ID 8623
Kathmann, Jan-Hendrik: Potentiale von E-Government für die öffentliche Verwaltung im
ländlichen Raum - Dargestellt am Beispiel des Landkreises Ludwigslust
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Humboldt-Universität zu Berlin, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany
Lebenslauf
Daten zur Person:
Vor- und Zuname: Jan-Hendrik Kathmann
Geburtsdatum:
20.08.1976
Geburtsort: Vechta
Familienstand: ledig
Staatsangehörigkeit: deutsch
Schulbildung:
1983-1987:
St. Christopherus Grundschule Lüsche (LK Vechta)
1987-7/1993:
Gymnasium Kolleg Sankt Thomas der Dominikaner (KST) in Vechta
8/1993-8/1994:
Austauschjahr in den USA (High School) in Lewistown, Illinois
9/1994-6/1996:
Fortsetzung der gymnasialen Oberstufe am KST mit der Erlangung der
allgemeinen Hochschulreife
Ausbildung / Studium:
9/1996-7/1997: Wehrdienst
9/1997-8/1999:
Studium der Geographie (Diplom) mit den Nebenfächern Soziologie
und Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin;
Vordiplom (Note 1,7)
9/1999-12/2004:
Hauptstudium mit Abschluss des Studiums mit dem akademischen
Grad Diplom-Geograph (Note 1,6).
Thema der Diplomarbeit:
,,Potentiale von E-Government für die öffentliche Verwaltung im
ländlichen Raum dargestellt am Beispiel des Landkreises
Ludwigslust" (Note 1,0).
Schwerpunkte der Nebenfächer: Stadt- und Regionalsoziologie und
Internationale Politik / Europäische Integration
Praktika / ausgewählte Nebentätigkeiten:
gesamte Schulzeit: Mitglied bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg und Betreuung
von Jugendgruppen als Gruppenleiter
8/9
2001:
Praktikum beim Quartiersmanagement Boxhagenerplatz, Berlin
Friedrichshain-Kreuzberg
4-7 2001:
Nebenjob für ein Stadtrundfahrtsunternehmen
1/2 2002:
Nebenjob Satellitenbildinterpretation
2/3 2002:
Praktikum beim Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt
Vechta- Schwerpunkt Stadtmarketing
10/2002-
1/2004: Studentische Aushilfe bei der Fa. TREUCON, Allgemeine
Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung
10/2004-12/2004:
Teilnahme am Kurs ,,Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Non-Profit-
Institutionen" des Career Centers der Humboldt-Universität zu Berlin
Besondere Kenntnisse / Sprachen / EDV:
-
Englisch in mündlicher und schriftlicher Form sehr gut
-
Französisch und Spanisch Grundkenntnisse
-
Beherrschung der gängigen MS-Office Programme incl. Frontpage
-
Geübt in Internetrecherche
- Anwenderkenntnisse von GIS - Programmen für Kartographie und
Geofernerkundung (z.B. Idrisi, Spans, PCMap) sowie von
Statistiksoftware (SPSS)
2
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
4
2
Öffentliche Verwaltung im ländlichen Raum- eine problematische
Aufgabe
5
2.1
Zum Begriff und zur Charakterisierung des ländlichen Raums
5
2.2
Wie wird die öffentliche Verwaltung räumlich organisiert?
8
2.3
Spezifische Probleme und Defizite öffentlicher Verwaltung im peripheren ländlichen
Raum
12
2.3.1
Räumliche Einflussfaktoren
12
2.3.2
Demographische Einflussfaktoren
14
2.4
Fazit
19
3
E-Government und Verwaltungsreform - Wege aus der Krise?
20
3.1
Was ist E-Government?
22
3.2
In welchen Anwendungsbereichen spielt E-Government im ländlichen Raum seine
Stärken aus?
24
3.2.1.
Distribution von Verwaltungsdienstleistungen über das Internet
26
3.2.2.
Distribution von Verwaltungsdienstleistungen über Bürgerbüros
31
3.3
Wo liegen Schwächen des E-Government Ansatzes für den ländlichen Raum?
36
3.3.1.
Spezifische Schwächen des internetbasierten Dienstleistungsangebotes
37
3.3.2.
Spezifische Schwächen von Bürgerbüros
44
3.4
Fazit
46
4
Fallstudie: Potentiale von E-Government im Landkreis Ludwigslust
(Mecklenburg-Vorpommern)
50
4.1
Der Untersuchungsraum Landkreis Ludwigslust kurz vorgestellt
50
4.1.1
Der Landkreis Ludwigslust zeichnet sich durch seine Größe und relativ dünne
Besiedlung aus
50
4.1.2
Eine Vielzahl von kleinen Gemeinden, Ämtern und Städten prägt (noch) die
Verwaltungslandschaft
51
4.1.3
Der Landkreis Ludwigslust leidet kaum unter Abwanderungen
52
4.1.4
Der Landkreis Ludwigslust profitiert wirtschaftlich von seiner Nähe zur Metropolregion
Hamburg
54
3
4.1.5
Die öffentlichen Haushalte der Gemeinden im Landkreis profitieren höchst
unterschiedlich von der Wirtschaftsstärke
55
4.1.6
Einfluss der vorzufindenden Strukturen auf die Untersuchungsdurchführung
56
4.2
Die E-Government-Struktur im Landkreis Ludwigslust
58
4.2.1
Von der Idee zum E-Government Projekt
58
4.2.2
Derzeitiger Umsetzungsstand- was bietet das Portal?
59
4.2.3
Der langfristig erfolgreiches E-Government erfordert frühzeitige Evaluation von
Schwächen und Risiken des Ansatzes
61
4.3
Empirische Erhebung zu den Potentialen von E-Government im Landkreis Ludwigslust
63
4.3.1
Forschungsfragen
63
4.3.2
Methodische Vorgehensweise
64
4.3.2.1
Schriftliche Befragung durch Fragebögen
65
4.3.2.2
Mündliche Befragung durch Experteninterviews anhand eines Gesprächsleitfadens 71
4.3.3
Auswertung der erhoben Daten
74
4.3.3.1
Auswertung der Fragebögen
74
4.3.3.2
Auswertung der Interviews
101
4.4
E-Government im Landkreis Ludwigslust- ein Ansatz mit Zukunft?
117
5
E-Government im ländlichen Raum- ein Fortschritt für Bürger und
Verwaltung
121
Verzeichnisse
124
Anhang
133
4
1
Einleitung
Wer die Titelseiten und Feuilletons von Zeitungen und Magazinen der letzten Monate
aufmerksam studiert hat, dem werden Schlagzeilen wie diese bekannt vorkommen: ,,Zu wenig
Kinder, zu viele Alte, zu wenig Steuern- Einwohnerzahl wird bis 2015 so stark sinken, dass
Infrastruktur kaum mehr finanzierbar ist" (Berliner Zeitung vom 17.05.2003, S. 24). Auch
der Tagesspiegel vom 24.02.2004 (S. 16) titelt: ,,Weniger Brandenburger, mehr Schulden-
Bericht sagt Haushaltsnotlage vorher: Weil die Bevölkerung abnimmt, verliert das Land
Steuern und Bundesmittel". Die oben skizzierten demographischen Entwicklungen, die
insbesondere peripher gelegene und strukturschwache Regionen besonders schwer treffen,
haben weit reichende Folgen für die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur. So ist
beispielsweise der Unterhalt von Schulen und Schwimmhallen mangels Schülern bzw.
Badegästen unrentabel, Schließungen stellen meist die letzte Möglichkeit dar die öffentlichen
Kassen zu entlasten. Ebenso verhält es sich mit der Bereitstellung öffentlicher
Verwaltungsdienstleistungen für den Bürger in dünn besiedelten, ländlichen Regionen: die
Steuereinnahmen zur Finanzierung der Verwaltung fließen spärlicher, andererseits ist der
Verwaltungsangestelltenbesatz pro Einwohner relativ hoch, was eine Verwaltungs- und in
vielen Fällen auch eine Gebietsreform notwendig macht. Die betroffenen Bürger im dünn
besiedelten, ländlichen Raum treffen solche Maßnahmen hart: oft müssen weite Wege
zurückgelegt werden, um z.B. einfache Anliegen von einem Verwaltungsbeamten im
Kreisamt bearbeiten zu lassen.
Das Problem für die öffentliche Verwaltung im ländlichen Raum ist also ein Zweifaches: wie
können Dienstleistungen in Zukunft kosteneffizient angeboten werden, ohne das die Qualität
des Bürgerservice leidet und der Bürger unverhältnismäßig weite Strecken zurücklegen muss?
Eine Lösung könnte der Einsatz des Internet und anderer elektronischer Medien sein, über die
Verwaltungsprozesse für Bürger und Unternehmen unabhängig von der Entfernung
abgewickelt werden können. Dieser verkürzt als E(-lectronic)-Government bekannte Ansatz
verspricht auch eine Verbesserung der innerbehördlichen Zusammenarbeit und
Effizienzsteigerung durch schnellen elektronischen Datenaustausch und weitgehende
Automatisierung von routinierten Verwaltungsvorgängen.
In vorliegender Arbeit sollen diese Potentiale von E-Government für den ländlichen Raum
genauer untersucht werden. Kann E-Government einen Beitrag zur Lösung der oben
postulierten Probleme der öffentlichen Verwaltung im ländlichen Raum darstellen? Falls ja,
wie könnte ein solches Modell praktisch aussehen?
