenda, S. 284. Jandl äußert sich zum Mythos: Vgl. Drews, Jörg: Das Pathos verhunzen. Hörspielmacher Ernst Jandl (Gespräch), in: Hörspielmacher, hg. v. Klaus Schöning, Königstein/Taunus 1983, S.202ff.
[54] Westdeutscher Rundfunk, Südwestfunk. Erstsendung: 30.4.1970.
[55] Vorbemerkungen zu “Spaltungen”, in: Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike: Der Hörspielkomplex, in: protokolle, Bd.2, 1977. S.289.
[56] Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf die entsprechenden Sendemanuskripte der Rundfunkanstalten.
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