Christine Luz
Rhetorische Ethik in der Nachrichtenauswahl
Am Beispiel der Fernsehnachrichtensendungen Tagesschau und RTL aktuell
ISBN: 978-3-8366-4332-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland, Bachelorarbeit, 2009
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Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung... 4
2
Grundlegung der rhetorisch-ethischen Analyse ... 6
2.1
Die Unterscheidung von Strebens- und Sollensethik ...6
2.2
Die rhetorische Ethik als Rednerethik ...7
2.3
Strebensethische Eigenschaften des Ethos-Models bei Aristoteles und Cicero...8
3
Der Prozess der Nachrichtenauswahl ... 9
3.1
Was ist eine Nachricht?...9
3.2
Fernsehnachrichten als Spezialfall...10
3.3
Der Journalist als ,,Schleusenwärter" ...11
3.4
Was Journalisten bei der Nachrichtenauswahl beeinflusst ...12
3.5
Wie wahr die Nachrichtenauswahl sein kann...13
4
Charakterisierung von Tagesschau und RTL aktuell ... 14
4.1
Das ARD-Flaggschiff...14
4.1.1
Die Arbeitsweise der Tagesschau ...15
4.2
Imagewechsel bei RTL aktuell ...16
4.2.1
Infotainment bei RTL aktuell ...17
4.3
Öffentlich-rechtliches vs. kommerzielles Nachrichtenformat...18
5
Darstellung der Untersuchungsergebnisse... 19
5.1
Der Ereignishintergrund des Untersuchungszeitraums...20
5.2
Anzahl der Themen und Länge der Beiträge ...21
5.3
Die Themenbereiche der Nachrichtensendungen...21
5.4
Die Handlungsorte der Nachrichtensendungen...22
5.5
Die zwölf Top-Meldungen...24
6
Interpretation der Untersuchungsergebnisse ... 25
6.1
Die Realität der Fernsehberichterstattung...26
6.1.1
Die Welt nach Darstellung der Tagesschau ...26
6.1.2
Die Welt nach Darstellung von RTL aktuell...28
6.1.3
Schlussfolgerung ...29
6.2
Rhetorische Ethik bei Tagesschau und RTL aktuell...30
6.2.1
Die Tagesschau als Mediator ...31
6.2.2
RTL aktuell als Infotainer...32
6.2.3
Schlussfolgerung ...34
7
Fazit und Ausblick ... 35
Anhang ... 37
I
Literaturverzeichnis...37
II
Tabellen...39
4
1 Einleitung
Journalisten bestimmen, worüber die Öffentlichkeit redet, denn erst indem sie ein Ereignis
publizieren, wird es von der Masse der Menschen überhaupt wahrgenommen. Dabei wird eine
Auswahl an Ereignissen getroffen. Um es mit den Worten von Rita Vock zu sagen: ,,Jede Auswahl
einer Nachricht im journalistischen Arbeitsprozess ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen viele
andere mögliche Nachrichten."
1
Dabei stellt sich die berechtigte Frage, nach welchen Kriterien
Journalisten Nachrichten auswählen und inwieweit die in den Medien dargestellte Welt mit der
Wirklichkeit übereinstimmt. Das jeweilige Medium, für das die Journalisten tätig sind, nimmt die
Rolle einer Instanz ein, die sich bewusst für oder gegen eine Nachricht entscheidet und somit eine
bestimmte Wirkung bei den Rezipienten erzielen kann und will nicht zuletzt im Hinblick auf
Leserzahlen oder Einschaltquoten. Der Journalismus wird oftmals als ,,Vierte Gewalt" bezeichnet,
weil er die Staatsgewalt kontrollieren kann und die öffentliche Meinung mitprägt. Damit lastet ein
großer Verantwortungsdruck auf den Medien. Hier eröffnen sich also zwei Dimensionen der
Nachrichtenauswahl: zum einen die Wirkungsintention eines Mediums, zum anderen die ethische
Verantwortung, was für ein Weltbild die Medien der Öffentlichkeit präsentieren. Dieser Konflikt
Rezipienten an sich zu binden und der öffentlichen Aufgabe trotzdem verantwortungsbewusst
nachzukommen findet sich bereits bei den Rednern der Antike. Im Vordergrund stand für sie die
Persuasion der Zuhörer zu ihren Gunsten. Gleichzeitig konnten sie sich den Pflichten, die eine
öffentliche Stellung als Redner mit sich brachte, nicht ganz entziehen.