5
Zur Klärung dieser Fragen bietet es sich an, Theorien und Forschungsergebnisse aus der
Wissenschaft mit Erfahrungen aus der Praxis zu vergleichen und aus den gewonnenen
Erkenntnissen ein abschließendes Fazit zu ziehen. Dieser Methodik folgend sollen im ersten
Teil der Arbeit neben der nötigen terminologischen Bestimmung des ländlichen Raumes v. a.
die Grundlagen der Verwaltung des ländlichen Raums dargestellt werden. Die spezifischen
Probleme, die sich für die öffentliche Verwaltung aus diesem Raumbezug ergeben, stellen den
Abschluss des ersten Teils dar.
Im zweiten Teil der Arbeit soll untersucht werden, wie E-Government helfen könnte, diese
Probleme zu beseitigen, und wo dieser Ansatz an seine Grenzen stößt. Dazu ist zunächst
genau festzulegen, was unter E-Government zu verstehen ist, da in vielen Publikationen
widersprüchliche Definitionen des Begriffes existieren. Ein besonderes Augenmerk wird
dabei auf die Chancen einer Modernisierung der Verwaltungsstruktur durch E-Government
gelegt.
In einem Zwischenfazit sollen die Ergebnisse der beiden theoretischen Teile dann
zusammengefasst und zu klaren Aussagen verdichtet werden, die dann als Grundlagen für
statistisch interpretierbare Forschungsfragen dienen können.
Im dritten Teil der Arbeit sollen dann die gewonnen Erkenntnisse an einem Fallbeispiel
verdeutlicht und mittels empirischer Arbeitsmethoden auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft
werden. Hierfür wurde der Landkreis Ludwigslust als Untersuchungsraum ausgewählt, der
anschließend kurz vorgestellt wird. Mit der Vorstellung der verwendeten empirischen
Erhebungsmethoden, ihrer Durchführung und den gewonnenen Erkenntnissen schließt der
empirische Teil. Aus den Ergebnissen der statistischen Untersuchungen sollen nach
Möglichkeit Handlungsempfehlungen für die öffentliche Verwaltung im Landkreis
Ludwigslust abgeleitet werden. Ein abschließendes Fazit rundet die Arbeit ab.
2
Öffentliche Verwaltung im ländlichen Raum- eine
problematische Aufgabe
2.1
Zum Begriff und zur Charakterisierung des ländlichen Raums
Der ländliche Raum als Begriff und Kategorie besitzt einen großen Vor- und einen großen
Nachteil. Der Begriff gilt als gemeinhin bekannt, ist griffig, und wird gerne in diversen
Veröffentlichungen als Aufmacher verwendet, andererseits ist aber eine allgemein
verbindliche, aktuelle Definition des ländlichen Raumes in der Literatur nicht gegeben.
6
Dies hat einen entscheidenden Grund. Der ländliche Raum lässt sich aufgrund seiner
Vielgestaltigkeit nur schwer als eigenständige Raumkategorie fassen. Schon MEYER (1964,
S.58) weist darauf hin, dass der ländlichen Raum in seiner ursprünglichen Ausprägung als
Agrarraum reinsten Stils in Europa kaum noch vorhanden ist. Zu sehr ist der ländliche Raum
bereits von städtischen, gewerblich industriellen und fremdenverkehrswirtschaftlichen
Elementen durchsetzt, als dass eine auf diesem Kriterium basierende Definition Erfolg
verspricht. Insbesondere an den Rändern großer Agglomerationen findet eine intensive
raummorphologische Durchmischung statt, so dass nur in einigen besonders peripheren
Regionen und ,,toten Winkeln" (ebd.) die Übergangsarten fehlen und die Mischformen
zurücktreten. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (1993, S.4) formuliert
diesen Sachverhalt in ihrem Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen folgendermaßen:
,,Eine schematische Gegenüberstellung von Verdichtungsräumen und ländlichen Regionen
wird der heutigen und künftigen Raumstruktur nicht gerecht. Geboten ist vielmehr eine
integrative Sichtweise, die die speziellen räumlichen Funktionen sowie die Verflechtungen
und Abhängigkeiten der Räume untereinander hervorhebt". Daraus erklärt sich auch die
aktuelle Definition des BBR (2004) für den ländlichen Raum. Unter dem Stichpunkt:
Raumkategorie / ,,Ländlicher Raum" steht lediglich zu lesen: ,,[...] Eine eigenständige
Abgrenzung für den "ländlichen Raum" allgemein liegt [...] nicht vor. Nach dem
Raumordnungsgesetz ist mit der Abgrenzung der Regionskategorie der Verdichtungsräume
komplementär auch die Abgrenzung des ländlichen Raumes getroffen worden". Das heißt, für
das Gebiet des ländlichen Raums existiert lediglich eine Negativ-Definition. Ländliche
Räume werden zu einer Restkategorie außerhalb der Verdichtungsräume, sei es ,,aufgrund der
Fixierung auf Agglomerationsräume" (BEETZ 2001, S.14), oder, vorsichtiger ausgedrückt,
als Zeichen des abnehmenden wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Stellenwertes
gegenüber städtischen Räumen (vgl. HENKEL 1999, S.28).
Um die Abgrenzungsschwierigkeit zum städtischen Raum zu umgehen, schlägt HENKEL
(1999, S. 29) vor, zunächst die inneren, spezifischen Eigenmerkmale des ländlichen Raumes
zu beschreiben. Unter Berücksichtigung landschaftlicher, demographischer, soziologischer,
administrativer und baulich-physiognomischer Merkmale kommt er zu folgender Definition
(HENKEL 1999, S. 29): ,,Der ländliche Raum ist damit ein naturnaher, von der Land- und
Forstwirtschaft geprägter Siedlungs- und Landschaftsraum mit geringer Bevölkerungs- und
Bebauungsdichte sowie niedriger Wirtschaftskraft und Zentralität der Orte, aber höherer
Dichte der zwischenmenschlichen Beziehungen".
Eine derart generalisierte Formel kann jedoch nicht die Grundlage für raumbedeutsame
Politik sein, wie sie insbesondere im Rahmen von nationalstaatlichen oder EU-
7
Förderprogrammen für den ländlichen Raum benötigt wird. Dabei reichen die früher in der
Raumordnung verwendeten Parameter ,,Bevölkerungsdichte", ,,Gemeindegröße" und
,,Zentralität" als Abgrenzungskriterium im heterogenen ländlichen Raum heute nicht mehr aus.
1995 legte daher die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) in dem damaligen
Raumordnungspolitischen Handlungsrahmen Unterkategorien nach siedlungsstrukturellen
und wirtschaftlichen Kriterien fest, wobei der Schwerpunkt auf die Abgrenzung
strukturschwacher, ländlicher Räume gelegt wurde. Danach handelt es sich um
strukturschwache Räume ,,wenn in ihnen die Lebensbedingungen in ihrer Gesamtheit im
Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches
Zurückbleiben zu befürchten ist" (Raumordnungsgesetz, zit. nach BBR 2004). Es handelt sich
dabei um Räume für die verschiedene, sich teilweise ergänzenden Problemlagen identifiziert
wurden, wie z.B. die Überalterung der Bevölkerung, ein relativ geringes und gering
streuendes Einkommen, die monostrukturierte Wirtschaft oder hohe Arbeitslosigkeit. Diese
werden kombiniert mit einigen Indikatoren der Siedlungsstruktur, wie z.B. Einwohnerdichte,
Siedlungsdichte oder Erreichbarkeit des nächsten Verdichtungsraumes und ergeben so die
Kategorie des strukturschwachen ländlichen Raumes, in der weitere Abstufungen möglich
sind (vgl. Abb.1 ). Nach Berechnungen von BEETZ (1999, S. 14) fallen unter diese Kategorie
etwa 34% des Bundesgebietes und 16% der Bevölkerung (vgl. Abb.1).
Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen wird deutlich, dass die Raumkategorie des
strukturschwachen, (siedlungsstrukturell-) peripheren ländlichen Raums auch die geeignete
Untersuchungsebene für vorliegende Arbeit darstellt. Gerade in diesen Regionen ist die
durchschnittliche wirtschaftliche und demographische Entwicklung am schwächsten, daher
der Kostendruck für die öffentliche Verwaltung am höchsten. Je nach Verwaltungsstandort
haben viele Bürger in diesen Regionen aufgrund des weitmaschigen Siedlungsnetzes auch
durchschnittlich die weitesten Strecken zurückzulegen, d. h. es kommt auf die räumliche
Organisation der öffentlichen Verwaltung in diesen peripheren Regionen an, ob E-
Government einen Beitrag für mehr Bürgerservice und Kostenkontrolle leisten kann. Im
folgenden Kapitel wird dieser Gesichtspunkt daher eingehender betrachtet.
8
2.2
Wie wird die öffentliche Verwaltung räumlich organisiert?
Um diese Frage zu klären, muss zunächst einmal definiert werden, was unter der öffentlichen
Verwaltung zu verstehen ist. In Anlehnung an VOGT (1994, S. 93) ist öffentliche Verwaltung
,,eine Besorgung von Angelegenheiten im Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit".
Allerdings unterscheidet sie diese Aufgabe nicht von der Tätigkeit privater Träger, wie z. B.
Vereinen, wenn diese ihre Aktivitäten dem Gemeinwohl verpflichtet haben. Daher ist es
wichtig die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Verwaltung zu betonen, die das öffentliche
Interesse notfalls auch mit Zwang durchsetzen kann. Im Gegensatz zur privaten Verwaltung
kennzeichnet die öffentliche Verwaltung also die Befugnis zum hoheitlichen Handeln. Diese
Abb. 1: Typen ländlicher
Räume
Die strukturschwachen
ländlichen Regionen sind
deutlich in Grüntönen
gekennzeichnet.
