ID 6704
Abel, Christoph: Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Trainings zur Förderung
der sozialen Kompetenzen "Gesprächsführung" und "Kundenorientierung" - Bei MLP AG in
Heidelberg
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Mannheim, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany
I
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis I
Abbildungsverzeichnis IV
Tabellenverzeichnis VI
Abkürzungsverzeichnis VIII
1. Einleitung 1
I. Theoretischer Teil
2. Das Konstrukt ,,soziale Kompetenz" 3
2.1 Der Kompetenzbegriff 3
2.2 Definitionsversuche von sozialer Kompetenz 4
2.2.1 Begriffliche Vielfalt im Umfeld der sozialen Kompetenz 4
2.2.2 Arbeitsdefinitionen 7
2.3 Soziale Kompetenz in der Sozialpsychologie 8
2.4 Soziale Kompetenz in der Klinischen Psychologie 9
2.5 Soziale Kompetenz in der Personalentwicklung 11
2.5.1 Überblick über verschiedene Ansätze 11
2.5.2 Soziale Kompetenz als Bestandteil des Bildungszieles 14
,,Handlungskompetenz"
2.6 Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung als
Teildimensionen der sozialen Kompetenz 15
2.6.1 Kommunikationsfähigkeit 15
2.6.2 Kundenorientierung 17
2.7 Zusammenfassung 19
3. Trainingsmethoden zur Förderung sozialer Kompetenzen 20
3.1 Definition von Personalentwicklung und Training 20
3.2 Beispiele für standardisierte Trainings 21
II
3.3 Anforderungen an ein Training zur Förderung von Kommunikations-
fähigkeit und Kundenorientierung 23
3.3.1 Teilnehmerinteressen 23
3.3.2 Handlungsorientierung 23
3.3.3 Lerntheorien 25
3.3.4 Situationsangemessenheit 25
3.4. Zusammenfassung 26
4. Einflussfaktoren auf die Effektivität von Trainingsmaßnahmen
28
4.1 Modelle zum Trainingstransfer 28
4.1.1 Die ,,Maintenance Curves" 28
4.1.2 Transfer-Modell von Baldwin & Ford 30
4.2 Ein allgemeines Modell zur Trainingseffektivität 31
5. Evaluation von PE-Maßnahmen 34
5.1 Der Begriff Evaluation 34
5.1.1 Definitionen 34
5.1.2 Evaluationsparadigmen 35
5.1.3 Evaluationsformen 36
5.2 Das Fünf-Datenboxen-Konzept von Wittmann 37
5.3 Das Trainings-Evaluationsmodell von Kirkpatrick 39
5.3.1 Die vier Stufen des Modells von Kirkpatrick 39
5.3.2 Operationalisierung der vier Stufen 42
5.3.3 Grundannahmen des Modells 44
5.3.4 Kritik am Modell und Weiterentwicklungen 45
5.4 Problembereiche von Evaluationen im Trainingsbereich 46
5.4.1 Evaluationsdesign 47
5.4.2 Interne und Externe Validität 48
5.5 Zusammenfassung 49
III
II. Empirischer Teil
6. Beschreibung des Trainings 50
6.1 Konzeption und Inhalte 50
6.2 Umsetzung der Anforderungen an das Training 56
6.2.1 Teilnehmerinteressen 56
6.2.2 Trainingsmethodik 56
6.2.2.1 Handlungsorientierung 56
6.2.2.2 Lerntheorien 57
6.2.2.3 Situationsangemessenheit 58
6.3 Maßnahmen zur Steigerung der Transferwahrscheinlichkeit 59
7.
Durchführung der Evaluationsstudie
61
7.1 Beschreibung der Stichprobe
61
7.2 Die Evaluationsbox
61
7.3 Die Prädiktorbox
63
7.4 Die Kriterienbox
66
7.5 Das Untersuchungsdesign
71
8. Ergebnisse 73
8.1 Wirksamkeitsüberprüfung des Trainings 73
8.1.1 Zufriedenheitsebene 73
8.1.2 Lernerfolgsebene 77
8.1.2.1 Wissensebene 77
8.1.2.2 Verhaltensebene 79
8.1.3 Transferebene 87
8.1.4 Unternehmenserfolgsebene 92
8.2 Überprüfung der Zusatzhypothese 94
9. Zusammenfassung und Diskussion 96
9.1 Konzeption und Durchführung der Trainingsmaßnahme 96
9.2 Evaluation des Trainings und Ergebnisse 97
IV
9.3 Methodische Kritik 107
9.4 Implikationen für Theorie und Praxis 110
9.5 Ausblick 113
Literaturverzeichnis 115
ANHANG IX
IV
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1: Mögliche Transferkurven-Verläufe nach
Baldwin & Ford (1988).
28
Abbildung 2: Transfermodell von Baldwin & Ford (1988).
30
Abbildung 3: Effektivitätsbedingungen von Trainingsmaßnahmen
(Tannenbaum et. al., 1991).
32
Abbildung 4: Dreidimensionaler Datenwürfel nach Wittmann (1985).
37
Abbildung 5: Fünf-Datenboxen-Modell von Wittmann (1985).
38
Abbildung 6: Die Anordnung der Variablen im Modell von Wittmann (1985). 70
Abbildung 7: Das Untersuchungsdesign im Überblick.
73
Abbildung 8: Boxplots der Zufriedenheitswerte.
74
Abbildung 9: Bereiche der Zufriedenheit.
75
Abbildung 10: Gesamtzufriedenheit der Trainingsteilnehmer.
76
Abbildung 11: Wissenstest Prä- und Post.
78
Abbildung 12: Verlaufskurven der Mittelwerte von Gesprächsführung und
Kundenorientierung.
80
Abbildung 13: Die Ausgangslage von TG und KG bezüglich
Gesprächsführung im Vergleich.
82
Abbildung 14: Die Ausgangslage von TG und KG bezüglich
Kundenorientierung im Vergleich.
83
Abbildung 15: Boxplot für Gesprächsführung Post TG und KG.
84
Abbildung 16: Boxplot für Kundenorientierung Post TG und KG.
85
Abbildung 17: Verlaufskurven der 12 Teilnehmer für ,,Gesprächsführung".
88
Abbildung 18: Der Zusammenhang von Prüfungsnote und Gesprächsführung
(Posttest Verhalten).
89
V
Abbildung 19: Der Zusammenhang von Prüfungsnote und Kundenorientierung
(Posttest Verhalten).
90
Abbildung 20: Auswirkung des Trainings auf die Unternehmensziele von MLP. 93
Abbildung 21: Der Zusammenhang von Prüfungsnote und
allgemeiner
Selbstwirksamkeit
95
VI
Tabellenverzeichnis
Seite
Tabelle 1: Überblick über verschiedene Schwerpunkte bei der Erforschung
sozialer Kompetenz im Bereich der Personalentwicklung.
13
Tabelle 2: Überblick über den Aufbau des Trainings.
55
Tabelle 3: Die Prädiktoren der Evaluationsstudie.
64
Tabelle 4: Die Kriterien der Evaluationsstudie.
66
Tabelle 5: Deskriptive Statistik der Zufriedenheitswerte.
74
Tabelle 6: Zufriedenheit mit Trainingsorganisation,
-methoden, -inhalten und Trainer.
75
Tabelle 7: Deskriptive Statistik der Gesamtzufriedenheit.
76
Tabelle 8: Statistik der Wissenstests Prä und Post.
77
Tabelle 9: t-Test für abhängige Stichproben für Differenz
Prä-und Posttest Wissen.
78
Tabelle 10: Ergebnisse der Varianzanalyse für die Gesprächsführung.
79
Tabelle 11: Ergebnisse der Varianzanalyse für die Kundenorientierung.
80
Tabelle 12: Deskriptive Statistik von ,,Gesprächsführung" Prä- und
Posttesttest für TG und KG.
81
Tabelle 13: Deskriptive Statistik von ,,Kundenorientierung" für Prä-
und Posttest TG und KG.
82
Tabelle 14: t-Test für abhängige Stichproben auf A-priori-Unterschiede
(Gesprächsführung).
83
Tabelle 15: t-Test für abhängige Stichproben auf A-priori-Unterschiede
(Kundenorientierung).
85
Tabelle 16: Mittelwertsunterschiede zwischen TG und KG für
Gesprächsführung bei Prä- und Postmessung.
85
Tabelle 17: Mittelwertsunterschiede zwischen TG und KG für
Kundenorientierung bei Prä- und Postmessung.
86
VII
Tabelle 18: t-Test für abhängige Stichproben auf Differenzen zwischen Prä- und
Postmessung für Gesprächsführung und Kundenorientierung KG. 86
Tabelle 19: Die Prüfungsnoten der Probanden.
