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Mehr InfosDiplomarbeit, 2002, 164 Seiten
Diplomarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
1,3
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einführung in die Problemstellung
1.2 Ausgangssituation und Relevanz der Arbeit
1.2 Ziel, Fokus und Aufbau der Arbeit
2. Industrielle Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
2.1. Definitorische Abgrenzung
2.2 Theoretische Erklärungsmuster
2.2.1 Überblick
2.2.2 Die Transaktionskostentheorie
2.2.3 Agency-Theorie
2.2.4 Der IMP-Interaktionsansatz
2.3 Betriebswirtschaftliche Konzepte zur Gestaltung industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
2.3.1 Überblick
2.3.2 Supply Chain Management
2.3.3 Beziehungsmanagement
3. Beschaffung über elektronische Märkte
3.1 Grundlagen der Beschaffung
3.1.1 Definitorische Abgrenzung
3.1.2 Formen des Beschaffungsverhalten
3.1.3 Ineffizienzen in traditionellen Beschaffungsprozessen
3.2 Elektronische Märkte und Marktplätze
3.2.1 Definitorische Abgrenzung
3.2.2 Beeinflussung der Markttransaktionsphasen
3.2.3 Chancen & Risiken
3.2.4 Gestaltungsparameter elektronischer Märkte
3.2.4.1 Betreiberstruktur
3.2.4.2 Preisbildung
3.2.4.3 Fulfillment
3.2.4.4 Reputation
3.2.4.5 Sonstige Faktoren
3.3 Electronic Procurement
3.3.1 Definitorische Abgrenzung
3.3.2 Chancen & Risiken
3.3.3 Grundtypen elektronischer Märkte zur Unterstützung der Beschaffung
3.3.3.1 MRO-Hubs
3.3.3.2 Spothändler
3.3.3.3 Börsen
3.3.3.4 Katalog-Knotenpunkte
4. Modellierung der Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen bei der Beschaffung über elektronische Märkte aus Sicht des Marketing und der Logistik
4.1 Definitorische Abgrenzung der Beziehungsqualität
4.2 Einfluss der Beziehungsqualität auf industrielle Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
4.3 Determinanten der Beziehungsqualität
4.3.1 Logistikrelevante Einflussgrößen
4.3.1.1 Klassifikation der Beschaffungsgüter
4.3.1.2 Koordination der Logistikprozesse in Abhängigkeit der Beschaffungskategorie
4.3.2 Klassische (Beziehungs-) marketingrelevante Einflussgrößen
4.3.2.1 Kommunikation
4.3.2.2 Relative Abhängigkeit
4.3.2.3 Vertrauen
4.3.2.4 Ökonomische Vorteile aus der Beziehung
4.3.2.5 Konfliktmanagement
4.3.3 Berücksichtigung der Beschaffung über elektronische Märkte
4.3.3.1 Reputation von Marktplatzbetreiber und Logistikdienstleister
4.3.3.2 Leistungsfähigkeit der Plattform
4.3.3.3 Einschätzung der Flexibilität der Partner
4.4 Das Beziehungsmodell
4.5 Forschungleitende Hypothesen
5. Kritische Würdigung der bisherigen empirischen Forschung zur Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
5.1 Überblick der geleisteten empirischen Untersuchungsarbeit
5.2 Ansätze zur Kritik
6. Messtheoretische Überlegungen
6.1 Operationalisierung der Faktoren
6.2 Skalenniveau
6.3 Gütebeurteilung der Messinstrumente
6.3.1 Reliabilität
6.3.2 Validität
6.4 Die multiple Regressionsanalyse unter besonderer Berücksichtigung moderierender Effekte
6.4.1 Grundlagen der multiplen Regressionsanalyse
6.4.2 Die Gütebeurteilung der Schätzung
6.4.3 Die Berücksichtigung moderierender Effekte
7. Empirische Untersuchung
7.1 Datenerhebung und -grundlage
7.1.1 Aufbau des Fragebogens
7.1.2 Konstruktion des experimentellen Designs
7.1.3 Durchführung der Befragung
7.1.4 Deskription der Stichprobe
7.2 Güte der Messung
7.2.1 Erfassung der Reliabilität
7.2.2 Erfassung der Validität
7.2.3 Das veränderte Beziehungsmodell
7.3 Empirische Ergebnisse zur Veränderung der Beschaffung über elektronische Märkte unter besonderer Berücksichtigung von Commodities, dem Fulfillment und der Preisbildung
7.3.1 Einführende Ergebnisse zur Beschaffung über elektronische Märkte
7.3.2 Einfluss der Beschaffung über elektronische Märkte auf die globale Beurteilung der Beziehungsqualität
7.3.3 Einfluss der Beschaffung über elektronische Märkte auf die primären und sekundären Erfolgsgrößen der Beziehungsqualität
7.3.4 Der Einfluss der Gestaltungsparameter elektronischer Marktplätze auf die Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
7.3.4.1 Der moderierende Effekt des „Fulfillment“
7.3.5.2 Der moderierende Effekt der „Preisbildung“
8. Schlussbetrachtung
8.1 Beantwortung der Forschungsfragen
8.2 Limitationen und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1-1: „Lebenszyklus“ des E-Business
Abbildung 1-2: Fokus der Arbeit
Abbildung 2-1: Transaktionskosten verschiedener Koordinationsformen
Abbildung 2-2: Ausdifferenziertes Interaktionsmodell
Abbildung 3-1: Phasenkonzept der Beschaffung
Abbildung 4-1: Klassifizierung von Gütern im B2B-Bereich
Abbildung 4-2: Erfolgsfaktoren von Austauschbeziehungen aus Sicht des Marketing
Abbildung 4-3: Strukturmodell zur Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen auf elektronischen Märkten
Abbildung 7-1: Aufbau der Unternehmensbefragung
Abbildung 7-2: Ergebnisse des Pretest
Abbildung 7-3: modifiziertes Strukturmodell zur Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen in konventionellen Beschaffungsstrukturen
Abbildung 7-4: modifiziertes Strukturmodell zur Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen auf elektronischen Märkten
Tabelle 2-1: Typologisierung von Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
Tabelle 3-1: Chancen & Risiken der Teilnahme an elektronischen Märkten
Tabelle 3-2: Marktplatztypen nach handelnden Branchen
Tabelle 3-3: Typologisierung elektronischer Märkte
Tabelle 5-1: Empirische Arbeiten zur Beziehungsqualität im B2B-Bereich
Tabelle 6-1: Dummy-Variablen-Codierung „Betreiberstatus“
Tabelle 7-1: Haupteffekten-Design und Dummy Variablen-Codierung elektronischer Marktplätze
Tabelle 7-2: Rücklauf nach Branchen
Tabelle 7-3: Rücklauf nach Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen
Tabelle 7-4: Vorrangige Beschaffungskategorie beim Hauptlieferanten
Tabelle 7-5: Reliabilitätsmessung der Konstrukte zur Modellierung der Beziehungsqualität in industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
Tabelle 7-6: Indikatoren-Korrelationsmatrix zur Konstruktvalidisierung der Qualität in konventionellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen (nach Pearson)
Tabelle 7-7: Faktorenladungen der direkten Determinanten der Qualität konventioneller Beschaffungsbeziehungen
Tabelle 7-8: Indikatoren-Korrelationsmatrix zur Konstruktvalidisierung der Qualität in elektronischen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen (nach Pearson)
Tabelle 7-9: Faktorenladungen der direkten Determinanten der Qualität elektronischer Beschaffungsbeziehungen
Tabelle 7-10: Einstellung zu Medien (Beschaffungsseite)
Tabelle 7-11: Mittelwertvergleich Einstellung zu Medien (Zulieferer) vs. Einstellung zu Medien (Abnehmer)
Tabelle 7-12: Mediennutzung zur Bestellabwicklung in Abhängigkeit von der Beschaffungskategorie
Tabelle 7-13: Mittelwertvergleiche Einstellung zu Medien (Zulieferer) vs. Einstellung zu Medien (Abnehmer) innerhalb der Beschaffungskategorien
Tabelle 7-14: Mittelwertvergleich Erfahrung mit elektronischen Märkten in der Beschaffung vs. im Absatz
Tabelle 7-15: Mittelwertvergleiche Erfahrung mit elektronischen Märkten in der Beschaffung vs. im Absatz nach Beschaffungskategorien
Tabelle 7-16: Zusammenhang zwischen den Beschaffungskategorien und der Erfahrung mit elektronischen Märkten auf der Beschaffungs- bzw. Absatzseite
Tabelle 7-17: Mittelwertvergleich Beurteilung der Beziehungsqualität traditionell vs. elektronisch
Tabelle 7-18: Veränderung der Beurteilung der Beziehungsqualität zwischen elektronischer und traditioneller Beschaffung in Abhängigkeit von der Beschaffungskategorie
Tabelle 7-19: Vergleich der Regressionsanalysen unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Zulieferers bzw. Leistungsfähigkeit der Plattform
Tabelle 7-20: Vergleich der Regressionsanalysen zur Erklärung des Konfliktmanagements in traditionellen bzw. elektronischen Geschäftsbeziehungen
Tabelle 7-21: Vergleich der Regressionsanalysen zur Erklärung des Beziehungsqualität in traditionellen bzw. elektronischen Geschäftsbeziehungen
Tabelle 7-22: Mittelwertvergleich Beurteilung des Konfliktmanagements traditionell vs. elektronisch
Tabelle 7-23: Vergleich der Regressionsanalysen zur Erklärung des Konfliktmanagements in elektronischen Geschäftsbeziehungen Commodities vs. Investitionsgüter
Tabelle 7-24: Vergleich der Regressionsanalysen zur Erklärung des Beziehungsqualität elektronischer Geschäftsbeziehungen zwischen Beschaffungskategorien
Tabelle 7-25: Mittelwertvergleich Einschätzung von Vertrauen traditionell vs. elektronisch
Tabelle 7-26: Veränderung der Beurteilung des Vertrauens zwischen elektronischer und traditioneller Beschaffung in Abhängigkeit von der Beschaffungskategorie
Tabelle 7-27: Mittelwertvergleich Einschätzung der Relativen Abhängigkeit traditionell vs. elektronisch
Tabelle 7-28: Veränderung der Beurteilung der Relativen Abhängigkeit zwischen elektronischer und traditioneller Beschaffung in Abhängigkeit von der Beschaffungskategorie
Tabelle 7-29: Regression zur Überprüfung des Vorliegens moderierender Effekte beim Fulfillment
Tabelle 7-30: Regression zur Überprüfung des Vorliegens moderierender Effekte bei der Preisbildung
Tabelle 7-31: Moderierte Regression der Beziehungsqualität unter Berücksichtigung des Fulfillment
Tabelle 7-32: Moderation des Einflusses der primären Erfolgsgrößen auf die Beziehungsqualität durch den Gestaltungsparameter „Fulfillment“
Tabelle 7-33: Veränderung der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Plattform bei der Beschaffung von Commodities in Abhängigkeit von der Ausprägung des Fulfillment
Tabelle 7-34: Moderierte Regression der Beziehungsqualität unter Berücksichtigung der Preisbildung
Tabelle 7-35: Moderation des Einflusses der primären Erfolgsgrößen auf die Beziehungsqualität durch den Gestaltungsparameter „Preisbildung“
Tabelle 7-36: Zusammenfassung der Beantwortung der Hypothesen
In der weltweiten Wirtschaft respektive Deutschland stellt sich mittlerweile nicht mehr die Frage, ob am elektronischen Handel teilgenommen wird oder nicht: Es ist allen Marktteilnehmern bewusst, dass in Zukunft vermehrt Geschäftsbeziehungen über das Internet abgewickelt werden. Glücklicherweise hat die zur Jahrtausendwende noch überschwängliche Euphorie hinsichtlich des E-Commerce[1] abgeebbt. Wie bei den meisten innovativen Technologien weicht die Phase der überzogenen Erwartungen einer Phase des übertrieben starken Pessimismus hinsichtlich des Nutzwertes und der Durchsetzungschancen dieser Technologien, um anschließend in einer länger dauernden Phase der realistischen Einschätzung und einer zunehmend professionellen Anwendung überzugehen (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 9). Dieser für besonders innovative Entwicklungen mit erheblicher Breitenwirkung geltende Lebenszyklus hat insbesondere auch für den Einsatz der Internettechnologie und die hiermit verbundenen Anwendungen rund um das E-Business, wie die in dieser Arbeit fokussierten elektronischen Märkte, seine Berechtigung (vgl. Abb. 1-1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1-1: „Lebenszyklus“ des E-Business
Quelle: Bogaschewsky/Müller 2000, 9.