Quelle: Laufende
Raumbeobachtung des
BBR 2004.
9
Tätigkeit wird ausgeübt durch Verwaltungsträger, die im öffentlichen Recht als juristische
Personen gelten (ebd., S. 94). Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wäre zum Beispiel die
Kreisverwaltung, die jedoch nur durch ihre Organe tätig werden kann. Bei der Frage nach der
räumlichen Organisation der öffentlichen Verwaltung geht es daher eigentlich um die Organe
der öffentlichen Verwaltung, die zur ,,selbstständigen Ausübung öffentlicher Funktionen nach
außen tätig sind" (ebd., S. 95), d.h. es geht um Behörden. Die Gesamtheit aller Behörden kann
nach ihren Kompetenzen in drei Gliederungsebenen unterteilt werden:
1)
Nach ihrer sachlichen Zuständigkeit in verschiedene Ressorts (z.B. Auswärtiges Amt,
Finanzministerium, etc.);
2)
Nach ihrer instanziellen Zuständigkeit in Hierarchieebenen (z.B. für Autobahnen ist
das Bundesministerium für Verkehr zuständig, für Kreisstraßen der Landkreis, etc.);
3)
Nach ihrer räumlichen Zuständigkeit in Zuständigkeitsbereiche (z.B. Bundesland,
Regierungsbezirk, Kreis, etc.).
Ohne auf die verzweigten Kompetenzaufteilungen zwischen den verschiedenen Ebenen
eingehen zu wollen, soll hier nur interessieren, dass eine Behörde die Zuständigkeiten für alle
der oben genannten Bereiche benötigt, wenn sie tätig werden will.
Für die Gemeindeverwaltung, die für den Bürger die nächste, und damit auch wichtigste
Verwaltungsebene darstellt, gilt dabei das im Grundgesetz verankerte Recht auf kommunale
Selbstverwaltung: ,,Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln" (Art.
28, Abs. 2 GG). Daher sind die Gemeinden grundsätzlich auch ,,für alles" zuständig, was
einen örtlichen Bezug hat. In der Realität sind die oftmals sehr kleinen Gemeinden aber gar
nicht in der Lage, die an sie gestellten Aufgaben zu erfüllen, so dass sie einige rechtlich
normierte Aufgaben an die übergeordnete Kreisebene abtreten, wie z.B. die Kfz-Zulassung,
während andere von der Gemeinde erledigt werden müssen, beispielsweise der Bereich des
Meldewesens. Einige Aufgaben können sowohl vom Kreis, als auch von den Gemeinden
wahrgenommen werden. Hierbei ist dann die Leistungsfähigkeit der Gemeinde für die
Aufgabenverteilung ausschlaggebend, wobei grundsätzlich das oben beschriebene Recht auf
Selbstverwaltung gilt.
HENKEL (1999, S. 324) weist aber darauf hin, dass die Verfassung die Selbstverwaltung nur
als solche garantiert, d.h. sie enthält keine Bestandsgarantien für die einzelne Gemeinde gegen
Eingemeindungen, Gemeindezusammenschlüsse oder Gebietsveränderungen. Der Grundsatz
der Allzuständigkeit führt dazu, dass die Gemeinden sich einer ständigen Kontrolle durch die
Kommunalaufsicht des Landkreises (bzw. als kreisfreier Stadt durch die Landesregierung)
gegenübersehen, die kontrolliert, ob die kommunale Selbstverwaltung gegen Bundes- oder
10
Landesrecht gerichtet ist. Dabei stoßen die Gemeinden bei der Wahrnehmung ortsbezogener
Dienstleistungen und kleinräumiger Steuerungsaufgaben zwangsläufig auf eine zunehmende
Zahl von Vorgaben des Bundes- und Landesrechts, der Raumordnungs- und
Fachplanungsbehörden, was zu einer schleichenden Aushöhlung der kommunalen Autonomie
führt. Dies trifft in besonderem Maße die kleineren Gemeinden des ländlichen Raums, die
meist politisch, wirtschaftlich und administrativ schlechter gestellt sind (HENKEL 1999, S.
333).
Für die Infrastrukturausstattung der Gemeinden, also der ,,Grundausstattung eines Ortes einer
Gemeinde oder Region, die für das Funktionieren von Wohnen und Arbeiten notwendig
ist" (HENKEL 1999, S. 293), und dazu zählt natürlich auch die administrative Infrastruktur in
Form von Behörden, macht insbesondere die auf Landesebene angesiedelte Raumplanung
viele Vorgaben. Das von CHRISTALLER (1933) entwickelte und in der deutschen
Raumplanung übernommene System der Zentralen Orte dient hierbei bis heute als Grundlage
der Raumordnungspolitik. Danach besitzt ein Ort, verstanden als Siedlung innerhalb
administrativer Grenzen und nicht als abstrakter Punkt im Raum (zu den Unterschieden dieser
Sichtweisen vgl. HEINRITZ 1979, S. 17f.) gegenüber seinem Umland (Einzugsbereich) einen
gewissen ,,Bedeutungsüberschuss" hinsichtlich zentraler Funktionen und zentraler
Einrichtungen, die im Umland nicht verfügbar sind. CHRISTALLER (1933, S. 139) nennt als
erstes Beispiel für zentrale Einrichtungen: ,,Einrichtungen der Verwaltung (z.B. Standesamt,
Finanzamt, Landgericht)", daneben Einrichtungen von kultureller und religiöser, sanitärer,
gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, gewerblicher und verkehrlicher Bedeutung. Der Katalog
dieser Einrichtungen umfasst also sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche
Einrichtungen, in den meisten Fällen also Einrichtungen in privater, gegenüber Einrichtungen
in öffentlicher Trägerschaft, wie z.B. der öffentlichen Verwaltung. Dieser Umstand ist jedoch
für die Standorte dieser Einrichtungen von ganz erheblicher Bedeutung (vgl. HEINRITZ 1979,
S. 21). Privatwirtschaftlich organisierte Dienste und Einrichtungen werden von den Kunden
nur dann in Anspruch genommen, wenn sie gewillt sind, den jeweils geforderten Preis und
den Transportaufwand zu bezahlen, was dazu führt, dass der Unternehmer den Standort seiner
Einrichtung nach der Erwartung der vor Ort erzielbaren Erträge auswählt. Diese Entscheidung
wird noch beeinflusst durch die am gewählten Standort zu erwartende Konkurrenz durch
vergleichbare Einrichtungen, so dass die Standorte bzw. die Einzugsbereiche einer relativ
starken Dynamik unterliegen.
Anders gestaltet sich die Situation bei Diensten und Einrichtungen in öffentlicher
Trägerschaft. Diese werden aus öffentlichen Mitteln finanziert, daher ist ihre Existenz
grundsätzlich das Resultat politischer Entscheidungen. Ihre Größe ist zumeist Ausdruck
11
administrativer Richtwerte (beispielsweise x Schulen für y Einwohner) und ihr Standort wird
- häufig nach überörtlichen Kriterien - an bestimmte Orte ,,gesetzt" (HEINRITZ, 1979, S. 21).
Dies ist für die betroffenen Nutzer im Einzugsbereich dieser Einrichtungen und Dienste
jedoch von großer Wichtigkeit, da für sie in vielen Fällen eine
,,Zwangsbeziehung" (BORCHERDT 1977, S. 26, zit. bei HEINRITZ 1979, S. 21) zu diesen
,,gesetzten Einrichtungen und Diensten" besteht, zu denen es im Allgemeinen keine
Alternative gibt. Beispielsweise müssen Bürger für bestimmte Anliegen zu der für sie
zuständigen Kreisverwaltung A, obwohl für sie Kreisverwaltung B räumlich näher liegen
würde. Das Beispiel zeigt, dass die ,,gesetzten" Standorte von Behörden mit Bedacht gewählt
werden müssen, um übermäßige Belastungen des Bürgers zu vermeiden.
Als Entscheidungsgrundlage gilt dabei das zentrale Leitbild der Raumordnungspolitik,
wonach in allen Teilräumen eines Staates gleichwertige Lebensbedingungen anzustreben sind.
Bezogen auf das Angebot von Einrichtungen und Diensten der zentralen Orte gilt hierbei (§ 2
Abs. 1 Nr. 3, S. 3 ROG): ,,In einer für die Bevölkerung zumutbaren Entfernung sollen
zentrale Orte mit den zugehörigen Einrichtungen gefördert werden" Hierbei stellt sich
zwangsläufig die Frage, was unter einer ,,zumutbaren" Entfernung zu verstehen ist.
Umstritten sind auch die Mindeststandards von Versorgungs- und infrastrukturellen
Ausstattungsqualitäten, die in den zentralen Orten eingehalten werden sollen (vgl. ZECK
2003, S. 727). In der Praxis führt das dazu, dass in den Ländern die Stufen und
Einstufungskriterien der Zentralen Orte z.T. sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Die
räumliche Konkretisierung der Zentralen Orte und die daran gebundenen Zielstellungen
divergieren daher von Bundesland zu Bundesland. HENKEL (1999, S. 294) nennt als Beispiel
die Richtwerte der Mindestschülerzahlen für die Einrichtung einer dörflichen Grundschule: in
Baden-Württemberg sind es 40 Schüler, in Nordrhein-Westfalen jedoch 120 Schüler.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es keine bundesweit einheitlichen und verbindlichen
Vorgaben gibt, wie weit ein Bürger beispielsweise maximal fahren darf, um zur nächsten
zuständigen Behörde zu gelangen, oder ab welcher Bevölkerungszahl pro Raumeinheit eine
Behörde eingerichtet werden muss. Vielmehr wird die Anzahl und räumliche Verteilung von
Behörden in der Regel durch administrative Erfordernisse vor Ort bestimmt, die mit dem
Gemeinwohl, wie im Raumordnungsgesetz festgelegt, zu vereinbaren sind.
