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Mehr InfosDiplomarbeit, 2006, 150 Seiten
Diplomarbeit
Universität Bremen (11, Human- und Gesundheitswissenschaften, Psychologie und Kognition)
1,0
Einleitung
1. Definition des Konstrukts Kreativität
2. Geschichte der Kreativitätsforschung
3. Methoden der Kreativitätsforschung
3.1 Psychometrische Methoden
3.2 Experimentelle Methoden
3.3 Biografische Methoden
3.4 Kontextuelle Methoden
3.5 Methodenkritik
4. Identifizierung der kreativen Person
4.1 Das Produkt als Urteilsgegenstand
4.2 Die Persönlichkeit als Urteilsgegenstand
4.3 Der Prozess als Urteilsgegenstand
4.4 Systemischer Ansatz
5. Verfahren zur Erfassung kreativer Fähigkeiten
5.1 Tests zur Ermittlung des Grades divergenten Denkens
5.2 Einstellungs- und Interesseninventare
5.3 Persönlichkeitsinventare
5.4 Biografische Inventare
5.5 Einschätzungen von Lehrern, gleichgestellten Gruppenmitgliedern (Peers) und Supervisoren
5.5.1 Beurteilung durch Lehrer
5.5.2 Beurteilung durch Peers
5.5.3 Beurteilung durch Supervisoren
5.6 Beurteilung von Produkten
5.7 Selbstberichtete kreative Aktivitäten und Erfolge
5.8 Andere Verfahren der Messung der Kreativität
6. Diskussion
7. Analyse der Beziehung des kreativen Prozesses zum Problemlösungsprozess
7.1 Phasen des kreativen Prozesses
7.1.1 Kritik der Phasenmodelle des kreativen Prozesses
7.2 Phasen des Problemlösungsprozesses
7.2.1 Kritik der Phasenmodelle des Problemlösungsprozesses
7.3 Vergleich der Phasenmodelle
7.4 Charakteristika des kreativen Prozesses
7.4.1 Theorien des kreativen Prozesses
7.4.1.1 Psychodynamische Ansätze
7.4.1.2 Kognitive Ansätze
7.4.1.2.1 Ausdehnung von Konzepten
7.4.1.2.2 Konzeptuelle Kombination
7.4.1.2.3 Kreative Imagination
7.4.1.3 Assoziationistische Ansätze
7.4.2 Funktion wichtiger Phasen des kreativen Prozesses
7.4.2.1 Inkubation
7.4.2.2 Einsicht
7.4.2.3 Problemfindung
7.4.3 Diskussion
7.5 Charakteristika des Problemlösungsprozesses
7.5.1 Problemdefinition
7.5.2 Klassifikation von Problemen
7.5.3 Determinanten der Problemschwierigkeit
7.5.3.1 Merkmale des Problems
7.5.3.2 Merkmale der Person
7.5.4 Theorien des Problemlösens
7.5.4.1 Assoziationstheorie
7.5.4.2 Gestaltpsychologie
7.5.4.3 Funktionalismus
7.5.4.3.1 Theorie des Problemlösens von Newell und Simon
7.5.4.3.2 Theorie des Problemlösens als Informations-verarbeitung von Dörner
7.5.4.3.3 Allgemeine Merkmale des Problemlösungsprozessesnach dem Informationsverarbeitungsansatz
7.5.4.3.4 Merkmale einfachen und komplexen Problemlösens
7.5.5 Diskussion
7.6 Diskussion der Beziehung zwischen beiden Prozessen
7.6.1 Gemeinsamkeiten zwischen Kreativität und Problemlösen
7.6.2 Unterschiede zwischen Kreativität und Problemlösen
7.6.3 Zum Verhältnis von Kreativität und Problemlösen
8. Persönlichkeitsvariablen
8.1 Zur Methodik der Persönlichkeitsforschung
8.2 Intelligenz
8.2.1 Theoretisch-definitorische Aspekte der Beziehung Kreativität –
Intelligenz
8.2.1.1 Kreativität als ein Aspekt der Intelligenz
8.2.1.2 Intelligenz als Aspekt der Kreativität
8.2.1.3 Kreativität und Intelligenz als sich überlappende Prozesse
8.2.1.4 Intelligenz und Kreativität als essentiell dasselbe Phänomen
8.2.1.5 Kreativität und Intelligenz ohne Beziehung zueinander
8.2.2 Diskussion
8.3 Kognitiver Stil
8.3.1 Theorien über kognitive Stile und ihre Beziehungen zur Kreativität
8.3.2 Diskussion
8.4 Motivation
8.4.1 Motivationsformen
8.4.1.1 Intrinsische Motivation
8.4.1.2 Selbstaktualisierung
8.4.1.3 Verstärkung
8.4.1.4 Psychische Konflikte
8.4.2 Diskussion
8.5 Affekt
8.5.1 Theorien des Affekts und seiner Verbindung zur Kreativität
8.5.1.1 Psychoanalytische Theorie
8.5.1.2 Kognitive Affektmodelle
8.5.1.3 Intrinsische Motivation
8.5.1.4 Spannung und Kreativität
8.5.1.5 Neugier
8.5.1.6 Integratives Modell des Affekts und der Kreativität
8.5.2 Diskussion
8.6 Wissen
8.6.1 Kreativitätstheorien und Wissen
8.6.2 Kreativitätsrelevante Aspekte des Wissens
8.6.2.1 Wissensumfang
8.6.2.2 Wissensstruktur
8.6.3 Diskussion
8.7 Heurismen
8.7.1 Heurismen beim kreativen Problemlösen
8.7.2 Metakognition
8.7.3 Diskussion
8.8 Traits
8.8.1 Integrative Theorien der Persönlichkeit und Kreativität
8.8.2 Diskussion
9. Die Bedeutung sozialer Einflüsse für die kreative Leistung
9.1 Familie
9.1.1 Familiäre Charakteristika kreativer Personen
9.2 Schule
9.2.1 Kritik des Schulsystems
9.2.2 Möglichkeiten der Kreativitätsförderung in der Schule
9.2.2.1 Verhalten des Lehrers
9.2.2.2 Lerntechniken
9.2.2.3 Unterrichtsformen
9.3 Organisation
9.3.1 Kreativitätsfördernde Faktoren in Organisationen
9.4 Gesellschaft
9.4.1 Kreativitätsfördernde Einflüsse der Gesellschaft
9.5 Diskussion
Schlusswort
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Kreativität zählt zu den wundersamsten Fähigkeiten des Menschen.
Alle bedeutenden wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen können als Produkte kreativen Denkens betrachtet werden. Aufgrund der Bedeutung kreativen Denkens für die Lösung von Problemen wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Untersuchungen der Voraussetzungen der kreativen Produktivität durchgeführt. Die Forschung wurde dabei von der Annahme geleitet, dass bestimmte soziale Einflüsse zur Entwicklung von Persönlichkeitseigenschaften beitragen, die das Auftreten spezifischer kognitiver Prozesse begünstigen, die sich in Form kreativen Denkens manifestieren.
Vor diesem Hintergrund soll auf Grundlage der Ergebnisse der Kreativitätsforschung im Rahmen dieser Arbeit versucht werden, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Faktoren an der Entstehung kreativer Leistungen beteiligt sind. Zu diesem Zweck soll im Folgenden die Bedeutung und Funktion spezifischer kognitiver Prozesse, Persönlichkeitsvariablen und sozialer Einflüsse für die Entstehung kreativer Ideen und Handlungen einer genauen Betrachtung unterzogen werden.
Beginnend mit einer Definition des Konstrukts Kreativität (Punkt 1.) wird nachfolgend ein Überblick über die Geschichte der Kreativitätsforschung gegeben (Punkt 2.) um im Text angeführte Theorien in ihrer Entwicklungslogik historisch einordnen zu können.
Punkt 3. beinhaltet die Beschreibung der wichtigsten Methoden und Messverfahren für die Datensammlung im Feld der Kreativitätsforschung.
Die Bedeutung externer Beurteilung einer neuen Idee auf ihre Kreativität und die damit verbundene Problematik, für diesen Zweck geeignete Kriterien zu finden, stehen im Zentrum von Punkt 4. Hier soll aufgezeigt werden, dass Kreativität keine immanente Eigenschaft eines Produktes ist, sondern als Prädikat zu betrachten ist, das diesem von mehr oder weniger kompetenten Personen verliehen wird.
Verfahren zur Beurteilung der Kreativität auf Grundlage der unter Punkt 4. beschriebenen Kriterien werden in Punkt 5. angeführt.
In der nachfolgenden Diskussion (Punkt 6.) werden die unter Punkt 5. vorgestellten Messverfahren einer kritischen Wertung unterzogen.
Im nächsten Abschnitt (Punkte 7. bis 7.6) werden Charakteristiken des kreativen Prozesses und des Problemlösungsprozesses vorgestellt und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Ziel ist es hier, eine mögliche Konvergenz oder Divergenz beider intellektueller Prozesse aufzuzeigen, die im Hinblick auf die Identifizierung kreativitätsspezifischer kognitiver Prozesse von Bedeutung ist.