Spielte E-Commerce für viele Unternehmen zunächst nur im Marketing eine Rolle, rückt seit Mitte der 90er Jahre zunehmend der Einsatz der Internet-Technologie in der Beschaffung in den Blickpunkt des Interesses. Die Ursachen für die zunehmende Durchsetzung sind genauso vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie. Angefangen mit der Nutzung des Internet als Informationsquelle für beschaffungsrelevante Daten, über Optimierung des internen Beschaffungsprozesses mittels des Einsatzes des Internets bis hin zur Nutzung elektronischer Marktplätze bietet sich ein weites Gestaltungsfeld (vgl. Bogaschewsky 1999, 5). Verspricht doch die Beschaffung über elektronische Märkte den Einkauf von operativen Arbeiten zu entlasten, Prozesse zu optimieren, mittels Bündelungseffekten Einstandspreise zu reduzieren und dadurch einen schellen Return of Investment zu generieren. (vgl. Hoymann/Oßwald 2000, S 55).
Die enorme Erfolgswirkung der Beschaffung resultiert dabei in erster Linie aus der hohen Materialintensität von Industrieunternehmen. Der Anteil fremdbezogener Leistungen am Umsatz liegt meist weit über 50 % (vgl. Arnold 1997, 12f). Hinzu kommt die zunehmende Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen, forciert durch die Globalisierung des Wettbewerbs, weiterhin steigendem Kostendruck und konsequente „time to market“-Orientierung.
Mit wachsender Bedeutung der Beschaffung rückt auch die Qualität der Beziehung zwischen beschaffenden Unternehmen und deren Zulieferern zunehmend in das Interesse der betriebswirtschaftlichen Diskussion. Die Qualität ist sowohl aus nachfragerorientierter wie angebotsorientierter Sicht ein wesentlicher Bestandteil für den Erfolg einer langfristigen Geschäftsbeziehung (vgl. Stölzle/Heusler 2001, 135). So fordert die Literatur eine Abkehr vom bislang vorherrschenden Paradigma der Ausrichtung der Beschaffungsaktivitäten auf die Erzielung möglichst hoher monetärer Vorteile für den Kunden, i.d.R. durch Erzielung des geringstmöglichen Beschaffungspreises (vgl. Werner 1997, 1). Diese Umorientierung wird verstärkt durch Entwicklungen im Unternehmensumfeld, die Auswirkungen auf die Abwicklung der betrieblichen Beschaffung bzw. die Gestaltung der Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihren Lieferanten haben. Speziell durch den Einsatz des E-Commerce unterliegt die Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen gegenwärtig einem Wandel. Mit dem Auftreten elektronischer Märkte als Intermediäre wird die Struktur traditioneller Geschäftsbeziehungen aufgebrochen und neue Faktoren für eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung gewinnen an Bedeutung (vgl. Stölzle/Heusler, 135).
Die Relevanz der vorliegenden Arbeit schlussfolgert aus der Integration aller drei bisher angesprochenen Fragmente – E-Commerce, Beschaffung und die Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen. Zwar wurden alle drei Bereiche separat untersucht[2], eine gemeinsame, empirisch fundierte Betrachtungsweise fehlt jedoch nach Erkenntnis des Autors. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Arbeit geschlossen werden.
Vor den Hintergrund der aufgezeigten Entwicklung und ihrer Konsequenzen für die Beschaffung bzw. die Lieferanten-Kunden-Beziehung, verfolgt diese Studie das Ziel zu untersuchen, welche Veränderungen bei der Beschaffung über elektronische Märkte im Vergleich zur traditionellen Beschaffung auftreten.
Bevor der Aufbau der Arbeit und die damit verfolgten Forschungsfragen aufgezeigt werden, gilt es, den Fokus der Arbeit mit folgender Abbildung zu verdeutlichen (vgl. Abb. 1-2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1-2: Fokus der Arbeit [Eigene Darstellung].
Eine erste Restriktion betrifft die Säule des E-Commerce. Betrachtet wird lediglich das Teilgebiet elektronischer Märkte.[3] Sie lassen sich anhand verschiedener Gestaltungsparameter klassifizieren (vgl. Abschnitt 3.2.4), wobei ein besonderes Augenmerk dieser Arbeit auf dem Aspekt des Fulfillments und der Preisbildung liegt.
Über die Betrachtung der Einsatzgebiete bzw. Beteiligten von elektronischen Märkten gelangt man zur zweiten Restriktion. Grundsätzlich lassen sich verschiedene Typen von Anbietern und Nachfragern marktlicher Leistung unterscheiden (vgl. Hermanns/Sauter 2001, 23): Unternehmen (B-Business), Endverbraucher (C-Consumer) und Staatliche Institutionen (G-Government).
Der Fokus der vorliegenden Arbeit beschränkt sich auf den industriellen B2B-Bereich, der die Geschäftsbeziehungen zwischen den Unternehmen bezeichnet und tendenziell auf die Vernetzung entlang der Wertschöpfungskette abzielt (vgl. Schwemmle/Zanker 2001, 20).
Diese Einschränkung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass die Charakteristik industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen in einigen Bereichen von denen der Hersteller-Endverbraucher (B2C) abweicht (vgl. Helm et al. 2002, 337; Stölzle/Heuser 2001, 138f; Timmers 1999, 140):
a) Beziehungscharakter
Charakteristisch für B2B-Transaktionen sind für jedes Geschäft individuell verhandelte Kontrakte, die einen 1:1 Charakter besitzen. Diese enthalten nicht nur den Preis als Verhandlungsobjekt, sondern auch Produktspezifikationen, Lieferkonditionen etc. Konträr dazu erfolgt im B2C-Geschäft primär eine Preisfixierung. Alle anderen Parameter sind in der Regel fest. Der Käufer beschränkt sich lediglich auf eine Vertragszustimmung (1:n Charakter).
b) Transaktionslogik
Bei Transaktionen zwischen Unternehmen wird deren Abwicklung in der Regel durch Warenwirtschaftssysteme koordiniert. Auf beiden Seiten finden deshalb datentechnische Verarbeitungsprozesse statt. Demgegenüber genügt dem Endverbraucher oft ein Dokumentenausdruck oder eine Bestätigung per elektronische Post.
c) Strategischer Fokus
In B2B-orientierten Handelsaktionen stehen zumeist die Reduzierung der Transaktionskosten und die Optimierung der Wertschöpfungskette im Vordergrund. Consumer-orientierte Geschäfte orientieren sich im Gegensatz dazu an der Erzielung eines niedrigeren Preises.
d) Angestrebter Kundenutzen
Steht für Unternehmen die Geschäftsprozessoptimierung im Vordergrund, kann für Endverbraucher die bloße Nutzung des Internets zur Informationssuche einen Freizeitwert besitzen.
e) Differenzierung der Supply Chain
Die größere Vielfalt möglicher Beschaffungsgüter im B2B-Bereich beeinflusst über verschiedene Supply Chain-Modelle die Art des physischen Warenübergangs (Fulfillment) und damit auch die Qualität der industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehung.
Die beschriebenen Faktoren führen zu einer höheren Komplexität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen im Vergleich zum B2C-Bereich. Auf Basis z.B. hoher Wechselbarrieren und der Gefahr von „sunk costs“ lassen sich solche Beziehungen nur erschwert kurzfristig betreiben. Dies führt dazu, dass grundsätzlich der Aufbau einer langfristigen Beziehung in das Interesse rückt, wodurch auch die Anforderungen an die Qualität der Beziehung steigen (vgl. Stölzle/Heusler 2001, 139).
Die bereits getroffene implizite Annahme industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen schränkt den Bezugsrahmen weiter auf vertikale Geschäftsbeziehungen ein, d.h. die Geschäftspartner befinden sich auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette.
Eine letzte Abgrenzung bezieht sich auf das Beschaffungsobjekt. Hier steht die Beschaffung von „Commodities“ im Vordergrund. Commodities werden vielfach nur über den Preis gehandelt, sind homogen und leicht zu beschreiben. Sie sind damit prädestiniert, um über elektronische Marktplätze gehandelt zu werden (vgl. Bretzke 2000, 12).
Fügt man alle drei angesprochenen Bereiche zusammen, wird die Arbeit von drei Forschungsfragen geleitet:
1. Verändert sich die Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen bei der Beschaffung über elektronische Märkte
a) im Allgemeinen,
b) unter besonderer Berücksichtigung der Beschaffungskategorie „Commodities“?
2. Welche Einflussfaktoren der Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen ändern ihre Bedeutung bei der Beschaffung über elektronische Märkte
a) im Allgemeinen,
b) unter besonderer Berücksichtigung der Beschaffungskategorie „Commodities“?
3. In welcher Art und Weise wirken die Gestaltungsparameter elektronischer Marktplätze „Fulfillment“ und „Preisbildung“ als moderierende Effekte des Zusammenhangs zwischen den Einflussfaktoren und der Beziehungsqualität bei der Beschaffung von „Commodities“?
Zur Beantwortung der Fragen wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst eine Analyse industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen. Nach einer definitorischen Abgrenzung (2.1) werden theoretische Erklärungsmuster (2.3) und betriebswirtschaftliche Konzepte zur Gestaltung (2.4) dieser vorgestellt.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Beschaffung über elektronische Märkte. Werden in einem ersten Schritt beide Teilgebiete „Beschaffung“ (3.1) und „elektronische Märkte“ (3.2) separat erläutert, erfolgt in 3.3 die Synthese zum Electronic Procurement.
Im Hinblick auf die Qualität der Beziehung zwischen Zulieferer und Abnehmer stellt das vierte Kapitel den Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung auf. Der Begriff der Beziehungsqualität wird eingegrenzt (4.1) und ihr Einfluss auf industrielle Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen untersucht (4.2). Nachdem die Parameter der Beziehungsqualität (4.3) eruiert wurden, kann anschließend das Beziehungsmodell (4.4) aufgestellt und die forschungsleitenden Hypothesen (4.5) der Empirie abgeleitet werden.
Eine kritische Würdigung der bisherigen empirischen Forschung zur Beziehungsqualität findet im fünften Kapitel statt, bevor Kapitel 6 messtheoretische Überlegungen wie die Operationalisierung der Faktoren (6.1), das Skalenniveau (6.2), die Gütebeurteilung der Messinstrumente (6.3) sowie das Verfahren der multiplen Regressionsanalyse (6.4) erläutert.
Kapitel 7 schließlich stellt die empirische Untersuchung vor. Die Datenerhebung und -grundlage (7.1) wird beschrieben sowie eine Gütebeurteilung des Modells und seiner Faktoren vorgenommen (7.2). Anschließend erfolgt vor dem Hintergrund der aufgestellten Hypothesen eine Auswertung der vorliegenden Stichprobe (7.3).
Kapitel 8 führt die abschließende Schlussbetrachtung durch, wobei eine Beantwortung der Forschungsfragen (8.1) aussteht und Limitationen der Arbeit sowie ein Ausblick (8.2) aufgezeigt werden.
Aufgabe dieses Kapitels ist, dem Leser die Natur industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen zugänglich zu machen. Diese sind ein komplexes Gebilde, welches durch verschiedene theoretische Erklärungsmuster und betriebwirtschaftlich gestalterische Konzepte einer Thematisierung unterzogen wird.
Wie mehrfach angedeutet, stellt die Geschäftsbeziehung zwischen Lieferanten und Abnehmern industrieller Produkte den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit dar. Eine Geschäftsbeziehung lässt sich definieren als „von ökonomischen Zielen geleitete Interaktionsprozesse mit personalen Kontakten, langfristigen Geschäftsperspektiven und einer investiven Komponente“ (vgl. Bruhn/Bunge 1994, 34).
Elementar ist eine längerfristige Perspektive, die über eine einzelne Transaktion hinausreicht und von dem grundsätzlichen Willen beider Partner geprägt ist, den einmal begonnenen Kontakt aufrecht zu erhalten und gegebenenfalls weiter zu entwickeln (Diller 1995, 442). Der Begriff „Beziehung“ subsumiert insofern eine Pluralität von Austauschvorgängen, in dessen, neben dem unmittelbaren Leistungsaustausch von Produkten, Dienstleistungen und Informationen, der Austausch von sozialen Elementen tritt (vgl. Kiedaisch 1997, 10).
Schließlich führt die Fokussierung auf den industriellen Bereich dazu, dass als beteiligte Organisationen Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie Endverbraucher keine eigenständigen Untersuchungseinheiten darstellen (vgl. Stölzle 1999, 5).
Grundsätzlich lassen sich verschiedene Formen von industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen unterscheiden. Eine auf der Theorie der Transaktionskosten gestützte Differenzierung zeigt, dass unter Heranziehung der Determinante „spezifische Investitionen“[4], neben rein marktlichen und partnerschaftlichen Beziehungen, zwei weitere Beziehungsfelder existieren (vgl. Tabelle 2-1). Dazu zählen der Abnehmer als „Gefangener“ für den Fall, dass er einseitig hohe spezifische Investitionen in die Beziehung getätigt hat und somit kurzfristig erhebliche Ausstiegsbarrieren überwinden muss (vgl. Stölzle 2000, 6). Im entgegengesetzten Fall wird analog der Zulieferer als „Gefangener“ in der Beziehung gesehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2-1: Typologisierung von Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen
Quelle: Stölzle 2000, 7 frei übersetzt nach Bensaou 1999, 36.