Dass diese Vereinbarkeit von administrativer Effizienz und Bürgerinteresse die öffentliche
Verwaltung gerade in peripheren ländlichen Räumen vor besondere Probleme stellt, soll in
den folgenden Abschnitten gezeigt werden.
12
2.3
Spezifische Probleme und Defizite öffentlicher Verwaltung im peripheren
ländlichen Raum
2.3.1
Räumliche Einflussfaktoren
Das grundlegende Problem der öffentlichen Verwaltung im dünn besiedelten Raum ist, dass
sie einerseits gesetzlich dazu verpflichtet ist, öffentliche Leistungen in für die Bürger
zumutbaren Weg-Zeit-Entfernungen anzubieten, aber andererseits die dafür notwendige
Infrastruktur wie Bürgerbüros oder Ämter finanzieren muss. Dabei ist in dünn besiedelten
Regionen generell mit einer niedrigeren Auslastung der Behörden pro Flächeneinheit zu
rechnen, während die den ländlichen Kommunen zukommenden Einnahmen aus der
Grundsteuer, der Gewerbesteuer und einem Anteil an der Einkommenssteuer um ca. 35-40 %
niedriger ausfallen als in hoch verdichteten Städten (Nettosteuereinnahmen nach Abzug eines
30% Äquivalents für Kostenunterschiede in Agglomerationen und im ländlichen Raum. (vgl.
SEITZ 2002, S. 114). Die Behörden arbeiten daher in den meisten Fällen im ökonomisch-
übertragenen Sinn ,,unrentabel", oder um es mit einem bekannten Begriff der
Nachhaltigkeitsdiskussion auszudrücken, sie sind nur bedingt ,,tragfähig".
Um überhaupt ein flächendeckendes Netz öffentlicher Infrastruktur vorhalten zu können, d.h.
nicht nur die öffentlichen Verwaltung, sondern z.B. auch ein Netz aus Schulen und
Grundschulen, Wasser- und Abwasserentsorgung oder öffentlichen Personennahverkehr, sind
die Kommunen in starkem Maße auf Zuweisungen der Länder angewiesen. So stellen die
Länderzuschüsse ca. 30% der kommunalen Einnahmen dar (vgl. SEITZ 2002, S. 102). Umso
erstaunlicher ist daher die Tatsache, dass in der bundesdeutschen Finanzausgleichspraxis die
Agglomerationen durch die Einwohnerveredlung, in Form des Stadtstaatenbonus (§ 9
Finanzausgleichsgesetz (FAG) Abs. 2) sowie in der Größenklassewertung und der
Dichteklausel (§ 9 FAG Abs. 3) bei der Anrechnung der kommunalen Steuereinnahmen
finanziell bevorzugt werden (vgl. SEITZ 2002, S. 12). Dabei wird prinzipiell davon
ausgegangen, dass die Kosten für die Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur mit
zunehmender Bevölkerungsdichte stetig zunehmen (,,Brechtsches Gesetz der progressiven
Parallelität zwischen Ausgaben und Bevölkerungsmassierung"), eine Annahme die SEITZ
(2002) in einer umfangreichen empirischer Untersuchung mit Datenmaterial aus
westdeutschen Gemeinden, Kreisen und Bundesländern widerlegen konnte. Danach weisen
sowohl sehr dicht besiedelte Gebiete (Agglomerationsnachteile) als auch sehr dünn besiedelte
Gebiete Kostennachteile in der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen auf.
13
Zusammengefasst ergeben SEITZ (2002) Untersuchungen, dass ländlich-periphere Räume
hinsichtlich der Erstellung öffentlicher Dienstleistungen
a)
grundsätzlich vergleichbare Bedarfsstrukturen aufweisen, wie verdichtete Räume
(daraus abgeleitet der ,,Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" - Grundsatz der
Raumordnung, vgl. Kap.2.2);
b)
meist höhere, zumindest gleich hohe Pro-Kopf Kosten anfallen, als in verdichteten
Regionen;
c)
niedrigere Pro-Kopf Einnahmen aus Steuermitteln erzielen, da dünn besiedelte
Räume eine strukturell bedingt geringere Wirtschafts- und Finanzkraft aufweisen (vgl.
Abb. 2);
Steuereinnahmen 1999 nach siedlungsstrukturellen
Regionstypen
569
246
803
449
0
200
400
600
800
1000
Regionstyp
in je Einwohner
Agglomerationsräume
Verstädterte Räume
Ländliche Räume
zum Vergleich: ländliche
Räume in
Ostdeutschland
Gestaltungsquote 1999 nach siedlungsstrukturellen
Regionstypen
82
76
91
88
65
70
75
80
85
90
95
Regionstyp
Schulden/Einnahmen*100
Agglomerationsräume
Verstädterte Räume
Ländliche Räume
zum Vergleich:
ländliche Räume in
Ostdeutschland
Städte und Gemeinden im dünn besiedelten, ländlichen Raum stehen demnach unter einem
hohen Kostendruck bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, worunter auch die
öffentliche Verwaltung und ihre Behörden fallen, so dass angesichts geringer eigener
Steuereinnahmen nach Wegen gesucht wird aus dieser Schuldenfalle zu entkommen.
Abb. 2:
Steuereinnahmen 1999
nach
siedlungsstrukturellen
Regionstypen.
Quelle: BBR 2002, S.
169
Abb. 3:
Gestaltungsquote 1999
nach siedlungs-
strukturellen Regions-
typen.Der Indikator stellt
die Schulden der
Gemeinden/Gemeinde-
verbänden deren
Einnahmen gegenüber.
Er gibt den finanziellen
Handlungs- und
Gestaltungsspielraum
wieder. Je niedriger ein
Wert ist, desto größer ist
der Gestaltungs-
spielraum.
Quelle: BBR 2002, S.
169
14
In einigen Bundesländern, wie z.B. Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein
schlägt sich dies in der so genannten Ämterverfassung nieder, wobei die vielen kaum
handlungsfähigen Gemeinden sich zu gemeindeübergreifenden Ämtern zusammenschliessen,
um die kommunale Selbstverwaltung und die vom Staat an sie gestellten gesetzlichen
Aufgaben erfüllen zu können. In den westdeutschen Bundesländern wurden seit Mitte der
1960er Jahre Gebietsreformen durchgeführt, unter anderem um Verwaltungsvorgänge zu
rationalisieren und Kosten zu sparen (vgl. HENKEL 1999, S. 334ff., dort auch ausführlich die
zahlreichen negativen Folgen dieser Reformen).
Die neue Dimension der oben beschriebenen Probleme für die Verwaltung im ländlichen
Raum, und zwar insbesondere in dem in Kap. 2.1 definierten strukturschwachen ländlichen
Raum geringer Dichte erklärt sich erst, wenn man sich den durchgreifenden
demographischen Wandel in diesen Regionen vor Augen führt.
2.3.2 Demographische Einflussfaktoren
Der demographische Wandel kann vereinfacht verstanden werden als der Rückgang der
Gesamtbevölkerung, aufgrund langjährig niedriger und sinkender Geburtenzahlen, bei vorerst
konstanter Sterberate. KOCKS (2003, S. II) benutzt einen schönen Vergleich der diesen
Prozess auch für Laien verständlich macht: ,,Die deutsche Bevölkerung wird weniger und
älter bei wachsendem Tempo wie ein Zug, der schon vor Jahrzehnten den Bahnhof verlassen
hat und nun Tempo aufnimmt. Selbst massive Zuwanderungen oder ein Geburtenboom
können ihn nicht aufhalten, allenfalls die Geschwindigkeit reduzieren, der Bremsweg dauert
Jahrzehnte".
Der demographische Wandel wird in Deutschland zur Zeit vor allem im Zusammenhang mit
den in Zukunft stark belasteten sozialen Sicherungssystemen diskutiert (vgl. beispielsweise
WEBER-MOSDORF 1999), wohingegen die räumliche Dimension des
Bevölkerungsverlustes in einigen Teilen Ostdeutschlands schon heute sichtbar ist, denn hier
kombinieren sich niedrige Geburtenraten mit hohen negativen Wanderungssalden. In den
1990er Jahren führten massive Abwanderungen aus Ostdeutschland zu einem
Bevölkerungsverlust in den neuen Bundesländern von 5%, während in Westdeutschland die
Bevölkerung in dieser Zeit, auch begünstigt durch starke internationale Immigration, um 5%
zunahm (KOCKS 2003, S. II). Dieser Bevölkerungsverlust führte mit der stark gesunkenen
15
Fertilitätsrate
1
in den östlichen Bundesländern
2
zu ersten Tragfähigkeitsproblemen der
öffentlichen Infrastruktur, wie im Falle zu niedriger Schülerzahlen in Grund- und
Berufsschulen (vgl. WINKLER-KÜHLKEN 2003).
1
Die Fertilitätsrate ist ein Maß für die Reproduktionsfähigkeit einer Gesellschaft aus sich selbst heraus. Sie gibt
an, wie viele Kinder Frauen eines fiktiven Geburtenjahrganges im Laufe ihrer reproduktiven Lebensphase zur
Welt bringen würden, wenn sie den für einen bestimmten Zeitpunkt maßgeblichen Fruchtbarkeits- und
Sterblichkeitsverhältnissen unterworfen wären. Der kritische Wert liegt bei ca. 2,1; d.h. bei diesem Wert hält
sich die Bevölkerungszahl aus sich heraus stabil (BBR 2002, S. 31).