89
Tabelle 20: deskriptive Statistik der Interview-Ergebnisse.
92
VIII
Abkürzungsverzeichnis
AG ...Aktiengesellschaft
BA ...Berufsakademie
EG ...Experimentalgruppe
ES ...Effektstärke
ETR-Box ...Experimentelle Treatment-Box
EVA-Box ...Evaluations-Box
evtl. ...eventuell
KG ...Kontrollgruppe
MLP ... Marschollek, Lautenschläger & Partner
NLP ... Neuro-Linguistisches Programmieren
NTR ...Nichtexperimentelle Treatment-Box
TG ...Treatmentgruppe
Übers. des. Verf. ...Übersetzung des Verfassers
z.B. ...zum Beispiel
1
1. Einleitung
Soziale Kompetenz ist in den meisten Berufen ein qualitätsbestimmender Faktor.
Kommunikative Fähigkeiten und Kundenorientierung spielen hierbei eine entscheidende
Rolle (Karoschka, 1998). Vor dem Hintergrund dezentralisierter und autonomer
Organisationseinheiten werden neue soziale Anforderungen an Mitarbeiter und
Führungskräfte gestellt. Die zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Aufgaben geforderten
Kompetenzen werden oft in Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz
unterteilt (Grandke, 1998). Der Begriff der sozialen Kompetenz stellt dabei den Anteil
der personenspezifischen Kompetenzen dar, der sich im Umgang mit anderen Menschen
äußert.
Mit zunehmender Verbreitung von Arbeitsformen wie Projektmanagement oder
Gruppenarbeit wachsen die Ansprüche an die kommunikativen Kompetenzen der
Mitarbeiter (Nagl & Geiser, 1998). Hinzu kommen gestiegene Erwartungen von
Kunden und Unternehmen in Bezug auf Kunden- und Vertriebsorientierung (Kemper,
1999). So muss ein Arzt neben seiner fachlichen Kompetenz auch kompetent Gespräche
mit Patienten führen können. Ebenso sollte eine Managerin neben
betriebswirtschaftlichem Fachwissen auch Mitarbeiter motivieren und die
Kooperationen zwischen Abteilungen oder Firmen gestalten können.
Vielfach findet die Förderung der sozialen Kompetenzen im Rahmen der
innerbetrieblichen Weiterbildung statt. Nach Angaben des Instituts der Deutschen
Wirtschaft investieren private Unternehmen in die Weiterbildung der Mitarbeiter pro
Jahr ca. 17 Milliarden Euro (Wirtschaft und Unterricht Nr. 5/Juni 2001). Eine genaue
Überprüfung der Effektivität von Trainingsmaßnahmen ist hierbei nicht die Regel und
objektive Qualitätsnachweise von Weiterbildungsarbeit sind generell nur sehr schwer zu
führen (Beywl & Geiter, 1996).
Im ersten Abschnitt (Gliederungspunkt 2) dieser Arbeit werden Definitionsversuche
des Begriffs soziale Kompetenz vorgestellt und das Konstrukt gegen benachbarte
2
Konzepte abgegrenzt. Anschließend sollen
Kommunikationsfähigkeit
und
Kundenorientierung als Teildimensionen der sozialen Kompetenz dargestellt werden.
Der zweite Abschnitt (Gliederungspunkt 3) befasst sich mit den Möglichkeiten zur
Förderung der sozialen Kompetenz. Zunächst werden standardisierte
Trainingsmaßnahmen vorgestellt und anschließend die Anforderungen an ein Training
zur Förderung von Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung abgeleitet.
Im dritten Teil dieser Arbeit (Gliederungspunkt 4) wird der Frage nachgegangen, wie
viel von dem im Training Gelernten tatsächlich in den Job übertragen wird. Zur
Beantwortung dieser Frage werden Modelle zum Trainingstransfer herangezogen. Die
Einflussfaktoren auf den Trainingstransfer sind jedoch komplex und einfache Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge lassen sich nur schwer identifizieren.
Auf welche Modelle kann man sich bei der Evaluation in der Personalentwicklung
stützen? Welche Probleme können bei der Effektivitätsüberprüfung von
Trainingsmaßnahmen auftreten und wie kann man trotz dieser Probleme zu
befriedigenden Ergebnissen gelangen? Diese Fragen versucht Gliederungspunkt 5 zu
beantworten.
Zu Beginn des empirischen Teils dieser Arbeit hat Gliederungspunkt 6 die inhaltliche
und methodische Beschreibung eines vom Autor entwickelten Trainings zur
Verbesserung der sozialen Kompetenzen Kommunikationsfähigkeit
und
Kundenorientierung zum Inhalt. In Gliederungspunkt 7 wird über die Durchführung
einer Evaluationsstudie der Trainingsmaßnahme bei MLP AG in Heidelberg berichtet.
Entsprechende Ergebnisse stellt Gliederungspunkt 8 dar.
In Gliederungspunkt 9 werden die Konzeption und Durchführung der
Trainingsmaßnahme sowie die Ergebnisse der Evaluation zusammengefasst und kritisch
diskutiert. Anschließend werden Implikationen für Theorie und Praxis sowie ein
Ausblick formuliert.
3
2. Das Konstrukt ,,soziale Kompetenz"
2.1. Der Kompetenzbegriff
Der Begriff Kompetenz kann als die Fähigkeit bezeichnet werden, ,,eine Aufgabe
bewältigen oder etwas bestimmtes leisten zu können" (Reber, 1995, S. 142). In
Abgrenzung zur Performanz, die durch das Erbringen einer spezifischen Leistung in
einer bestimmten Situation gekennzeichnet ist, bezieht sich Kompetenz auf zeitlich
relativ stabile Fertigkeiten, Funktionen oder Fähigkeiten (Hasselhorn & Hager, 1998).
Kompetenzen gehen über einzelne Teilfertigkeiten wie z.B. Beherrschung einer
Methode oder Kenntnis von Fragetechniken hinaus, da sie deren situationsgerechte
Anwendung mit einschließen.
Auf der Verhaltensebene manifestiert sich Kompetenz in effektivem und angemessenem
Verhalten. Effektivität meint hierbei die erfolgreiche Zielerreichung bzw.
Aufgabenerfüllung und Angemessenheit auf die Vermeidung von Regel-, Norm- und
Erwartungsverletzungen (Spitzberg & Cupach, 1989). Der Begriff Kompetenz
impliziert, dass es sich um erworbene Fertigkeiten handelt Forgas (1999). Durch
entsprechende Trainings können Kompetenzen gelernt bzw. verbessert werden (Trower,
Bryant & Argyle, 1978).
Bei der Beurteilung der Kompetenz erfolgt die Bewertung nicht in dichotomen
Kategorien, das heißt jemand wird nicht als kompetent oder als nicht kompetent erlebt,
sondern vollzieht sich graduell von z.B. unakzeptabel über adäquat bis hin zu
meisterhaft (Spitzberg & Cupach, 1989). Andere Autoren bezeichnen nur eine adäquate
Leistung, also eine Leistung im mittleren Bereich, als kompetent. Vorzügliche bzw.
exzellente Leistungen gehen für diese Autoren über kompetentes Verhalten hinaus
(MacCroskey, 1987).
Kompetenz hat auch einen wichtigen Bezug zur Motivationspsychologie, so dass von
humanistisch geprägten Autoren das menschliche Bestreben ,,sich als kompetent und
4
sich selbst bestimmend zu erfahren" als Kern der intrinsischen Motivation gesehen wird
(Deci, 1975).
2.2. Definitionsversuche von sozialer Kompetenz
In diesem Abschnitt werden zunächst verschiedene Konstrukte im Umfeld der Sozialen
Kompetenz gegeneinander abgegrenzt. Anschließend sollen drei ,,Arbeitsdefinitionen"
von sozialer Kompetenz vorgestellt werden, denen gemeinsam ist, dass sie das
Konstrukt inhaltlich nicht konkretisieren und sich deshalb auf viele Situationen
übertragen lassen. Diese Begriffsbestimmungen dienen zur Grundlage der weiteren
Überlegungen.
2.2.1 Begriffliche Vielfalt im Umfeld der Sozialen Kompetenz
Während der Kompetenzbegriff als solcher relativ eindeutig definiert ist und auch die
Bezeichnung ,,sozial" als ,,die Gemeinschaft betreffend" (Bünting, 1996) keine größeren
begrifflichen Schwierigkeiten bereitet, existiert um das Konstrukt soziale Kompetenz
eine verwirrende Begriffsvielfalt.