Eine andere Einteilung nehmen Groves/Valsamakis (1998) vor. Sie unterscheiden anhand verschiedener Faktoren, wie Dauer der Beziehung, Kommunikation und Mitwirkung des Lieferanten bei der Produktentwicklung, zwischen partnerschaftlichen, hybriden und rein marktlichen Lieferantenbeziehungen, wobei letztere eher Einzeltransaktions-Charakter besitzen (vgl. Groves /Valsamakis 1998, 53).
Eine letzte Unterscheidung, die primär auf die Zulieferer gerichtet ist, formuliert verschiedene Entwicklungsstufen, deren Durchlaufen mit einem steigenden Integrationsgrad und somit engeren Beziehungen verbunden ist. Dabei lassen sich nach Maßgabe der Merkmale „Kompetenz des Zulieferers“ und „Leistungsumfang“ folgende Typen von Zulieferunternehmen unterscheiden (vgl. Wildemann 1992, 398ff; Stölzle 1999, 3f):
- Teilefertiger – klassischer Lieferant mit Produktions-Know-how und einem definierten Spektrum an Produkten und Verfahren,
- Produktionsspezialist – erweiterter Leistungsumfang durch das Angebot neuartiger System- und Problemlösungen,
- Entwicklungspartner – Lieferant arbeitet mit dem Abnehmer bei der Entwicklung neuer Produkte mit und bringt eigenes Produkt-Know-how in den Innovationsprozess mit ein, und
- Wertschöpfungspartner – Lieferant setzt diese umfassende Kompetenz auch für die Suche nach neuartigen Problemlösungen des Abnehmers ein.
Im Rahmen der bisher getroffenen Aussagen stellt sich die Frage, warum industrielle Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen zu Stande kommen und wie sich ihre Ausgestaltung praktisch effizient gestalten lässt. Dies soll in den folgenden Abschnitten geklärt werden.
Sowohl die generelle als auch speziell auf Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen ausgerichtete Kooperationsforschung greift häufig auf die Ansätze der Neuen Institutionsökonomie zurück (vgl. Stölzle 1999, 25).[5]
Dazu zählen die Transaktionskostentheorie und die Agency-Theorie, während die Property-Rights-Theorie eine eher untergeordnete Rolle spielt. Trotz jeweils individueller Argumentationsmuster thematisieren alle drei Ansätze Fragen der Koordination von Austauschbeziehungen zwischen Institutionen im Hinblick auf die dadurch induzierten Kosten- und Effizienzwirkungen (vgl. Stölzle 1999, 33).
Einen ebenfalls stark institutionellen Charakter besitzt die Organisationstheorie. Ihr liegt die Betrachtung der Unternehmung als offenes System zugrunde, das mit der Umwelt in ständiger Wechselbeziehung steht (vgl. Werner 1997, 16). Grundlage der Organisationstheorie bildet die Systemtheorie, deren Hauptbeitrag in der expliziten Betrachtung der Umwelt liegt, indem sie die Bedingungen der Existenz von Systemen innerhalb der Systemumwelt betrachtet (vgl. Werner 1997, 17).
Eine Weiterentwicklung der Systemtheorie stellt der situative Ansatz dar. Er baut auf der Erkenntnis auf, dass bestimmte (situative) Faktoren des Umfeldes der Unternehmung die Ausbildung von Strukturen und Verhaltensweisen beeinflussen (vgl. Werner 1997, 19 ff).[6]
Einen ebenfalls hohe Popularität besitzen verhaltensorientierte Ansätze. Hierzu zählen vor allem der Ressourcenabhängigkeits-Ansatz, im englischen Sprachgebrauch als Ressource-Dependence-Ansatz bezeichnet, und die Interaktionsansätze. Ersterer beschäftigt sich mit der Frage der adäquaten Transaktionsform unter dem Aspekt der begrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen für Organisation (vgl. Stölzle 1999, 29). Ein besonderes Gewicht wird dabei auf Markt- und Abhängigkeitsverhältnisse gelegt.[7]
Die Interaktionsansätze entstammen der allgemeinen Austauschtheorie und stellen im Kern soziale Beziehungen zwischen Individuen in den Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Stölzle 2000, 3). Im Hinblick auf eine interorganisationale Betrachtung hat besonders der IMP-Interaktionsansatz (Industrial Marketing and Purchasing) eine starke Verbreitung gefunden (vgl. Stölzle 2000, 3).[8]
Last but not least sei auf das Gebiet der Spieltheorie als Teilbereich der Entscheidungstheorie hingewiesen (vgl. Stölzle 1999, 101f).[9]
Dabei wird versucht, unter der Maßgabe von Entscheidungssituationen, an denen mindestens zwei Entscheidungsträger beteiligt sind, welche die Wahl ihrer Handlungsalternativen von einander abhängig machen, die Entstehung und Entwicklung von Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen zu modellieren.
Da eine ausführliche Beschreibung aller theoretischen Erklärungsmuster den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würde, soll sich im folgenden auf drei Ansätze beschränkt werden. Mit Ausnahme des IMP-Interaktionsansatzes (vgl. 2.2.5) erfolgt die Auswahl auf Basis der von Stölzle (1999, 112 ff) entwickelten Bewertungskriterien.[10]
Danach erfahren die Transaktionskostentheorie und die Agency-Theorie eine überdurchschnittliche Bewertung und sollen im Anschluss vorgestellt werden. Die besondere Berücksichtigung des IMP-Ansatzes rechtfertigt sich im Kontext der vorliegenden Arbeit. So beschränken sich die Arbeiten der IMP-Group nicht nur auf eine interorganisationale und somit Zuliefer-Abnehmer-Betrachtungsweise, sondern es werden lediglich dyadische Beziehungen im Sinne zweier Partner untersucht.
Die Transaktionskostentheorie ist der Neuen Institutionsökonomie zuzuordnen und hat ihren Ursprung in dem von Ronald H. Coase 1937 veröffentlichen Aufsatz „The Nature of Firm“.
Im Mittelpunkt steht die Suche nach derjenigen zwischenbetrieblichen Koordinationsform, dem so genannten institutionellen Arrangement, das sich für bestimmte Transaktionen als optimal erweist (vgl. Zbornik 1996, 50). Die Vorteilhaftigkeit bzw. Effizienz einer Koordinationsform wird anhand der Transaktionskosten beurteilt, die durch die Übertragung von Eigentums- und Verfügungsrechten an materiellen und immateriellen Produkten, mithin die Transaktion, entstehen (vgl. Kaas 1992a, 10).
Unter diesen Kosten werden im wesentlichen die Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten der Transaktion unterschieden, wobei als institutionelle Arrangements der Markt, die Hierarchie und so die genannte Hybridlösungen entlang des Kontinuums zwischen Markt und Hierarchie existieren (vgl. Giering 2000, 39).[11] Auf Märkten werden Transaktionen über Preise, in Hierarchien durch Weisungen gesteuert. Die Höhe der Transaktionskosten wird regelmäßig von dem institutionellen Arrangement und den Determinanten einer Institution beeinflusst, die sich in verschiedene Kategorien einteilen lassen (vgl. Stölzle 1999, 36f, Giering 2000, 41f):
a) verhaltensbezogene Determinanten
Die Transaktionskostentheorie basiert auf zwei wesentlichen Verhaltensannahmen:
- der begrenzten Rationalität der Akteure und
- dem Vorliegen von Opportunismus.
b) transaktionsbezogene Determinanten
Hierzu zählen insbesondere:
- die Spezifität der Transaktion (asset specifity),
- die mit einer Transaktion verbundene Unsicherheit (uncertainty) und
- die Häufigkeit der Transaktion.
c) umweltbezogene Determinanten
Hier ist die Transaktionsatmosphäre zu nennen, die alle für die Koordination einer Leistungsbeziehung relevanten sozialen und technologischen Rahmenbedingungen umfasst (vgl. Picot 1991, 148).
Die Literatur spricht speziell der Spezifität und Unsicherheit einen entscheidenden Einfluss die Höhe der Transaktionskosten zu (vgl. Abb. 2-1).[12]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Transaktionskosten verschiedener Koordinationsformen
Quelle: Giering 2000, 43.
Danach steigen mit höherer Unsicherheit bzw. Komplexität des Umfeldes die Transaktionskosten, da die Unfähigkeit der Akteure, die zukünftige Entwicklung zu antizipieren und ihren Handlungen anzupassen, zunimmt. Gleiches gilt für die Spezifität. Eine hohe Spezifität führt zu höheren Transaktionskosten. Der Mangel an potentiellen Transaktionspartnern eröffnet Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten, das durch spezielle Vereinbarungen ausgeschlossen werden muss. Zusätzlich ist die Identifikation eines anderen, gleichwertigen Transaktionspartners nur unter einem hohen Zeit- und Kostenaufwand möglich (vgl. Werner 1997, 28). Der einhergehende Anstieg der Transaktionskosten ist bei der marktlichen Leistungskoordination besonders ausgeprägt. Gründe dafür sind bspw. die mangelnde Kenntnis der Marktteilnehmer oder fehlende Kontrollmechanismen.
Für die der Arbeit zugrunde liegende Analyse industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen ist die so genannte Hybridform relevant. Unter Effizienzgesichtspunkten ist diese Koordinationsform bei mittlerer Spezifität und Unsicherheit optimal.
Die große Popularität der Transaktionskostentheorie ergibt sich durch ihre Transferfähigkeit. So lässt sich ebenfalls das Beschaffungsverhalten von Unternehmen mittels der Transaktionskostentheorie erklären (vgl. 3.1.2). Kritisch angemerkt wird an der Transaktionskostentheorie unter anderem ihre singuläre Beurteilung auf Kostenbasis und die Vernachlässigung von Machtaspekten (vgl. Stölzle 1999, 44).
Im Mittelpunkt der Agency-Theorie bzw. Principal-Agent-Theorie steht eine vertragliche Austauschbeziehung, die sich zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent) im Sinne einer Auftragsbeziehung charakterisieren lässt (vgl. Stölzle 1999, 51). Als Prämissen gelten folgende Aspekte (vgl. Picot 1991, 150):
- Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent,
- Unsicherheit,
- divergierende Zielsetzungen und
- eigenständige Risikoneigungen der Parteien.
Auf Basis dieser Prämissen ist grundsätzlich von einem Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent auszugehen (vgl. Stölzle 1999, 53).[13]
Ziel der Agency-Theorie ist die Suche nach geeigneten Mechanismen der Verhaltenssteuerung im Kontext einer Vertragsgestaltung zwischen Prinzipal und Agent, insbesondere in Gestalt von Anreiz- und Kontrollmechanismen. Zur Operationalisierung dieser Zielsetzung werden die Agency-Kosten herangezogen, deren Minimierung als Effizienzkriterium für die Vertragsgestaltung gilt (vgl. Stölzle 1999, 52). Im einzelnen umfassen diese Agency-Kosten die (vgl. Picot 1991, 150):
- Kontrollkosten des Prinzipal,
- Garantiekosten des Agenten und
- Kosten des verbleibenden Wohlfahrtsverlustes, der auf Basis o.g. Prämissen nicht zur Nutzenmaximierung des Prinzipalen führt.
Da die konkrete Gestaltung der Vertragsbeziehung von bestimmten Ausprägungsformen der Prämissen abhängt, werden nachfolgend die wesentlichen Agency-Probleme thematisiert sowie einzelne Mechanismen zur Verhaltenssteuerung vorgestellt (vgl. ausführlich Stölzle 1999, 56ff; Kaas 1992b, 892ff und Elschen, R. 1991, 1004ff):
a) Hidden Characteristics
Diese sog. Qualitätsunsicherheit beschreibt die Ex-ante Unsicherheit des Prinzipalen über die Eignung des Agenten zur Leistungserstellung auf Basis asymmetrischer Information (vgl. Stölzle 1999, 56). Es bietet sich für den Agenten an, dem Prinzipalen mittels eines Informationssystems zu einem besseren Informationsstand zu verhelfen. Konkret kommen dafür die verschiedenen Formen des Signaling - Selbstbindung und Reputation - in Frage. Beispiele für Selbstbindungen sind die Verpflichtung nur bestimmte Materialien zu verwenden (inputbezogen) oder die Gewährung von Garantien bzw. Konventionalstrafen (ergebnisbezogen). Schließlich reduziert auch die Reputation des Agenten, über das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit, die Unsicherheit des Prinzipalen (vgl. Abschnitt 3.2.4.4 und 4.4.3.1).
b) Hidden Intention[14]
Dieser Problemtyp zeichnet sich durch diskretionäre Handlungsspielräume des Agenten aus, welcher dieser opportunistisch zu nutzen mag (vgl. Stölzle 1999. 57).[15] Da dem Prinzipal zumindestens ex-post das Verhalten des Agenten bewusst wird, kommt die Durchführung von Kontrollen als Mechanismus zur Verhaltenssteuerung in Frage.[16]
c) Hidden Action
Hidden Action unterscheidet sich von der Hidden Intention dadurch, dass der Prinzipal auch ex-post keine Rückschlüsse auf das Verhalten des Agenten ziehen kann (vgl. Stölzle 1999, 57). Damit steht dem Agenten offen, sich weniger zu engagieren als für das abgestrebte Leistungsniveau notwendig und die Ursachen des Nichterreichens des Leistungsergebnisses exogenen Störgrößen zuzuschreiben (vgl. Elschen 1991, 1005). Für Probleme dieser Art bieten sich sog. Anreizsysteme an, wobei lediglich ergebnisbezogene Anreizsysteme sinnvoll erscheinen.[17] Es wird empfohlen, die Anreize für den Agenten so zu setzen, dass mit der Erfüllung seiner Ziele zugleich ein Beitrag zur Erreichung der Ziele des Prinzipalen einhergeht (vgl. Stölzle 1999, 59f).