2
1999 lag die Fertilitätsrate in Ostdeutschland bei 0,99, in Westdeutschland dagegen bei 1,37 (BBR 2002, S. 32).
Abb. 4: Demographische
Problemregionen in der BRD 2001.
Die weit überwiegende Zahl der
Problemregionen liegt in den
ländlichen Gebieten
Ostdeutschlands. Zu beachten ist
allerdings die positivere Bewertung
der Kreise in Nähe großer
Agglomerationen. Diese profitieren
stark von suburbanisierungs-
bedingten Zuwanderungen. Dabei
kann es zwischen den
angrenzenden Umlandgemeinden
und den Randgemeinden dieser
Kreise zu großen Disparitäten
hinsichtlich des Wanderungssaldos
kommen.
Quelle: BBR 2003, S. 729
16
BIRG (2001, S. 150) geht davon aus, dass bei einem konstant positiven Wanderungssaldo
Deutschlands gegenüber dem Ausland von ca. 170.000 und einem konstanten Anteil der
neuen Bundesländern an diesem Wanderungsgewinn bei einer sich in beiden Landesteilen
angleichenden Fertilitätsrate die Bevölkerung Ostdeutschlands von heute 15,4 auf 11,4
Millionen im Jahr 2050 verringern wird (also mehr als 1/4 der ostdeutschen Bevölkerung!).
Das Problem ist, dass sich diese Bevölkerungsverluste nicht gleichmäßig über den Raum
verteilen. Gerade die in dieser Arbeit untersuchten strukturschwachen ländlichen Räume
haben die stärksten Bevölkerungsverluste zu verkraften (vgl. Abb. 4). Dies hat nicht nur zur
Folge, dass die ohnehin niedrige Bevölkerungsdichte in vielen dieser Regionen weiter
abnimmt (mit den bereits beschriebenen negativen Implikationen für die Bereitstellung
öffentlicher Infrastruktur), sondern auch, dass sich die gesamte Bevölkerungsstruktur in
diesen Regionen ändert. Dies soll anhand aktueller Zahlen des Bundesamtes für Bauwesen
und Raumordnung veranschaulicht werden.
In den ,,Aktuellen Daten zur Entwicklung der Städte, Kreise und Gemeinden" (BBR 2002)
sind statistische Kennwerte auf siedlungsstruktureller Ebene verfügbar. Da in dieser Arbeit
der Fokus auf der öffentlichen Verwaltung im ländlichen Raum liegen soll, wird die
Kreisebene als Analyseregion ausgewählt um den verzerrenden Einfluss großer kreisfreier
Städte in einer Analyseregion zu vermeiden. Danach werden folgende Kreistypen
unterschieden:
Tab. 1: Siedlungsstrukturelle Kreistypen. Eigener Entwurf nach BBR 2002, S. 3.
Agglomerationsräume
Verstädterte Räume
Ländliche Räume
Kernstädte
(> 100.000 EW)
Kernstädte
(> 100.000 EW)
Ländliche Kreise höherer
Dichte (> = 100 EW/km²)
Hochverdichtete Kreise
(> = 300 EW/km²)
Verdichtete Kreise
(> = 150 EW/km²)
Ländliche Kreise geringerer
Dichte (< 100 EW/km²)
Verdichtete Kreise
(> = 150 EW/km²)
Ländliche Kreise
(< 150 EW/ km²)
Ländliche Kreise
(< 150 EW/km²)
Hierbei wird zusätzlich unterschieden zwischen Gebietstypen in den neuen und in den alten
Bundesländern. In den betrachteten Kreisen des Regionstyp III, Ländliche Räume, kann
demnach ein Bevölkerungsrückgang von 1990-2000 um 7,4% für die östlichen Bundesländer
festgestellt werden, während die westdeutschen ländlichen Kreise für diese Zeit ein
Bevölkerungsplus von 7,3% verbuchen können. Berücksichtigt man zusätzlich die
17
durchschnittlich geringere Bevölkerungsdichte
3
in ländlichen Räumen Ostdeutschlands wird
eines deutlich. Bevölkerungsschwund im ländlichen Raum ist in erster Linie ein Problem für
ostdeutsche Kommunen. Betrachtet man nun die Gründe für diese Entwicklung ergibt sich ein
gemischtes Bild. Dies soll anhand der für die Fragestellung besonders relevanten ,,ländlichen
Kreise geringerer Dichte" im Regionstyp III dargestellt werden.
Zunächst muss unterschieden werden zwischen natürlichen Bevölkerungsbewegungen, die
sich aus der zeitlichen Entwicklung der Geburten- und er Sterberaten in einer gegebenen
Betrachtungsregion ergeben, und den räumlichen Bevölkerungsbewegungen, die aus der
Entwicklung der Zu- und Abwanderungsraten in einer Betrachtungsregion resultieren. Zu der
natürlichen Bevölkerungsbewegung kann für alle Kreise Deutschlands konstatiert werden,
dass der natürliche Saldo
4
zwischen der Zahl der Geburten und der Sterbefälle seit Jahren
negativ ist. Die ländlichen Kreise geringerer Dichte Ostdeutschlands weisen für die Periode
von 1990-1999 einen Saldo von -42,2 auf (Westdeutsche Kreise: -2,3). Doch während
westdeutsche Kreise ihre ohnehin geringen natürlichen Verluste durch Wanderungsgewinne
mehr als ausgleichen können, verlieren die ostdeutschen Kreise weiterhin Teile der
Bevölkerung. So wiesen die ostdeutschen Landkreise geringer Dichte 1999 einen
Gesamtwanderungssaldo
5
von -3,3 auf, während die westdeutschen Landkreise hier einen
positiven Saldo von 3,3 erzielten. Betrachtet man nur die Binnenwanderungen, also Zuzüge
und Fortzüge innerhalb der Bundesrepublik, so haben die ostdeutschen Kreise sogar einen
Saldo von -7,7 (vgl. Abb. 5).
Binnenwanderungssaldo ländlicher Kreise geringer Dichte 1999 nach
Altersgruppen
-50
-40
-30
-20
-10
0
10
Insgesamt
<18 - 30-<50
18-<25 25-<30 50-<65 65 u.m.
Altersgruppe
ländliche Kreise
geringerer Dichte West
ländliche Kreise
geringerer Dichte Ost
3
in den ländlichen Kreisen Ostdeutschlands lebten im Jahr 2000 durchschnittlich 78 Einwohner (EW) pro km²,
in den westdeutschen ländlichen Räumen waren es 113 EW/km².
4
Natürlicher Bevölkerungssaldo je 1000 Einwohner (Geborene Gestorbene/ EW*1000)
5
Gesamtwanderungssaldo je 1000 Einwohner (Zuzüge Fortzüge/EW*1000)
Abb. 5:
Binnenwanderungssal
do ländlicher Kreise
geringer Dichte nach
Altersgruppen 1999.
Quelle: BBR 2002, S.
58
18
Bei der Analyse der Binnenwanderungen ländlicher Kreise geringer Dichte fällt weiterhin auf,
dass es vor allem junge Erwachsene im Alter von 18-25 Jahren sind, die den ländlichen
Gebieten den Rücken kehren. Dies ist nicht verwunderlich, da viele jungen Erwachsenen zur
Aufnahme einer Ausbildung den Wohnort wechseln. Besonders ist aber, dass ein viel größerer
Anteil junger Leute in ostdeutschen Landkreisen über die Kreisgrenzen wandert als in
Westdeutschland. Dies könnte ein Hinweis auf eine bestehende Strukturschwäche in Bezug
auf Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sein, die in den peripheren Landkreisen
Ostdeutschlands stärker ausgeprägt ist, als in den westlichen Landkreisen. Darauf deuten auch
die überproportional starken Abwanderungen der Altersgruppe der 25-<30-jährigen hin, die
zumeist im Arbeitsleben stehen. Selbst Personen mittleren Alters von 30-<50 Jahren, mit
Kindern oder ohne Kinder, ziehen im Osten nicht etwa auf das Land (wie in den westlichen
Landkreisen) sondern kehren ihm den Rücken. Lediglich marginale Anteile von älteren
Menschen können in ostdeutschen Landkreisen geringer Dichte als Zuwanderungsbonus
verzeichnet werden. Dies sind erfahrungsgemäß ,,Altenwanderer" (BBR 2002, S. 51), die für
den Lebensabend einen Ruhesitz auf dem Land suchen.
Die Folgen selektiver Wanderungen in diesen Gebieten lassen sich auch an der Entwicklung
der Altersstruktur der Jahre von 1990-1999 ablesen (vgl. Abb. 6 und 7).
Entwicklung der Alterstruktur in ländlichen
Kreisen geringer Dichte 1990- 1999
-40
-30
-20
-10
0
10
20
30
0-< 5 J. 5-< 18 J.
18-< 25 J. 25-< 30 J. 30- < 50 J. 50-< 65 J.
65 u.m.
Entwicklung in %
Ländliche Kreise geringer Dichte Ost
Ländliche Kreise geringer Dichte West
Altersstruktur in ländlichen Kreisen geringer
Dichte 1999
0
5
10
15
20
25
30
35
0-< 5 J. 5-< 18 J.
18-< 25 J. 25-< 30 J. 30- < 50 J. 50-< 65 J.
65 u.m.