Im nachfolgenden Abschnitt (Punkt 8. bis 8.8) wird ein Überblick über Persönlichkeitsfaktoren gegeben, von denen angenommen wird, dass sie in Zusammenhang mit kreativen Leistungen stehen. Diese umfassen Variablen, die die kognitive Leistungsfähigkeit betreffen (Intelligenz) und solche, die an der Steuerung kognitiver Inhalte beteiligt sind (Heurismen, kognitiver Stil). Weitere Variablen beziehen sich auf energetisierende (Motivation) und affektive Aspekte (Emotion) kreativer Prozesse. Außerdem soll gezeigt werden, dass sich kreative Menschen auch durch Wissen, spezifische Interessen und Einstellungen auszeichnen.
Im letzten Abschnitt (Punkt 9. bis 9.5) wird die Bedeutung und Funktion sozialer Einflüsse für die kreative Leistung analysiert. Hierzu wird auf den Ebenen der Familie, Schule, Organisation und Gesellschaft spezifiziert, welche Arten von Umwelteinflüssen welche Aspekte des kreativen Verhaltens fördern oder hemmen können.
Abschließend folgt eine Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse auf Grundlage der Fragestellung dieser Arbeit.
Der Begriff Kreativität hat seinen Ursprung im lateinischen creare: zeugen, gebären, erschaffen (vgl. Floßdorf 1978, S. 572; Linneweh 1973, S.15). Der Wortbedeutung nach ist Kreativität somit etwas Dynamisches, ein sich entwickelnder Prozess, der bereits Ursprung und Ziel in sich trägt (vgl. ebd.). Eine allgemein akzeptierte begriffliche Definition der Kreativität existiert in der Fachliteratur bisher nicht. Der Grund dafür liegt im mangelnden Konsens darüber, worauf sich der Begriff „Kreativität“ bezieht.
Resultiert Kreativität aus einem individuell spezifischen Gefüge kognitiver Fähigkeiten und motivationaler Dispositionen, oder ist Kreativität ein spezieller Denkprozess, ein in bestimmten Situationen auftretendes und durch hohe Variabilität gekennzeichnetes Problemlöseverhalten?
Ist Kreativität das Merkmal eines Denkproduktes oder eine spezifische Konstellation bestimmter Umweltbedingungen und sozialer Einflussgrößen, die kreative Denkprozesse stimulieren?
Diese unterschiedlichen Auffassungen von Kreativität führten zu verschiedenen empirischen Ansätzen der Kreativitätsforschung, innerhalb derer Kreativität unterschiedlich definiert wird und infolgedessen unterschiedliche Forschungsschwerpunkte gesetzt wurden (vgl.Facaoaru 1985, S. 4 ; vgl. zusammenfassend Ulmann 1968, Guilford 1971, Seiffge- Krenke 1974, Preiser 1976).
Verschiedene Autoren haben die Fachliteratur auf Definitionen der Kreativität sondiert und kamen zu folgenden Feststellungen:
Lumsden (vgl. in: Sternberg 1999, S.153) kommt nach einer Literaturübersicht zu der Feststellung, dass Kreativität eine Fähigkeit ist, etwas Neues zu erdenken, das die Menschen signifikant finden. Feist (vgl.in: Sternberg 1999, S. 274) bemerkt, dass Psychologen und Philosophen, die den kreativen Prozess, die Person und das kreative Produkt studieren, zu der Ansicht gelangten, dass Kreativität neue und angemessene Lösungen für Probleme beinhaltet.
Einige Autoren haben den gefundenen Definitionen Kategorien zugeordnet. So konnte z. B. Taylor (vgl. in: Sternberg 1988, S. 118f.) in einer Literaturübersicht über fünfzig Definitionen finden, die er Kategorien zuordnete.
Die erste Kategorie, als „Gestalt“ oder „Wahrnehmung“ bezeichnet, betont die Rekombination von Ideen oder die Restrukturierung einer Gestalt. Wertheimers Definition, dass Kreativität der Prozess der Zerstörung einer Gestalt zugunsten einer besseren sei, gehört in diese Kategorie.
Die zweite Kategorie beinhaltet „Endprodukt“ oder „Innovation“ orientierte Definitionen. Ein repräsentatives Mitglied dieser Klasse ist Steins Definition, der zufolge Kreativität ein Prozess ist, der in einem neuen Produkt resultiert, das von einer Gruppe von Menschen als nützlich erachtet wird.
Eine dritte Kategorie kann als „ästhetisch“ oder „expressiv“ charakterisiert werden. Die Betonung liegt hier auf dem Selbstausdruck. Die Basisidee liegt hier in dem Bedürfnis, sich selbst auf originelle Weise auszudrücken.
Eine vierte Klasse von Definitionen wird als „psychoanalytisch“ oder „dynamisch“ charakterisiert. In dieser Gruppe wird Kreativität durch die Beziehungen von Es, Ich und Über-Ich definiert. Diesbezüglich nimmt Belak an, dass alle Formen der Kreativität permanent operante Variablen der Persönlichkeit darstellen, und das Ich regredieren muss, um dem vorbewussten und unbewussten Material Gelegenheit zu geben aufzutauchen.
Eine fünfte Klasse von Definitionen kann der Kategorie von Lösungsdenken zugeordnet werden. Hier liegt die Betonung eher auf dem Denkprozess als auf der tatsächlichen Lösung des Problems. Beispielsweise definiert Spearman Kreativität durch Korrelationen. Das bedeutet, dass kreative Akte geschehen, wenn der Geist die Beziehung zwischen zwei Dingen so sehen kann, dass ein drittes Ding entsteht.
Die sechste und letzte Klasse wird von Taylor als Varia bezeichnet, weil es schwierig ist, sie eindeutig zu charakterisieren. Beispiele sind hier die Definition von Porch, dem zufolge Kreativität als die Hinzufügung zum Gesamtwissen der Menschheit erachtet werden kann oder Porsches Definition der Kreativität als Integration von Fakten, Eindrücken oder Gefühlen in eine neue Form.
Drevdahls Synthese der in einer Literaturübersicht gefundenen Definitionen kann als Versuch oder Integration verschiedener Auffassungen von Kreativität betrachtet werden. Nach Drevdahl ist Kreativität „die Fähigkeit des Menschen, Denkergebnisse beliebiger Art hervorzubringen, die im wesentlichen neu sind und demjenigen, der sie hervorgebracht hat, vorher unbekannt waren. Es kann sich dabei um Imagination oder um eine Gedankensynthese, die mehr als eine bloße Zusammenfassung ist, handeln. Kreativität kann die Bildung neuer Systeme und neuer Kombinationen aus bekannten Informationen involvieren sowie die Übertragung bekannter Beziehungen auf neue Situationen und die Bildung neuer Korrelationen. Eine kreative Tätigkeit muss absichtlich und zielgerichtet sein, nicht nutzlos und phantastisch, obwohl das Produkt nicht unmittelbar praktisch anwendbar, nicht perfekt oder gänzlich vollendet sein muss. Es kann eine künstlerische, literarische oder wissenschaftliche Form annehmen oder durchführungstechnischer oder methodologischer Art sein.“ (zit.n.Ulmann 1968, S.68).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Kreativität manifestiert, wenn jemand ein originelles und nützliches Produkt kreiert. Es gibt jedoch einen Mangel an Übereinstimmung in der Beantwortung der Fragen, ob Kreativität eine Eigenschaft von Personen, Produkten oder Prozessen ist, ob Kreativität ein personales oder soziales Phänomen ist oder Kreativität eine allgemeine oder seltene Eigenschaft ist (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 450 f.).
Die frühesten Berichte über Kreativität bezogen sich auf göttliche Intervention. Die kreative Person wurde als leeres Gefäß betrachtet, das von einem göttlichen Wesen mit Inspiration gefüllt wurde. Das Individuum verbreitete dann die inspirierten Ideen (vgl. Sternberg/Lubart in: Sternberg 1999, S. 3).
Während der Renaissance wurde diese Sichtweise durch die Annahme, dass Kreativität durch Vererbung weitergegeben wurde, verdrängt (vgl. Dacey in: Runco/Pritzker 1999, S. 310). Teilweise erhielten psychologische und kontextuelle Einflüsse mehr Beachtung (vgl.ebd., S. 321).