Diese Arbeit zeigt, dass die rhetorische Ethik, die durch diesen Konflikt geprägt wurde, auch in der
heutigen Medienlandschaft Anwendung findet. Geschehen soll dies beispielhaft anhand der
Nachrichtenauswahl der Fernsehnachrichtensendungen Tagesschau und RTL aktuell. Dabei
konzentriert sich die Arbeit in Bezug auf die Tagesschau auf die Hauptausgabe um 20 Uhr. Die
Nachrichtensendungen wurden im Zeitraum vom 8. bis 21. Juni 2009 untersucht. In dieser Arbeit
wird davon ausgegangen, dass Fernsehnachrichten ,,implizit rhetorisch" sind, da die Rolle des
Orators bei den Institutionen Tagesschau und RTL aktuell ,,überdeckt, rezessiv, nur schwach
1
R. Vock: Was gilt als wichtig? Über die strukturelle Vernachlässigung von Nachrichten. In: H. Pöttker, C. Schulzki-
Haddouti (Hrsg.): Vergessen? Verschwiegen? Verdrängt? 10 Jahre ,,Initiative Nachrichtenaufklärung" (Wiesbaden 2007),
S. 35
5
konturiert" ist.
2
Das heißt, Tagesschau und RTL aktuell werden stellvertretend für einen einzigen
Orator
als
Oratorenkomplex
betrachtet.
Fernsehsendungen
eigenen
sich
als
Untersuchungsgegenstand, da sich die drei Komponenten der Rhetorik hierin wiederfinden lassen:
Orator, Kanal und Adressat. Philip Scherenberg bezeichnet das Fernsehen daher als ,,durch und
durch rhetorisches Mittel" und beschreibt es wie folgt:
,,Da die Fernsehsender (...) im eigenen Auftrag eine ,Botschaft' verbreiten (...), ist das
Ergebnis dessen, was beim Fernsehzuschauer ankommt ein auf mehreren Instanzen
erarbeitetes und rhetorisch so ansprechend wie möglich inszeniertes Bild."
3
Ziele dieser Arbeit sind
1. zu untersuchen, nach welchen Kriterien und mit welchen Wirkungsintentionen Tagesschau
und RTL aktuell Nachrichten auswählen,
2. herauszustellen, welchen Nutzen die Institutionen selbst und die Rezipienten davon tragen und
3. herauszuarbeiten, inwieweit die Nachrichtenauswahl eine rhetorisch-ethische Komponente
aufweist.
Geleitet wird das Vorgehen durch zwei Hypothesen:
1. Fernsehnachrichtensendungen konstruieren durch ihre Nachrichtenauswahl eine eigene
Realität.
2. Tagesschau und RTL aktuell bauen durch ihre Nachrichtenauswahl ein jeweils
unterschiedliches Ethos auf.
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Teil, in dem die Grundlagen für die rhetorisch-
ethische Analyse gelegt werden und der Prozess der Nachrichtenauswahl im Allgemeinen
beleuchtet wird. Daraufhin werden die Institutionen Tagesschau und RTL aktuell charakterisiert. Es
folgt ein praktischer Teil, in dem die Untersuchungsergebnisse der Analyse von zwei Wochen
Fernsehnachrichten dargestellt werden. In einem letzten Schritt werden die Ergebnisse im Hinblick
auf das von den Medien geprägte Weltbild und die rhetorisch-ethischen Aspekte der
Nachrichtenauswahl interpretiert und die Hypothesen auf deren Gültigkeit überprüft.