Anteil in %
Ländliche Kreise geringerer Dichte Ost
Ländliche Kreise geringerer Dichte West
Abb. 6: Entwicklung der Altersstruktur in ländlichen Kreisen
geringer Dichte 1990-1999.
Quelle: BBR 2002, S. 75
Abb. 7:
Alte
Altersstruktur in ländlichen Kreisen geringer Dichte
1999.
Quelle: BBR 2002, S. 75
Neben den starken Ausfällen in der Altersgruppe der 0-< 5-jährigen durch die sinkende
Geburtenzahl hat auch der Anteil der Altersgruppen zwischen 5-< 50 Jahren in den östlichen
Kreisen stark abgenommen. In den westlichen Kreisen ist ebenfalls ein Rückgang des Anteils
19
der 18-< 50-jährigen zu erkennen, d.h. das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt in
beiden Gebieten beständig an. Der Vergleich der Altersstruktur des Jahres 1999 in ländlichen
Kreisen in West und Ost zeigt nur geringe Unterschiede, ein Indiz dafür, dass die ländlichen
Gebiete geringerer Dichte Ostdeutschlands vor der Wende über höhere Anteile jüngerer
Bevölkerung verfügt haben müssen, als die vergleichbaren Kreise in Westdeutschland. Es ist
schlüssig, dass die östlichen Landkreise innerhalb von nur 10 Jahren nach der Wende einen
selektiven Bevölkerungsverlust erlitten haben, wie er in peripheren westdeutschen
Landkreisen schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist (vgl. HENKEL 1999, S. 45). Als Push-
Faktoren können dabei das geringe Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen neben einer
grundlegend schlechteren Ausstattung an kultureller und sozialer Infrastruktur angesehen
werden. Ein weiterer Grund ist sicherlich das Lohngefälle zwischen den ländlichen Räumen
und den Verdichtungsräumen. So verdiente im Jahr 2000 ein Industriearbeiter in
ostdeutschen ländlichen Kreisen geringerer Dichte durchschnittlich ca. 1.900 während der
Durchschnittslohn für Industriearbeiter in Gesamtdeutschland bei knapp 3.000 liegt (Neue
Bundesländer Ø 2.250 ) (BBR 2002, S. 134). Die Folge ist, dass viele gut ausgebildete
junge Leute und Auszubildende den ländlichen Raum verlassen und der Anteil der älteren
Bevölkerung auf dem Land weiter steigt. Das hat wiederum einen äußerst negativen Einfluss
auf das endogene Entwicklungspotential der strukturschwachen ländlichen Räume in
Ostdeutschland, denn mit dem ,,brain-drain" der zukünftigen Leistungsträger für den
ländlichen Raum, verlieren die Regionen auch einen wichtigen Teil des vor Ort verfügbaren
,,Humankapitals" - ein Standortfaktor, der in der Dienstleistungsgesellschaft von größter
Wichtigkeit ist.
2.4
Fazit
Zusammenfassend wird deutlich, dass die Organisation öffentlicher Verwaltung im
ländlichen Raum, und zwar insbesondere in den strukturschwachen ländlichen Räumen
geringer Dichte in Ostdeutschland vor einigen strukturbedingten Problemen steht:
·
Die Erstellung öffentlicher Leistungen im dünn besiedelten Raum ist kostspielig und
kann nur zum Teil aus den vor Ort durch Steuern erzielbaren Einnahmen gedeckt
werden.
·
Die Tragfähigkeit der Behörden wird aufgrund der demographischen Entwicklung
weiter sinken, was ein Nachdenken über eine Reform der Verwaltungsstruktur
zwingend erforderlich macht.
20
·
Andererseits werden die Ansprüche der Bürger auf einen ortsnahen Standort ihrer
Kommunalverwaltung eher noch steigen, weil der Anteil älterer, wenig mobiler
Bürger an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt.
Die Organisation der öffentlichen Verwaltung im ländlichen Raum muss also
kosteneffizienter arbeiten, ihre Arbeitsprozesse optimieren und gleichzeitig die räumliche
und menschliche Bürgernähe wahren. Was sich zunächst nach einer Quadratur des Kreises
anhören mag, könnte durch die geschickte Kombination von Dezentralisierung der
Verwaltungsdienstleistungen und Einsatz moderner Informations- und
Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) und -anwendungen (IuK-Anwendungen)
Realität werden. Die Rede ist von den Potentialen von E-Government für die öffentliche
Verwaltung im ländlichen Raum.
3
E-Government und Verwaltungsreform - Wege aus der Krise?
Der Gedanke, dass moderne Technologien die Antwort auf alte Probleme der öffentlichen
Verwaltung, wie Finanzknappheit und Leistungsdefizite sein können ist nicht neu. HERWIG
(2001) verweist in diesem Zusammenhang bereits auf die hohen Erwartungen der
Verwaltungen an das in den 1980er Jahren eingeführte Btx-System, welches unter anderem an
dem hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand für die Erstellung von Angeboten
und der generell noch unausgereiften Technik gescheitert ist. Mit dem Aufkommen des
Internets in seiner populärsten Form des World Wide Web (WWW
6
) entfallen diese
Hindernisse.
·
Das Internet kann rund um die Uhr genutzt werden, 24 Stunden am Tag, sieben Tage
die Woche (24/7) und ist unter anderem mittels des weit verbreiteten
Telefonanschlusses und eines Modems grundsätzlich von der ganzen Welt erreichbar.
·
Die im Internet bereitgestellten Leistungen sind nahezu unbegrenzt miteinander
verknüpfbar, so dass eine Darstellung komplexer Zusammenhänge und Abläufe
möglich wird (vgl. HERWIG 2001, S. 51).
6
,,Verknüpfung von HTML-gestützten Dokumenten durch URLs (Universal Ressource Locators, d.h. ,,http://"-
Adressen). Dadurch realisiert das WWW einen Hypertext rund um die Welt. Das WWW bietet nicht nur Text,
sondern über bestimmte Erweiterungen auch Bild-, Ton-, und andere Informationen. HTML Dokumente sind
elektronische Dokumente, die aus einer Vielzahl von Informationsbausteinen (Knoten) und Querverweisen
(Hyperlinks) bestehen, die man in nichtlinearer Reihenfolge lesen kann" SIEDSCHLAG/ROGG/ WELZEL 2002,
S. 115)
21
·
Das Internet bietet als erstes Kommunikationsmedium sowohl die Möglichkeit zur
Information und Kommunikation, als auch zur Transaktion. Der Nutzer (user) kann
ohne großen Aufwand Informationen recherchieren, systematisieren, selber
produzieren und publizieren. Über diverse IuK-Anwendungen, wie z.B. E-Mail und
Chatforen kann die Kommunikation zwischen Nutzern vereinfacht werden und mittels
Online-Bestellformularen und Bezahlfunktionen sind schon heute Transaktionen
zwischen Netznutzern möglich.
·
Das Internet verursacht dem User im Allgemeinen neben den Telefongebühren und
den Anschaffungskosten der Hardware keine weiteren Kosten; für den Anbieter
(Provider) von Internetinhalten ist zumindest das Bereitstellen von Informationen und
Kommunikationsmöglichkeiten relativ kostengünstig und einfach zu bewerkstelligen.
Das Internet ermöglicht also einen schnellen Zugriff auf Personen, Daten und Programme
über die Grenzen von Raum, Zeit und Hierarchie hinweg (vgl. REINERMANN 1999, S. 11).
Daher könnte der Einsatz von internetbasierten IuK-Anwendungen zu Einspareffekten bei der
öffentlichen Leistungserstellung und bei der Distribution der Leistungen führen, obwohl die
Implementierungskosten der neuen Technik die Einsparpotentiale erst mittel- bis langfristig
erwarten lässt (vgl. HERWIG 2001, S. 2). Nichts desto trotz haben sich insbesondere die
Kommunen in den letzten Jahren mit Internetangeboten hervorgetan, was
FRICK/HOKKELER (2002, S. 8) besonders auf den hohen Anpassungsdruck der Städte und
Gemeinden in Hinblick auf den oben beschriebenen wachsenden Kostendruck, starre
Strukturen, wachsenden interkommunalen Standortwettbewerb und technologischen Wandel
zurückführen. Schon vor Einführung der neuen IuK-Technologien hatte man versucht diesem
Druck mit neuen Steuerungskonzepten entgegenzutreten. Das von der ,,Kommunalen
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung" (KGSt) seit Mitte der 1990er Jahre
propagierte ,,Neue Steuerungsmodell" (NSM) sieht statt des vorherrschenden Bürokratismus
und des Einhaltens streng hierarchisch gegliederter Dienstwege eine Verwaltung vor, die
kundenorientiert arbeitet, dezentral organisiert ist und sich ständig weiterentwickelt. Das Ziel
ist die Umwandlung der Behörden in politisch gesteuerte, effiziente und kundenorientierte
Dienstleistungsunternehmen (vgl. FRICK/HOKKELER 2002, S. 8). Dabei spielen die IuK-
Technologien eine wichtige Rolle: zum einen sind sie die Instrumente, mit denen diese Ziele
erreicht werden sollen, zum anderen dienen sie aber auch als Katalysator der weiteren
Modernisierung der öffentlichen Verwaltung.
In der scientific community existieren jedoch unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der
Bewertung des Einsatzes elektronischer Medien in der öffentlichen Verwaltung und vor allem
hinsichtlich der Zielsetzung und zugrunde liegenden Strategie ihres Einsatzes. Unter dem
22
Schlagwort ,,E-Government" existieren daher grundlegend verschiedene Vorstellungen, was
eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Begriff notwendig macht.