Anfang des 18. Jahrhunderts wandelte sich die Debatte zu einem Streit um das Verhältnis von Erbe vs. Erziehung. Wie sich dieser Wandel in der Konzeption der Kreativität vollzog, ist nicht einfach nachzuvollziehen, weil es bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nur wenig Literatur über die Natur des kreativen Denkens gab. Obwohl es ausgearbeitete Theorien über andere menschliche Fähigkeiten gab, wurden Untersuchungen über den Ursprung der kreativen Produktivität nicht durchgeführt, weil angenommen wurde, dass es zu obskur, zu facettenreich und ätherisch wäre, eine intellektuelle Analyse dieses Prozesses durchzuführen. (vgl.ebd., S. 310). Die erste systematische wissenschaftliche Untersuchung wurde 1869 von Galton durchgeführt (vgl. Vernon 1970, S. 10) Galton versuchte die Vererbbarkeit kreativen Verhaltens zu untersuchen (vgl. Guilford 1968, S. 137). Neben Galton als wichtigstem Kreativitätsforscher des 19. Jahrhunderts gab es eine Reihe von Autoren, die sich mit Fragen wie: „Was ist Kreativität?“, „Welches sind die Charakteristika kreativen Menschen?“, „Kann Kreativität gesteigert werden?“ beschäftigten, aber Galton war der einzige, der einen signifikanten Fortschritt in der Methodik zu ihrer Beantwortung gemacht hat (vgl. Albert/Runco in: Sternberg 1999, S. 25).
Anfang des letzten Jahrhunderts entstanden in Mitteleuropa neue Schulrichtungen wie die Psychoanalyse, Gestaltpsychologie, Assoziationismus und die analytische Psychologie, welche der Kreativitätsforschung wichtige Impulse gaben.
Der psychodynamische Ansatz kann als der erste größere theoretische Ansatz der Kreativitätsforschung des 20. Jahrhunderts betrachtet werden (vgl. Sternberg/Lubart in: Sternberg 1999, S. 6). Freud nahm an, dass der Prozess der Sublimation die Energie für fast alle kulturellen Beiträge, einschließlich der Kreativität, liefert.
Die kreative Produktion wird Freud als Resultat unbewusster Triebkonflikte und Bedürfnisse betrachtet, die durch die Anstrengung des Ich in Ergebnisse sublimiert werden, die gesellschaftliche Akzeptanz finden (vgl. I. A. Taylor in: Taylor/Getzels 1975, S. 5).
Kris nimmt an, dass sich der kreative Akt in einem Zustand vollzieht, in welchem das Ich zeitweilig reduziert ist. Diese Zeit nutzt das unbewusste Material für seine kreativen Zwecke. Für Kris geschieht Kreativität, wenn es ein freies Zusammenspiel zwischen Vorbewusstem und Bewusstsein gibt (vgl.ebd., S. 6).
Die Gestaltpsychologie zeigt, dass viele der Experimente, die sich auf Problemlösen und die Blockade neuer Lösungen beziehen (z. B. Duncker, 1935/74 ; Wertheimer 1945), auch für die Erfassung der Kreativität von Bedeutung sind (vgl. Vernon 1970, S. 12). Nach Ansicht der Gestaltpsychologen besteht kreatives Denken v. a. aus der Formierung und Wandlung von Gestalten (vgl. Dacey in: Runco/Pritzker 1999, S. 318 f.). Ihre Studien bezogen sich v. a. auf ein Teilgebiet der Kreativität, - Einsicht- (vgl. Sternberg/Lubart in: Sternberg 1979, S. 6). Ziel der gestaltpsychologischen Untersuchungen war es, anhand relativ komplexer Probleme, Einfälle und Transformationen aus der inneren Widersprüchlichkeit der Situation zu erklären (vgl. Zurek in: Grubitzsch/Rexilius 1980, S. 185).
Der Assoziationismus, welcher auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, führt die Fähigkeit, kreativ zu denken, auf die Nutzung einer Vielfalt von dem Individuum zugänglichen Assoziationen zurück. Ungewöhnliche Kombinationen dieser Verbindungen resultieren hierbei in Kreativität. Mednick beschreibt den kreativen Denkprozess als Verbindung assoziativer Elemente zu neuen Kombinationen, die entweder spezifischen Erfordernissen genügen oder in anderer Weise nützlich sind (vgl. I. A. Taylor in: Taylor/Getzels 1975, S. 11).
Die Diskussion zwischen Gestaltpsychologen und Assoziationisten führte zu wichtigen Einsichten in den kognitiven Prozess (vgl. Dacey in: Runco/Pritzker 1999, S. 319) und war maßgeblich an der Entstehung des kognitiven Ansatzes der Kreativitätsforschung beteiligt (vgl. Smith, Ward, Finke 1995, S. 1).
In den USA wurde Kreativität als Forschungsgegenstand bis Mitte des 20. Jahrhunderts fast völlig ignoriert (vgl. Guilford 1968, S. 139).
Ausnahmen bildeten die Analyse der Entstehungsgeschichte wissenschaftlicher Entdeckungen durch Wallas / Patrick und Hademit, welche zur Konzeption des Phasenmodells des kreativen Denkens führten (vgl. Guilford 1968, S. 139) und die Langzeitstudien von Terman und Cox über Hochbegabte in den zwanziger Jahren. Terman und Cox ließen sich in ihrer Studie u. a. von der Annahme leiten, dass Kreativität ein integraler Bestand der Intelligenz sei. Cox, die neben ihrer Beteiligung an Termans Langzeitstudie eine historiometrische Untersuchung über dreihundert herausragende Persönlichkeiten der Geschichte durchführte, führte viele methodische Verbesserungen in die Kreativitätsforschung ein (vgl. Runco/Albert in: Sternberg 1999, S. 26f.).
Als Beginn der Kreativitätsforschung in der Neuzeit wird gewöhnlich J. P. Guilfords Antrittsrede vor der American Psychological Association im Jahre 1950 betrachtet. In dieser Rede legte Guilford die konzeptuelle Basis für den Rahmen der Kreativitätsforschung für die nächsten zwanzig Jahre (vgl. Feldman, Czikszentmihalyi, Gardner 1994, S. 4). Die Forschungsaufgabe bestand vorangig darin, Tests zu konstruieren, die weitgehend unabhängig von Intelligenztests sind und Kreativität im wissenschaftlichen Bereich vorhersagen. In den folgenden Jahren grenzten Guilford und seine Kollegen die für kreative Leistungen verantwortlichen intellektuellen Fähigkeiten ein und konstruierten auf Fallanalysen und psychometrischen Techniken basierende neue Tests (vgl. ebd., S. XIII). Es wurde außerdem ein Strukturmodell des Intellekts entwickelt, das einige für kreative Leistungen bedeutende Elemente enthält (vgl.Guilford 1968, S. 141).
Die fähigkeitsorientierte Forschung Guilfords und seiner Kollegen wurde in den fünfziger und sechziger Jahren durch eine Reihe von Studien ergänzt, welche versuchten, spezielle Persönlichkeitseigenschaften kreativer Menschen zu identifizieren (vgl. Feldman, Czikszentmihalyi, Gardner 1994, S. 6)
Hier sind v. a. die Fallstudien von Roe (vgl. in: Vernon 1970, S.43-51) zur Identifizierung der Charakteristiken der kreativen Persönlichkeit und die Studien über außergewöhnliche Wissenschaftler von Barron und MacKinnon vom „Institute for Personality Assessment and Research“ (IPAR) zu nennen (vgl. Guilford 1968, S. 141).
Anfang der sechziger Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt der Forschung nach Veröffentlichung der Kreativitätstests von Torrance auf Untersuchungen der Fähigkeit des divergenten Denkens bei Kindern (vgl. Feldmann, Czikszentmihalyi, Gardner 1994, S. 7), um wissenschaftliche Talente möglichst frühzeitig identifizieren zu können. Von Bedeutung für die nachfolgende Geschichte der Kreativitätsforschung ist, dass Forscher ihr Interesse von der Identifizierung von Talenten auf die Sozialreformen der sechziger Jahre verlagerten. Kreativitätsforschung wurde nun als Möglichkeit betrachtet, konservative Erziehungs- und Bildungspraktiken zu revidieren und zu zeigen, wie traditionelle Erziehung Kreativität verhindert (ebd., S. 7).
Das einflussreichste Werk dieser Periode war die Studie von Getzels und Jackson (1962). Der Zweck dieser Studie bestand darin, zwischen Kreativität und Intelligenz zu differenzieren, mit der Hoffnung, die Konzepte der intellektuellen Hochbegabung um die divergente Expression auszuweiten (vgl.Csikszentmihalyi, Gardner, Feldman 1994, S. 8). Anfang der siebziger Jahre kam es zu einer Neuorientierung der Kreativitätsforschung. Die Kreativitätsforscher begannen, die Natur des kreativen Denkens in verschiedene Domänen zu unterscheiden und seine Entwicklung zu untersuchen (vgl. ebd., S. 14).
Die wichtigsten Forschungsprojekte in dieser Zeit waren die Fallstudien der individuellen Entwicklung der Kreativität in verschiedenen Feldern durch Gruber und seine Kollegen, Studien über kritische Perioden der Produktivität in verschiedenen Zeiten und Wissensgebieten durch Simonton, Computersimulationen von Denkprozessen durch Newell und Simon (1972) und eine Langzeitstudie über die Entwicklung von Künstlern von Getzels und Czikszentmihalyi ( 1976) (vgl.ebd., S. 19). Das Interesse richtete sich auf entwicklungspsychologische Fragestellungen, den Einfluss des sozialen Kontextes und kognitive Prozesse (ebd., S. 14).