2
J. Knape: Was ist Rhetorik? (Stuttgart 2000), S. 114; die lateinische Bezeichnung Orator anstatt Redner erscheint im
Zusammenhang mit Nachrichtensendungen passender, da sie den Rhetor nicht auf die klassische Redesituation begrenzt
3
P. Scherenberg: Kritische Medien-Wahrnehmung. Grundlegung einer praktischen Medien-Ethik (Hamburg 2006), S.
111f.
6
2 Grundlegung der rhetorisch-ethischen Analyse
2.1 Die Unterscheidung von Strebens- und Sollensethik
Der Begriff Ethik wird heute oftmals als Synonym von Moralphilosophie verstanden, ,,die angibt,
was jedermann verbindlich zu tun oder zu unterlassen hat (...)".
4
Der deutsche Philosoph Hans
Krämer weist jedoch daraufhin, dass es dieses moralphilosophische Ethikverständnis eigentlich erst
seit dem 18. Jahrhundert gibt und dass es maßgeblich durch Immanuel Kant beeinflusst wurde.
Krämer bezeichnet die Moralphilosophie in seinem Buch Integrative Ethik als ,,Sollensethik" und
grenz sie von einer ,,Strebensethik" ab.
5
Sie unterscheiden sich wie folgt voneinander:
,,Die Strebensethik will einen Lernprozess zum Lebenkönnen ein- und anleiten; die
Moralphilosophie dagegen ist nicht für das eigene Wollen oder Können zuständig,
sondern hält statt dessen an zur kritischen Aufmerksamkeit auf die Forderungen, die
die jeweils anderen an uns stellen. In der Strebensethik ist das Gute als
Handlungsziel gut für den Akteur selbst und gleichbedeutend mit dem Gewollten
und Erstrebten; in der Moralphilosophie ist es gut für die anderen und daher
synonym mit dem Gesollten (Sollensethik)."
6
Während die Sollensethik oftmals Handlungsanweisungen erteilt, kann die Strebensethik eher als
Handlungsratschlag verstanden werden.
7
Krämer verbindet mit der Strebensethik die gesamte
Ethik der Antike, weil es ihr in erster Linie um das ,,gelingende Leben des Einzelnen" und nicht um
das der Anderen ging. Seit der Zäsur durch Kant im 18. Jahrhundert wird dagegen die Sollensethik
,,zunehmend wie selbstverständlich als die Ethik schlechthin angesehen (...), während die
Strebensethik entweder explizit aus der philosophischen Ethik ausgebürgert oder ins Abseits des
Irrelevanten verdrängt wird".
8
Zuerst nahm also die Strebensethik, dann die Sollensethik eine
Monopolstellung in der Ethikdiskussion ein. Krämers Ansatz plädiert demgegenüber dafür, die
beiden Ethiktypen als gegenseitige Ergänzung zu betrachten.
9
4
H. Krämer: Integrative Ethik (Frankfurt am Main 1992), S. 9; vgl. F.-H. Robling: Redner und Rhetorik. Studie zur
Begriffs- und Ideengeschichte des Rednerideals (Hamburg 2007), S. 194
5
Ebd.
6
Robling, S. 195
7
Vgl. ebd. und Krämer, S. 77
8
Krämer, S. 10; vgl. Robling, S. 194
9
Vgl. Robling, S. 195
7
2.2 Die rhetorische Ethik als Rednerethik
Neben der philosophischen existiert auch eine rhetorische Ethik, die sich am besten als Rednerethik
verstehen lässt. Franz-Hubert Robling greift Krämers Gedanken zur Strebens- und Sollensethik auf
und rekonstruiert daraus den Ansatz für solch eine Rednerethik. Da der Redner primär in seinem
eigenen Interesse handelt, also die Persuasion der Adressaten der Verwirklichung seiner Ziele
dient, ist die rhetorische Ethik überwiegend strebensethisch geprägt. Sie weist aber auch einige
sollensethische Züge auf, die vor allem in der römischen Rhetorik zum Vorschein kommen,
wenngleich die Strebensethik nach wie vor dominiert. In das Blickfeld des Redners tritt neben das
eigene durch Persuasion angestrebte Gut eine Pflicht gegenüber dem Gemeinwesen.