Es existiert keine einheitliche Definition von sozialer Kompetenz, vielmehr haben
verschiedene wissenschaftliche Disziplinen eigene Definitionen erarbeitet. Zu diesen
Disziplinen gehören z.B. Psychiatrie, klinische Psychologie, Sozial- und
Entwicklungspsychologie, Kommunikationsforschung, Rhetorik sowie Linguistik
(Spitzberg Cupach, 1989).
Häufig verwendete Begriffe sind interpersonale Kompetenz, kommunikative Kompetenz,
soziale Kompetenz(en), psychosoziale Kompetenz, Beziehungskompetenz, social skills
(soziale Fertigkeiten), soziale Intelligenz, emotionale Intelligenz. Die Verwendung der
Begriffe ist nicht konsistent, es gibt zahlreiche Überschneidungen. Ebenso werden
5
unterschiedliche Konstrukte mit denselben Begriffen und dieselben Konstrukte mit
verschiedenen Begriffen belegt (Spitzberg Cupach, 1989).
Der Begriff der sozialen Kompetenz taucht erstmals um 1930 auf. Doll (1953)
bezeichnet Sozialkompetenz als die Fähigkeit, für sich selber und für andere
Verantwortung zu übernehmen zu können. Soziale Kompetenz wird hier als
Eigenschaft, gleichbedeutend mit sozialer Reife, definiert. Die von Doll veröffentlichte
,,Vineland Social Maturity Scale" ermittelt einen ,,Sozialquotienten", der über den Grad
der Sozialreife Auskunft geben soll. Die Skala enthält 117 Items, sogenannte
,,Verhaltenseinheiten" (z.B. Selbständigkeit beim Ankleiden, beim Essen,
Selbstbestimmung, Kommunikation), die in Abwesenheit des Probanden von einer
Bezugsperson, dem sogenannten Informanten, bewertet werden (Doll, 1953).
Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle Begriffe im Umfeld der sozialen
Kompetenz zu beleuchten. Deshalb sollen an dieser Stelle exemplarisch die wichtigsten
Begriffe erläutert werden.
Als allgemeines Konstrukt findet sich, vor allem in der sozialpsychologischen Literatur,
häufig der Begriff interpersonale Kompetenz, der von einigen Autoren als die Fähigkeit,
,,effektiv mit anderen umzugehen" gesehen wird. Diese Definition stellt den kleinsten
gemeinsamen Nenner dar, unter den die anderen Konstrukte subsumiert werden können
(Spitzberg Cupach, 1989).
Frühe Ansätze zur Erforschung interpersonaler Kompetenz stammen z.B. von
Thorndike, der die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen und klug mit ihnen
umzugehen, als soziale Intelligenz bezeichnet (Karoschka, 1998). Während soziale
Intelligenz ein manipulatives Element beinhaltet, hebt der Begriff emotionale
Intelligenz eher auf den zweckmäßigen Umgang mit den eigenen Gefühlen ab (Lanser,
2000).
6
Häufig findet auch der englische Begriff assertion Anwendung, der in der deutschen
Literatur mit Selbstsicherheit bzw. Selbstbehauptung übersetzt wird. Vielfach wird mit
assertion rücksichtsloses Durchsetzen eigener Interessen assoziiert (Zimmer, 1978).
Tatsächlich stellte man sich Selbstsicherheit zunächst als Gegenpol zu sozialer Angst
vor, so dass jegliches nichtängstliche Verhalten als selbstsicher bezeichnet wurde. Dies
kommt in Selbstsicherheitstraining wie dem von Wolpe (1968) zum Ausdruck, wo auch
aggressives Verhalten als selbstsicher angesehen wurde. Heute wird Selbstsicherheit in
der Regel als die Fähigkeit zur angstfreien Durchsetzung eigener Bedürfnisse und die
Bewältigung mikrosozialer Konflikte definiert (Petermann Petermann, 2000). Zudem
wird eine Abgrenzung zu aggressiven Verhalten vorgenommen. Ein
Persönlichkeitsmerkmal Selbstsicherheit ist empirisch jedoch nicht betätigt (Zimmer,
1978).
In sozialen Interaktionen kommt eine ,,Vielfalt miteinander verbundener Kompetenzen"
(Forgas 1999, S. 292) zum Einsatz. Soziale Kompetenzen können sich auf innere
Haltungen und auf äußeres Verhalten beziehen. Beispiele sind:
· Kommunikative Fertigkeiten
· Teamorientierung
· Auf Kritik reagieren
· Individuelle und gemeinsame Ziele integrieren können
· Gespräche beginnen, aufrechterhalten und beenden
· Schwächen eingestehen
· Widerspruch äußern
· Um Gefallen bitten
· Nein sagen
· Komplimente akzeptieren (Ötsch et. al., 1998).
Obige Verhaltensweisen nicht oder nur unbefriedigend ausführen zu können, wäre
demnach sozial inkompetent. Zu sozial inkompetentem Verhalten wird im Allgemeinen
7
sowohl vermeidend-unsicheres als auch zudringlich-aggressives Verhalten gezählt
(Hinsch Pfingsten, 1998).
2.2.2 Arbeitsdefinitionen
Da es viele Situationen mit unterschiedlichen Anforderungen gibt, hat es sich als
nützlich erwiesen, anstatt von der sozialen Kompetenz eher von der Mehrzahl, von
sozialen Kompetenzen zu sprechen und diese zunächst inhaltlich nicht zu konkretisieren
(Hinsch Pfingsten, 1998). Eine Begriffsbestimmung, welche sich auf diese
Überlegungen stützt, ist die Definition von Hinsch und Pfingsten (1998, S. 3). Die
Autoren definieren soziale Kompetenz als ,,Verfügbarkeit und Anwendbarkeit von
kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen
Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen
Konsequenzen (also zur Zielerreichung) führen".
Eine ähnliche Arbeitsdefinition stammt von Karoschka (1998): ,,Sozial kompetente
Menschen orientieren sich in sozialen Interaktionen an ihren Zielen und versuchen,
durch Auswahl geeigneter Mittel diese Ziele zu erreichen. Welche
Mittel/Vorgehensweisen in einer bestimmten sozialen Situation als angemessen zu
werten ist, bedarf einer ausführlichen Situationsanalyse. Somit lässt sich sozial
kompetentes Verhalten immer nur für eine bestimmte Tätigkeit/Aufgabe/Situation
bestimmen" (Karoschka 1998, S.27).
Eine dritte Definition, die ebenfalls sehr allgemein gehalten ist, stammt von Schuler und
Barthelme (1995, S. 278). Sie definieren soziale Kompetenz als ,,Fähigkeit, Ziele und
Pläne im Interaktionskontext sozialer Situationen unter Berücksichtigung spezifischer
Anforderungen zweckrational zu realisieren".
Die vorgenannten Definitionen versuchen nicht, das Konstrukt soziale Kompetenz
inhaltlich zu präzisieren. Damit bleiben sie gültig für eine Vielfalt sozialer Situationen,
in denen das als sozial kompetent angesehene Verhalten gezeigt werden soll. Die
8
inhaltliche Präzisierung kann somit flexibel auf den jeweiligen Kontext zugeschnitten
werden.
In den folgenden Abschnitten werden Forschungsschwerpunkte zur sozialen Kompetenz
aus sozialpsychologischer und klinisch-psychologischer Sicht sowie aus der Perspektive
der Personalentwicklung dargestellt.
2.3 Soziale Kompetenz in der Sozialpsychologie
Schwerpunkte der sozialpsychologischen Erforschung sozialer Kompetenzen sind die
Untersuchung der Kompetenz-Komponenten Fertigkeiten, Wissen und Motivation
(Spitzberg Cupach, 1989). Die Betrachtung der sozialen bzw. Interpersonalen
Kompetenz erfolgt dabei auf mehreren Ebenen.
Auf der ersten Ebene wird konkretes Verhalten wie z.B. Lächeln, Blickkontakt, Fragen
stellen oder Komplimente machen untersucht. Diese Ebene ist am spezifischsten und
wird auch ,,Molekulare Ebene" genannt (Dillard Spitzberg, 1984). Auf der zweiten
Ebene werden Konstrukte untersucht, die mit sozialer Kompetenz in engem
Zusammenhang stehen. Duran (1983) hat z.B. die Konstrukte soziale Bestätigung,
soziale Gelassenheit, Artikulation, Angemessene Selbstöffnung und Sinn für Humor als
Faktoren der sozialen Kompetenz identifiziert. Auf der dritten, globalen Ebene stehen
kognitive und behaviorale Prozesse. Diese Prozesse dienen der Wahrnehmung und
Interpretation von sozialen Stimuli (decoding skills), der Entscheidungsfindung und
Problemlösung (decision skills) sowie der Kommunikation (encoding skills) (Spitzberg
Cupach, 1989).