Die Betonung auf entwicklungspsychologische Studien, die erforschen, wie und unter welchen Bedingungen, welchen Domänen und kulturellen Kontexten neue Gedanken konstruiert werden, kann als signifikante Verschiebung in der Orientierung der Kreativitätsforschung der achtziger Jahre betrachtet werden (ebd., S. 15).
Vielen der Arbeiten über Kreativität in den neunziger Jahren (z. B. Amabile, Czikszentmihalyi, Gardner, Gruber, Simonton, Sternberg) liegt die Annahme zugrunde, dass viele Komponenten konvergieren müssen, damit sich kreative Akte vollziehen können (vgl. Lubart/Sternberg in: Sternberg 1999, S. 10)
Forschungsmethoden sind Instrumente der Theoriebildung und –überprüfung, sie beinhalten die Strategien und Techniken der Datenerhebung und –verarbeitung (vgl. Preiser 1976, S. 29)
Übersichten der Geschichte der Kreativitätsforschung (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S.452) zeigen, dass die drei weitverbreitetsten Forschungsmethoden der psychometrische, der experimentelle und der biographische Ansatz sind. Weitere Methoden sind der biologische (oder naturwissenschaftliche), der computergestützte und der kontextuelle Ansatz, welche noch nicht so weit entwickelt sind wie die drei ersten, die aber wichtige Methoden für die zukünftige Forschung darstellen könnten.
Jeder dieser Ansätze kann sich auf drei Forschungsparadigmen beziehen (vgl.ebd., S.452 ):
1) Beschreibung der Natur der Kreativität (z. B. Analyse des kreativen Prozesses).
2) Vergleich von Kreativität und Nichtkreativität (z. B. Vergleich der kognitiven Prozesse und Eigenschaften von Personen, die in einem Kreativitätstest entweder hohe oder niedrige Werte erzielen).
3) Bezug anderer Faktoren zur Kreativität (z.B. Bestimmung der Beziehung zwischen Ergebnissen von Kreativitätstests und anderen kognitiven Messungen, Bestimmung von Maßnahmen, die die kreative Produktion erleichtern oder verhindern).
Ein Großteil der Forschung über Kreativität wendet psychometrische Methoden bei der Messung der Kreativität und/oder der Erfassung seiner wahrgenommenen Korrelate in Individuen an. Praktisch sämtliche gegenwärtige Arbeiten über Kreativität basieren entweder auf psychometrischen Methodologien oder solchen, die in Reaktion auf wahrgenommene Schwächen der Kreativitätsmessung entwickelt wurden. Die psychometrischen Studien der Kreativität, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, bilden die Grundlage des gegenwärtigen Verständnisses der Kreativität (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 35).
Die bedeutendsten Charakteristiken dieses Ansatzes sind quantitative Messungen, bei denen versucht wird, die Kreativität einer Person numerisch zu erfassen; kontrollierte Umgebungen und fähigkeitsbasierende Analyse, welche impliziert, dass die menschliche Kreativität vom Ausmaß der Komponenten der Fähigkeit abhängt (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 452).
Psychometrische Methoden werden bei Untersuchungen der kreativen Prozesse, der Persönlichkeit und Verhaltenskorrelate der Kreativität, der Charakteristika des kreativen Produkts und der Eigenschaften kreativitätsfördernder Umwelten angewendet (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S.38).
Bezüglich der drei Forschungsparadigmen versucht der psychometrische Ansatz,
a) für die Beschreibung von Kreativität Instrumente (v. a. Kreativitätstests) zu entwickeln, die das Ausmaß der kreativen Fähigkeiten von Individuen messen. (vgl.ebd., S.39).
b) für den Vergleich von Kreativität und Nichtkreativität Menschen miteinander zu vergleichen, die entweder hohe oder niedrige Werte bei Kreativitätstests erzielen, oder aufgrund von Selbstberichten oder externen Beurteilungen als kreativ oder weniger kreativ klassifiziert werden (vgl. ebd., S. 42).
c) für die Entdeckung von Beziehungen die Relation zwischen Maßen der Kreativität und anderen Maßen (vgl. Mayer in: Sternberg, 1999, S. 453), beispielsweise der Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale, zu prüfen (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 42).
Für die Untersuchung des kreativen Prozesses verwendet der psychometrische Ansatz vor allem Testbatterien zur Ermittlung des Ausmaßes divergenten Denkens. Die Instrumente zur Messung der Persönlichkeitskorrelate des kreativen Verhaltens werden im Allgemeinen durch Beobachtung hochkreativer Personen und Festlegung ihrer gemeinsamen Persönlichkeitseigenschaften konstruiert. Diese Eigenschaften werden dann mit denen von anderen Menschen verglichen unter der Annahme, dass Menschen, die eine ähnliche Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale wie die hochkreativen Personen zeigen, eine Prädisposition für kreative Leistungen aufweisen. Für die Messung kreativer Produkte werden i. d. R. Beurteilungen von Experten, Lehrern und Eltern genutzt. Die Bedeutung der Umwelt für die Kreativität wird mittels Quantifizierung von Umweltvariablen , von denen angenommen wird, dass sie einen fördernden oder hemmenden Einfluss auf die Kreativität ausüben, erforscht (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 39-46).
Experimentelle Ansätze richten den Fokus auf kognitive Prozesse, die an der Lösung von Problemen, die kreatives Denken erfordern, beteiligt sind. Die drei bedeutendsten Charakteristiken des experimentellen Ansatzes sind kontrollierte Umgebungen, in denen die Forscher den Versuchsteilnehmern Probleme in künstlichen Kontexten präsentieren, quantitative Messungen und kognitive Aufgabenanalysen mittels derer Forscher die Komponenten der kognitiven Prozesse analysieren, die bei der Bearbeitung von Aufgaben, die kreatives Denken erfordern, involviert sind (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 454). Experimentelle Techniken reduzieren die die Kreativität umgebende Komplexität und ermöglichen reliable Messungen und Schlüsse über Zusammenhänge durch die Manipulation unabhängiger Variablen, die Kontrolle konfundierender Variablen und Registrierung der Veränderung in den abhängigen Variablen.
Abhängige Variablen sind hierbei die Komponenten, Eigenschaften oder Indikatoren der Kreativität.
Die unabhängige Variable umfasst Entwicklungs- und Bildungsfaktoren und kognitive, soziale und emotionale Einflüsse (vgl. Runco/Sakamoto in: Sternberg 1999, S. 62).
Aus der Perspektive der drei Forschungsparadigmen verwendet der experimentelle Ansatz für die Beschreibung von Kreativität kognitive Aufgabenanalysen, um die Komponenten der Prozesse des kreativen Denkens zu spezifizieren, und vergleicht die kognitiven Prozesse, die an kreativem und nichtkreativem Denken beteiligt sind. Bezüglich der Entdeckung von Beziehungen prüft der experimentelle Ansatz die Faktoren, die kreatives Denken fördern oder verhindern (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 454).
Biographische Ansätze basieren auf der Analyse der Fallgeschichten kreativer Persönlichkeiten. Kreativität wird als durch bestimmte lebensgeschichtliche Ereignisse determiniert betrachtet, wobei kreative Episoden genauer untersucht werden (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 455). Der Fallstudien-Ansatz gliedert sich in zwei Teile: detaillierte Analyse und manchmal erzählende Beschreibung jedes Falles und Verständnis jedes Falles als einzigartiges System.
Innerhalb dieser Auffassung der kreativen Person als ein sich entwickelndes System ist Entwicklung nicht auf einen Entwicklungsweg beschränkt, sondern weist multikausale und gegenseitig interaktive Beziehungen zwischen den internen Elementen des Systems und zwischen dem Organismus und seinem externen Milieu auf (vgl. Gruber/Wallace in: Sternberg 1999, S. 93). Im Allgemeinen wird in den Fallstudien der Hintergrund beleuchtet und dann intensiv auf die detaillierte Struktur des kreativen Prozesses fokussiert (vgl. ebd., S. 97). Im Gegensatz zur Anwendung quantitativer Messungen in psychometrischen und experimentellen Methodologien beziehen sich Biographieforscher eher auf qualitative Beschreibungen ( z.B. Fallstudien), seltener auf quantitative Messungen (historiometrischer Ansatz ) (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 455).
Bezüglich der drei Forschungsparadigmen kann der biographische Ansatz für die Beschreibung von Kreativität detaillierte, erzählende Beschreibungen der Fallgeschichten der kreativen Person liefern. Der Vergleich von Kreativität und Nichtkreativität erfolgt beim biographischen Ansatz durch quantitative Zusammenfassungen von Gemeinsamkeiten in einer Kollektion von Fallgeschichten.