10
So sehen
etwa Isokrates und Cicero einen ethischen Nutzen in der Beredsamkeit, indem diese soziale
Institutionen schafft und zur Zivilisierung der menschlichen Natur beiträgt.
11
Nach Ciceros Werk
De oratore muss der Redner ,,all das beherrschen, was die praktischen Bedürfnisse der Bürger sowie
ihre Verhaltensweisen im Alltagsleben, in Politik und Gesellschaft angeht und was sich auf den
Gemeinsinn sowie auf die menschliche Natur und Gesittung bezieht".
12
In der Pflicht gegenüber
dem Gemeinwesen zeichnet sich die öffentliche Aufgabe ab, die jedem Redner zukommt. Es kann
davon ausgegangen werden, dass diese Aufgabe von den jeweiligen politischen und sozialen
Bedingungen der Zeit, in der der Redner agiert, abhängig ist. Dabei ist die Öffentlichkeit ,,nicht nur
der angemessene Ort des Redners, sondern sie wird durch ihn auch mitkonstituiert".
13
Ein wesentliches Merkmal der rhetorischen Ethik ist die Nutzensorientierung, der die Persuasion
dienen muss.
14
Aristoteles schreibt in seinem Werk Rhetorik: ,,Denn alle lassen sich durch das
überzeugen, was nützt (...)."
15
Das Nützliche als Handlungsziel ordnet Aristoteles der beratenden
Rede zu. Dabei nimmt die rhetorische Ethik auch hier einen subjektiven Blickwinkel ein. Das
bedeutet, die Rede soll in erster Linie dem Redner selbst oder zumindest seinen Klienten oder
seiner Partei nützen.
16
10
Vgl. ebd., S. 195f.
11
Vgl. ebd., S. 202
12
Ebd., S. 207f.
13
Ebd., S. 32
14
Vgl. ebd., S. 201
15
Aristoteles: Rhetorik, 1365b25, übersetzt und herausgegeben von G. Krapinger (Stuttgart 2007)
16
Vgl. Robling, S. 201
8
Festzuhalten ist, dass sich die rhetorische Ethik also zum einen in einem strebensethischen Prinzip
der Persuasion, zum anderen in der subjektiven Betrachtungsweise des Nutzens als Ziel der Rede
äußert.
2.3 Strebensethische Eigenschaften des Ethos-Models bei Aristoteles und
Cicero
Krämer weist in Integrative Ethik auf einen Zusammenhang zwischen Ethik und Ethos hin:
,,,Ethik' liegt dem Wortsinn nach primär immer dann vor, wenn in der
Lebensführung sich feste Formen des ,Ethos', also Grundhaltungen und Verhaltens-
oder Haltungsdispositionen abzeichnen, aus denen heraus die einzelnen
Handlungen oder Verhaltensweisen vollzogen werden."
17
Ethos im rhetorischen Sinne ist das Charakterbild des Redners, das dieser in einer Rede von sich
entwirft.
18
Schon Aristoteles beschreibt den Charakter des Redners in der Rhetorik als eines von
drei Überzeugungsmittel der Rede: ,,Durch den Charakter geschieht dies, wenn die Rede so
dargeboten wird, daß sie den Redner glaubwürdig erscheinen lässt."
19
Das Ethos erscheint hier als
ein rein ,,technisches Instrument der Persuasion", da es sich nicht auf das Ansehen des Redners in
der Öffentlichkeit bezieht, sondern nur das Bild meint, das der Redner innerhalb der Rede von sich
entwirft.