3.1
Was ist E-Government?
Wie so häufig in der wissenschaftlichen Diskussion hat auch der relativ junge Begriff E-
Government noch keine allgemein akzeptierte Definition gefunden. JANSEN/PRIDDAT
(2001, S. 89) identifizieren mit dem Ausdruck ein buzzword, also ,,eines der magischen
Wörter bei dem es klingelt und alle nur nicken können". Diesen Eindruck würden
Institutionen, die sich viel mit dem Bereich E-Government beschäftigen sicherlich nicht teilen.
Im Groben lassen sich ihre Auffassungen in zwei Denkschulen einteilen, die den Begriff zum
einen aus verwaltungstechnischer Sicht, und zum anderen aus einer holistischen Sicht
betrachten.
Für erstere Sichtweise soll stellvertretend die Definition von REINERMANN/LUCKE (2001,
S. 1) von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer genannt werden: ,,Unter
E-Government verstehen wir die Abwicklung geschäftlicher Prozesse in Zusammenhang mit
Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und
Kommunikationstechniken über elektronische Medien." Darunter fallen Prozesse innerhalb
des öffentlichen Sektors (im amerikanischen: G2G)
7
, zwischen diesem und der Bevölkerung
(G2C), bzw. zwischen der Bevölkerung und dem öffentlichen Sektor (C2G), sowie zwischen
dem öffentlichen Sektor und der Wirtschaft (G2B, B2G) und Non-Profit/Non-Governmental
Organisationen (G2N, N2G), wie z. B. Vereinen und Interessenvertretern. Eingetragen in eine
Matrix von möglichen Akteursbeziehungen nach dem Muster X2Y ergibt sich danach
folgendes Bild (vgl. Tab. 2, S. 23).
Die Vertreter der ganzheitlichen Betrachtungsweise, beispielsweise vertreten durch DRÜKE
vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIFU), sehen E-Government ,,nicht in erster Linie als
Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang von Regieren und Verwalten mit
Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien", sondern
E-Government umfasst ,,alle Aspekte des Regierens und Verwaltens (öffentliche
Willensbildung, Entscheidungsfindung, Leistungserstellung und -erbringung, Partizipation),
sofern diese durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien
unterstützt werden können" (ebd. 2003, S. 13).
7
bei den Abkürzungen stehen die Anfangsbuchstaben stellvertretend für Citizen, Business, Government und
Non-Profit Organisation/Non-Governmental Organisation die in Bezug zueinander stehen. Verbunden werden
sie durch 2, also dem englischen ,,to".
23
Tab. 2: E-Government in einer Beziehungsmatrix. Die grauen Felder markieren die Bereiche, die E-Government
betreffen.
Quelle: REINERMANN/LUCKE 2002, S. 2.
E-Government
Bevölkerung
Bürger
Staat
Verwaltung
Zweiter Sektor
Wirtschaft
Dritter Sektor
NPO/NGO
Bevölkerung
Bürger
C2C
C2G
C2B
C2N
Staat
Verwaltung
G2C
G2G
G2B
G2N
Zweiter Sektor
Wirtschaft
B2C
B2G
B2B
B2N
Dritter Sektor
NPO/NGO
N2C
N2G
N2B
N2N
Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Konzepten liegt in der Bewertung der
durch die neuen Technologien geförderten und ermöglichten politischen Prozesse, wie
Willensbildung und Partizipation. Für REINERMANN/LUCKE (2002, S. 14) sind sie Teil
des Public E-Governance Ansatzes, der auf die Gestaltung von Lebensbereichen durch Staat
und Verwaltung im Zeichen der Informationsgesellschaft abzielt. Er betont, dass es sich bei
E-Government um ,,Institutionen, also Regelungen, Geräte, Netze, Programme und
Daten" handelt ,,die im günstigen Falle durch Public E-Governance bewusst geformt
wurden" (ebd., S.19), während DRÜKE (2003) die politischen Aspekte in E-Government
explizit mit einbezieht. Dies erfordert neben der Betrachtung der Technik und der
Anwendungen auch Leitbilder und Strategien, berücksichtigt die Organisation der Verwaltung
genauso wie die Qualifikationen der Benutzer, fragt nach den finanziellen Ressourcen und
Marketing und nicht zuletzt auch nach rechtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen (vgl.
DRÜKE 2003, S. 21f.).
Die vollständige Betrachtung aller Aspekte von E-Government nach dieser Definition in
Hinblick auf die Potentiale für die öffentliche Verwaltung im ländlichen Raum ist im Rahmen
dieser Arbeit nicht zu leisten. Viele dieser Gesichtspunkte, wie zum Beispiel die eingehende
Beschäftigung mit rechtlichen Aspekten oder die Möglichkeiten zur Partizipation via IuK-
Technologien sind für eine geographische Betrachtung von E-Government von sekundärem
Interesse. Allerdings soll E-Government nicht nur auf elektronische Verwaltungsprozesse
reduziert werden. Politik, Verwaltung und Bürger gehören zu einem interdependenten System,
welches auch real im Raum erfahrbar ist, z.B. in Form von raumrelevanten
Gemeinderatsbeschlüssen, dem Standort einer Behörde oder durch die Lage des Wohnorts
des Bürgers. Technische Potentiale sollten Bürgerinteressen dienen, Verwaltungsansprüchen
genügen und stehen unter dem Einfluss von politischen Entscheidungen. Diese Aspekte
24
dürfen somit auch bei der Potentialsbewertung nicht außer Acht gelassen werden. Es ist daher
notwendig zu klären, auf welche Elemente von E-Government in seiner weiteren Ausprägung
sich diese Arbeit beziehen soll. Dazu wird folgende Eingrenzung vorgenommen:
·
Räumlich: E-Government bezieht sich in dieser Analyse auf den dünn besiedelten,
ländlichen Raum, für den spezifische Problemlagen identifiziert wurden (vgl. Kap. 2).
·
Institutionell: Die betrachteten staatlichen Ebenen stellen die Gemeinden, Ämter und
Landkreise mit ihren dazugehörigen Behörden und Nebenstellen dar; sie sind die
erste Anlaufstelle für Anliegen der Bürger im ländlichen Raum und daher auch von
besonderer Relevanz.
·
Adressaten: Die Potentiale von E-Government sollen in erster Linie im Hinblick auf
die Kontakte des Bürgers mit der Verwaltung (C2G), der Verwaltung mit dem
Bürger (G2C) und innerhalb der Verwaltung (G2G) untersucht werden; gleichwohl
wird die wachsende Bedeutung von E-Government im Kontakt der Verwaltung mit
der Wirtschaft und NGO/NPO anerkannt (vgl. REINERMANN/LUCKE 2002, S. 2).
·
Inhaltlich: Einen Schwerpunkt der Betrachtung stellen klassischerweise die
Technologien und Anwendungen, und hier insbesondere die Möglichkeiten zur
Transaktion dar. Zum anderen werden Aspekte der Organisation, Kooperation und
Kosten/Nutzen Relation betrachtet.
Ausgestattet mit dieser an die Fragestellung angepassten Definition von E-Government soll
nun untersucht werden, in welchen Anwendungsfeldern die Potentiale von E-Government für
Bürger und Verwaltung im ländlichen Raum besonders hervortreten.
3.2
In welchen Anwendungsbereichen spielt E-Government im ländlichen
Raum seine Stärken aus?
Der prinzipielle Vorteil von E-Government im ländlichen Raum liegt in der Tatsache, dass die
Erstellung einer Verwaltungsdienstleistung durch die Behörden und der Ort ihrer
Inanspruchnahme durch den Bürger u.a. nicht identisch sein müssen, so dass räumliche
Distanzen für viele Behördengänge kein Hindernis mehr darstellen. Prinzipiell ist dieser
Vorteil auch schon bei einer telefonischen Anfrage gegeben, jedoch müssen die Bürger für die
Inanspruchnahme der meisten Dienstleistungen persönlich bei der zuständigen Behörde
erscheinen
8
. Der Vorteil der bei E-Government benutzten IuK-Technologien ist nun, dass sie
8
Was das im dünn besiedelten Raum bedeuten kann, macht ein Beispiel von REICHARD/ SCHUPPAN (2002,
S. 41) deutlich. Sie untersuchten die Anfahrtswege der Bürger bei der Zulassung eines Autos im Landkreis
25
in der Lage sind, verschiedenste Informationsquellen, wie Datenbanken, Dokumente,
Vorlagen aber auch Bilder, Töne und Karten miteinander zu verknüpfen und für die Bürger
und die Verwaltung z.B. über Internet und Intranet verfügbar zu machen. Um es mit
JANSEN/PRIDDAT (2001, S. 14) zu sagen, ,,statt der Bürger laufen nun die Bits".
Für die Verwaltung bedeutet dies, dass sie in der Binnenperspektive (G2G) hohe
Effizienzgewinne erzielen kann, wenn sie ihre Arbeit konsequent auf E-Government
ausrichtet. Maßnahmen hierzu umfassen zum Beispiel (vgl. FRICK/HOKKELER 2002, S. 13):
·
die Modernisierung der Informationstechnik mit der Vernetzung einzelner
Arbeitsbereiche, der Einführung neuer Systeme (Intranet, Workflow Management etc.)
und die Anbindung vorhandener Softwarelösungen
·
Wissensmanagement für die Erschließung vorhandenen Know-hows in der
Verwaltung
·
Optimierung der vertikalen und horizontalen Informations- und
Kommunikationsbeziehungen sowie der Arbeitsabläufe zwischen den einzelnen
Verwaltungseinheiten, bzw. zwischen Politik und Verwaltung
Für die Außenperspektive, also den Kontakten der Verwaltung mit anderen Verwaltungen, mit
Bürgern, Unternehmen und gesellschaftlichen Gruppen, können im Idealfall technisch und
organisatorisch nahtlose, also medienbruchfreie
9
Übertragungen von Informationen und
Dienstleistungen gelingen. Dabei kann die Erstellung der Leistung in einem so genannten
Back Office erfolgen, im ländlichen Raum z.B. im Kreisamt, während die Leistungsabgabe in
einem beliebigen Front Office erfolgt, beispielsweise ortsnah in einem Bürgerbüro oder der
Amtsverwaltung.