Bezüglich der Entdeckung von Beziehungen versucht die biographische Methode lebensgeschichtliche Ereignisse in einer Fallgeschichte zu identifizieren, die als unterstützend für die Entwicklung einer kreativen Person erachtet werden. Oder es werden quantitative Analysen von Ereignissen, die der Entwicklung von kreativen Personen förderlich sind, in einer Kollektion von Fallgeschichten durchgeführt (vgl.ebd., S. 456).
Die biographische Methode wird in allen vier Hauptansätzen der Kreativitätsforschung angewendet.
Kontextuelle Ansätze richten den Fokus auf den sozialen, kulturellen oder evolutionären Kontext der Kreativität. Kreativität wird als kontextbasierende Aktivität betrachtet.
Bezüglich der drei Forschungsparadigmen lässt sich feststellen, dass der kontextuelle Ansatz versucht, kreatives Denken in seinem sozialen, kulturellen und/oder evolutionären Kontext zu beschreiben. Zwecks Vergleichs von Kreativität und Nichtkreativität können Kreativitätskonzeptionen verschiedener Kulturen miteinander verglichen werden. Bezogen auf die Entdeckung von Beziehungen fokussiert sich der kontextuelle Ansatz auf die Überwindung von Barrieren im sozialen Bereich, welche die Kreativität behindern (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 458).
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Stärken und Schwächen der Methoden der Kreativitätsforschung gegeben werden .
Kritiker bemängeln am psychometrischen Zugang zur Kreativität, dass Tests zur Ermittlung des Grades divergenten Denkens einer Person kreatives Denken nicht wirklich messen undvorhersagen können und wenig zur Entwicklung der kognitiven Theorie und Bildungspraktiken hinzugefügt haben (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S.454 ).
Bezüglich des experimentellen Ansatzes ist positiv zu vermerken, dass dieser ein hohes Maß an interner Validität aufweist, weil diese Art von Forschung in einer kontrollierten Umgebung durchgeführt wird. Andererseits mangelt es dem experimentellen Ansatz an externer Validität, so dass keine generellen Verallgemeinerungen auf reale, komplexe Situationen vorgenommen werden können, in denen kreatives Denken erfolgt (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S .454f.). Es besteht also das Problem der Diskrepanz zwischen interner und externer Validität. Dies liegt nach Auffassung von Runco und Sakamoto an der Spontanität als Charakteristikum der Kreativität, welche im Gegensatz zur Kontrolle steht. Außerdem ist Kreativität per definitionem neu. Dies impliziert Unvorhersagbarkeit, welche im Gegensatz zur Vorhersage, die oftmals als Kennzeichen der Experimentalforschung gilt, steht (vgl. Runco / Sakamoto in: Sternberg 1999, S. 62).
Die Lösung dieses Dilemmas könnte in der Anwendung verschiedener Methoden liegen, die auf dasselbe Phänomen konvergieren (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 454).
Die Stärke der biographischen Methode liegt nach Ansicht von Mayer (ebd., S.456) in der sorgfältigen Dokumentation der Lebensgeschichten kreativer Personen, wodurch diese Methode einen Grad von Genauigkeit und Authentizität erhält, der vom psychometrischen und experimentellen Ansatz nicht erreicht werden kann. Der Schwachpunkt dieses Ansatzes liegt in seinem Mangel an Kontrolle und Repräsentativität, denn wie kann man eine zusammenhängende Theorie der Kreativität aus detaillierten Fallgeschichten weniger ausgesuchter Individuen konstruieren?
Simontons historiometrischer Ansatz bildet einen Kompromiss zwischen der reichen aber unkontrollierten Datenbasis der Fallgeschichten und der geringen kontrollierten Datenbasis der quantitativen Methodologie. Der biographische Ansatz stellt ein nützliches Verbindungsglied zu anderen Ansätzen dar, bedarf aber Kriterien für die wissenschaftliche Untersuchung.
Die Schwäche des kontextuellen Ansatzes besteht im Mangel an relevanten Daten, wodurch die Bildung testbarer Theorien über den Einfluss kultureller Einflüsse auf die Kreativität erschwert wird (vgl. Mayer in: Sternberg 1999, S. 456-458).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ansätze bezüglich ihrer Betonung auf quantitativen Messungen (wie im psychometrischen und experimentellen Ansatz) oder qualitativen Messungen (wie in einigen Arten der biographischen Forschung), ihrem Gebrauch von kontrollierbaren Umgebungen (psychometrisch, experimentell) vs. natürlichen Umgebungen (biographisch) und ihrem Fokus auf Lebensgewohnheiten (biographischer Ansatz) vs. einzelnen Akten des kreativen Denkens ( beim experimentellen Ansatz) differieren (vgl. ebd., S. 458). Weitere Unterschiede bestehen in den Bereichen, in denen die Methoden angewendet werden (Person, Produkt, Prozess, Umwelt) und dem Zeitrahmen, in welchem Daten gesammelt werden (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 38).
Kreativität ist ein Konzept, das schwer zu definieren und noch schwerer zu messen ist. Die Mehrzahl der Forscher nimmt an, dass der Schlüssel zu diesem Phänomen im Studium der Persönlichkeitseigenschaften von kreativen Personen liegt. Andere konzentrieren sich auf die kreativen Prozess. Eine weitere Gruppe konzentriert sich auf das kreative Produkt (vgl. Hennesey/Amabile in: Runco/Pritzker 1999, S. 347). In neuerer Zeit gewinnt der systemische Ansatz an Bedeutung, dem zufolge Kreativität ein Prädikat ist, das von bestimmten Instanzen der Umwelt verliehen wird.
Wie kann man nun unterscheiden, ob eine Person, ein Prozess oder ein Produkt kreativer als andere Personen, Prozesse oder Produkte ist?
Um diesbezüglich eine Differenzierung durchführen zu können, wurde im Laufe der Zeit eine Anzahl von Kriterien ersonnen, die von den Personen, Prozessen oder Produkten erfüllt werden müssen, um als „kreativ“ beurteilt werden zu können. Auf Grundlage dieser Kriterien wurde eine Reihe von Verfahren entwickelt, mittels derer versucht wird, Kreativität zu messen.
Die Mehrzahl von Techniken zur Beurteilung von Kreativität erfordert Produkte, weil eine Identifikation eines Gedankenprozesses als kreativ sich auf das Produkt des Prozesses beziehen muss (vgl. Hennesey/Amabile in: Runco/Pritzker 1999, S. 350).
Die Produkte der Kreativität können hierbei Verhalten, Ideen, Objekte u. a. mit allen Kanälen und Typen des Ausdrucks umfassen (vgl. C. W. Taylor in: Sternberg 1988, S. 104).
Das Produkt als Kriterium für Kreativität wird vielleicht deshalb so häufig verwendet, weil es nicht an die Existenz des Produzenten gebunden ist und einer Qualitätsanalyse unterzogen werden kann (vgl. Ulmann 1968, S. 64).
Besemer und Treffinger führten eine umfassende Übersicht über Charakteristiken des kreativen Produkts durch. Ziel war die Identifizierung und Synthese der Kriterien, die für die Beurteilung der Kreativität von Produkten von Bedeutung sind. Es wurde eine Taxonomie mit drei Dimensionen erstellt: die erste – Neuheit – bezieht sich auf die Elemente des Neuen im Produkt, die zweite – Nützlichkeit – bezieht sich auf die Güte des Produkts für die Lösung des Problems, die dritte – Elaboration und Synthese (auch als „Stil“ bezeichnet) – bezieht sich auf die Art der Implementierung der Lösung (s.Abb. 1) (Besemer / O’Quinn in Runco / Pritzker 1999, S. 414).
Novelty Resolution Elaboration and dimension dimension Synthesis dimension Surprising Logical Organic Original Useful Well-crafted Valuable Elegant Understandable
Abb.1 Dimensionen kreativer Produkte ( vgl. Besemer / O`Quinn in: Runco/Pritzker 1999, S.416)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jackson und Messick (vgl. Brown in Glover, Ronning, Reynolds, 1989, S. 11f.) fanden folgende Produktkriterien (s.Abb. 2), von denen sie annehmen, dass diese ein Kontinuum wachsender Komplexität darstellen und Menschen die Fähigkeit zur Kreation dieser Produkteigenschaften in unterschiedlichem Ausmaß besitzen.
Kriterium des Produkts Maßstäbe Ästhetische Reaktion des Beurteilers
1.Ungewöhnlichkeit statistische Normen Überraschung
2.Angemessenheit Kontext Befriedigung
3.Transformation überwundene Zwänge Stimulation
4.Verdichtung Summierungspotenz Genuß
Abb.2 Bewertungskriterien des kreativen Produkts (vgl. Preiser 1976, S.37)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zwei Merkmale, die das kreative Produkt auszeichnen, werden von vielen Kreativitätsforschern (z. B. McPherson in Ulmann 1968, S. 65; Preiser 1976, S. 35; Amelang/Bartussek 1981, S. 221) genannt: Neuheit und Nützlichkeit. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studien von Besemer und Treffinger und jenen von Jackson und Messick.