In der englischsprachigen Literatur finden sich häufig die Begriffe social skill oder
social skills. Trower (1982) unterscheidet social skills, die er als die einzelnen Elemente
wie z.B. ein Blick, ein Nicken oder einzelne regelhaften Sequenzen (z.B. Begrüßung)
definiert, von social skill, womit er den Prozess meint, in dessen Verlauf das soziale
Verhalten zielgesteuert hervorgebracht wird.
9
In einer Studie des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung in München
wurde die Kontinuität der beiden Persönlichkeits-Konstrukte soziale Kompetenz und
Schüchternheit über die Lebensspanne hinweg untersucht. Hierbei gaben Lehrer Q-
Sort-Beschreibungen von prototypischen sozial kompetenten Personen ab. Die
Ergebnisse ergaben eine extrem hohe Kontinuität beider Konstrukte über die
Lebensspanne hinweg (van Aken Asendorpf, 1996).
Mangelnde soziale Kompetenzen sind ebenfalls Gegenstand der sozialpsychologischen
Forschung. Diese sogenannten ,,sozialen Kompetenzdefizite" haben eine
verhaltensspezifische, eine kognitive und eine affektive Komponente. Die kognitive
Komponente spielt z.B. bei der Wahrnehmung von sogenannten Episoden, das sind
bestimmte Abfolgen von Interaktionen, eine Rolle. Ängstliche, introvertierte oder sozial
wenig kompetente Menschen sehen dieselben Episoden weniger komplex als
nichtängstliche, extravertierte und sozial kompetente Menschen (Forgas, 1999).
2.4 Soziale Kompetenz in der Klinischen Psychologie
In der klinischen Psychologie
ist das Erlernen sozialer Kompetenzen das Therapieziel
von Selbstsicherheitstrainings (Mehl, 1995). Bis in die siebziger Jahre dominierten auf
diesem Gebiet die Ansätze der beiden Verhaltenstherapeuten Salter (1952) und Wolpe
(1968). Sie unterschieden aggressives Verhalten nicht von selbstsicherem, da jedes
nichtängstliche Verhalten für die Bewältigung von sozialer Angst als positiv angesehen
wurde. Heute werden Trainings zur sozialen Kompetenz bei einer Reihe von
psychischen Störungen eingesetzt. Selbstsicheres Verhalten wird dabei als ,,jede sozial
gebilligte Form des Ausdrückens eigener Gefühle und persönlicher Rechte" (Zimmer,
1978) definiert.
Soziale Kompetenz ist bei einer Vielzahl von psychischen und psychosomatischen
Störungen als unabhängige Variable erforscht worden. So wurde soziale Kompetenz
z.B. in Verbindung mit Angst, Depression (z.B. Zeiss, Lewinsohn, Munoz, 1979),
Alkoholismus oder kardio-vaskulären Erkrankungen (z.B. Vasconcellos, 1985)
10
untersucht. Soziale Kompetenz wird mit dem Psychoserisiko in Verbindung gebracht
(Bailer Hautzinger, 1993) und ihre Rolle bei der Bewältigung von geistiger
Behinderung untersucht (Holtz, 1994).
Im sogenannten ,,Integrativen Modell der Depressionsgenese" von Lewinsohn,
Hoberman, Teri, Hautzinger (1985) gilt soziale Kompetenz als immunisierendere
Faktor, also als Faktor, der das Risiko erniedrigt, an einer Depression zu erkranken. Als
Immunitäten gelten hohe selbstwahrgenommene soziale Kompetenz, ein hohes Maß an
Bewältigungsfertigkeiten und eine hohe Rate an angenehmen Ereignissen und
vertrauensvollen Sozialbeziehungen. Eine therapeutische Behandlung depressiver
Patienten, die sich auf dieses multifaktorielle Modell stützt, fokussiert auf die
Reduzierung bestehender Vulnerabilitäten wie niedrige soziale Kompetenz,
depressionsfördernde Kognitionen, auf die Förderung von Bewältigungsstrategien in
stressreichen sozialen Situationen, auf die Stärkung vorhandener Immunitäten und auf
die Einflussnahme möglicher auslösender Faktoren wie Makro- oder Mikrostressoren
und ungünstige Lebensumstände.
Zeiss, Lewinsohn, Munoz (1979) untersuchten die Wirksamkeit einer rein
verhaltenstherapeutischen und einer rein kognitiven Therapie sowie einem Training
sozialer Kompetenzen bei depressiven Erwachsenen. Alle drei Formen der Therapie
führten zu Verbesserungen der depressiven Symptomatik, jedoch waren die
Veränderungen der jeweils abhängigen Variablen weniger spezifisch als die
Behandlungsformen. Patienten, deren soziale Kompetenz trainiert wurde, zeigten
Verbesserungen ihrer kognitiven Symptomatik und Patienten, die eine kognitive
Therapie erhielten, zeigten nach der Therapie neben der Verbesserung ihrer negativen
Gedanken und auch verbesserte soziale Fertigkeiten. Auch die Anzahl angenehmer
Ereignisse stieg bei allen Patienten. Die Autoren führen dies auf die erfahrene
Selbstwirksamkeit (Bandura, 1998) zurück, so dass die Patienten die Erfahrung machen
können, an ihrer depressiven Symptomatik und an widrigen Lebensumständen selbst
etwas verändern zu können und die Erwartung entwickeln, auch zukünftig ihre
Probleme effektiver bewältigen zu können.
11
In einer weiteren Studie wurde die Rolle der sozialen Kompetenz bei dem
Psychosenrisiko junger Erwachsener mit schizotypischen bzw. zyklothymen
Merkmalen untersucht. Dabei wurden Rollenspiele eingesetzt. Die Personen, die anhand
verschiedener Skalen als zur Gruppe mit dem höheren Psychosenrisiko gehörig
eingestuft wurde, wurden über alle 30 Rollenspielsituationen hinweg als weniger sozial
Kompetent eingeschätzt (Bailer Hautzinger, 1993).
Zusammenfassend geht es im Bereich der Klinischen Psychologie bei der Verwendung
des Begriffs soziale Kompetenz um ein Set von kognitiven und behavioralen
Komponenten, die mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von bestimmten
psychischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Im Gegensatz zu den
Ansätzen in der Personalentwicklung, die oft die Sichtweise von Organisationen
fokussieren, geht es bei der Erforschung der sozialen Kompetenz in der klinischen
Psychologie um die Belange des Individuums.
2.5 Soziale Kompetenz in der Personalentwicklung
2.5.1 Überblick über verschiedene Ansätze
In der PE wird die soziale Kompetenz von Managern und Mitarbeitern als sogenannte
,,Schlüsselqualifikation" betont (z.B. Kaiser, 1992; Fies Bungard, 1994). Dabei
werden ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Im Bereich des
Wissensmanagements wird die Fähigkeit zu selbstreflexiven Lernprozessen von
Führungskräften als Voraussetzung für lernende Organisationen genannt (Meyer, 1997).
Im Plan- und Rollenspiel SKAI (Soziale Kompetenz zum Ausgleich von Interessen)
geht es um die Fähigkeit, verschiedene Interessen in Betrieben auszugleichen und so zur
Effektivität der Organisation beizutragen (Anwander, 1995). Andere Ansätze betonen
die Wichtigkeit der sozialen Kompetenz der Mitarbeiter für Innovationsprozesse, wobei
Teamkompetenz und Kreativität als soziale Kompetenzen gesehen werden (Marggraf,
1995).
12
Goleman (2000) unterscheidet personale von sozialen Kompetenzen. Als soziale
Kompetenzen werden Empathie und soziale Fertigkeiten wie z.B. Führungsfähigkeit
(Mohn, 2000) und Konfliktmanagement (Hugo-Becker Becker, 2000) diskutiert.
Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet bestätigen die Wichtigkeit dieser ,,soft skills"
für verschiedene Berufstätigkeiten (O'Shaugnessy, 1999). Eine Untersuchung der
Erfolgsfaktoren von 181 Arbeitstätigkeiten in 121 Unternehmen zeigte, dass 2 von 3
genannten Fähigkeiten den ,,emotionalen Kompetenzen" wie Vertrauenswürdigkeit,
Anpassungsfähigkeit und Fähigkeit zur Zusammenarbeit zugerechnet werden kann
(Caudron, 1999).