Ansatzpunkte für Kritik liegen in den der Agency-Theorie zugrunde liegenden Prämissen. So wird als Ergebnis der Verhaltensprämisse postuliert, dass der Agent sein Anstrengungsniveau strikt an die in Aussicht gestellte Entlohnung koppelt, andere Motivationskategorien wie die bspw. Selbstverwirklichung finden hingegen keine Berücksichtigung.[18]
Dennoch liefert die Agency-Theorie einen präzisen Analyserahmen für die Auftragsbeziehung Zuliefer-Abnehmer hinsichtlich typischer Probleme der Verhaltenssteuerung und jeweils einzusetzender Koordinationsmechanismen.[19]
Seinem Namen folgend, ist der IMP-Interaktionsansatz dem Bereich der Interaktionstheorie zuzuordnen. Dabei stehen Interaktionen als Kontakt von mindestens zwei Akteuren, der sich als zeitliche Abfolge von Aktionen und Reaktionen dergestalt darstellt, dass die Handlungen der Individuen interdependent und aufeinander abgestimmt sind (vgl. Kern 1990, 9). Beschränkt man die Interaktionstheorie auf dyadisch-organisationale Prozessansätze, gelangt man zum IMP-Interaktionsansatz (vgl. Stölzle 1999, 27).
Als Untersuchungseinheit dient der Interaktionsprozess zwischen zwei Organisationen, wobei kurz- bis mittelfristige Transaktionsepisoden sowie langfristig institutionalisierte Geschäftsbeziehungen beleuchtet werden (vgl. Stölzle 1999, 78). Das von der IMP-Group ausgearbeitete und später ausdifferenzierte Interaktionsmodell thematisiert nicht nur einen kontinuierlichen Leistungsaustausch zwischen Zulieferer und Abnehmer, sondern hat darüber hinaus ein komplexes Interaktionsgeflecht zwischen beiden Partnern, unter Berücksichtigung ihrer Rollen und Erwartungen an diese Rollen, zum Gegenstand (vgl. Håkansson 1982, 14). Als zentrale, qualitativ abgebildete Modellgrößen sind enthalten (vgl. Stölzle 2000, 4 zitiert nach IMP-Group 1990, 12ff):
- der Interaktionsprozess mit dem Austausch von Informationen und der Pflege sozialer Kontakte,
- zwei beteiligte Institutionen, unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaften sowie der involvierten Individuen,
- das Umfeld des Interaktionsprozesses und
- die Atmosphäre der Interaktionsbeziehung mit dem Markt- und Abhängigkeitsrelationen, der Kooperations- und Bindungsintensität sowie der gegenseitigen Erwartungen.
Dadurch entsteht ein, die Interaktionsprozesse in Geschäftsbeziehungen, strukturierendes Modell (vgl. Abb. 2-2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2: Ausdifferenziertes Interaktionsmodell
Quelle: Stölzle 2000, 5 übersetzt aus IMP-Group 1990, 20.
Kritisch wird die Beschränkung auf eine qualitative Beschreibung der Zusammenhänge gesehen, da das Modell damit weder Erklärungsleistungen noch Gestaltungsempfehlungen anhand eines Effizienzkriteriums anbietet (vgl. Stölzle 2000, 4).
Nach der Erläuterung theoretischer Erklärungsmuster erhält nun die Analyse betriebswirtschaftlicher Konzepte ein stärkeres Gewicht.[20] Diese zeichnen sich im Gegensatz zur theoriegeleiteten Erklärung schon per se durch eine höhere Anwendungsnähe aus.
Prominentestes Beispiel ist der, seit Anfang der 90er Jahre in der US-amerikanischen Literatur, intensiv diskutierte Ansatz des Supply Chain Management. Es verfolgt das Ziel, unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit, durchgängig ein hohes Maß an Versorgungssicherheit, der von Dritten zu beziehenden Einsatzgüter, zu gewährleisten. Es grenzt sich insofern vom reinen Beschaffungsmanagement ab, als dass der Material-, Waren- und Informationsfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis zum Endkunden im Interesse der Betrachtung steht (vgl. Stölzle 1999, 147).
Die zentralen Aussagen des Supply Chain Management lassen gewisse Parallelen zum Just-in-Time Konzept erkennen. Im Zentrum des Just-in-Time Konzeptes steht das Bestreben, möglichst nachfragegenau zu fertigen und damit den Fertigungszeitpunkt eng an die Befriedigung der Kundennachfrage zu koppeln (vgl. Wildemann 2000, 17). Das übergeordnete Ziel der Minimierung der Bestände, setzt das Erreichen eines hohen Qualitätsniveaus aller Prozesse voraus und führt zwangsläufig zu kurzen Durchlaufzeiten (vgl. Stölzle 1999, 148). Im Lichte industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen ist der Blick auf den unternehmensübergreifenden Just-in-Time Ansatz zu richten (vgl. Wildemann 2000, 34ff). Die Umsetzung des Konzeptes, durch Zulieferer und Abnehmer gemeinsam, erfordert eine partnerschaftliche Beziehung der beteiligten Unternehmen.
Ein solches partnerschaftliches Verhältnis findet sich zentral im Kooperationsmanagement wieder. Kooperationen basieren auf vertraglich vereinbarten Rahmenbedingungen für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen unabhängigen Partner. Diese Geschäftspartner schränken sich freiwillig in ihrem marktlichen Handlungsspielraum ein, um die Vorteile einer Kooperation, wie höhere Planungssicherheit und damit einhergehende geringere Transaktionskosten, zu realisieren (vgl. Boysen 2001, 28). Eine enge Verbindung zum Kooperationsmanagement weist das Netzwerkmanagement auf, werden doch Netzwerke oft als spezielle Form der Kooperation mit mehreren beteiligten Institutionen charakterisiert (vgl. Stölzle 1999, 153).
Ein letztes Forschungsfeld umfasst die Konzepte der Marketingforschung. Durch den Fokus auf industrielle Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen ist hier in erster Linie auf das Geschäftsbeziehungsmanagement im Allgemeinen und das Beziehungsmarketing im Speziellen zu verweisen. Das Ziel des Geschäftsbeziehungsmanagements besteht in der Etablierung langfristiger Geschäftsbeziehungen (vgl. Wirtz/Vogt 2001, 118), während das reine Beziehungsmanagement prinzipiell die Relationen zu allen Anspruchsgruppen eines Unternehmens thematisiert (vgl. Stölzle 1999, 156). Das Beziehungsmarketing befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Aufbau von (Geschäfts-) Beziehungen, so dass es als Bestandteil des Beziehungsmanagements gelten kann (vgl. Stölzle 1999, 156).
In Analogie zu den theoretischen Erklärungsmustern, sollen im Weiteren zwei betriebswirt-schaftliche Konzepte näher erläutert werden. Die Selektion erfolgt wiederum unter der Maßgabe der von Stölzle (1999, 260) durchgeführten vergleichenden Beurteilung.[21] Danach gelingt es keinem der Konzepte, bei allen Kriterien zu überzeugen, während die Priorisierung des Beziehungsmanagements vor dem Just-in-Time Konzept und dem Supply Chain Management auf relativ kleinen Beurteilungsunterschieden beruht. Unter Berücksichtigung industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen das Just-in-Time Konzept ausgeklammert werden, da es vom Ursprung primär auf die Versorgung der Abnehmer abzielt (vgl. Stölzle 1999, 264). Demgegenüber adressieren das Beziehungsmanagement und das Supply Chain Management sowohl die Zulieferer als auch Abnehmer.
Die Supply Chain kann als eine Kette verschiedener Organisationseinheiten interpretiert werden, die, geprägt von Kunden-Lieferanten-Beziehungen in aufeinanderfolgenden Wertschöpfungsstufen, ein Sachgut oder Dienstleistung herstellt und dem Endkunden verfügbar macht (vgl. Braßler/Schneider 2001, 143). Werden in diesem Zusammenhang Führungs-, Gestaltungs- und Steuerungsaspekte diskutiert, hat sich der Begriff des Supply Chain Management etabliert. Der dem Supply Chain Management inhärente Integrationsgedanke beschränkt sich folglich nicht nur auf den Leistungsfluss in einem bestimmten Abschnitt, sondern spricht alle Institutionen entlang der Wertschöpfungskette an und berührt dabei unterschiedliche Funktionsbereiche (vgl. Stölzle 1999, 163). Als Zielkategorien lassen sich zum einen die Erhöhung des Serviceniveaus für den Endverbraucher und zum anderen eine durchgängige Kostensenkung über alle betrachteten Wertschöpfungsstufen hinweg formulieren (vgl. Stölzle 1999, 164). Indirekte ökonomische Effizienzverbesserungen werden mit der erhöhten Zufriedenheit der Mitarbeiter in der Supply Chain erwartet (vgl. Stölzle 1999, 173).
Neben einer noch fehlenden umfassenden empirischen Überprüfung der Erreichung der Ziele, stellt ein weiteres Problemfeld die mangelnde Verfügbarkeit notwendiger Maßnahmen zur Umsetzung des Supply Chain Management dar. Dies gilt speziell für die aus dem interorganisationalen Koordinationsbedarf entstehenden Aufgaben (vgl. Stölzle 1999, 173). Unter Maßgabe des Blickwinkels der vorliegenden Arbeit wird engen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen, unter dem Postulat eines höheren Zielerreichungsgrades, häufig eine strategische Relevanz zugesprochen.[22] Begründet wird dies primär durch den Aufbau von Vertrauen, wobei die Bindungsintensität von den internen und externen Risiken sowie der wechselseitigen Abhängigkeit der Beteiligten beeinflusst wird (vgl. Stölzle 1999, 167).
Einen Schub erfährt das Supply Chain Management aktuell durch die Synthese mit dem E-Business, das sog. electronic Supply Chain Management (vgl. stellvertretend Braßler/Schneider 2001; Lawrenz et al. 2001). Dieses ist als Sammelbegriff für die Gestaltung und Steuerung der Supply Chain durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zu verstehen. Die Möglichkeiten des E-Commerce stellen dabei einen sog. „Enabler“ (Benninger/Grandjot 2001, 110) dar, die Supply Chain effektiver und effizienter zu gestalten.[23]
Das Konzept des (Geschäfts-) Beziehungsmanagement wurde im vorgeschalteten Überblick mehrfach angesprochen. Speziell auf die Abgrenzung des Geschäftsbeziehungsmanagement vom Beziehungsmanagement wurde bereits eingegangen. Im folgenden soll jedoch vereinfachend von Beziehungsmanagement gesprochen werden. Grundsätzlich bieten sich einem Unternehmen zwei Stoßrichtungen, um am Markt erfolgreich zu agieren: neue Kunden gewinnen oder bestehende Kunden halten und eine langfristige Geschäftsbeziehung zu ihnen aufbauen (vgl. Kotler/Bliemel 1999, 71ff). War das Marketing lange Zeit durch das alleinige Streben geprägt, neue Kunden zu gewinnen, wurde in den letzten Jahren zunehmend die Erkenntnis gewonnen, dass sich der Unternehmenserfolg insbesondere durch eine Steigerung der Rentabilität bestehender Kundenbeziehungen und eine Verlängerung der Lebensdauer dieser verbessern lässt (vgl. Bauer/Grether/Leach 1999, 285). Das klassische, transaktionale Massenmarketing wird zunehmend durch das Konzept des individuellen, interaktiven Beziehungsmanagement ersetzt. Folglich ist unter Beziehungsmanagement „die aktive und systematische Analyse, Selektion, Planung, Gestaltung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes von Zielen, Leitbildern und Systemen zu verstehen“ (Diller 1995, 442). Obwohl das Beziehungsmanagement dem Marketing zugeordnet wird, erhebt es den Anspruch, die Geschäftsbeziehung aus der Sicht von beiden beteiligten Institutionen zu beleuchten. Aus der Sicht des Abnehmers kommt dies in einem beabsichtigten und realisierten Wiederkaufverhalten zum Ausdruck, während aus Sicht des Zulieferers ein geplantes und umgesetztes Wiederverkaufsverhalten kennzeichnend ist (vgl. Stölzle 1999, 219). Als Akteure treten grundsätzlich Personen und Institutionen auf, wobei zwischen externer (horizontal, vertikal, lateral) und interner (personal) Transaktionsrichtung unterschieden wird (vgl. Diller 1995, 442). Im Interesse der betrachteten industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen, gilt es, den Bezugsrahmen auf das Beziehungsmarketing als Unterkategorie des Beziehungsmanagement zu beschränken. Das Beziehungsmarketing[24] zielt auf die externe, vertikale Transaktionsrichtung ab und grenzt die Betrachtung horizontaler, lateraler und interner Beziehungen aus (vgl. Diller 1995, 442). Folglich werden innerhalb des Relationship Marketing-Verständnisses dieser Arbeit die Erfolgsfaktoren von Austauschbeziehungen in industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen analysiert (vgl. Gierl/Böhme/Satzinger 2000, 52ff).[25] Die besondere Bedeutung des Beziehungsmarketing wird diesem im wesentlichen vor dem Hintergrund der hiermit verbundenen Erfolgswirkungen beigemessen. Neben den Transaktionskostenvorteilen werden die Verbesserung der Kundenzufriedenheit oder eine erhöhte Profitabilität angeführt (vgl. Wirtz 1999, 381). Zur Charakterisierung des Beziehungsmarketing - gegenüber dem transaktionalen Ansatz der Marktbearbeitung in Form des Massenmarketing - lassen sich vier Prinzipien heranziehen: (vgl. Hildebrand 2000, 75ff):
a) Individualisierung der Marktbearbeitung
Strategie des Beziehungsmarketing ist die Etablierung einzigartiger Beziehungen zu den Kunden, die nicht ohne weiteres von einem Wettbewerber imitiert werden können und somit einen wertvollen strategischen Wettbewerbsvorteil darstellen.