Eine andere Möglichkeit die Potentiale der neuen IuK-Medien zu nutzen, liegt in der
Bereitstellung elektronischer Dienste und Inhalte für den Bürger über das Internet. In seiner
weiter reichenden Form können die Bürger über das Internet sowohl allgemeine
Informationen abfragen und grundlegende Kommunikationsmöglichkeiten nutzen (z.B. E-
Mail), als auch selber Transaktionen tätigen (wie z.B. das Ausfüllen und Abschicken
elektronischer Formulare). Der Bürger kann sich somit an der Erstellung der Dienstleistung,
die er in Anspruch nehmen will selbst beteiligen. ,,Diese Öffnung der Prozesse nach außen ist
das Neue und damit die eigentliche Qualität von E-Government" schreiben
FRICK/HOKKELER (2002, S. 12) zutreffend, denn durch den konsequenten Einsatz der
Potsdam-Mittelmark. Dabei stellten sie fest, dass die betroffenen Bürger bis zur Kfz-Stelle des zuständigen
Kreisamts einen durchschnittlichen Anfahrtsweg von 20 km zurücklegen müssen, Einwohner der am weitesten
entfernten Gemeinde des Landkreises haben sogar über 70 km zurückzulegen.
9
,,Von Medienbrüchen spricht man, wenn innerhalb eines Prozesses Daten einmal oder mehrmals von einem
Medium (z.B. Papier) auf ein anderes (z.B. elektronischer Speicher ) übertragen werden
müssen" FRICK/HOKKELER 2002, S. 12).
26
neuen IuK-Technologien kann ein Maß an Bürgernähe, Transparenz und Schnelligkeit
erreicht werden, wie es in dieser Form nie da gewesen ist.
Im Folgenden sollen daher die beiden oben kurz skizzierten Verfahren der Information,
Kommunikation und Transaktion zwischen der öffentlichen Verwaltung einerseits und
Bürgern und anderen Verwaltungen andererseits näher untersucht werden.
3.2.1.
Distribution von Verwaltungsdienstleistungen über das Internet
Die bekannteste und am weitesten verbreitete Realisierungsart von E-Government ist das
Angebot von Diensten und Inhalten über das Internet, genauer gesagt über die WWW-
Oberfläche des Internets. Mit einem Computer mit Internetanschluss (WWW-Client) kann der
Bürger auf Daten zugreifen, die die Verwaltung auf einem dafür eingerichteten Server
(WWW-Host)
abgelegt hat, der zumeist unter dem Adressenmuster
,,www.gemeindename.de" zu erreichen ist. Auf den Seiten einer solchen Website, wie sie
mittlerweile fast alle Städte und Kommunen eingerichtet haben, finden sich neben den
wichtigsten E-Mail Adressen der Verwaltung und Internetverweisen größtenteils
Informationsangebote (vgl. Abb. 8, S. 28). Das Spektrum solcher Informationen reicht von
Informationen der Stadtverwaltung über Fremdenverkehrs- und Umweltinformationen, Stadt-
und Regionalentwicklungsinformationen bis hin zu Wirtschaftsinformationen (ausführlich:
DIECKMANN 1999, S. 69). Viele Kommunen veröffentlichen darüber hinaus alle wichtigen
öffentlich zugänglichen Dokumente im Netz, um so die Transparenz des Verwaltungsapparats
zu erhöhen und Zustimmung für das kommunalpolitische Handeln zu sichern. Diese
Bemühungen um mehr Transparenz sind Teil der bereits angesprochenen Bürgerorientierung
der öffentlichen Verwaltung, wie sie im Neuen Steuerungsmodell propagiert wird. Danach hat
sich die Verwaltung als Dienstleister v. a. nach den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürger
(Kunden) zu richten, die nach Erfahrungen des Starnberger Bürgermeisters THALLMAIER
(2000, S. 46) nach einer Erweiterung des kommunalen Angebotes verlangen: ,,Denn der
Nutzer im Internet erwartet von seiner Gemeinde nicht nur Informationen allgemeiner Art wie
Statistiken, Einblick in die Geschichte, die Zusammensetzung des Gemeinderates oder einen
Überblick über die Veranstaltungen in einer Stadt, sondern der Nutzer im Internet ist ein
ausgesprochenen dynamisch und effizient arbeitender Mensch, der Kosten und
Zeitersparnisse durch die Benutzung des Internets erwartet [...]. Er will aktiv Behördengänge
erledigen und damit Zeit und Geld einsparen, und via E-Mail in direkte Kommunikation mit
seiner Stadtverwaltung treten, schnell und kostengünstig" (ebd.). Die Rede ist von
27
Internetanwendungen, die von zu Hause oder vom Arbeitsplatz aus Transaktionen mit der
öffentlichen Verwaltung zulassen, und dadurch helfen können, Anfahrtszeit und -kosten und
unnötige Wartezeiten einzusparen.
Doch nicht alle Inhalte und Dienste sind über das Internet offerierbar (vgl. ausführlich
HERWIG 2001, S. 55ff.). Zunächst einmal müssen sie digitalisierbar sein, um elektronisch
übermittelt werden zu können. Daneben gibt es bei vielen Leistungen großen
Erklärungsbedarf, (datenschutz-)rechtliche Einschränkungen und letztlich den wirtschaftlich
bedeutsamen Faktor der Häufigkeit der Inanspruchnahme einer Leistung. Die Kommunen
stehen hier im Konflikt zwischen technischer Machbarkeit, Verwaltungseffizienz,
Bürgerinteresse und finanzieller Durchführbarkeit. Die OECD (2001, S. 92) empfiehlt in
diesem Zusammenhang die Digitalisierung von ,,general public services (birth registries, tax
services, automobile licenses and land use) that can be more readily made available on-line,
whether for information or transaction purposes with a great convenience for the user and a
lower cost for the taxpayer (reduction of paperwork)". Dabei stellt die OECD die besondere
Bedeutung des Angebots von internetbasierten Verwaltungsdienstleistungen für den ländlich
peripheren Raum noch einmal deutlich heraus: ,,Programmes of this type, now being
implemented in many countries, benefit all public service users but are particularly relevant in
rural areas where access to public services is generally more difficult" (ebd., S. 93).
Unter diese Definition ,,lohnender Ziele" für eine Digitalisierung fällt in den Kommunen eine
große Anzahl von Leistungen, denn die kommunale Ebene ist die erste Anlaufstation für
Anliegen von Bürgern, Unternehmen, u.a. Hier auf der untersten staatlichen Ebene werden
die meisten einfachen, standardisierten Anliegen bearbeitet, seien es Anträge, An-
/Ummeldungen oder die Entrichtungen von Gebühren, daher ist hier auch das Nutzenpotential
von Verwaltungstransaktionen über das Internet am höchsten. Wie sehen nun
internetgestützte E-Government Lösungen für Transaktionen konkret aus? Zu dieser Frage
haben REINERMANN/LUCKE (2002, S. 3) vier grundlegende Anwendungsbereiche der
Transaktion zwischen Bürger und Verwaltung identifiziert:
1)
E-Forms: Dazu gehören alle Formen elektronischer Formulare. Dies können
HTML-, oder PDF- Dateien sein, die man sich ausdruckt, bearbeitet und postalisch
zurückschickt, Offline-Formulare, die man beispielsweise am PC ausfüllen und per
E-Mail verschicken kann, aber auch Online-Formulare, die direkt bei der Eingabe
auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft und per Mausklick verschickt werden
können.
2)
E-Transactions: Im Gegensatz zu E-Forms wird bei E-Transactions nicht nur ein
Formular an den Empfänger, also meist den Fachdienst der bearbeitenden Behörde,
28
geschickt, sondern das elektronisch übermittelte Anliegen wird auch mittels
spezieller Hard- und Softwarelösungen elektronisch bearbeitet.
3)
E-Service: Dazu gehört der ganze Bereich der von öffentlichen Dienststellen
verschickten elektronischen Bescheide sowie der Vertrieb von elektronischen
Dienstleistungen und Produkten über das Internet. Das können im Bereich der
Bescheide zum Beispiel Lizenzen und Genehmigungen sein, im Bereich
elektronischer Produkte Flurkarten oder Publikationen.
4)
E-Commerce: Hierunter fallen zum Beispiel Anwendungen, die die elektronische
Bezahlung von Verwaltungsdienstleistungen oder Auszahlung finanzieller
Leistungen ermöglichen. In erster Linie zählen zu Anwendungsfeldern aber
elektronische Marktplätze für die öffentlichen Verwaltung, beispielsweise
elektronische Ladensysteme, Auktionen, Ausschreibungen und Börsen.
Ende der Leseprobe aus 145 Seiten
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Details
- Arbeit zitieren
- , 2004, Potentiale von E-Government für die öffentliche Verwaltung im ländlichen Raum, Hamburg, Bedey Media GmbH, https://www.diplom.de/document/223817
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