Welche soziale Kompetenzen sind besonders wichtig für den Erfolg eines
Unternehmers? Dieser Frage sind Baron Markman (2000) in einer Literaturübersicht
nachgegangen. Sie haben vier spezifische soziale Kompetenzen identifiziert:
1. Soziale Wahrnehmung
2. Impression Management
3. Überzeugungskraft und Einflussnahme
4. Soziale Anpassungsfähigkeit (Baron Markman, 2000)
Diese soziale Kompetenzen erleichtern die Bildung von geschäftlichen Allianzen
ebenso erleichtert wie die Kommunikation mit Kunden und Angestellten. In einer
anderen Studie erwiesen sich die Kompetenzen soziale Anpassungsfähigkei" und soziale
Wahrnehmung als signifikante Prädiktoren des finanziellen Erfolges von
Unternehmens-Neugründern in der Hightech- und Kosmetikbranche (Baron
Markman, 2000).
Zusammenfassend stellt sich das definitorische Bild der sozialen Kompetenz in der
Aus- und Weiterbildung uneinheitlich dar. Es gibt viele verschiedene Ansätze und oft
fehlt eine theoretische Untermauerung. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über
verschiedene Konstrukte und Forschungsarbeiten.
13
Forschungsschwerpunkt
Autoren
Soziale Kompetenz als
Schlüsselqualifikation
Kaiser (1992)
Fies Bungard (1994)
Soziale Kompetenz als Befähigung zu
Selbstreflexiven Lernprozessen in
Lernenden Organisationen
Meyer 1997
Soziale Kompetenz zum Ausgleich von
Interessen (Plan- und Rollenspiel SKAI)
Anwander (1995)
Soziale Kompetenz als integrativer
Bestandteil der emotionalen Intelligenz
Lanser (2000)
Goleman (2000)
Empathie, Führungsfähigkeit und
Konfliktmanagement als soziale
Kompetenzen
O' Shaugnessy (1999)
Hugo-Becker Becker
(2000)
Mohn (2000)
Vertrauenswürdigkeit, Anpassungsfähigkeit
und Kooperation als Erfolgsfaktoren für
verschiedene Arbeitstätigkeiten
(Caudron 1999)
soziale Wahrnehmung, Impression
Management, Überzeugungskraft sowie
soziale Anpassungsfähigkeit als
Erfolgsfaktoren eines Unternehmers
Baron Markman
(2000)
Tabelle 1: Überblick über verschiedene Schwerpunkte bei der Erforschung sozialer
Kompetenz im Bereich der Personalentwicklung.
2.5.2 Soziale Kompetenz als Bestandteil des Bildungszieles ,,Handlungskompetenz"
In einem vom Bundesinstitut für Berufsbildung veröffentlichten Bericht über den
Modellversuch KoPrA (,,Entwicklung und Erprobung von komplexen Aufgaben zur
14
Leistungsbemessung und beurteilung in der in der Berufsausbildung zur
Bürokauffrau/zum Bürokaufmann") werden Möglichkeiten der Förderung und
Erfassung von Handlungskompetenz untersucht (Berning Hensgen, 1999). Hierbei
werden der handlungsorientierte und der kompetenzanalytische Ansatz unterschieden.
Der erstgenannte Ansatz konzentriert sich auf den ersten Teil des Wortes
,,Handlungskompetenz", nämlich auf den Prozess der Handlung, der zweite Ansatz
betont die Bedingungen bzw. Voraussetzungen erfolgreichen Handelns, d.h.
Qualifikationen bzw. Kompetenzen. So ergeben sich verschiedene Definitionen von
Handlungskompetenz. Der handlungsorientierte Ansatz definiert Handlungskompetenz
als ,,die Anzahl und Güte der allgemeinen beruflichen Handlungsschemata, die eine
Person flexibel abrufen kann". In bezug auf das Projekt KoPrA favorisieren die Autoren
den kompetenzanalytischen Ansatz und definieren Handlungskompetenz als ,,die
Fähigkeit und Bereitschaft, berufliche Anforderungen zielorientiert auf der Basis von
Wissen und Erfahrung sowie durch eigene Ideen selbständig zu bewältigen, die
gefundenen Lösungen zu bewerten und die eigene Handlungsfähigkeit weiter zu
entwickeln" (Berning Hensgen, 2000 , S. 68).
In den Bereich dieses kompetenzanalytischen Ansatzes fällt auch die Bezeichnung
,,Schlüsselqualifikationen", die bestimmte, für wichtig gehaltene Zieldimensionen, vor
allem Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz beinhalten. Czycholl
(1996) trennt Fach- nicht von Methodenkompetenz und nennt außerdem Beruflich-
Ökologische Kompetenz, Berufliche Wertkompetenz (moralisches Bewusstsein),
Beruflich-Politische Kompetenz und Berufliche Selbstkompetenz (Hensgen, 2000).
15
2.6 Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung als
Teildimensionen der sozialen Kompetenz
2.6.1 Kommunikationsfähigkeit
Kommunikation ist die wichtigste Form sozialer Interaktion (Forgas, 1999) und steuert
laut Rosenstiel (1992) die Aktivitäten eines Unternehmens. Sie dient dem formalen und
informellen Informationsaustausch, das heißt neben betrieblichen Zwecken erfüllt die
Kommunikation auch eine soziale und emotionale Funktion. Die Kommunikation in
Unternehmen ist dabei stark von Zwängen und hierarchischen Strukturen geprägt (Noll
1996).
Technologische und organisatorische Veränderungen in Unternehmen, die
Arbeitsformen wie Projektmanagement oder Gruppenarbeit hervorgebracht haben,
erfordern veränderte Qualifikationen der Mitarbeiter, wobei vor allem nichtfachliche
und soziale Kenntnisse und Fähigkeiten betont werden (Arnold 1997). Das Deutsche
Institut für Normung e.V. (DIN) hat einen Kriterienkatalog zur Präzisierung der im
vorigen Abschnitt angesprochenen Schlüsselqualifikationen Fachkompetenz,
Methodenkompetenz und Sozialkompetenz
herausgegeben (Grandke, 1998). Es sollen
praktisch nutzbare Begriffserklärungen gegeben werden. Die Notwendigkeit eines
solchen Katalogs wird mit neuen, flexibel auf Prozesse ausgerichteten
Organisationsformen und daraufhin veränderten Anforderungsprofilen der Mitarbeiter
begründet. Bei der Erstellung des Katalogs wurden Experteninterviews durchgeführt.
Das Ergebnis ist eine Aufschlüsselung sozialer Kompetenzen in sieben Dimensionen:
1. Kommunikation
2. Kooperation
3. Persönlichkeit
4. Intellekt
5. Motivation
6. Führung
7. Effizientes Handeln (Grandke, 1998, S.3).
16
Kommunikation wird wie folgt definiert: ,,Befähigung zur adäquaten mündlichen und
schriftlichen Kommunikation sowie angemessene Verhaltensweise" (Grandke, 1998, S.
3). Der Bereich ,,mündliche Kommunikation" unterteilt sich in:
Angemessenes Kommunikationsniveau
Auftreten
Ausdrucksvermögen
Fachsprache
Fremdsprache
Rhetorische Fähigkeiten (Grandke, 1998, S. 54 ff.).
Diese Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Präzision, ist aber für
die Praxis nützlich. Eine scharfe Trennung in Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz
fehlt hier, ist aber in der Praxis kaum zu vollziehen und für praktische Zwecke eher
hinderlich (Grandke, 1998). Der DIN-Kriterienkatalog wird in Abschnitt 6 bei der
Beschreibung des Trainings nochmals aufgegriffen.
Bei der Definition von Kommunikationsfähigkeit steht man vor ähnlichen Problemen
wie bei der Begriffsbestimmung der sozialen Kompetenz, da es keine
allgemeinverbindliche Erklärung gibt. Vielmehr bestimmt das zugrundeliegende Modell
die Definition und das Verständnis der Kommunikationsfähigkeit. Von Watzlawik,
Beavin Jackson, 1999, S. 38) stammt der bekannte Satz: ,,Man kann nicht nicht
kommunizieren". Auch ein Schweigen oder die Verweigerung der Kommunikation
stellt demnach Kommunikation dar. Dies impliziert zwar, dass jeder Mensch
kommunizieren kann, jedoch ist damit nichts über die Qualität der Kommunikation
ausgesagt. Es gibt keine einfachen Regeln, wie man ,,richtig" kommunizieren sollte
(Schulz von Thun, 1998). Dennoch existieren zahlreiche Kommunikationsmodelle mit
jeweils darauf aufbauenden Vorschlägen für ein Kommunikationstraining.
Die Notwendigkeit guter Kommunikationsfähigkeit ist in zahlreichen Studien belegt.