b) Interaktion zwischen Zulieferer und Abnehmer
Durch die langfristige Betrachtungsperspektive kommen Interaktionsprozessen eine übergeordnete Bedeutung zu. Diese Prozesse erstrecken sich auf den Austausch von Gütern, Informationen, Finanzmitteln und sozialen Kontakten. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung der Kommunikation, die zur Festigung und Vertiefung der Beziehung von reziproker Natur sein sollte (vgl. Diller 1995, 443).
c) Integration
Die transaktionsübergreifende Integration des Abnehmers bezieht sich auf die Einbeziehung in Marketing-, Vertriebs- und Planungsprozesse, die sich aus der wechselseitigen Interaktion ergeben.
d) Selektion und Priorisierung
Vor dem Hintergrund, dass nicht alle Abnehmer eine längerfristige Beziehung wünschen und nicht alle Kunden gleich profitabel sind, erscheint plausibel, dass ein Beziehungsmarketing nicht für alle Abnehmer eine adäquate Strategie sein kann. Zusätzlich zwingt die Ressourcenknappheit im Unternehmen dazu, bestimmten Beziehungspartnern Priorität vor anderen einzuräumen (vgl. Diller 1995, 443).
Abschließend sei auf die aktuelle Diskussion über die Integration des E-Business in das Beziehungsmanagement (vgl. Wirtz/Vogt 2001; Eggert/Fassott 2001) und das Beziehungsmarketing (vgl. Bauer/Grether/Leach 1999) verwiesen. In direkter Analogie zum Supply Chain Management nimmt die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie vielfach die Rolle eines „Enablers“ ein, d.h. durch den Einsatz der Technologie können wichtige Aspekte des Beziehungsmarketing erst effizient und effektiv gestaltet werden (vgl. Wirtz/Vogt 2001, 117).
Der Begriff der Beschaffung erfährt sowohl in der Literatur als auch Unternehmenspraxis eine vielfältige Interpretation. Unter Beschaffung im weitesten Sinne werden „sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten [verstanden; Anm. des Autors], die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen“ (Arnold 1995, 3). Aufgrund der Heterogenität der zu beschaffenden Objekte wird die Bereitstellung eines Teils dieser Produktionsfaktoren anderen betrieblichen Funktionsbereichen zugeordnet (vgl. Wirtz 2001, 300f).[26] Daher sollen unter Beschaffung i.e.S. „alle Aktivitäten verstanden werden, die darauf ausgerichtet sind, den Bedarfsträgern in der Unternehmung die von diesen benötigten, nicht von der Unternehmung selbst produzierten Verbrauchsgüter (Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Kaufteile sowie Energie), Gebrauchsgüter (Anlagen, Werkzeuge) sowie Dienstleistungen (z.B. Transport- und Bauleistungen) aus den Beschaffungsmärkten verfügbar zu machen“ (Fieten 1992, 340).[27] Der Wertbeitrag der Beschaffung setzt sich aus zwei Aspekten zusammen. Zum einen per definitionem durch die Sicherstellung einer optimalen Versorgungslage der Unternehmen (Sachziel). Zum anderen, unter Total Cost of Ownership-Gesichtspunkten durch einen minimalen Kostenaufwand bzw. maximalen Qualitätsstandard (Formalziel) (vgl. Peukert 2000, 14).
Die Teilprozesse einer Beschaffungsaktion orientieren sich in einer Grobeinteilung an den Phasen einer Markttransaktion und sind in Abbildung 3-1 dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-1: Phasenkonzept der Beschaffung
Quelle: in Anlehnung an Wirtz 2001, 305.
Die Informationsphase legt die Grundlagen der Beschaffungstransaktion durch die Zusammenstellung eines Kriterienkatalogs relevanter Informationen (vgl. Stölzle/Heusler 2002, 137). Im Ergebnis entsteht ein Liste potenzieller Lieferanten als Entscheidungsgrundlage der anschließenden Entscheidungsphase. Hier erfolgt, neben der (internen) Budgetfreigabe, die (externe) Angebotsbewertung. Anschließend werden die Parameter der Transaktion (Preis, Produkteigenschaften, Fulfillment etc.) in Verhandlungen der Marktteilnehmer festgelegt und mit der Bestellung abgeschlossen (vgl. Stölzle/Heusler 2001, 137). In der Abwicklungsphase steht der eigentliche physische Warenübergang im Mittelpunkt, an dessen Ende der Forderungsausgleich steht (vgl. Wirtz 2001, 305).
Für die Thematik der vorliegenden Arbeit erscheint es zielführend die verschiedenen Arten von Beschaffungsverhalten darzustellen. Auf Basis der Transaktionskostentheorie lassen sich zwei gegensätzliche Verhaltensweisen identifizieren - die Spot-Beschaffung und die relationale Beschaffung (vgl. Werner 1997, 56ff).[28] Die Spot-Beschaffung stellt regelmäßig eine rein marktliche Koordination, meist homogener Güter, dar. Es handelt sich um eine singuläre Beschaffungsaktion, wobei der Lieferant als „Gegner“ im Streben nach größtmöglichem Erfolg betrachtet wird. Auf vollkommenen Märkten dient als einziges Koordinationsinstrument der Preis. Die Spot-Beschaffung findet Anwendung, wenn die Determinanten der Transaktionskosten gering ausgeprägt sind (vgl. Werner 1997, 31 bzw. Abschnitt 2.2.2).
Demgegenüber bedingen eine steigende Komplexität oder Dynamik der Umwelt bzw. die wachsende Spezifität der Austauschbeziehung eine Erhöhung der Transaktionskosten. Dies führt ab einem bestimmten Grad zum Marktversagen und die hybride Form der Leistungskoordination wird aus dem Blickwinkel der Transaktionskosten zum überlegenen Mechanismus. Es erfolgt der Übergang zu einer relationalen Beschaffung, die den Lieferanten als Partner im Wertschöpfungsprozess sieht. Grundsätzlich lässt sich relationales Beschaffungsverhalten mit Hilfe folgender Merkmalsausprägungen charakterisieren (vgl. Stölzle 1999, 86):
- vergleichsweise hohe spezifische Investitionen,
- hohe Intensität der Informationsweitergabe,
- Austausch sowohl formeller als auch informeller Informationen,
- Bereitstellung auch sensibler und vertraulicher Informationen,
- langfristig rechtliche Regelungen und
- vergleichsweise geringe Partnerzahl.
Werner (1997, 56) weist darauf hin, dass die Spot-Beschaffung nur kurzfristig Kostenersparnisse gewährleistet, während sie langfristig zu einer Steigerung der Gesamtkosten führen kann. Dem ist nach Meinung des Autors nur bedingt zuzustimmen. Sicherlich liefert für strategisch wichtige Produkte eine transaktionale Beschaffung nur spärliche Möglichkeiten seitens des Lieferanten zur Verbesserung von Produkten und Prozessen. Aber gerade bei Massengütern, wie dies bspw. Commodities sind, stehen reine Preisaspekte im Vordergrund und der Markt erweist sich als allokationseffizienter Koordinationsmechanismus.
Im traditionellen Beschaffungsablauf können folgende Ineffizienzen identifiziert werden (vgl. Eyholzer 1999, 5f; Dolmetsch 2000, 8):
- Zentrale Abwicklung: Die Beschaffung aller Produkte erfolgt über den zentralen Einkauf. Selbst an simplen Beschaffungsvorgängen sind viele unterschiedliche Hierarchiestufen und Abteilungen beteiligt, was zu einer erhöhten Zeitintensität und Komplexität der Prozesse führt.
- Komplexität des Beschaffungsprozesses: Der Beschaffungsprozess ist stark an produktiven und hochwertigen Beschaffungsobjekten orientiert, d.h. auch unproduktive und geringwertige Güter unterliegen den gleichen Freigabemodi. Dies verursacht eine hohe Inanspruchnahme von Arbeitszeit speziell für die Beschaffung geringwertiger Güter. Im Ergebnis übersteigen die Transaktionskosten häufig den Wert der eingekauften Güter.
- Fokus auf den operativen Bereich: Strategischen Aufgaben, wie die Auswahl neuer Lieferanten oder die Aushandlung neuer Rahmenverträge, können aufgrund der operativen Überlastung mit Bestellvorgängen nur unzureichend ausgeführt werden.
- Maverick Buying: Im Lichte der umständlichen und zeitintensiven Beschaffungsvorgänge im Unternehmen, beziehen die Mitarbeiter häufig die benötigten Produkte über ihre Abteilungsbudgets direkt beim Lieferanten. Dadurch entstehen den Unternehmen zusätzliche Kosten in Form verlorener Preisrabatte und höherer individueller Bestellvolumina.
- Papierformular basierte manuelle Vorgänge: Die Verwendung von Papier als Transportmedium von Informationen bedingt zum einen neue Fehlerquellen, die zusätzliche Kosten verursachen, und zum anderen verzögert sich, durch die manuelle Weitergabe der Bedarfszettel, die Durchlaufzeit der Prozesse enorm.
- Fehlende Standards: Unterschiedliche informationstechnische Standards zwischen Kunden und Lieferanten bewirken Zusatzkosten.
- Veraltete Produktkataloge: Speziell bei Hightech-Produkten mit kurzen Lebenszyklen werden die herkömmlichen gedruckten Produktkataloge rasch obsolet.
Der enorme Wertbeitrag der Beschaffung verlangt nach einer schnellen und produktiven Beseitigung obiger Problemfälle. Wie in den folgenden Abschnitten aufgezeigt, stellt die Verwendung elektronischer Märkte eine problemadäquate Lösungsmöglichkeit zu höherer Effektivität und Effizienz dar.
Die Standardmarkttheorie definiert Märkte als ökonomischen Ort des Tausches von Gütern und Dienstleistungen, an denen sich durch Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage Preise bilden (vgl. Feld/Hoffmann 2000, 197). Das wesentliche Charakteristikum eines Marktes liegt darin, dass sich, im Gegensatz zu Hierarchien, immer mehrere (rechtlich) unabhängige Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen (vgl. Zbornik 1996, 61). Die zentrale Aufgabe von Märkten liegt in der effizienten Umsetzung individueller Transaktionsbedürfnisse. Dazu erfüllen Märkte im wesentlichen drei Funktionen (vgl. Bakos 1998, 35ff):
- Matching von Käufern und Verkäufern durch Bestimmung des Leistungsangebotes, der Produktsuche und der Preisbildung,
- Abwicklungsunterstützung und -erleichterung durch z.B. Angebot einer entsprechenden Logistikdienstleistung,
- Bereitstellung einer institutionellen Infrastruktur durch gesetzliche Rahmenbedingungen und ein verbindliches Regelwerk.
Werden die beschriebenen Funktionen im Kontext der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien realisiert, gelangt man zum Begriff des elektronischen Marktes. Elektronische Märkte sind mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie realisierte Marktplätze, die alle oder mindestens einzelne Phasen der Leistungskoordination unterstützen (vgl. Schmid 1993, 468).[29] Mit Hilfe dieser Abgrenzung gelingt zweierlei. Zum einen können im Umkehrschluss elektronische B2B-Marktplätze[30] als mit Unterstützung der Informations- und Kommunikationstechnik umgesetzte (Handels-) Systeme verstanden werden, auf denen der Markt stattfindet, d.h. die Transaktion und Interaktion zwischen mehreren (m:n) Unternehmen unterstützt bzw. abgewickelt wird (vgl. Schlüchter 2001, 33). Zum anderen sind unter elektronischen Marktplätzen nur solche Systeme zu verstehen, auf denen marktliche Transaktionen stattfinden. Dyadische Verbindungen (1:1) wie Electronic Data Interchange (EDI) oder einseitige Beschaffungs- (n:1) und Vertriebslösungen[31] (1:n) fallen nicht unter diese Kategorie, da sich auf ihnen kein Marktpreis bilden kann (vgl. Klein/Gogolin/Dziuk 2002, 8f; Schmid 1993, 7).