Eine Erweiterung der Forschungen von Besemer et al. ist der attributionale Ansatz von Kasof (vgl. Kasof in: Runco/Pritzker 1999, S.148). Der attributionale Ansatz der Kreativität fokussiert sich auf die soziale Rezeption origineller Produkte. Nach Ansicht von Kasof ist Kreativität nicht eine rein objektive, fixierte Eigenschaft, die dem kreativen Produkt innewohnt, sondern sie involviert teilweise eine subjektive Beurteilung, die dem originellen Produkt verliehen wird. Ein bedeutendes Element der subjektiven Rezeption origineller Produkte ist die Kausalattribution, welche sowohl die Produktion als auch die Bewertung der originalen Produkte beeinflusst. Hiernach ist jeder kreative Akt und jede Evaluation in ein komplexes Feld von sozialen und kulturellen Einflüssen eingebettet (vgl. Kasof in: Runco/Pritzker 1999, Bd. 1, S. 148). Diese Sichtweise wird auch von Preiser (1976, S. 37 f.) geteilt. Seiner Auffassung nach hängt die Beurteilung einer Idee oder eines Produkts nicht davon ab, wie objektiv gut diese Idee oder das Produkt ist, sondern wie sie von einer beurteilenden Person aufgenommen wird. Ideen müssen demnach von der Umwelt akzeptiert werden, um als angemessen bewertet werden zu können. Die Kreativitätsbeurteilung ist von Wertvorstellungen, von Idealen und ideologischen Einstellungen abhängig, die bestimmen, was angemessen oder nützlich ist.
Aufgrund der Schwierigkeit, Produkte auf Kreativität hin zu bewerten, beziehen sich viele Kriterien stattdessen auf Personen. Ein Ansatz besteht darin, Personen die wichtige Beiträge in einer Domäne geleistet haben, als kreativ zu betrachten. Normalerweise werden Evaluationen der Person von Supervisoren, Peers oder mittels Selbstberichten durchgeführt, und die Beurteilung bezieht sich auf solche Variablen wie Persönlichkeitseigenschaften, Berufserfahrung und Arbeitsgewohnheiten (vgl. Shapiro in: Vernon 1970, S. 263).
Nach Ulmann (vgl.1968, S. 60) kann Kreativität auch als Ausdruck von Ideen und Gefühlen betrachtet werden, die von originellen Gedanken gefärbt und vom Bedürfnis, sich selbst auszudrücken, inspiriert sind.
Preiser (1976, S. 33 f.) listet in einer Übersicht folgende Kriterien zur Identifizierung der kreativen Persönlichkeit auf:
1) Berühmtheit aufgrund herausragender wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistungen
2) Berufszugehörigkeit – bestimmte Berufsgruppen werden als kreativ betrachtet
3) Quantität der Leistungen: Um innerhalb der als kreativ erachteten Berufsgruppen eine Differenzierung zu ermöglichen, wurden Kriterien wie die Anzahl und zeitliche Verteilung der Produkte, der Veröffentlichungen oder der angemeldeten Patente eingeführt
4) Qualität der Leistungen: Beurteilung nach Qualitätskriterien (siehe oben)
Nach Ansicht von Barron ist Kreativität ein nicht beobachtbarer Prozess, der nicht immer in einem Produkt resultieren muss. Deshalb wäre – wenn das Produkt als einziges Kriterium gewollt würde – Kreativität nur positiv definierbar; es ließe sich jedoch nie mit letzter Sicherheit sagen, dass in einer Person keine kreativen Prozesse ablaufen (vgl. Ulmann 1968, S. 61).
Eine Möglichkeit, kreative Prozesse identifizieren zu können, wurde von Ghiselin, Rompel und Taylor aufgezeigt. Sie verglichen Beschreibungen von Aufmerksamkeitszuständen und Gefühlen kreativer Personen während des kreativen Prozesses mit jenen weniger kreativer Personen. Ein anderer Weg, kreative Prozesse beobachtbar zu machen, besteht in der Annahme, dass sich kreative Prozesse im Verhalten ausdrücken. D. W. Taylor sammelte Feststellungen über kreatives Verhalten und verglich diese mit Testergebnissen, die produktives Denken, Problemlösen und mechanisches Verständnis messen, wobei sich gute Übereinstimmungen zeigten (vgl. ebd., S. 62).
Vertreter des systemischen Ansatzes nehmen an, dass das Attribut der Kreativität innerhalb spezifischer soziokultureller Kontexte verliehen wird, und dass diese Attribution je nach den Umständen konstruiert und verändert werden kann. Die Verleihung des Prädikats der Kreativität ist eine Angelegenheit der Experten eines Feldes. Das Feld wird hierbei durch alle Personen gebildet, die den Zugang zu einer Domäne (z. B. der Mathematik) überwachen (vgl. Rathunde in: Runco/Pritzker 1999, S. 608). Sie treffen die Entscheidung, ob eine neue Idee oder ein neues Produkt in die Domäne aufgenommen werden sollen. Die Definition der Kreativität, die sich aus diesem Ansatz ableitet, lautet: Kreativität ist jede Handlung, Idee oder Sache, die eine bestehende Domäne verändert oder eine bestehende in eine neue verwandelt (Czikszentmihalyi 1996, S. 47f.).
Die vielleicht wichtigste Implikation des Systemmodells ist, dass der Grad der Kreativität an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur vom Ausmaß der individuellen Kreativität abhängig ist, sondern mindestens ebenso stark davon abhängt, wie gut die jeweiligen Domänen und Felder darauf abgestimmt sind, neue Ideen anzuerkennen und zu verbreiten (vgl. ebd., S. 52).
Es existiert eine Vielzahl von Verfahren zur Messung der Kreativität.
Obwohl Papier- und Bleistift-Tests wahrscheinlich in der Mehrzahl der Messungen in Forschungsstudien angewandt werden, werden andere Verfahren auch häufig genutzt. Hocevar (vgl. Wright/Michael in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 33) ordnete in einer Übersicht die angebotenen Techniken zur Messung der Kreativität Kategorien zu. Diese Kategorien umfassen: 1) Tests zur Ermittlung des Grades divergenten Denkens, 2) Einstellungs- und Interesseninventare, 3) Persönlichkeitsinventare, 4) Biographische Inventare, 5) Beurteilungen durch Lehrer, Peers, Supervisoren, 6) Beurteilung von Produkten, 7) selbstberichtete kreative Aktivitäten und Erfolge.
Die Messung der Kreativität durch Tests zur Erfassung des Ausmaßes divergenten Denkens ist weitverbreitet.
Auf der Basis von Guilfords Strukturmodells des Intellekts (SOI) identifizierten Guilford und seine Kollegen verschiedene intellektuelle Fähigkeiten (z. B. Flüssigkeit, Flexibilität, Originalität, Elaboration) welche kollektiv als divergentes Denken bezeichnet werden. Eine umfangreiche Anzahl von Tests wurde von Guilford und seinen Kollegen zur Messung divergenten Denkens entwickelt (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 53). Charakteristikum dieser Kreativitätstests ist, dass die Items eine ungebundene Form der Beantwortung vorsehen, weil damit eher der Modus kreativen Verhaltens außerhalb der Untersuchungssituation nachempfunden werden kann. Die Qualität einer Antwort wird gewöhnlich mit hinreichender Übereinstimmung von entsprechend geschulten Beobachtern geschätzt, wobei sich die Originalität nach dem Ausmaß relativer Seltenheit bzw. Einzigartigkeit bemisst (vgl. Amelang/Bartussek 1981, S. 223). Zwei der am häufigsten genutzten Tests des divergenten Denkens, der “ Torrance Test of Creative Thinking“ und die “Wallach-Kogan creativity tests“ können als Modifikationen und Ausweitungen der Tests von Guilford und Mednick für die Anwendung im Kindes- und Vorschulalter betrachtet werden (vgl. Cropley 1980, S. 124-126).
Einige Forscher nehmen an, dass Kreativität anhand von Einstellungen und Interessen identifiziert werden kann. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass eine kreative Person in ihren Einstellungen und Interessen kreative Aktivitäten bevorzugt.
Verbreitete Verfahren sind beispielsweise das “Group-Inventory for Finding Interests“ von Davis und Rimm und die “Preconscious Activity Scale“ von Holland und Baird (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 54).
Einige Untersucher charakterisieren Kreativität als ein Set von Persönlichkeitsfaktoren (vgl. ebd., S. 55). Die Instrumente für die Messung von Persönlichkeitskorrelaten des kreativen Verhaltens werden in der Regel auf Grundlage des Studiums hochkreativer Personen und ihrer Persönlichkeitseigenschaften konstruiert. Diese Eigenschaften werden dann mit denen anderer Personen unter der Annahme verglichen, dass jene Individuen, die vergleichsweise ähnliche Merkmalsausprägungen wie die hochkreativen Personen zeigen, eine Prädisposition für kreative Leistungen aufweisen. Solche Messungen sind in der Kreativitätsforschung weit verbreitet und schließen das “Group Inventory for Finding Talent“ von Davis “What kind of person are you ?“ von Torrance und Kathena, die Arbeit des IPAR (MacKinnon, Barron, Helson) und spezifische Dimensionen der “Adjective Check List“ von Gough ein (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 42).