20
Es lässt sich aber auch bei Aristoteles der von Krämer beschriebene Ethikbezug
erkennen, wenn man betrachtet, was nach Aristoteles zur Glaubwürdigkeit des Redners führt,
nämlich Einsicht, Tugend und Wohlwollen.
21
Dabei sind für ihn die größten Tugenden die, ,,die für
die Mitmenschen am nützlichsten sind (...)".
22
Der Redner muss also einen Nutzen für das
Gemeinwesen anstreben, um glaubwürdig zu erscheinen. Nur so kann er sein eigenes
Handlungsziel erreichen. Hier verbindet sich der strebensethische mit einem sollensethischen
Nutzen.
Auch bei Cicero gilt das Rednerethos als ein Überzeugungsmittel der Rede. Glaubwürdigkeit führt
er jedoch anders als Aristoteles vor allem auf die Erregung der benevolentia des Publikums zurück.
Bei Ciceros Verständnis des Rednerethos schwingt Catos Konzept des vir-bonus-Ideals mit. Er
sieht in der Präsentation des Redners als einen guten, sittlichen Mann nicht nur ein
17
Krämer: Integrative Ethik, S. 76
18
Vgl. Robling, S. 219
19
Aristoteles, 1356a5
20
Robling, S. 219f.
21
Vgl. Aristoteles, 1378a5
22
Ebd., 1366b
9
Wirkungsmittel der Rede, sondern fordert vielmehr, dass der Redner auch wirklich ist, was er
darstellt.
23
,,Wenn er auch das Ideal des vir bonus niemals ganz erreichen kann, muß das Publikum
doch zu der Überzeugung gelangen, daß es wirklich sein Ideal ist, dem er nachzustreben sich
bemüht (...)."
24
Um überzeugen zu können, muss der Redner nach Cicero also nicht nur das
Wohlwollen seines Publikums erregen, sondern auch den Ansprüchen ,,sozialer Sittlichkeit"
genügen. Dies schließt eine Verstellung oder Täuschung in der Rede allerdings nicht aus. Cicero
nimmt hier die Perspektive eines Anwalts ein, der in erster Linie im Interesse seiner Klienten
handelt. Hierin äußert sich der strebensethische Aspekt seines Ethoskonzeptes und die subjektive
beziehungsweise parteiliche Sicht auf den Nutzen der Rede.
25
Sowohl bei Aristoteles als auch bei Cicero zeigt sich, dass das Rednerethos zwar ein Mittel zur
Persuasion ist, damit aber ,,einwandfreies Verhalten" und ein ,,rechtschaffener Charakter"
einhergehen müssen,
26
um die strebensethischen Zielsetzungen zu erreichen. Somit kommt dem
Redner auch ,,die Funktion eines Vorbildes" zu.
27
3 Der Prozess der Nachrichtenauswahl
3.1 Was ist eine Nachricht?
Da sich diese Arbeit mit der Nachrichtenauswahl von Journalisten beschäftigt, empfiehlt es sich,
zunächst einmal zu klären, was eine Nachricht im journalistischen Sinne eigentlich ist. Eine
allgemeine Definition von Nachrichten liefert Ute Gombert: ,,Nachrichten sind tagesaktuelle
Faktenmeldungen, die Fragen nach dem Wer, Was, Wann, Wo, Warum und Wie beantworten."
28
Eine Begriffsbestimmung, die zugleich als Anleitung für den Journalisten verstanden werden kann,
liefern Wolf Schneider und Paul-Josef Raue in ihrem Buch Das Neue Handbuch des Journalismus:
,,Die Nachricht ist eine faire und verständliche Information über Tatsachen, die für
Leser oder Hörer erstens neu sind (...) und zweitens eines von beiden: wichtig (und
23
Vgl. Robling, S. 226f.
24
G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode (Stuttgart/Weimar 2005), S. 281
25
Robling, S. 227f.