Stallworthy Kharbanda (1987) fanden, dass Kommunikation ein wesentlicher Faktor
für den erfolgreichen Abschluss von Industrieprojekten ist. In einer Untersuchung von
17
Rebele (2001) beurteilten Studenten im Fach Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung gute
schriftliche kommunikative Fertigkeiten als relativ unwichtig gegenüber mündlichen
kommunikativen Fertigkeiten, die sie als sehr wichtig für ihren beruflichen Erfolg
einstuften. Eine weitere Studie untersuchte die Kriterien von amerikanischen
Unternehmen bei der Einstellung von Universitätsabsolventen mit Masterabschluss. Ein
Ergebnis war, dass vor allem Kommunikationsfähigkeit, interpersonelle Fertigkeiten
und Initiative für die Firmen wichtige Kriterien sind (Caudron, 1999).
Mitarbeiter und Manager, deren Tätigkeit viel Kommunikation mit sich bringt, müssen
heute bezüglich ihrer Kommunikationsfähigkeit einen hohen Standard erfüllen.
Unternehmen, Mitarbeiter und Konsumenten sind in Bezug auf die interpersonale
Kommunikation fordernder geworden (Kemper, 1999). Johnson Johnson (1995)
analysierten Stellenanzeigen und fanden, dass Unternehmen bei zukünftigen
Angestellten heute mehr Wert auf gute kommunikative Fertigkeiten legen als noch vor
20 Jahren. Weitere empirische Studien zeigen, dass erfolgreiche Unternehmer mehr mit
anderen kommunizieren und hierin effektiver sind. Deshalb wird gefordert,
Kommunikationstraining zum Inhalt einer jeden Managementausbildung zu machen, da
dies vielen Unternehmern helfen kann, erfolgreicher zu sein (Baron Markman, 2000).
2.6.2 Kundenorientierung
Kundenorientierung kann grob als verkäuferische Fähigkeiten umschrieben werden,
wobei es bei dieser Fähigkeit um die optimale Passung zwischen den Bedürfnissen
eines Kunden und dem jeweiligen Produkt bzw. Dienstleistung geht (Schuler et. al.,
1993, S. 5). Seit den Anfängen des Marketing konzentrieren sich die Bemühungen der
Unternehmen immer mehr auf die Bedürfnisse ihrer Kunden. In einem Marketing,
welches sich als marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens versteht, ist
Kundenorientierung zumindest in den Unternehmensphilosophien zu einer
Selbstverständlichkeit geworden (Meffert, 2000). Schuler et. al. (1993) beschreiben die
Entwicklung eines Verfahrens zur Messung der sozialen Kompetenzen
Kundenorientierung und Teamfähigkeit im Finanzdienstleistungs-Bereich. Sie
18
operationalisieren Kundenorientierung anhand folgender Verhaltensweisen bzw.
Kompetenzen:
Erkennen des Kundenbedarfs und der Kundenbedürfnisse
geschickte und kompetente Gesprächsführung
sicheres Auftreten
Kontakt herstellen und nutzen
sicherer Umgang mit Kritik und Beschwerden
angemessene Umgangsformen
selbständiges Vorgehen (Schuler et. al. 1993, S.5).
Diese Konzeption verdeutlicht, dass Kommunikationsfähigkeit ein integraler
Bestandteil und eine Voraussetzung für Kundenorientierung ist.
Die Wichtigkeit von Kundenorientierung wird aktuell unter dem Schlagwort ,,Customer
Relationship Management" diskutiert (z.B. Hinterhuber, 1999; Helmke, 2002). Die
Bedeutung von Kundenorientierung wird auch am Total Quality Management (TQM)
(Zink, 1998) sowie an Qualitätsauszeichnungen wie dem Malcom Baldridge National
Quality Award (MBNQA) und dem European Quality Award (EQA) (European
Foundation for Quality Management, 1999) deutlich.
Jenkins (1996) untersuchte, inwieweit Manager ihre Kunden in die strategische Planung
miteinbeziehen. Bei den erfolgreichen Managern wurde Kundenorientierung als
zentraler Bestandteil ihrer subjektiven Strategie identifiziert. Vor allem bei Verkäufern
wird Kundenorientierung immer wieder als überragender Erfolgsfaktor genannt
(Williams Spiro, 1985).
Es besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und
Kundenzufriedenheit, da zufriedene Mitarbeiter ihren Kunden besser dienen als
unzufriedene Mitarbeiter (McDermott, 2001). Andererseits können zufriedene, loyale
Kunden einen günstigen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit ausüben (Brabazon,
2000).
19
2.7 Zusammenfassung
Bei dem Begriff soziale Kompetenz sowie seinen assoziierten Konstrukten handelt es
sich um heterogene Konzepte, die sich einerseits auf innere Einstellungen und
andererseits auf nach außen hin beobachtbare Verhaltensweisen beziehen. Ein explizit
wissenschaftliches, klar definiertes Konstrukt soziale Kompetenz existiert nicht. Ebenso
scheint es auch keine generelle Eigenschaft soziale Kompetenz zu geben. Soziale
Kompetenz ist situationsspezifisch, so dass sich Menschen in einigen Situationen sozial
kompetent verhalten, in anderen nicht (Karoschka, 1998). Dies impliziert, dass
inhaltlich präzise Definitionen des Konstruktes soziale Kompetenz nur bedingt
brauchbar sind, da sich die konkreten Inhalte der sozialen Kompetenz nach dem
Kontext, in der sie untersucht wird bzw. gezeigt werden soll, sowie den persönlichen
und kulturellen Normen richtet (Forgas, 1999, S. 293).
Die Definitionen, Modelle und auch Trainingsmethoden von sozialer Kompetenz
spiegeln den jeweiligen theoretischen Hintergrund wider (Ötsch, 1998). Es gibt viele
nichtwissenschaftliche Veröffentlichungen und Konzepte im boomenden
Weiterbildungsmarkt, obwohl Effektivitätsnachweise oder klare Zieldefinitionen fehlen
(Stangl, 1998).
Für die Entwicklung eines Trainings zur Förderung der sozialen Kompetenz ist es daher
wichtig, zunächst eine genaue Analyse der Situation vorzunehmen, um sich dann auf
die entsprechenden Facetten der sozialen Kompetenz zu konzentrieren.
20
3. Trainingsmethoden zur Förderung sozialer Kompetenzen
Im folgenden werden zunächst die Begriffe Personalentwicklung und Training definiert.
Anschließend sollen drei Beispiele für standardisierte Trainings, die eine Förderung von
sozialen Kompetenzen mit jeweils verschiedenem Schwerpunkt zum Inhalt haben, kurz
beschrieben werden. Erstens das Assertiveness Training Programm (ATP) von Ullrich
de Muynck (1998), zweitens das Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK) von
Pfingsten Hinsch (1998) und drittens der Trainingsansatz von Wilson Gallois
(1993). Schließlich werden die Anforderungen an ein Training zur Förderung der
sozialen Kompetenzen Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung
zusammengetragen.
3.1 Definition von Personalentwicklung und Training
Personalentwicklung (PE) ist die ,,Summe von Maßnahmen, die systematisch, positions-
und laufbahnorientiert eine Verbesserung der Qualifikationen der Mitarbeiter zum
Gegenstand haben mit der Zwecksetzung, die Zielverwirklichung der Mitarbeiter und
des Unternehmens zu fördern" (Conradi 1983, S.3). Holling Liepmann (1995)
definieren PE-Maßnahmen als alle ,,planmäßigen person-, stellen- und
arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen zur Ausbildung, Erhaltung oder Wiedererlangung
der beruflichen Qualifikation". Diese beiden Definition betonen den Ausgleich von
Mitarbeiter- und Unternehmensinteresse. Neuberger (1994) steht dem Ausgleich dieser
Interessen eher skeptisch gegenüber und betont die Unternehmensziele. Der Mitarbeiter
qualifiziert sich in erster Linie, um Leistungen für das Unternehmen zu erbringen und
weniger um seine eigenen Ziele zu verwirklichen.
Schuler (2001) unterscheidet ,,wissensorientierte" und ,,verhaltensorientierte" Verfahren
der PE. Das in Abschnitt 6 zu beschreibende Training gehört zu den
verhaltensorientierten Verfahren der PE.
Der Begriff Training stammt aus dem Englischen und bedeutet ,,Ausbildung" bzw.
,,Übung". In der Psychologie bedeutet Training das ,,systematische Üben zu
21
körperlicher, geistiger, seelischer Leistungssteigerung (Hacker, 1993). In der
Personalentwicklung versteht man unter Training die planmäßige Durchführung von
Übungen zur Vermittlung von Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnissen und
Verhaltensweisen (Harramach, 1995).
3.2 Beispiele für standardisierte Trainings
Das Assertiveness Training Programm (ATP) findet vor allem im klinischen Bereich
Anwendung. Es stellt eine systematische, kontrollierte und umfassende
verhaltenstherapeutische Methode zur Behandlung sozialer Ängste und
Fehleinstellungen, depressiver Reaktionen und Störungen des Selbstwertgefühls dar.