Ergänzend zu den Persönlichkeitseigenschaften wurde das Verhalten kreativer Personen in der Vergangenheit studiert, um zu ermitteln, ob gewisse Erfahrungen mit kreativer Produktion verbunden sind (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 42).
Hierfür wurden durch Längsschnitt- und biographische Studien von kreativen Wissenschaftlern Persönlichkeitscharakteristiken, demographische und familiäre Variablen identifiziert. Das primäre Ziel dieser Untersuchungen bestand darin, einen Pool von möglichen Kriteriumsvariablen für die Vorhersage kreativen Verhaltens zu erschaffen (vgl. Wright/Michael in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 40). Michael und Colsom entwickelten auf Grundlage solcher Untersuchungen einen Fragebogen, um biographische Prädiktorvariablen zukünftiger kreativer Leistungen identifizieren zu können. Zwei bekannte biographische Inventare sind das “Alpha Biographical Inventory“ vom Institute for Behavior Research in Creativity und Schaefers “Biographical Inventory Creativity“ (vgl. Hocevar/ Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 55).
Ein großer Teil der Erforschung der Kreativität findet im schulischen Umfeld statt. Lehrerbeurteilungen fungieren hierbei als ein wichtiges Instrument zur Messung der Kreativität von Schülern. Yomamotos Arbeit illustriert diesen Ansatz ( vgl. ebd., S.56). Yomamoto etablierte als erster Standards für Lehrereinschätzungen. Diese Standards beinhalten die Identifizierung des am meisten und des am wenigsten kreativen Schülers in der Klasse. Kreatives Denken wurde hierbei durch die Anzahl der Ideen, Flexibilität (Verschiedenheit der Ideen), Erfindungsgeist (Erfindung und Entwicklung von Ideen), Originalität (Einzigartigkeit von Ideen) und Elaboration (Detailiertheit von Ideen) operationalisiert.
Harrington, Block und Block verwendeten einen anderen Ansatz, um Lehrereinschätzungen zu erhalten. Sie stellten eine Liste von Persönlichkeitseigenschaften zusammen, die in der Forschungsliteratur für kreative Personen als charakteristisch gelten. Diese Liste wurde dann als Checkliste für Lehrereinschätzungen verwendet (vgl. ebd., S. 56) Ein weiterer Ansatz für Lehrereinschätzungen besteht darin, Lehrer eine globale Beurteilung hinsichtlich der Ausprägung kreativer Verhaltenskorrelate auf einer Skala abgeben zu lassen. Populäre Instrumente sind z. B. der “Preschool and Kindergarten Interest Descriptor“ von Rimm und die “Scale for Rating the Behavior Characteristics of Superior Students“ von Renzulli, Hartmann, Callaham (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 43).
Trotz Erkenntnis inhärenter Schwierigkeiten ( z.B. Ermittlung der Beurteilungskompetenz, vgl. Preiser 1976, S. 33 f.) hat Torrance vorgeschlagen, dass Beurteilungen durch Peers nützliche Daten für das Studium der Kreativität liefern können. Torrance instruierte junge Kinder, ihre Einschätzungen der Kreativität anderer Kinder auf Grundlage spezieller Kriterien wie Ideenflüssigkeit, ungewöhnlichen Ideen, Problemlösungsfähigkeiten und Erfindungsgabe durchzuführen. Andere Forscher (z. B. Yamamoto, Reid, King) haben ebenfalls Peer-Einschätzungen als Kriterium für Kreativität angewendet und entwickelten Fragebögen, die ähnliche Richtlinien enthalten (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 56).
Besonders in organisationalen Umwelten haben sich Supervisor-Beurteilungen als nützliches Verfahren für die Auswahl kreativer Mitarbeiter erwiesen. Supervisoren sind - ähnlich Lehrern - mit der Arbeit vieler Individuen vertraut und weisen die Kompetenz auf, um die Arbeit dieser Individuen zu beurteilen (vgl.ebd., S. 57).
Beurteilungen durch Supervisioren haben sich u. a. als hilfreich für die Bestimmung der Urteilsgegenstände erwiesen, die als Kriterien zur Ermittlung der kreativen Persönlichkeit zu verwenden sind (vgl. Ulmann 1968, S. 61). Hierbei werden Supervisoren beispielsweise gebeten, in anonymisierter Form den am meisten und den am wenigsten kreativen Mitarbeiter zu beschreiben. Auf Basis solcher Beschreibungen entwickelten Forscher wie beispielsweise Taylor und seine Kollegen Listen von kreativen Verhaltensweisen, die als beschreibende Checklisten für die Identifizierung kreativer Personen fungieren (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 57).
Die Identifizierung kreativer Personen über ihr Produkt ist ein weit verbreiteter Ansatz, weil die Mehrheit von Techniken zur Beurteilung von Kreativität Produkte erfordert (vgl. Hennesey/Amabile in: Runco/Pritzker 1999, S. 350). Produktbewertungen reichen von Beurteilungsskalen bis zur konzeptuell komplexen “Consensual assessment technique“ (CAT). In der Regel werden für die Messung der Kreativität von Produkten Einschätzungen externer Experten eingeholt (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 44). Hierbei werden die Produkte nach speziellen Kriterien wie z. B. Flüssigkeit, Flexibilität und Originalität bewertet (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 57). Eine Ausnahme bildet die “Consensual assessment technique“ von Amabile, bei deren Anwendung keine Beurteilungskategorien vorgegeben werden, wodurch die Schwierigkeiten, ultimative objektive Kriterien für die Identifizierung kreativer Produkte zu finden, vermieden werden (vgl. Hennesey/Amabile in: Sternberg 1999, S. 348).
Ausgehend von der Annahme, dass der beste Prädiktor zukünftigen kreativen Verhaltens das kreative Verhalten in der Vergangenheit ist, haben verschiedene Forscher Selbstberichte kreativen Verhaltens und Aktivitätsinventare wie das “Alpha Biological Inventory“ (Taylor/Ellison), das “Creative Behavior Inventory“ (Hocevar), sowie Checklisten entwickelt (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 42). Obwohl es ein Problem sein kann, selbst zu entscheiden, welche Aktivitäten und Erfolge als kreativ zu bezeichnen sind, können Forscher in der Regel kreative Aktivitäten relativ leicht erkennen, wenn die berichteten Aktivitäten von der Gesellschaft in irgendeiner Form (beispielsweise durch Preise oder Auszeichnungen) honoriert wurden (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 58).
Zweck der obigen sieben Kategorien sollte sein, häufig verwendete Verfahren zur Messung kreativen Talents in eine Taxonomie zu integrieren. Aufgrund der verschiedenen Forschungsansätze gibt es außerdem noch andere Maßsysteme der Kreativität für spezielle Bereiche, die nicht leicht zu kategorisieren sind, wie z. B. den “Welsh Figure Preference Test“ oder den “RAT“ (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 58).
Eines der Kernprobleme der Kreativitätsforschung besteht in der Bestimmung objektiver Kriterien für die Beurteilung der Kreativität eines Produktes, einer Person oder eines kognitiven Prozesses. Ohne objektive Kriterien für die Bewertung der relevanten Aspekte sind alle Untersuchungen über die Persönlichkeit und den kreativen Prozess von fraglichem Wert (vgl. Rogers in: Vernon 1970, S. 139). Bisher wurde kein absolutes und unbestreitbares Kriterium der Kreativität gefunden (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 44). Die Kreativitätsbeurteilung ist deshalb nach wie vor von den Wertvorstellungen, Idealen und ideologischen Einstellungen des Beurteilenden abhängig (vgl. Preiser 1976, S. 38).
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Probleme und offenen Fragen gegeben werden, die im Zusammenhang mit den Gütekriterien der Testtheorie für das Verständnis der Problematik der Messverfahren der Kreativität in der Kreativitätsforschung von Bedeutung sind.
Die Kritik an den Messsystemen, die gewöhnlich verwendet werden, um Kreativität zu messen, konzentriert sich nach Aussage von Hocevar und Badelar (vgl.in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 59) auf drei psychometrische Qualitäten: Reliabilität, diskriminante Validität und Konstruktvalidität.
Die Übereinstimmungsreliabilität ist für die Kreativitätsforschung von großer Bedeutung. Eine Anzahl der oben aufgeführten Ansätze (z. B. Experten-, Supervisoren-, Peer- und Lehrerratings) erfordert Menschen, die andere Menschen, Ideen oder Produkte beurteilen (ebd., S. 59). Diese Verfahren beinhalten besondere Probleme, weil entschieden werden muss, welches Niveau der Kompetenz ein Urteiler aufweisen sollte, und worauf die Beurteilenden achten sollen (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999,S. 45).