26
Ebd., S. 259
27
Ueding, Steinbrink, S. 281
28
U. Gombert: Tradition contra Show. Inhaltsanalyse der Politikberichterstattung in öffentlich-rechtlichen und privaten
Nachrichtensendungen am Beispiel von Tagesschau und RTL aktuell (Berlin 2006), S. 8
10
das heißt oft auch: interessant, doch durchaus nicht immer) oder interessant, selbst
wenn das Ereignis mich nicht betrifft, zum Beispiel ein Schneesturm in Florida."
29
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Neuigkeitswert, den eine Nachricht nach dieser
Definition haben soll, auch durchaus kritisch zu sehen ist. So weisen die Autoren des Buches
Unsere tägliche Desinformation darauf hin, dass das deutsche Wort ,,Nachricht" nicht zwangsläufig
eine Neuigkeit verlangt, im Unterschied zum englischen Wort ,,News". ,,Auch das lateinische
informare bedeutet nicht etwa ,Neuigkeiten übermitteln', sondern ,beschreiben, unterrichten,
unterweisen, Auskunft geben'."
30
Die Autoren wehren sich gegen die Vorstellung, dass nur
Neuigkeiten es verdienen, Einzug in die Medienwelt zu halten und plädieren unter anderem für
mehr Hintergrundberichterstattung und Basisinformationen.
31
3.2 Fernsehnachrichten als Spezialfall
An dieser Stelle wird auf Fernsehnachrichten im Speziellen eingegangen. Dies ist nötig, da das
Fernsehen die Nachrichtengebung durch seine Visualität insgesamt verändert hat. ,,Bilder sagen
mehr
als
tausend
Worte,
Bilder
informieren
anders
als
Buchstaben
oder
Reporterbeschreibungen."
32
Ob zu einem Ereignis Bilder vorliegen, kann für die
Nachrichtenauswahl ausschlaggebend sein, wie auch eine ehemalige Redakteurin der Tagesschau
bestätigt:
,,Also, die erste Überlegung im Fernsehen ist natürlich bei jeder Geschichte: Gibt es
Bilder? Wenn es keine Bilder gibt, dann ist die Überlegung: Ist die Geschichte so
wichtig, dass wir trotzdem darüber berichten? Und dann wäre es bei der Tagesschau
eine Wortmeldung. Oder ist sie dann doch nicht so wichtig, lassen wir es lieber sein,
weil es keine Bilder gibt? Es gibt Sachen, die gezeigt werden, nur weil es Bilder gibt.
Die würden wir nicht als Wortmeldungen machen."
33
Fernsehnachrichten gelten als objektiver und glaubwürdiger als die Berichterstattung von Zeitung,
Radio oder Internet.
34
Der ehemalige Chefredakteur von ARD-Aktuell Henning Röhl,
verantwortlich für die Sendungen Tagesschau und Tagesthemen, begründet dies folgendermaßen:
29
W. Schneider, P.-J. Raue: Das neue Handbuch des Journalismus (Reinbek bei Hamburg 2007), S. 62
30
W. Schneider et al.: Unsere tägliche Desinformation. Wie die Massenmedien uns in die Irre führen (Hamburg 1984), S.
256
31
Vgl. ebd., S. 253f.
32
H. Röhl: Die Macht der Nachricht. Hinter den Kulissen der Tagesschau (Berlin/Frankfurt am Main 1992), S. 35
33
S. Schäfer: Die Welt in 15 Minuten. Zum journalistischen Herstellungsprozess der Tagesschau (Konstanz 2007), S. 174
34
Vgl. S. Geese, C. Zubayr: Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht. Ergebnisse einer
Repräsentativbefragung zur Bewertung der Fernsehnachrichten. In: Media Perspektiven 4, 2009, S. 172
Ende der Leseprobe aus 43 Seiten
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Details
- Arbeit zitieren
- , 2009, Rhetorische Ethik in der Nachrichtenauswahl, Hamburg, Bedey Media GmbH, https://www.diplom.de/document/227633
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