Elektronische Märkte unterstützen schon per definitionem die einzelnen Phasen einer Markttransaktion. Speziell in der Informationsphase sind sie hervorragend für die Gewinnung wesentlicher, geschäftsrelevanter Informationen geeignet (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 23). Als Ergebnis der Verwendung elektronischer Märkte erfolgt eine digitalisierte, interaktive und individuelle Informationsübermittlung (vgl. Kollmann 2000b, 130). Marktveränderungen werden schneller präsent und die Suchkosten sinken erheblich (vgl. Schlüchter 2001, 96).
Innerhalb der Entscheidungsphase unterstützt der elektronische Marktplatz den Kontakt zwischen den Teilnehmern und stellt geeignete Mechanismen zur Verhandlung und Preisfestlegung[32] zur Verfügung (vgl. Kollmann 2000b, 126). Die Automatisierung dieser Schritte führt, durch die Senkung der Vereinbarungskosten, zu einem effizienten Matching von Angebot und Nachfrage.
In der Abwicklungsphase bietet der elektronische Marktplatz die Möglichkeit einer kompletten und zuverlässigen Abwicklung des Geschäfts (vgl. Kollmann 2000, 126). Wesentliche Elemente sind die Zahlungsabwicklung, die Logistik und die Verfolgung des Auftragsstatus. Auf diese Art und Weise erfüllt der Marktplatz wichtige Koordinationsleistungen und reduziert den Aufwand der Zulieferer und Abnehmer. In der Vergangenheit wurde speziell die Abwicklung der Transaktion von vielen Marktplätzen gar nicht oder nur rudimentär unterstützt. Diese Situation hat sich inzwischen klar gewandelt. Versuchen doch viele Marktplatzbetreiber sich durch das Fulfillment, das über den Marktplatz initiiert wird, von der Konkurrenz zu differenzieren (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 26).
Wesentliches Kennzeichen elektronischer Märkte sind die Unabhängigkeit von Raum und Zeit. Sofern ein Marktteilnehmer Zugriff auf die zugrunde liegende Technologie hat, bestehen prinzipiell keine Beschränkungen des räumlichen und zeitlichen Zugriffs (vgl. Lindemann 1997, 10). Mittels der in Abschnitt 3.2.2 beschriebenen Transaktionsunterstützung kann eine weitere Wirkung realisiert werden: Die Senkung der Transaktionskosten.[33] Auf Abbildung 2-1 übertragen, bedeutet dies, dass sich die Kurven der Transaktionskosten horizontal zu einem höheren Spezifitätsgrad verschieben. Die institutionellen Arrangements der Hybridform und Hierarchie werden nun erst bei höherer Spezifität vorteilhaft. Klein/Gogolin/Dziuk (2002, 13) weisen jedoch darauf hin, dass diese sog. „move to the market“-Hypothese noch keine empirische Bestätigung erfahren hat. Unterstützung erhält diese Aussage durch einen zweiten Parameter der Höhe der Transaktionskosten: So können hinsichtlich der Unsicherheit gegenläufige Effekte durch die Nutzung elektronischer Märkte entstehen. Die Unternehmen erhalten Informationen zwar schneller, umfassender und in besserer Qualität. Folglich sinkt die Unsicherheit (vgl. Schlüchter 2001, 23). Gleichzeitig stellt sich aber die Frage, ob die Akteure aufgrund ihrer beschränkten Rationalität auch in der Lage sind, alle relevanten Informationen zu finden und diese richtig zu verarbeiten (vgl. Schlüchter 2001, 24). Sollte dies nicht gelingen und ist mit einer Informationsüberflutung zu rechnen, steigt die Unsicherheit der Unternehmen auf elektronischen Märkten.
Neben den bereits angesprochenen Vor- und möglichen Nachteilen, werden in der Literatur weitere Chancen und Risiken für die Teilnahme auf elektronischen Märkten diskutiert. Tabelle 3-1 stellt eine Synthese dieser Diskussion aus Anbieter-, Nachfrager- und Betreibersicht dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3-1: Chancen & Risiken der Teilnahme an elektronischen Märkten [Eigene Darstellung]
Die Analyse der Literatur macht deutlich, dass sich hinter dem Begriff des elektronischen Marktes zahlreiche Gestaltungsvarianten verbergen. Nicht alle wirken sich jedoch auf die Beziehungsqualität in industriellen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen aus. Im Weiteren werden deshalb nur jene Parameter näher spezifiziert, deren Einfluss später in der Studie auch untersucht werden.
Bei einer Austauschbeziehung auf elektronischen Märkten wird neben der traditionellen Tauschbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager ein dritter Marktakteur eingeschaltet - der Betreiber des Marktplatzes. Diese dritte Partei führt in seiner Funktion keine Transformation an der ausgetauschten Leistung durch. Vielmehr stellt er eine Informations- und Vermittlungsleistung zur Verfügung, die für das Zustandekommen der Transaktion entscheidend ist (vgl. Kollmann 2000, 128). Grundsätzlich kann jeder Marktteilnehmer oder auch ein unabhängiger Dritter den Marktplatz betreiben:
a) Käuferbetriebener elektronischer Marktplatz
Käuferbetriebene Märkte werden durch einen einzelnen oder einen Zusammenschluss einiger (weniger) Nachfrager betrieben. Ihr primäres Ziel liegt darin, die Beschaffung der Betreiberunternehmen selbst effizienter zu gestalten und gegebenenfalls neue Lieferanten, durch z.B. Ausschreibungen oder Reverse Auktionen, zu akquirieren (vgl. Satzinger/Heusler/Helm 2001, 41). Speziell in Branchen mit einer hohen Konzentration auf der Einkaufsseite können diese Marktplätze Eigenschaften einer Buy-Site-Lösung aufweisen (Wirtz 2001, 325).[34] Insofern stellen solche Marktplätze die logische Weiterentwicklung unternehmensindividueller Einkaufs-Homepages dar (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 11). Wie angedeutet, geht die treibende Kraft für die Akzeptanz und Durchsetzung im Markt hier von der Marktmacht der Anbieter aus. Speziell kleine und mittlere Unternehmen verfügen oft nicht über diese notwendige Macht und werden sich auf die Transaktionssysteme ihrer Abnehmer einstellen (müssen). Während Abnehmer erhebliche Transaktionskostenvorteile realisieren können, werden sich für die Zulieferer kaum Kostenvorteile ergeben (vgl. Boysen 2001, 145). Paradebeispiel für einen stark hierarchisch strukturierten Industriezweig ist die Automobilbranche mit ihrer Einkaufsplattform Covisint.[35]
b) Verkäuferbetriebener elektronischer Marktplatz
Bei einem verkäuferbetriebenen elektronischen Marktplatz handelt es sich um die spiegelbildliche Lösung zum ersten Modell. Ein einzelner (großer) oder einige wenige Anbieter sind Betreiber der Handelsplattform. Verkäuferbetriebene Märkte entstehen speziell bei stark fragmentierten Nachfragerstrukturen, auf denen die wenigen Anbieter ihre Macht durchsetzen. Folglich werden speziell die Anbieter ihre Transaktionskosten senken (vgl. Satzinger/Heusler/Helm 2001, 41). Gegenüber klassischen 1:n-Vertriebslösungen, kann über derartige Verkaufs-Marktplätze häufig eine größere Nachfragergruppe erreicht werden (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 11). Ursache ist das breitere Angebot durch mehrere Anbieter.
c) Intermediär als Betreiber
Diese „beidseitigen“ Handelsplattformen beabsichtigen, eine neutrale und objektive Infrastruktur für den Handel zwischen Unternehmen bereitzustellen. Dafür ist von den teilnehmenden Unternehmen in aller Regel ein Entgelt für dessen Nutzung (Grundgebühr, transaktionsabhängige Gebühren etc.) zu entrichten (vgl. Satzinger/Heusler/Helm 2001, 41).[36] Deshalb wird schon aus rein wirtschaftlichen Interessen meist weder die Teilnahme von Anbietern als auch von Nachfragern beschränkt (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 11). Der Entwicklung von Intermediärmärkten wird die größte Entwicklung voraus gesagt (vgl. Grewal/Comer/Mehta 2000, 19). Sie sind besonders auf polypolistischen Märkten, wo viele Nachfrager vielen Anbietern gegenüber stehen, von Vorteil. Durch den Aufbau neutraler Marktplätze kann hier auf beiden Seiten die Transparenz erhöht werden. Die Kosten der Informationsbeschaffung sinken und die Informationsqualität steigt (vgl. Schlüchter 2001, 39). Gegen die Entwicklung neutraler Märkte spricht die Tatsache, dass bei käufer- und verkäufergetriebenen elektronischen Marktplätzen die betreibenden Unternehmen bereits ein bestehendes Netzwerk an Zulieferern bzw. Abnehmern bei der Implementierung der Plattform mitbringen, das Intermediäre erst aufbauen müssen (vgl. Trepp 2000, 24). Hinzu kommt, dass die großen Betreiberfirmen über einen größeren finanziellen Spielraum verfügen.
Der Preisbildungsmechanismus wird oft als das zentrale Charakteristikum elektronischer Märkte angesehen, da diese, in Abgrenzung zu Portalen, über die eigentliche Informationsbereitstellung hinausgehen sollten (vgl. Müller 1999, 217). Es kommen grundsätzlich zwei verschiedene Verfahren in Betracht: die fixe und die variable Preisfindung.
Die traditionelle Variante ist der vorgegebene (fixe) Preis, welcher vom Handelspartner akzeptiert oder abgelehnt werden kann. Zusätzlich kann zwischen allgemeinen und kundenindividuellen Festpreisen unterschieden werden (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 25). Kundenindividuelle Festpreise ergeben sich zum einen auf der Basis von Rahmenverträgen zwischen Zulieferer und Abnehmer mit individuellen Sonderkonditionen und zum anderen durch Preisdifferenzierung. Teilt der Anbieter die Nachfrager selbst in unterschiedliche Gruppen ein und bietet jeder der festgelegten Gruppen einen Preis an, existiert keine Selbstselektion (vgl. Skiera/Spann 2000, 547). Demgegenüber bietet der Anbieter bei Preisdifferenzierung mit Selbstselektion, das prinzipiell gleiche Produkt in verschiedenen Varianten zu unterschiedlichen Preisen an und der Käufer entscheidet selbstständig über die für ihn geeignetste Variante mit dem damit verbundenen Preis (vgl. Skiera/Spann 2000, 547).
Die Form des Festpreises ist kennzeichnend für Marktplätze auf Katalogbasis (vgl. 3.3.2.4). Aber auch bei der klassischen Ausschreibung handelt es sich um einen statischen Preismechanismus, wenn Angebote ohne Kenntnis der anderen Lieferanten abgegeben werden (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 25). Der Lieferant agiert als Anbieter und unterbreitet sein Angebot für die ausgeschriebene Leistung. Der Abnehmer entscheidet dann auf der Basis der Angebote der anderen Anbieter, ob er das Angebot annimmt oder nicht.
Die zweite Möglichkeit ist die Verwendung der variablen Preisfindung als dynamischer Mechanismus zur Preisfestlegung. Hier steht die Verhandlungsphase im Vordergrund. Der Vergleich von Geboten und Gegengeboten spielt eine zentrale Rolle. Folglich besteht der Nachteil der variablen Preisfindung in den höheren Transaktionskosten in der Verhandlungsphase (vgl. Reichwald/Hermann/Bieberbach 2000, 542). Hier bringen die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und speziell das Internet eine deutliche Verbesserung. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die variable Form der Preisbildung verstärkt durchsetzen wird. Dynamische Preisbildungsmechanismen sind aus Sicht der Anbieter, gegenüber einem Festpreissystem, besonders dann von Vorteil, wenn eine hohe Unsicherheit über den erzielbaren Preis besteht (vgl. Reichwald/Hermann/Bieberbach 2000, 542). Es sind grundsätzlich drei verschiedene Varianten möglich:
- Auktion,
- Börse und
- Verhandlung.