Die Übungen beziehen sich auf konkrete Situationen und sind sehr genau strukturiert.
Das Training ist umfangreich: es enthält ein Handbuch für den Therapeuten, sowie zwei
Bücher für die Patienten (Grund- und Aufbaukurs). Es werden konkrete Situationen
geschildert, die der Patient als Aufgabe bewältigen soll. Ziel ist es, Missverständnisse
und soziale Fehldiagnosen abzubauen, um Fehlerwartungen zu reduzieren und soziale
Konflikte zu vermeiden. Anwendungsbereiche der Übungen sind Familie, Freunde und
Arbeit (Ullrich de Muynck, 1998).
Ein nicht nur im klinischen Bereich einsetzbares, flexibles Gruppentraining ist das
Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK) von Hinsch Pfingsten (1998). Es geht
von drei Situationstypen aus, die häufig Anlass von sozialen Schwierigkeiten sind: bei
Übungen zum ersten Situationstyp ,,Rechte durchsetzen" sollen die Teilnehmer lernen,
verbriefte Rechte durchzusetzen, z.B. ein kaltes Essen zurückgehen lassen. Im zweiten
Situationstyp geht es um Beziehungen, wobei es hier kein Recht auf Erfüllung der
Wünsche gibt, wohl aber das Recht, diese zu äußern. Im dritten Situationstyp wird
Verhalten eingeübt, welches geeignet ist, um Sympathien zu werben. Im Unterschied
zum ATP steht beim GSK nicht der Abbau von ungünstigen Verhaltensweisen, sondern
der Kompetenzaufbau, im Mittelpunkt. Die Langzeiteffekte des Trainings sind
vielversprechend (Pfingsten, 1987).
22
Im Trainingsansatz von Wilson Gallois
(1993) wird ebenfalls die Idee von teilweise
unabhängigen Reaktionsklassen unterstützt. Die Autorinnen analysierten soziale
Situationen und identifizierten bestimmte Verhaltensregeln für den Ausgleich der
Spannung zwischen offenem, spontanem Gefühlsausdruck einerseits und sozial
angemessenem Verhalten andererseits. Die Dimensionen ,,spontaner Gefühlsausdruck"
versus ,,soziale Angemessenheit" werden in der Literatur häufig als orthogonal
angesehen (Wilson Gallois, 1993). Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung von
welches dieser Gegensätzlichkeit widerspricht, ist, dass die Regeln für Selbstausdruck
nie ohne Regeln der Beziehungserhaltung angewendet wurden. Die ausschließliche
Äußerung von Selbstausdruck wird offenbar nicht als sozial angemessen angesehen.
Damit Verhalten angemessen ist, sollten z.B. Rechte nicht unabhängig von Pflichten
ausgedrückt werden. Ansonsten nehmen die jeweiligen Interaktionspartner das
Verhalten als aggressiv und machtausübend wahr. Es besteht also ein wichtiger
Unterschiede zwischen reiner Selbstbehauptung und sozial angemessenem Verhalten.
(Wilson Gallois, 1993).
Auf diesen Überlegungen aufbauend entwickelten die Autorinnen ein Trainingsmodell,
welches grob folgende Schritte enthält:
Schritt 1: Identifikation des Problems
Schritt 2: Erstes festlegen der Ziele
Schritt 3: Ausprobieren des derzeitigen Verhaltens in der Situation
Schritt 4: Situationsanalyse
(An dieser Stelle erfolgt ein Input des Trainers über die Inhalte der sozialen Regeln)
Schritt 5: Neubewertung der Ziele: informed choice
Schritt 6: Die bevorzugte Strategie entwickeln
Schritt 7: Angemessenheits-check
Schritt 8: Aktionsplanung (Wilson Gallois, 1993, S. 162 ff.).
Die Idee der Situationsangemessenheit wurde in die Konzeption des in Abschnitt 4
beschriebenen Verhaltenstrainings übernommen, in dem die Regeln der
Prüfungssituation ausführlich besprochen und dann im Rollenspiel eingeübt wurden.
Die Situationsangemessenheit wird unter Punkt 3.3.4 erörtert.
23
3.3 Anforderungen an ein Training zur Förderung von Kommunikations-
fähigkeit und Kundenorientierung
3.3.1 Teilnehmerinteressen
Am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Mannheim
wurde im Rahmen der Mannheimer Beiträge eine Untersuchung zum Thema ,,Trainings
kommunikativer Fähigkeiten" durchgeführt. Nagl Geiser (1998) befragten hierzu
zunächst Experten aus verschiedenen Unternehmen. Bei diesen Interviews wurde
deutlich, dass es schwierig ist, ein einheitliches Angebot zum Thema ,,Kommunikation"
anzubieten, was wohl teilweise auf die uneinheitlichen Definitionen dieses Begriffs
zurückzuführen ist. Maßgeschneiderte Seminare wurden besser bewertet als allgemeine
Maßnahmen, da diese als praxisnäher und effektiver eingeschätzt wurden. Insgesamt
wurde vor allem die Anpassung der Trainings an die spezifischen Bedürfnisse der
Zielgruppe betont, nicht zuletzt um die Motivation der Teilnehmer zu erhöhen.
Im zweiten Schritt der Untersuchung befragten Nagl Geiser (1998) dann Mitarbeiter
der BASF AG Ludwigshafen mittels Fragebogen über ihre Bedürfnisse ijn Bezug auf
die Weiterbildungsabteilung. Die Befragten halten die Informationen über
Seminarangebote für unzureichend und fassen den Begriff ,,Kommunikation" weiter als
die Weiterbildungsabteilung. Stark ist das Interesse an Trainings zum Thema
,,Verbesserung der Außenwirkung" und ,,Verständlichkeit" sowie ,,Konfliktlösung" und
,,Verhandlungen und Gespräche führen".
Die per Interview und Fragebogen gewonnenen Daten konnten zur Verbesserung des
Angebots der Weiterbildungsabteilung der BASF AG Ludwigshafen genutzt werden
(Nagl Geiser, 1998).
3.3.2 Handlungsorientierung
Der Begriff Handlungsorientierung zählt seit den 80er Jahren zu den herausragenden
Begriffen in der Didaktik beruflicher Bildung. Ausbildungskonzepte müssen
24
,,handlungsorientiert" sein, wollen sie als aktuell gelten (Czycholl Ebner, 1995). Fix
bezeichnet Handlungsorientierung gar als ,,eine Art kategorischer Imperativ der
Pädagogik" (Fix, 1993 S. 102). Handlungsorientierung manifestiert sich in der
Forderung nach z.B. mehr Praxisrelevanz des Unterrichts, verstärkter Betonung des
Erziehungsziels ,,handeln können", Stärkung der Schülerselbständigkeit und Betonung
des produktiven Tuns in der Ausbildung (Czycholl, 1996). Im kaufmännischen
Unterricht werden Lernbüros, Planspiele und Fallstudien entwickelt. Im gewerblich-
technischen Unterricht werden technische Experimente erprobt. Handlungsorientiertes
Lernen ist Lernen, das darauf gerichtet ist, bei den Lernenden Handlungsfähigkeit zu
erzeugen. Handlungsfähigkeit eines Individuums zeigt sich darin, dass es in den
Lebenssituation, die Handeln erfordern, tüchtig, selbstbestimmt und verantwortlich
handeln kann (Albers, 1995, S.13).
Jank Meyer (1991, S. 335 ff.) nennen als Merkmale handlungsorientierten
Unterrichts:
Ganzheitlichkeit
Schüleraktivität
Herstellung von Handlungsprodukten
Bezugnahme auf Schülerinteressen
Beteiligung der Lernenden an Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht
Öffnung der Schule
Ausgewogenheit von Kopf- und Handarbeit.
Handlungsorientierte Ansätze haben die Verbesserung der Handlungsfähigkeit zum
Ziel. Soziale Kompetenz wurde in Abschnitt 2.5.2 als wichtiger Bestandteil der
Handlungskompetenz und als Schlüsselqualifikation ausgewiesen. Als solche sollte sie
am besten durch handlungsorientierte Methoden vermittelt werden.
25
3.3.3 Lerntheorien
Bei Verhaltenstrainings kommt vor allem die soziale Lerntheorie von Bandura (1977)
zum Tragen. Die Theorie geht davon aus, dass Verhalten durch Beobachtung eines
Modells gelernt wird, wobei dieses Modell für ein bestimmtes Verhalten belohnt wird
(Latham Saari, 1979). Die Methode des Behavior Modeling ist eine Methode, die
sich dies zunutze macht. Die Methode der Verhaltensmodellierung wurde in der
Metaanalyse von Burke Day (1986) als eine der effektivsten Trainingsmethoden
dargestellt. Auch in der Studie von Latham Saari (1979) konnten signifikante
Leistungsverbesserungen der trainierten Probanden erzielt werden.