Verbunden mit dem Problem der Übereinstimmungsreliabilität ist das Problem, nach welchen Kriterien geurteilt werden soll, da die Anzahl der Kriterien potenziell unendlich ist (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 59) und diese innerhalb von Kulturen und Epochen Veränderungen unterworfen sind (vgl. Cropley 1980, S. 136).
Ein weiteres Problem ist die oftmals mangelhafte diskriminante Validität einiger Messverfahren der Kreativität. Weil Kreativität oft subjektiv gemessen wird, muss man hoffen, dass Beurteiler fähig sind, Kreativität von anderen Konstrukten wie beispielsweise Intelligenz zu unterscheiden, was, wie Hocevar und Badelar anhand einer Reihe von Studien aufzeigen, oft nicht der Fall ist. Weil Urteiler häufig Schwierigkeiten haben, Kreativität von anderen Konstrukten zu trennen, folgt daraus, dass sie häufig noch größere Schwierigkeiten damit haben, verschiedene Dimensionen der Kreativität zu unterscheiden. Hocevar und Michael demonstrierten, dass die Dimensionen von Tests zur Ermittlung des Grades divergenten Denkens eine fragwürdige diskriminante Validität aufweisen (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning, Reynolds 1989, S. 60 f. )
Kritiker glauben, dass Beweise für die diskriminante und prädiktive Validität im Allgemeinen immer noch fehlen. Angenommene Gründe für den Mangel an prädiktiver Validität variieren weitreichend. Es wird vermutet, dass Tests divergenten Denkens für Übungseffekte und Forschungsartefakte anfällig sind (vgl. Plucker, Renzulli in: Sternberg 1999, S. 40) und dass die Qualität von kreativen Beiträgen oftmals zugunsten des quantitativen Aspekts übersehen wird oder das der Einfluss sozioökonomischer Verhältnisse und intervenierender Lebensereignisse die Vorhersage von kreativen Leistungen im Erwachsenenalter allein auf der Basis von Tests des divergenten Denkens erschwert (ebd., S. 48).
Um überzeugend darzulegen, dass sog. Kreativitätstests tatsächlich Kreativität messen, bedarf es einer Langzeituntersuchung. Es wäre notwendig, zunächst Gruppen von Schülern mit hohen Werten bei Kreativitätstests zu identifizieren und dann ihr Verhalten im späteren Leben auf kreative Fähigkeiten hin zu überprüfen (vgl. Cropley 1980, S. 141). Dies wurde von verschiedenen Forschern (Torrance, Milgram, Runco, Rotter u.a.) praktiziert, welche mehrere Studien durchführten, die zumindest begrenzte diskriminante Validität und Beziehungen zwischen den in Tests des divergenten Denkens erzielten Werten und verschiedenen Kriterien, einschließlich kreativer Leistungen im Erwachsenenalter nachwiesen (vgl. Plucker/Renzulli in: Sternberg 1999, S. 49).
Konstruktvalidität ist gegeben, wenn sich Variablen aufeinander in einer logischen Weise beziehen. Jede der vorgestellten Ansätze der Kreativitätsmessung ist ein verbreitetes Verfahren zur Identifizierung des kreativen Talents. Weil jede Methode verwendet wird, um einen bestimmten Aspekt der Kreativität zu messen, wird erwartet, dass die Methoden hoch miteinander korrelieren. Hocevar und Badelar (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 61 f.) zeigen anhand einer Übersicht von Studien, dass Testwerte, die auf derselben Methode basieren, dazu tendieren, miteinander hoch zu korrelieren, Testwerte von unterschiedlichen Methoden jedoch keine signifikanten Korrelationen aufweisen (s. auch Cropley, S. 129). Diese Befunde sollten Anlass zu der Frage geben, inwieweit Kreativität als eine einheitliche Disposition zu sehen ist. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die verwendeten unterschiedlichen Methoden tatsächlich unterschiedliche Phänomene messen. Hocevar und Badelar erklären die Konfusion damit, dass viele der Verfahren der Kreativitätsmessung nur hypothetische Korrelate (wie beispielsweise divergentes Denken, bestimmte Persönlichkeitseigenschaften oder bestimmte Einstellungen und Interessen) messen. Obwohl es Anhaltspunkte für die Validität dieser hypothetischen Korrelate gibt, ist die Beziehung dieser Maßsysteme zur real-life Kreativität nicht 1 : 1. Deshalb sollten Korrelate nicht unkritisch als Kriteriumsmaße der Kreativität verwendet werden (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover/Ronning/Reynolds 1989, S. 62).
Krause (vgl. Cropley 1980, S. 135) hat darauf hingewiesen, dass die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Validität und der Reliabilität von den Bedingungen ihrer Anwendung beeinflusst werden. Krause weist außerdem darauf hin, dass die optimalen Bedingungen vom Alter abhängig sein können. Es kann also äußerst schwierig sein, die Reliabilität von Kreativitätstests festzustellen.
Ein weiteres Problem besteht in der ungebundenen Form der Beantwortung von Items in Kreativitätstests, deren Sinn darin liegt, den Modus kreativen Verhaltens außerhalb der Untersuchungssituation nachzuempfinden. Eine Auswertung mittels Schablone ist dadurch nicht möglich, was dazu führt, dass die Objektivität vermindert wird (vgl. Ulman 1968, S. 747; Amelang und Bartussek 1981, S. 223).
Welches Messverfahren der Kreativität ist nun das Beste?
Nach Auffassung von Hocevar und Badelar sind Tests der Fähigkeiten, Interessen und Persönlichkeit angemessen, wenn es das Ziel des Forschers ist, Kreativität zu erklären, aber sie sind nicht akzeptabel als Kriterium der Kreativität, denn Personen, die hohe Werte bei diesen Verfahren erzielen, sind nicht notwendigerweise auch kreativ (vgl. Hocevar/Badelar in: Glover, Ronning, Reynolds, S. 63), da wahrscheinlich Persönlichkeitsmerkmale und situative Bedingungen für die Erklärung kreativen Verhaltens berücksichtigt werden müssen (vgl. Amelang und Bartussek 1981, S. 223).
Messungen der Kreativität durch die Analyse kreativer Produkte oder durch die Anwendung eines Inventars kreativer Aktivitäten und Beiträge werden nach einer Übersicht über eine Reihe von Studien von Hocevar und Badelar (vgl.Hocevar/Badelar in: Glover, Ronning, Reynolds 1989, S. 64) als die besten der angebotenen Messverfahren erachtet, weil ihrer Ansicht nach das Verhalten in der Vergangenheit der beste Prädiktor zukünftigen Verhaltens ist.
Drei Kategorien der Kreativitätsmessung – Persönlichkeit, Interessen und divergentes Denken sollten nach Meinung von Hocevar und Badelar nicht unkritisch als Kriterium der Kreativität verwendet werden. Eher sollten sie als Korrelate der Kreativität betrachtet werden, die möglicherweise ursächlich verbunden, aber konzeptuell verschieden vom Kreativitätskonstrukt sind. Die Nützlichkeit der Einschätzung von anderen (Lehrern, Peers, Supervisoren) und biographischen Inventaren als Kriterien bleibt noch festzulegen.
Jenseits der Einschätzungen anderer ist es möglich, dass biographische Inventare einiges Potenzial als Maße der Kreativität aufweisen, weil sie oft kreative Aktivitäten und Beiträge enthalten, die den obigen Listen ähneln. Auf der negativen Seite können biographische Inventare oft Lebensereignisse einschließen, die nur als mögliche Korrelate der Kreativität klassifiziert werden können (vgl. ebd., S. 64).
In diesem Abschnitt soll das Verhältnis zwischen kreativen Prozessen und Problemlösungsprozessen einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Ansatzpunkte für eine Analyse beider intellektueller Prozesse ergeben sich hierbei aus den Phasenmodellen, die für beide Prozesse vorliegen und aus den empirischen und experimentellen Befunden und Erkenntnissen über die Struktur und Dynamik beider Prozesse.
Die Konzeptualisierung des kreativen Prozesses erfolgt in der Regel auf Grundlage der Konstruktion von Phasen- oder Stadienmodellen, welche die Aspekte des Prozessverlaufes in Form von Schemata theoretisch zu erfassen versuchen. Solche Modelle weisen neben dem allgemeinen Vorteil der Anschaulichkeit zugleich den besonderen Vorteil auf, spezifische Merkmale hervorzuheben, mittels derer man das kreative vom „normalen“ Problemlösen meint unterscheiden zu können (vgl. Floßdorf 1978, S. 35).
Generell bestehen diese Modelle aus vier bis sechs Prozessphasen, beginnend mit jenen, in denen das Problem definiert wird, gefolgt von jenen, in denen mögliche Lösungen gesucht und gefunden werden und endend mit jenen, in denen die Lösungen evaluiert werden (vgl. Nickerson in: Sternberg 1999, S. 394; Amabile 1983, S. 83 f.).
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