Die wohl populärste Möglichkeit ist die der Auktion, bei der Güter und Dienstleistungen versteigert werden. Auktionen sind entweder als Verkaufsauktion („Forward Auction“ - der Preis steigt) oder Beschaffungsauktion („Reverse Auction“ - der Preis fällt) ausgeprägt, bei denen es den Teilnehmern erlaubt ist, während einer begrenzten Laufzeit auf ein Angebot nach festgelegten Regeln zu bieten (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 25). Verkaufsorientierte Auktionen werden meist zur Versteigerung von Rohstoffen, Überbeständen und Gebrauchtwaren verwendet (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 499). Darüber dienen diese Auktionen als Instrument zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften von neuen Produkten und als Marketinginstrument (vgl. Streich 2001, 178). Es können verschiedene Formen von (Vorwärts-) Auktionen unterschieden werden (vgl. Streich 2001, 173f):
- Englische Auktion
Die klassische Auktionsvariante, bei der das höchste Gebot den Zuschlag erhält und dieses auch zu zahlen ist. Die Gebote werden offen abgegeben und eine mehrfache Angebotsabgabe ist möglich.
- Holländische Auktion
Vorgabe eines Startpreises, der sukzessive gesenkt wird. Der erste Bieter, der bereit ist den aktuellen Preis zu zahlen, erhält den Zuschlag.
- Verdeckte Höchstpreisauktion[37]
Die Angebotsabgabe erfolgt geheim und einmalig. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag. Dies entspricht der klassischen Form der Ausschreibung.
- Vickrey-Auktion[38]
Die Angebotsabgabe erfolgt geheim und einmalig. Der Bieter mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag, nun aber zum zweithöchsten Preis.[39]
- Doppelte Auktion
Sowohl der Anbieter als auch Nachfrager bieten. Sobald einer der beiden Teilnehmer das Angebot akzeptiert, kommt es zum Abschluss. Entspricht der elektronischen Form des Verhandelns.
Im Gegensatz zur Verkaufsauktion, stellen einkauforientierte Auktionen eine Erweiterung des Ausschreibungsmechanismus dar, bei der Bieter die Möglichkeit erhalten, ihre Gebote kontinuierlich nachzubessern (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 499). Sei eignen sich vor allem für Spezialprodukte, für die es aufgrund der Einzelfertigung keinen Markt gibt. Außerdem sollte das beschaffende Unternehmen über eine entsprechende Marktmacht verfügen (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 498). Grundsätzlich können die gleichen Verfahren wie bei der Vorwärts-Auktion angewendet werden. Nun allerdings auf der Basis des niedrigsten Gebotes bzw. fallender Preise.
Eine weitere Spielart der dynamischen Preisfindung sind Börsen. Börse ist die Bezeichnung für einen regelmäßig stattfindenden Markt für fungible Güter, deren Beschaffenheit allgemein bekannt und deren Mengen untereinander austauschbar sind (vgl. Müller 1999, 225). Da sich der Preis durch den automatisierten Abgleich von Angebot und Nachfrage ergibt, lassen sich keine lieferantenseitige und kundenseitige Märkte unterscheiden. Bei Börsen handelt es sich oftmals um Spotmärkte für relativ genau spezifizierte Commodities, also Rohstoffe und Standardprodukte, die homogen sind und primär über den Preis gehandelt werden (vgl. Müller 1999, 225). Das grundlegende Ziel von Börsen besteht in einer möglichst breiten Anbieter- und Nachfragerseite, die für die Preisfindung an Börsen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 25).
Eine letzte Form stellen Verhandlungen dar. Neben der bereits erwähnten Form der Doppelten Auktion, können sich die Marktteilnehmer in virtuellen Verhandlungsräumen treffen. Speziell die Kommunikation via Chat oder E-Konferenzen bietet sich an. Allerdings sind aktuell speziell den Möglichkeiten der elektronischen Bildübermittlung noch Grenzen gesetzt, die auf mangelnder Kapazität der Datennetze und Rechner beruhen.
Ein primärer Bestandteil jeder Transaktion ist das Fulfillment. Als Fulfillment „wird das Aufgabenbündel definiert, welches benötigt wird, um den physischen Warenübergang der Ware vom Zulieferer zum Abnehmer zu gewährleisten. Neben der Planung, Steuerung und Kontrolle der Transport-, Lager-, Umschlags- sowie Verpackungs- und Signierungsprozesse umfasst das Fulfillment auch Leistungen, die über diese einzelnen Leistungskomponenten hinausgehen. Kennzeichnend ist das Angebot einer Verbundleistung aus Transport, Umschlag, Lagerung, Verpackung und durchgängiger Informationsübermittlung sowie der Auftragsübermittlung“ (Stölzle/Heusler 2001, 142). Die Bedeutung des Fulfillment im Allgemeinen und der Logistik im Speziellen wird auf elektronischen Marktplätzen vor dem Hintergrund deutlich, dass bereits geringe Verzögerungen bei der Auftragsabwicklung zum K.O.-Kriterium für zukünftige Einkäufe werden. Dennoch ist die Übernahme des Fulfillment nicht für alle Marktplätze zwingend. Kommt der Unterstützung der logistischen Abwicklung durch den Marktplatzbetreiber bei sporadischen Geschäftsbeziehungen eine zentrale Rolle zu, ist dies bei engen Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen, mit fest verteilten Rollen, nicht immer so (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 10). Die Geschäftspartner besitzen hier meist schon etablierte Logistiklösungen und der Marktplatzbetreiber nimmt lediglich eine Vermittlerrolle ein.
Es ergeben sich generell drei Möglichkeiten für das Fulfillment auf elektronischen Marktplätzen, die primär von den Branchenstrukturen und traditionellen Logistikbeziehungen abhängen. Dort, wo existierende Logistikbeziehungen fehlen, weil völlig neue Lieferanten und Kunden aufeinander treffen oder geografisch neue Märkte erschlossen werden, kann der Marktplatz die logistische Dienstleistung selbst ausführen oder ein angeschlossenes Unternehmen beauftragen (intern) (vgl. Carstensen 2001, 166). Dies ist besonders dann von Bedeutung, wenn der Marktplatzbetreiber zusätzliche Value-Added-Services anbietet oder diese Dienstleistung Bestandteil des Geschäftsmodells ist.
Im Rahmen der externen Vergabe des Fulfillment liegt die zweite Gestaltungsalternative: Der Marktplatzbetreiber kann Aufträge an verschiedene fremde Logistikdienstleister übertragen. Maßgebliche Beurteilungskriterien einer „Make or Buy“-Entscheidung logistischer Dienstleistungen bilden die Parameter Kosten, Flexibilität, Qualität und Sicherheit (vgl. Engelke 1997, 58). Gerade neutrale Marktplätze als Startups werden in der Regel zu einem weitgehenden Outsourcing von Auftragsabwicklungsprozessen keine Alternative haben, da ihnen die entsprechende Koordinations- und Logistikkompetenz fehlt (vgl. Wirtz 2001, 164). Demgegenüber besitzen von großen Firmen geführte Verkäufer- oder Käufermarktplätze meist eigene Logistikkompetenz.
Bei Branchen mit etablierten Logistikbeziehungen, die zudem hohe logistische Anforderungen stellen, kann man kurz- bis mittelfristig erwarten, dass die etablierte Beziehung zwischen Verkäufer oder Käufer und Logistiker bestehen bleibt (vgl. Carstensen 2001, 166). Diese Konstellation führt zur dritten Möglichkeit des Fulfillment, bei der die Phase der Auftragsabwicklung vollständig den Marktteilnehmern überlassen wird. Der Marktplatz unterstützt die Transaktion lediglich in der Informations- und Entscheidungsphase zur Verbesserung der Informationsversorgung und Rationalisierung der Verhandlungs- bzw. Bestellmodalitäten.
Der Reputation des Marktplatzbetreibers und eines möglichen Logistikdienstleisters kommt auf elektronischen Märkten eine wichtige Rolle zu.[40] Eine hohe Reputation reduziert vor dem Kauf die Unsicherheit des Nachfragers bezüglich erst nach dem Kauf beobachtbarer Qualitätseigenschaften eines Gutes (vgl. Büschken 1999,1). Folglich werden unter Reputation Maßnahmen zum Aufbau von Vertrauen (vgl. Abschnitt 4.3.2.3) verstanden, um Informationsasymmetrien in Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen und damit verbundene Risiken für den Abnehmer zu kompensieren (vgl. Satzinger/Heusler/Helm 2001, 46). Reputation erwirbt sich ein Anbieter aufgrund seiner fachlichen Kompetenz, Zuverlässigkeit und Produktqualität (vgl. Spreman 1988, 618f). Über das Substitut Reputation nutzt der Konsument die in der Vergangenheit beobachtete Leistungserfüllung des Anbieters, um daraus auf die aktuelle und zukünftige Leistungsfähigkeit und Leistungswillen zu schließen (vgl. Wilke 2000, 262). Entgegengesetzt geht in späteren Phasen der Beziehung die Wahrnehmung reputationsinduzierter Signale häufig mit einem Verzicht der Abnehmer auf die Forderung nach Selbstbindungen des Anbieters einher. Insofern können Reputation und Selbstbindung in einem substitutionalem Verhältnis zueinander stehen(vgl. Stölzle 2000, 15).
Grundsätzlich besitzt sowohl der Markplatzbetreiber als auch der Logistikdienstleister die Möglichkeit, sich über geeignete Maßnahmen eine Reputation aufzubauen. Ein Ansatz besteht in der Kooperation mit Partnern, die bereits eine hohe Reputation besitzen, um positive Imagetransfereffekte zu realisieren (vgl. Grabner-Kräuter 2001, 24). Eine andere Strategie sind die Errichtung von Virtual Communities. Deren Wirkung ist umso größer, je (vgl. Büschken 1999, 10):
- ähnlicher die Situation des Kunden und des Erfahrungsträgers ist,
- größer der mögliche Schaden der Transaktion für den Nachfrager ist,
- geringer die eigene Erfahrung des Abnehmers mit dem Anbieter ist und
- glaubwürdiger der Erfahrungsträger ist.
Schließlich fördert die Zertifizierung der Qualität durch unabhängige, anerkannte Instanzen, sog. „Trusted Third Parties“, den Reputationsaufbau. Für den Logistikdienstleister bietet sich neben der Zertifizierung zusätzlich eine Logistik-Auditierung zur Reputationsförderung an (vgl. Pfohl/Gareis/Stölzle 1999, 5ff).
Neben den in der vorliegenden Untersuchung thematisierten Gestaltungsoptionen, existieren andere Kriterien, die jedoch aus Komplexitätsgründen bei der Befragung der Unternehmen nicht berücksichtigt werden. Einige dieser Ausprägungen sollen im folgenden abschließend kurz erläutert werden.[41]
Hinsichtlich der Ausrichtung von elektronischen Marktplätzen kann zwischen horizontalen und vertikalen Marktplätzen unterscheiden werden. Erweitert man diese Untergliederung auf Anbieter und Nachfrager, entstehen vier Marktplatztypen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3-2: Marktplatztypen nach handelnden Branchen
Quelle: Bogaschewsky/Müller 2000, 12.
Von einem vertikalen Marktplatz kann gesprochen werden, wenn die Nachfrager aus einer oder wenigen Branchen kommen (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 12). Entsprechend der Breite des Angebots wird zwischen breit (broad) und eng (narrow) unterschieden. Narrow Horizontal dürfte sich v.a. bei Standardprodukten, die branchenunabhängig benötigt werden, durchsetzen, da durch die Branchenerweiterung mit Liquiditätsvorteilen zu rechnen ist. Narrow Verticals sind hingegen eher für spezifische Produkte, wie bspw. Investitionsgüter, interessant.
Broad Verticals vertreten die Einstellung, dass Unternehmen einer Branche Güter aus unterschiedlichen Branchen beschaffen müssen. Broad Horizontals sollten trotz möglicher Größenvorteile mit Vorsicht betrachtet werden, da eine notwendig fundierte Marktkenntnis aller Branchen illusorisch erscheint (vgl. Bogaschewsky/Müller 2000, 12f). Dennoch lässt sich vor dem Hintergrund der Erlösdiversifikation eine Tendenz von vertikal zu horizontal und von eng zu weit prognostizieren.
Neben der Ausrichtung können elektronische Marktplätze hinsichtlich ihres Zugangs unterschieden werden. Während offene Marktplätze grundsätzlich frei zugänglich sind, unterliegen geschlossene Marktplätze Zugangsbeschränkungen, die seitens des Betreibers festgelegt werden (vgl. Boysen 2001, 142). Mögliche Ausschlusskriterien könnten die Branchenzugehörigkeit oder Kredit-Ratings sein. Beschränken diese Restriktionen auf der einen Seite die Anzahl möglicher Marktteilnehmer, erhöhen sie auf der anderen Seite das Vertrauen in den Marktplatz durch bspw. Ausschluss von Firmen mit geringer Bonität.
Die Synthese von Beschaffung und E-Commerce respektive elektronischer Märkte führt zum Begriff der elektronischen Beschaffung, im angelsächsischen Sprachgebrauch Electronic Procurement (E-Procurement) genannt. Der Begriff des E-Procurement subsumiert in der vorliegenden Arbeit die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung und Integration von Beschaffungsprozessen (vgl. Koppelmann/Brodersen/Volkmann 2001, 79).[42] Elektronische Beschaffungsunterstützung ist jedoch kein neues Konzept, das bereits seit längerer Zeit vor allem in der produktionsnahen, direkten Beschaffung mittels EDI-Systemen eingesetzt wird. Diese proprietären Systeme haben sich jedoch aufgrund ihrer hohen Kosten, Komplexität und eingeschränkten Funktionalität nicht durchgesetzt. Letztendlich verhalf erst die Entwicklung der Internettechnologie dem Electronic Procurement zum Durchbruch.