Die Methode der Verhaltensmodellierung hat im einzelnen folgende Schritte:
Einführung in den Problembereich durch den Trainer
Entwicklung von Lernzielen
Darbietung des Verhaltensmodells ( z.B. Trainer oder Film)
Gruppendiskussion
Übung im Rollenspiel
Feedback durch die Gruppe (Sonntag Stegmaier, 2001 S.268 f.).
Lernen durch Verstärkung des gewünschten Verhaltens (operantes Konditionieren) ist
eine weitere Methode, der eine große Bedeutung bei Verhaltenstrainings zukommt.
Selektive Verstärkung bei Annäherung an das Zielverhalten ist hier am effektivsten, um
die Konzentration der Teilnehmer weg von den ,,Fehlern" hin zum gewünschten
Verhalten lenken kann. Als Verstärkung kommt z.B. Lob durch den Trainer oder die
Gruppe in Frage (Hinsch Pfingsten, 1998).
3.3.4 Situationsangemessenheit
Das Training muss der Situation angemessen sein. Es ist nicht effektiv, ein Verhalten
einzuüben, welches im Transferkontext, z.B. am Arbeitsplatz, regelinkonform ist und
26
sanktioniert wird. Deshalb sollte die Situation, in dem das zu trainierende Verhalten
gezeigt werden soll, eingehend mit den Trainees diskutiert werden (Wilson Gallois,
1993).
Nach Hollin Trower (1986) unterscheiden sich Situationen bezüglich
Zielstruktur
Verhaltensrepertoire
Regeln
Reihenfolge des Verhaltens
Rollen
Fertigkeiten und Schwierigkeiten
Eigenschaften von Situationen können im Rahmen der Verhaltensmodellierung bei der
Gruppendiskussion mit den Teilnehmern erörtert werden. Dieser sogenannte
,,educational approach" beinhaltet Informationen aus der Forschungsliteratur, kann aber
auch persönliche Erfahrungen des Trainers reflektieren (Wilson Gallois,
1993).
3.4. Zusammenfassung
Es existieren viele Trainingsmaßnahmen zur Förderung Sozialer Kompetenzen.
Inhaltlich standardisierte Trainings wie das ATP (Ullrich de Muynck, 1998) sind
lerntheoretisch gut abgesichert, aber sehr umgangreich und wenig flexibel.
Demgegenüber ist die Konzeption beim GSK (Hinsch Pfingsten, 1998)
anpassungsfähiger und auf Trainingsgruppen aus verschiedenen Bereichen übertragbar.
Das Training von Wilson Gallois
(1993) weist auf die Wichtigkeit der
Situationsangemessenheit von zu trainierendem Verhalten hin.
Ein Training zur Verbesserung der sozialen Kompetenz, insbesondere in den Bereichen
Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung, sollte die Wünsche und Interessen
der Teilnehmer berücksichtigen, handlungsorientierte, empirisch abgesicherte und
27
lerntheoretisch untermauerte Methoden anwenden sowie situationsangemessenes
Verhalten trainieren.
Ein Training, welches die vorgenannten Anforderungen erfüllt, bietet gegenüber einem
intuitiven Ansatz mehrere Vorteile. Ist ein Mindestmaß an theoretischer Fundierung
gegeben, so wird nachvollziehbar, welche Kompetenzen auf emotionaler, kognitiver
und handlungsbezogener Ebene mit welchen Methoden trainiert werden. Damit
verbunden ist auch eine Verbesserung der Evaluation. Sind die Verhaltenskategorien
und somit die Trainingsziele klar definiert, ist eine Bewertung des Trainingserfolges
einfacher und objektiver als bei einer globalen Beurteilung. Bei der Berücksichtigung
von Teilnehmerinteressen sollte die Motivation zur aktiven Teilnahme höher sein, was
sich z.B. in Fehlzeiten beim Training ablesen lässt. In dieselbe Richtung weist auch die
Forderung nach Situationsangemessenheit. Wenn den Teilnehmern ein zu erlernendes
Verhalten realistisch und nützlich erscheint, dürfte das einen positiven Effekt auf die
Motivation ausüben. Davon abgesehen ist auch der praktische Nutzen des Trainings
höher, wenn ein situationsangemessenes Verhalten eingeübt wird. Die Umsetzung der
Anforderungen bei der Konzeption des Trainings beschreibt Abschnitt 6.2 .
28
4. Einflussfaktoren auf die Effektivität von Trainingsmaßnahmen
Ein Training kann dann als effektiv angesehen werden, wenn ein Lerntransfer
stattfindet, wobei die Trainingssituation und die Anwendungssituation dabei in einem
,,Source-Target-Verhältnis" stehen, das heißt die Realsituation ist das Ziel der
Trainingsbemühungen (Scharpf, 1999). Lerntransfer ist die Generalisierung von
Gelerntem auf andere, von der Lernsituation verschiedene Situationen (Lemke, 1995).
4.1 Modelle zum Trainingstransfer
4.1.1 Die ,,Maintenance Curves"
Was bleibt von dem, was im Training gelernt wurde, nach einer gewissen Zeit noch
übrig? Von Baldwin Ford (1988) stammt ein Modell, das den Transfer von neu
gelerntem Wissen bzw. neuen Fertigkeiten im Zeitverlauf veranschaulicht. Das Modell
beschreibt das Gelernte als eine Funktion der Zeit seit dem Abschluss des Trainings. In
Anlehnung an die aus der Lernpsychologie stammenden Lernkurven stellen sie das
Konzept der ,,maintenance curves" dar. Für jeden Trainee bzw. für eine Gruppe
(aggregierter Gruppenwert) wird vor und nach dem Training ein Basiswert erhoben.
Nach dem Training werden in bestimmten Zeitabständen weitere Messungen
durchgeführt.
Abbildung 1: Mögliche Transferkurven-Verläufe nach Baldwin Ford (1988).
t1 t2 t3 t4 t5 t6 t7 t8
Trainee A
Trainee B
Trainee C
level vor dem
Training
29
Einflussfaktoren auf den Verlauf der Kurven haben die Art bzw. die Inhalte des
Trainings, das ,,proficiency level" des Teilnehmers zu Beginn des Trainings und die
Unterstützung des Trainees durch das Umfeld.
Mandl et al. (1992) unterscheiden:
· Vertikaler Transfer (Post-Training Level ist höher als Pre-Training Level und steigt
über die Zeit hinweg weiter an)
· Lateraler Transfer (Post-Training Level ist höher als Pre-Training Level und wird
über die Zeit hinweg beibehalten)
· Null-Transfer (keine Veränderung des Verhaltens ersichtlich)
· Negativ-Transfer (Pre-Training Level höher als Post-Training Level)
Die Kurvenverläufe zeigen das eigentliche Ausmaß an Transferleistung. Der nach dem
Training erhobene Leistungszuwachs lässt sich aus der Differenz zwischen Prä-
Training-Niveau und dem Niveau zum Zeitpunkt der ersten Messung nach dem
Training ablesen. Hinweise auf Umstände, die dem Transfer hinderlich sind, können
eventuell aus dem Kurvenverlauf gewonnen werden. So weist der Verlauf der
Aufrechterhaltungs-Kurve von Trainee A (Abb. 1) darauf hin, dass er bzw. sie das
Gelernte zunächst auf den Arbeitsalltag überträgt, nach einiger Zeit jedoch wieder auf
den Stand zu Beginn des Trainings abfällt. Baldwin Ford (1988) vermuten hier
Frustration des Mitarbeiters. Vielleicht wird die Anwendung des Gelernten nicht genug
verstärkt. Bei Trainee B sinkt die Leistung nach gutem Trainingserfolg ebenfalls
langsam ab. Zur Motivation und Aufrechterhaltung des Gelernten kann hier das
Trainings wiederholt werden. Bei angenommenem gleichem Ausgangsniveau der
Trainees A, B und C zeigt C von Beginn an einen geringeren Lern- bzw.
Leistungszuwachs, der auch nicht aufrechterhalten wird. Hierfür könnte die
Trainingsmotivation oder die schlechte Trainingsqualität verantwortlich sein (Baldwin
Ford, 1988).
Ende der Leseprobe aus 192 Seiten
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Details
- Arbeit zitieren
- , 2002, Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Trainings zur Förderung der sozialen Kompetenzen "Gesprächsführung" und "Kundenorientierung", Hamburg, Bedey Media GmbH, https://www.diplom.de/document/222079
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