Das Ziel des Einsatzes von E-Procurement-Lösungen liegt eindeutig in der Beseitigung der bestehenden Schwächen traditioneller Beschaffungsprozesse (vgl. Abschnitt 3.1.3). Es ergeben sich Änderungen im operativen wie auch strategischen Beschaffungsbereich. Die Nutzenpotenziale auf operativer Ebene können dabei in drei Bereichen erschlossen werden (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 490f): Kostenreduktion, Zeitersparnis und Qualitätssteigerung.
Der Großteil der Kostenreduktion ist aus der Senkung der Prozesskosten zu erwarten und weniger durch Einsparungen der Einkaufpreise (vgl. Dudenhöffer 2001, 201).[43] Insbesondere bei der Beschaffung geringwertiger, nicht betriebswichtiger Artikel sind die Prozesskosten oft höher als der Beschaffungswert der Güter.
Die Zeitersparnis resultiert in erster Linie aus einer Automatisierung der Abläufe bei gleichzeitiger Reduktion manueller Prozessschritte. Durch die Einsparung von Entscheidungswegen lassen sich deutliche Verkürzungen der Bestellzeiten erzielen (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 491).
Dritter Punkt ist die Qualitätsverbesserung im operativen Bereich. Die elektronische Generierung und Übermittlung der Bestell- und Rechnungsdaten vermeidet Medienbrüche und die, durch mehrfache Erfassung, bedingte Fehlerquote sinkt (vgl. Wirtz/Eckert 2001, 154).
Auf strategischer Ebene wirken sich die beschriebenen Verbesserungen positiv auf die Wettbewerbssituation des Unternehmens aus, da Durchlaufzeit und Qualität von Aufträgen verbessert werden und die Kosteneinsparungen an den Kunden durchgereicht werden können. Durch die Reduktion operativer Tätigkeiten der Mitarbeiter, werden Kapazitäten freigesetzt, die zur Optimierung der Lieferantenbeziehung, einer intensiveren Marktrecherche oder einer Verbesserung der Beschaffungsstrategie genutzt werden können (vgl. Brenner/Zarnekow 2001, 491).
Neben den angeführten Potenzialen, existieren aber auch Hemmnisse der Nutzung elektronischer Beschaffung. Dazu zählen (vgl. Lasch 2001, 21f):
- rechtliche Unsicherheiten (vgl. Abschnitt 3.2.3),
- Vertraulichkeits- und Sicherheitsmängel (vgl. Abschnitt 3.2.3),
- unausgereifte Technologien,
- Komplexität der angebotenen Lösungen,
- hohe Investitionskosten,
- die noch ausstehende Anpassung der Standards und
- die zu geringe Anzahl von Lieferanten mit Internetpräsenz.
Die Implementierung von E-Procurement erfordert eine Anpassung der Geschäftsprozesse, die sich auf den Kernprozess der Beschaffung bezieht und neben einer Prozessoptimierung, durch eine adäquate Ablauforganisation auch die Neugestaltung der Beschaffungsstrukturen hinsichtlich Aufbau- und Ablauforganisation umfasst (vgl. Brumberg et al. 2001, 34).
Als zentral für den Nutzen einer E-Procurement-Lösung erweisen sich die Eigenschaften der Beschaffungsgüter. Für die elektronische Beschaffung eignen sich demnach besonders homogene, standardisierbare Produkte, mithin indirekte Materialien oder Commodities (vgl. stellvertretend Wirtz/Eckert 2001, 156). Je mehr ein Produkt in seinen Eigenschaften standardisierbar ist, desto besser und eindeutiger kann es über elektronische Medien beschrieben und in Beschreibungsrastern kategorisiert werden.
Ein Modell zur Klassifizierung elektronischer Märkte zur Unterstützung der Beschaffung haben Kaplan/Sawhney (2000a, 78ff) entwickelt:[44]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[45]
Tabelle 3-3: Typologisierung elektronischer Märkte
Quelle: in Anlehnung an Kaplan/Sawhney 2000b, 58.
In dieser zweidimensionalen Matrix werden anhand des Verwendungszwecks der Handelsobjekte und der Transaktionshäufigkeit insgesamt vier unterschiedliche Varianten des E-Procurement über elektronische Märkte unterschieden.
Der Vorteil dieser Klassifizierung liegt, vor dem Hintergrund der arbeitsrelevanten Thematik, einerseits in der ausschließlichen Berücksichtigung elektronischer Märkte. Andererseits erfolgt die Typologisierung unter Maßgabe des Beschaffungsverhaltens der Unternehmen.[46]
[...]
[1] Der Begriff des Electronic Commerce (E-Commerce) erfreut sich in der wissenschaftlichen Literatur einem nahezu inflationärem Gebrauch. Für eine Übersicht verschiedener Definitionen vgl. Wamser (2000, 6) oder Wirtz/Krol (2001, 335). Dieser Arbeit zugrunde liegt die allgemeine Perspektive von Hermanns/Sauter (2001), wonach E-Commerce alle Formen der elektronischen Geschäftsabwicklung über öffentliche und private Computernetze subsumiert (vgl. Hermanns/Sauter 2001, 16).
[2] Für ausführliche Arbeiten zum E-Commerce vgl. Herrmanns/Sauter 1999 oder Wirtz (2000). Im Bereich der Beschaffung sei auf die Standardwerke von Koppelmann (1995) und Arnold (1997) verwiesen. Mit der Qualität industrieller Zuliefer-Abnehmer-Beziehung beschäftigt sich u. a. Anderson/Narus (1990), Naudè/Buttle (2000) und Hennig-Thurau (2000).
[3] Für nähere Ausführungen zu elektronischen Märkten, vgl. Abschnitt 3.2 dieser Arbeit.
[4] Spezifische Investitionen sind die Investitionen, die nur für die Beziehung getätigt worden sind und die nahezu wertlos werden, wenn die Beziehung abbricht (vgl. Gierl/Böhme/Satzinger 2000, 58).
[5] Vgl. stellvertretend zur generellen Kooperationsforschung Rüdiger 1998, 28ff.
[6] Dazu zählen bspw. die Größe der Unternehmung oder deren Umwelt in Form von Komplexität und Unsicherheit (vgl. Werner 1997, 20f).
[7] Zur Ressourcenabhängigkeits-Theorie, vgl. Kiedaisch 1997, 41ff oder Stölzle 1999, 68ff.
[8] Bei der IMP-Group handelt es sich um einen Forschungsverband europäischer Marketingwissenschaftler.
[9] Da sich die vorliegende Arbeit auf bilaterale Kunden-Lieferanten-Beziehungen fokussiert, werden andere theoretische Erklärungsmuster wie der Netzwerkansatz aus dem Bereich der Systemtheorie ausgeklammert. Der interessierte Leser sei an dieser Stelle auf Stölzle (1999, 89 ff) verwiesen.
[10] Die Bewertungskriterien sind: Theoretische Attraktivität, Gestaltungsorientierung, Integrationskraft und Anpas-sungsfähigkeit. Für die vergleichende Beurteilung der theoretischen Erklärungsmuster, vgl. Stölzle 1999, 130.
[11] Zur Definition der Begriffe Markt, Hierarchie und Hybridform, vgl. Boysen 2001, 17f, 25f, 27f.
[12] Natürlich besitzen auch die anderen Determinanten einen Einfluss auf die Transaktionskosten. Es sei an dieser Stelle stellvertretend auf Werner 1997, 28 ff verwiesen.
[13] Auf Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen übertragen, möchte der Zulieferer (Agent) seinen Gewinn maximieren, während der Abnehmer (Prinzipal) seine Kosten minimieren möchte.
[14] Auch als Hold up bezeichnet (vgl. Stölzle 1999, 56).
[15] Bezieht sich diese fehlende Ex-ante-Beobachtbarkeit des Verhalten des Agenten primär auf relevante In-formationen zur Leistungserstellung, wird synonym auch von Hidden Information gesprochen (vgl. Stölzle 1999, 57).
[16] Ein Beispiel sind negative Sanktionen bei Verletzung der Vertragsbedingungen, wobei zu beachten ist, dass Sanktionen keine positiven Leistungsanreize induzieren (vgl. Stölzle 1999, 59).
[17] Zwar existieren auch verhaltensbezogene Anreizsysteme, aber bei Hidden Action bleibt ja gerade das wahre
Anstrengungsniveau des Agenten auch ex-post verborgen.
[18] Für eine weitergehende Kritik der Agency-Theorie, vgl. Stölzle 1999, 60ff.
[19] Für eine detaillierte Erläuterung der geschilderten Agency-Probleme im Lichte einer Zuliefer-Abnehmer-Beziehung, vgl. Large 1999, 254f.
[20] Weitreichende Ausführungen zum Begriff des „Konzeptes“ gibt Stölzle 2000, 143ff.
[21] Als Beurteilungskriterien wurden die praktische Attraktivität, die theoretische Fundierung, die Integrationskraft und die Anpassungsfähigkeit herangezogen.
[22] Lambert/Emmelhainz/Gardner (1996, 2ff) haben in diesem Zusammenhang ein Partnerschaftsmodell des Supply Chain Management entwickelt, auf das an dieser Stelle aus Komplexitätsgründen verzichtet werden soll.
[23] Kurbel/Szulim/Teuteberg (1999, 78ff) haben versucht, diese Effekte für die Porter´sche Wertschöpfungskette, anhand von Auswertungen amerikanischer Einträge in eine Referenzdatenbank, darzustellen.
[24] Im angelsächsischen Sprachgebrauch „Relationship Marketing“ genannt.
[25] Auf die Erfolgsfaktoren wird ausführlich in Abschnitt 4.4.2 im Rahmen der Entwicklung des Beziehungsmodells eingegangen.
[26] Beispielhaft sei auf die Mitarbeiterrekrutierung durch das Personalwesen verwiesen.
[27] Eine Kategorisierung, der für die vorliegende Studie relevanten Beschaffungsgüter findet in Abschnitt 4.4.1.1 statt.
[28] Dudenhöffer (2001, 203) bezeichnet letztere Form als systematischer Einkauf.
[29] Dabei handelt es sich nach Schmid (1993, 468) um elektronische Märkte im weiteren Sinne. Demgegenüber unterscheidet er elektronische Märkte im engeren Sinne, die alle Phasen der Markttransaktion unterstützen. Dies würde jedoch der heutigen Funktionalität elektronischer Märkte, im Sinne einer zu engen Definition, nicht gerecht werden.
[30] Synonyme Bezeichnungen sind „E-Hub“ (vgl. Kaplan/Sawhney 2000a) oder „virtueller Marktplatz“ (vgl. Kollmann 2000a).
[31] Die Literatur spricht auch von Buy-Site- und Sell-Site-Lösungen. (vgl. Wirtz 2001, 329).
[32] Zu den Verfahren der Preisbildung, vgl. Abschnitt 3.2.4.4.
[33] Garicano/Kaplan (2000) weisen diesen Effekt für einen Internet-Autohandel empirisch nach.
[34] Dies trifft in umgekehrter Weise auch für den verkäuferbetriebenen elektronischen Markt zu.
[35] Covisint ist ein von DaimlerChrysler, Ford, General Motors, Renault und Toyota gemeinschaftlich betriebener elektronischer Marktplatz. Vgl. www.covisint.com.
[36] Für eine Übersicht verschiedener Gebührenmodelle, vgl. Rentmeister/Klein 2001, 357.
[37] Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dieser Auktionsform nicht um eine variable Preisfindung im engeren Sinne handelt. Vgl. dazu die Ausführungen zu Festpreisen.
[38] Vgl. Fußnote 37.
[39] Zur Kritik an der Vickrey-Auktion im Internet, vgl. Lucking-Reiley 2000, 190.
[40] Zur Bedeutung der Reputation speziell bei Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen über elektronische Märkte, vgl. Abschnitt 4.4.3.1.
[41] Für einen morphologischen Kasten möglicher Konfigurationen elektronischer Marktplätze vgl. Klein/Gogolin /Dziuk 2002, 9.
[42] Ein häufig zitierte Definition stammt von Bogaschewsky (1999, 14), die auf der Grundlage des Internets beruht. Diese Auffassung greift nach Ansicht des Autors zu kurz, da bspw. auch private Netzwerke, die nicht auf der Technologie des Internet beruhen, dem E-Procurement zuzurechnen sind.
[43] Helm et al. (2002, 350) bestätigen diese Erwartungshaltung empirisch.
[44] Für die deutsche Übersetzung des Artikels vgl. Kaplan/Sawhney 2000b.
[45] MRO (maintenance, repair, operating) = Betriebsmittel zur Wartung, Reparatur und Unterhaltung.
[46] Für eine alternative Klassifizierung, vgl. Kersten 2001, 26.
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